Inhalt der Episode:
- Was sind typische Bereiche in der Handwerksausbildung, in denen Digitalisierung eine Rolle spielt?
- Was war der Auslöser für Ihre Beschäftigung mit dem Thema?
- Wie reagieren die Beteiligten und Betroffenen (Meister und Auszubildende) auf das Thema?
- Wie hat sich die Meisterausbildung und -rolle dadurch schon verändern?
- Wie wird sich das Thema in der Zukunft noch weiter entwickeln?
- Welche Rolle wird KI in der Zukunft dabei spielen? Wo gibt es aktuell noch Grenzen?
- Wie wird sich die Digitalisierung im Bereich der Wissensvermittlung über die (Erst-)Ausbildung hinaus noch entwickeln?
- Welche neuen Chancen ergeben sich daraus, ggf. auch über die bisherigen Beteiligten hinaus, bspw. Richtung Handwerkskunden, Hersteller, …?
Notizen zur Episode:
Mitmachen?
Wenn Sie selbst ein interessantes Thema für eine Episode im Umfeld von Geschäftsprozessen haben, können Sie mir das auf dieser Seite mit Vorbereitungsfragen vorschlagen.
Ich freue mich darauf!
Artikel teilen auf ...
(Teil)automatisiertes Transkript
Episode 360 : Digitalisierung in der Handwerksausbildung
Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.
Götz Müller: Heute habe ich Emily Schultka bei mir im Podcast-Gespräch. Sie ist Ausbilderin bei der Handwerkskammer. Hallo Frau Schultka.
Emily Schultka: Hallo, genau. Also ich bin Ausbilderin bei der Handwerkskammer Region Stuttgart, genauer gesagt in der Bildungsakademie. Wir machen dort überbetriebliche Ausbildungen, unterrichten Servicetechniker und Meister, genau.
Götz Müller: Jetzt haben wir uns heute das Thema Digitalisierung in der Handwerksausbildung vorgenommen. Da jetzt nicht jeder meiner Zuhörer so ganz dicht im Thema Handwerk drin ist, vielleicht einfach mal an Sie die Frage: Was sind denn so typische Bereiche in der Handwerksausbildung, wo Digitalisierung eine Rolle spielt?
Emily Schultka: Also bei uns ist es hauptsächlich so, dass wir überbetriebliche Ausbildungen anbieten, oder na ja, was heißt anbieten, die sind Pflicht für die Azubis, und da spielt insofern eine Rolle, dass wir so bisschen von dem theoretischen weg wollen, bisschen mehr das Digitale reinbringen möchten durch AR-Software oder sowas, aber es lässt sich auch ganz einfach im Betrieb einsetzen, durch zum Beispiel 3D-Zeichnungen und so weiter. Genau.
Götz Müller: Was mich auch interessieren würde, was war denn bei Ihnen jetzt persönlich so der Auslöser? Das ist jetzt vielleicht irgendwie, ja, kommt mir jetzt gerade so, vielleicht ist es mein eingeschränktes Weltbild, weil Handwerk im Grunde halt, man arbeitet mit den Händen, natürlich spielen wir alle mit diesen netten Spielzeugen rum, aber, ja, ich will nicht sagen, es ist ein Widerspruch, aber es ist vielleicht ein Punkt eben, und deshalb stelle ich die Frage, was war der Auslöser, dass sie sich mit dem Thema für die Ausbildung als Handwerksmeisterin auch eben, ja, damit beschäftigt haben?
Emily Schultka: Also ein Thema sind aus meiner Sicht ganz oft die Kunden gewesen. Gerade wenn wir jetzt zum Beispiel das Thema Badsanierung nimmt. Viele haben halt nicht dieses räumliche Vorstellungsvermögen und denen fällt es dann schwer, wenn man sagt: Ja, da wird man das hinmachen und da das und so weiter. Und wenn man dann halt so eine 3D- Badplanung machen kann, dann stellen die sich das viel, viel leichter vor und so ähnlich ist es auch bei manchen Azubis. Die haben noch nicht immer die Berührungspunkte mit diesem Thema zum Beispiel gehabt, weil nicht jeder Betrieb alles abdecken kann. Das wäre ja auch, ich sage mal, unmenschlich. Es kann nicht jeder Betrieb so viel abdecken, das ist sehr umfangreich, und das versuchen wir damit aufzufangen, die erstmal bisschen in das Thema reintasten lassen quasi, genau.
Götz Müller: Weil sie ja im Grunde in den ersten Monaten des ersten Lehrjahrs möglicherweise völlige Newbies sind. Und ja, sonst bräuchten sie das Thema ja nicht, die Ausbildung, wenn sie, ja, es ist ja ein Henne-Ei-Problem ein Stück weit.
Emily Schultka: Ja, also das versuchen wir halt durch verschiedene Themen zu machen. Also das ist jetzt nicht unbedingt im ersten Lehrjahr, weil im ersten Lehrjahr sind die eigentlich hauptsächlich in der Schule, ab dem zweiten Lehrjahr sind die dann bei uns. Und da versuchen wir sie halt langsam an die Themen ranzutasten. Man merkt dann immer relativ schnell, wer hatte schon mit dem Thema zu tun, die tun sich manchmal bisschen leichter und das kann man halt auch ganz gut durch dieses, ja, spielerisches Lernen, sage ich mal, rausfinden.
Götz Müller: Jetzt kommt mir gerade noch ein ganz anderer Punkt, wo sie gesagt haben, in der Schule, im Betrieb und, ich glaube, so ein Begriff, der da dahintersteckt, duale Ausbildung, jetzt ist es ja, jetzt sind es aber eigentlich drei Elemente, kommt mir gerade so.
Emily Schultka: Ja, also im Prinzip sind wir, ja, wir nennen es immer der verlängerte Hebel oder Arm vom Chef, wie ich gerade gesagt habe, die Betriebe können nicht in alles abdecken, was das Praktische angeht, und in der Schule ist halt mehr so die Theorie, sagen wir so, und das, wo halt der Betrieb nicht abdecken kann, weil er zum Beispiel keine Gasanlagen verbaut oder so was oder auch nicht wartet, das versuchen wir denen dann beizubringen, genau. Also deswegen sind es eigentlich so die drei Punkte, aber wir gehören eigentlich mit zum Betrieb, ich sage es mal so ja.
Götz Müller: Okay, ja, die verlängerte Weltbank passt dann ja auch ein Stückle wieder. Jetzt haben wir ja ganz unterschiedliche Beteiligte, klassisch natürlich, haben Sie ja gerade schon ausgedrückt, die Auszubildenden, und da schwang dann mit eben in den Betrieben mindestens ein Meister, sonst würde er ja nicht ausbilden. Es kann für mich auch an, die Auszubildenden sind da scharf drauf, um es mal so auszudrücken, weil es halt ein modernes Thema ist. Wie reagieren aber vielleicht und jetzt stelle ich mal halt so, und da ich selber schon über 60 bin, darf ich das vielleicht sagen, jetzt stelle ich mir so ein, richtig gestandenen Handwerksmeister vor, der vielleicht mit dem Thema so gar nichts am Hut hat und jetzt, ein bisschen überspitzt ausgedrückt, dann kommt sein Auszubildender aus Ihrem Kurs zurück und erzählt ihm da und stößt dann vielleicht nicht auf das Vollverständnis, um es mal vorsichtig auszudrücken.
Emily Schultka: Das haben wir tatsächlich öfters, dieses Thema kommt ziemlich oft so vor. Ja, also das, ich sage jetzt mal, das ist ja jetzt nicht so, dass es von heute auf morgen funktioniert. Aber dadurch, dass man merkt, dass die Azubis halt so, ja, begeistert davon sind, versuchen wir das eigentlich auch bei den Betrieben und bei der Innung, die zu informieren. Also wir bieten immer Veranstaltungen an, letztes Jahr war die Innung bei uns, also die SHK-Innung, denen haben wir das alles gezeigt, dann war die ENBW da, die hat sich es auch mal angeschaut. Und so versuchen halt immer zu und das auch die selber ausprobieren zu lassen, dass sie merken: Hey, das hat doch irgendwie so einen Sinn dahinter. Genau, ja.
Götz Müller: Ja, und ich könnte mir auch vorstellen, so ein Gedanke, der mir gerade noch durch den Kopf schießt. Man spricht ja immer so, korrigieren Sie mich da gerne, es gibt eigentlich auch Nachwuchssorgen, das ist ja dann durchaus eine Chance das Thema ein bisschen attraktiver zu machen, oder?
Emily Schultka: Definitiv. Aber ich muss ehrlich sagen, wir haben eigentlich gar keine Nachwuchssorgen. Also ich sag jetzt mal so KFZ und SHK sind so mit die größten Gewerke. Also bei uns ist es nicht so ganz spürbar, sagen wir so, wir haben jetzt dieses Jahr so, also was die Ausbildungsverträge angeht, so viele wie schon lange nicht mehr, ich glaube bei uns sind bei uns gerade aktuell 460 Verträge drin im ersten Lehrjahr. Das ist schon einiges und wenn wir jetzt mal andere Gewerke anguckt, so was wie Buchbinder und so, das ist natürlich schon wieder was ganz anderes. Das ist ziemlich selten, aber was KFZ und SHK angeht, haben wir echt keine Nachwuchsprobleme. Also da haben wir mehr als genug, wir wissen gar nicht wohin damit, ich sage es mal so. Das ist halt schon ein guter Zuwachs, sagen wir so, ja.
Götz Müller: Ja, jetzt könnten wir, also natürlich unter Umständen ja sogar spekulieren. Vielleicht liegt es genau an sowas.
Emily Schultka: Kann gut sein, dass es an sowas liegt, ja. Also wir versuchen immer viel Werbung zu machen, viel dieses, ja, auch mit dem ganzen Digitalen rauszubringen, die anzuspornen quasi. Wir bieten Praktika an oder ja auch die Betriebe, die machen das ja teilweise auch. Deswegen kann auch schon das der Grund sein, ja.
Götz Müller: Ja, und es könnte vielleicht dann auch eben für den ein oder einen skeptischen Handwerksmeister so à la 'neumodischer Kram, zu was brauche ich denn das?“, ja eben auch eine Chance sein. Oder eben auch für die ganz anderen Branchen, ich greife jetzt das auf, was Sie gerade gesagt haben. Falls jetzt ein Buchbinder zuhören sollte, vielleicht ist das ja eine Möglichkeit eben die Attraktivität noch ein bisschen auszubauen.
Emily Schultka: Genau. Also es kommt, glaube ich, auch immer stark aufs Gewerk drauf an. Ich sage jetzt mal so im SHK-Bereich ist es ein bisschen einfacher, würde ich behaupten. Da kann man es auch gut in Betrieben einsetzen. Also wenn da jetzt ein Azubi kommt, der ist so begeistert von dem Thema, oder irgendjemand kommt bei uns zur Weiterbildung, wir bringen das mit dem Zeichnen am PC bei und so weiter. Das ist ja alles so mit diese Digitalisierung und wenn der das halt mit in den Betrieb dann nimmt und das dann so vorstellt, dann stellen schon auch einige um von Handzeichnungen zum Beispiel auf Programme oder sowas. Und, ja, ich weiß jetzt nicht, inwieweit es bei Buchbindern oder so funktionieren würde, aber ich glaube, es wäre schon ein Ansporn, ja. Bei uns in der KFZ zum Beispiel erleichtert es enorm, weil man quasi mit dem Tablet am Auto entlanglaufen kann und dann zeigt es die ganzen Bauteile innendrin an und so weiter das ist erst mal zum Lernen, echt super. Genau.
Götz Müller: Jetzt haben wir uns bisher stark auf die Auszubildenden, die also ihre, heißt es noch so, Gesellenausbildung machen. Jetzt gibt es aber natürlich auch die Meisterausbildung und da wäre dann meine Anschlussfrage. Wie ändert sich einerseits die Meisterausbildung, aber eben dann auch in der Folge die Rolle unter Umständen durch digitale Elemente in der, nennen wir es mal Basisausbildung?
Emily Schultka: Mhm. Also, ja, also ich kann das hauptsächlich primär fürs SHK-Gewerk sagen, sagen wir so, das ist so mein Hauptsteckenpferd. Da hat es sich im Meister insofern verändert. Früher musste man so einen Meisterbau machen, quasi ein Haus planen und dann auch ausführen in der Praxis. Es hat sich insoweit verändert, dass man jetzt dieses Haus auf Papier quasi planen muss und das alles in solchen Programmen zeichnen muss. Man muss das Programm verstanden haben, lernen, damit umzugehen, das alles richtig einzusetzen. Man kann mit dem Programm auch ausrechnen und so weiter, kann 3D-Modelle erstellen und sowas. Das hat sich insoweit schon stark verändert, würde ich sagen, die letzten Jahre und das sind alles solche Sachen, auch das mit der Angebotserstellung oder Buchhaltung zum Beispiel, das macht man jetzt alles mit so Programmen, das hat sich insofern schon verändert, ja genau.
Götz Müller: Ja, ich könnte mir auch vorstellen, dass dadurch bestimmte Hürden vielleicht sogar abgebaut werden, weil ich halt nicht mehr so, also wie gesagt, ich bin da eher Laie, dieses klassische Meisterstück, was ja unter Umständen, wenn es um die Umsetzung einer ganzen Hausinstallation geht, ja nicht mal so geschwind aus dem Ärmel geschüttelt ist. Und dann eben, weil ja auch dann physisch Dinge notwendig sind, wenn ich das jetzt einem, ja, da ist der Fachbegriff, soweit ich ihn kenne, digitaler Zwilling, wenn ich das mit dem mache, wird es ja unter Umständen eben, rein dieser Kostenaspekt fällt dann unter Umständen weg.
Emily Schultka: Ja, also ich sage mal so Meisterbau war schon ziemlich zeit- und kostenintensiv. Man darf das aber auch jetzt nicht unterschätzen, weil dieses Meisterprüfungsprojekt je nachdem, wie gut man das machen möchte, kostet auch ziemlich viel Zeit und Nerven, ich sage mal so. Also da steckt man schon ein paar 100 Stunden rein, sagen wir es so. Ja, und man hat ja trotzdem mit Meisterprüfungsstück, also auch trotzdem ein Praxisstück. Das sind auch, ja, nicht wenige Kosten natürlich. Natürlich nicht so viel wie früher, klar, aber es hat sich insoweit schon verändert. Genau, ja.
Götz Müller: Ja, aber ich kann mir eben vorstellen, wenn jetzt ein Meister in spe, also in der Ausbildung selber eben mit den Dingen, mit digitalen Elementen schon, ja, nennen wir es mal, konfrontiert wird, tut er sich natürlich dann selber wahrscheinlich hinterher halt leichter wie jemand, der das jetzt halt, der vielleicht vor zwanzig oder dreißig Jahre seine Meisterausbildung gemacht hat, und das gab es halt damals noch nicht. Wie wir es vorhin angerissen haben, der tut sich da jetzt vielleicht eher schwer.
Emily Schultka: Genau, ja. Und das ist, glaube ich, so auch das, wovon man voneinander wieder profitieren kann. Also man hat ja nicht nur immer einen Meister vielleicht im Betrieb, da kann man sich ja dann gegenseitig unterstützen, das ein bisschen beibringen, wenn derjenige das möchte. Also man arbeitet ja in der Zwischenzeit auch viel mit Tablets, dass man die ganzen Rapporte ja nicht mehr per Hand schreiben muss, erleichtert sehr, sehr viele Wege und Zeit. Da kann man sich so langsam miteinander rantasten, das in der Firma umstellen. Also ich glaube, da ändert sich jetzt in den nächsten Jahren schon auch einiges.
Götz Müller: Ja, unter dem Strich eben das, was Sie ganz am Anfang gesagt haben, wenn es dann Richtung Kunde geht und der vielleicht, ja, ob er es jetzt wirklich erwartet, weil er es vielleicht noch gar nicht kennt, so ein digitales 3D-Modell, wenn er es kennt oder selbst, wenn er es nicht kennt, wird er ja vermutlich eher freudig überrascht sein und wenn dann eben der Betrieb mit diesem Werkzeug umgehen kann, würde ich jetzt sagen, kann es im Grunde nur helfen.
Emily Schultka: Ja, also ich habe das super gerne bei Kunden so gemacht. Denen hat das eigentlich immer gefallen. Ich habe das immer so versucht zu machen, dass ich mehrere Vorschläge zum Beispiel fürs Bad mache, weil viele sich noch nicht sicher sind – möchten wir das wieder genauso haben wie früher, oder wollen wir doch irgendwas anders anordnen – und so kann man sich das halt besser vorstellen, deswegen waren die schon relativ dankbar, dass sie da mehrere Vorschläge hatten. Dann kann man sich das einfach viel, viel besser vorstellen und da habe ich halt noch die dann mit in die Ausstellung begleitet, dass man da noch mal das Passende aussuchen kann, weil manche haben zum Beispiel die Idee: Ja, machen wir doch das Waschbecken unterhalb vom Fenster. Ja, das Fenster muss man dann aber auch noch aufkriegen. Das sind alles so Kleinigkeiten, wo man dann halt erstmal bemerkt, oder der Kunde, sagen wir es so. Und dann kann man halt auch in der Ausstellung das Passende dafür finden, dass es funktioniert, so wie er es haben möchte.
Götz Müller: Ja, kann ich mir gut vorstellen, dass die Dinge hinterher dann zusammenpassen.
Emily Schultka: Genau.
Götz Müller: Gut, wenn wir jetzt über Digitalisierung reden, glaube ich, ist es nur ein kleiner Schritt auf so ein anderes, gerade aktuelles Thema, KI, zu kommen. Was ist da Ihr Gefühl oder Ihr Eindruck, Ihre Prognose vielleicht, welche Rolle wird da KI im Handwerk spielen, wo sehen Sie vielleicht aber auch noch Grenzen?
Emily Schultka: Also das sehe ich sogar im Moment noch sehr viele Grenzen, muss ich sagen. Ich versuche es oft mal, ja, zumindest auszuprobieren, sagen wir es so, es kommt nicht immer das raus, was es sein sollte, sagen wir so. Also man muss schon sehr viel nachkontrollieren, man kann sich nicht zu 100% drauf verlassen. Deswegen bin ich, was das angeht, noch ein bisschen skeptisch, dass es im Handwerk ja seinen Platz findet, sag ich mal. Für uns auf der Bildungsseite ist es bisschen einfacher, aber wenn ich mir das jetzt vorstelle, ich stehe auf der Baustelle, frage ich mich, was es für einen Nutzen für mich haben könnte, bin ich ehrlich. Wie gesagt, für uns in der Bildung ist es ein tolles Tool, nutze ich super gerne, weil es einfach mal, ja, meine ein bisschen bessere Suchmaschine im Moment ist, sage ich so, aber es funktioniert halt nicht zu 100%. Also genau, und das ist so meine Perspektive dafür.
Götz Müller: Ja, da kommt mir jetzt gerade eben der Gedanke in den Sinn, ich meine generative KI an der Stelle dann ja eben auch, fantasiert mal ganz gerne mal was zusammen und würde dann vielleicht das Waschbecken irgendwie unters Fenster bauen, was aber halt jemand der Erfahrung hat, ziemlich schnell erkennt, dass es jetzt keine gute Idee ist.
Emily Schultka: Ja, also deswegen bin ich von der praktischen Seite her, wenn man das für die Baustelle überdenkt, noch nicht so überzeugt. Vielleicht bessert sich das auch in den nächsten Jahren, wer weiß, aber ich denke mal so, wie Sie gerade gesagt haben, derjenige, wo viel Erfahrung schon hat, der braucht da jetzt keine KI, das sieht er mit einem Blick, dass es nicht funktioniert. Vielleicht gerade am Anfang, wenn man sich noch nicht sicher ist oder so, wäre das schon etwas, wo einem helfen könnte. Ich bin da aber eher so der Freund: Hey, was sagen meine Kollegen dazu? Vielleicht haben die auch eine Idee, die haben meistens dann mehr Erfahrung, dann profitiert man wieder voneinander, aber ja, in manchen Betrieben gibt es ja nicht so viele Kollegen, vielleicht wäre das dann so eine Option.
Götz Müller: Ja, also da nutze ich's zum Beispiel ganz gerne einfach für Brainstorming und da sind ja mehr Ideen immer besser wie weniger Ideen. Wenn wir uns jetzt noch mal bisschen auf das Thema Digitalisierung und Wissensvermittlung, auch über die Erstausbildung und die Meisterausbildung, also die, ja, vielleicht Begriff formale Ausbildung hinaus, was würden Sie sagen, wo es da noch weitere Bereiche gibt, wo man Wissen eben noch vermitteln kann, muss, vielleicht sogar.
Emily Schultka: Ja, wo man Wissen, ja, schwierig. Man merkt halt schon, dass noch einige damit hapern, was Digitalisierung tatsächlich angeht, dass sie, ja, wie soll ich das jetzt sagen? Gute Frage. Ich sage mal so, die haben noch ein bisschen Probleme damit, sich darauf einzulassen, auf die Digitalisierung, so ein bisschen. Das ist jetzt zum Beispiel so ein kleines Hindernis für die Azubis, die würden gerne, können, aber nicht, weil ja zum Beispiel der Chef jetzt sagt: Hm, nee, wir wenden vielleicht doch keine Tablets an. Oder ja, ich glaube, da ist einfach noch Schulungsbedarf da, weil die sich selber unsicher sind und – dann könnte der Azubi ja vielleicht doch was besser als ich – sozusagen. Das ist, glaube ich, noch so ein bisschen ein Hindernis, das uns das ein bisschen erschwert. Also da bräuchten wir schon noch ein bisschen Schulung, würde ich sagen, dass man da ein bisschen Wissen verbreitet, ja. Ich sehe es auch bei meinen Kollegen, die sind ja nicht alle so in meinem Alter, die sind auch ein bisschen älter und da merkt man halt schon den Unterschied, dass manche halt besser damit zurechtkommen und manche nicht. Und da ist es halt einfach wichtig, dass jemand da ist, der so bisschen an die Hand nimmt und, ja, denen sagt: Hey, es kann eigentlich nichts passieren. Mehr als falsch was eintippen oder so, kannst du nicht und das ist halt wichtig.
Götz Müller: Ja, ich könnte mir eben vorstellen, dass es jemand, der grundsätzlich dem Thema offen gegenüber steht, als Handwerksmeister, als Inhaber von dem Betrieb, wenn du jetzt hier an der Stelle die Chance nutzt, über seinen Auszubildenden halt neue Elemente reinzukriegen, dadurch ein Stück weit wahrscheinlich auch dessen Selbstbewusstsein durchaus fördern kann und halt das Wissen dann auch vielleicht gegenüber anderen, gestandenen Gesellen vermitteln kann und dadurch noch mal ein bisschen vertieft und grundsätzlich das auf eine breitere Basis stellt.
Emily Schultka: Ja. Also sehe ich echt genauso, weil ich glaube, da müssen wir einfach uns gegenseitig so voneinander profitieren lassen. Der bisschen Ältere hat vielleicht mehr Erfahrung als wir, aber dafür haben wir mehr von dem Digitalen und da müssen wir uns so bisschen gegenseitig aus der Hand nehmen, quasi. Das finde ich echt wichtig, dass man da gut zusammenarbeiten kann. Genau.
Götz Müller: Noch ein anderer Gedanke, der mir durch den Kopf geht: Welche Rolle, sofern es da eine Rolle gibt, spielen jetzt eventuell aber auch Hersteller? Jetzt denke ich gerade halt beim Sanitärhandwerk natürlich nicht mehr nur an die, in Anführungszeichen, einfachen Öl- oder Gasöfen, sondern halt Dinge wie Wärmepumpen, wo dann plötzlich neue Technologien auftauchen, könnte ich mir vorstellen, dass jetzt vielleicht ein Hersteller auf die Idee kommt: Ja, ich biete meinen Kunden, also sprich den Handwerksbetrieben, biete ich so etwas auch an. Und jetzt sagen, und jetzt stehen die natürlich vielleicht so ein bisschen dann auch zwischen den Stühlen, oder sitzen zwischen den Stühlen, einerseits verstehen sie es hoffentlich, dass es wichtig ist und andererseits ist halt etwas neues und da könnte ich mir eben vorstellen, dass jetzt Ihre Rolle bei der Handwerkskammer vielleicht da auch wieder eher unterstützend sogar wirken könnte, so im Sinne von: Hey, ihr könnt euch das bei uns mal anschauen, wie so etwas funktioniert.
Emily Schultka: Ja, also wir arbeiten tatsächlich eng mit Herstellern zusammen. Was für uns jetzt in den letzten Jahren, ja, schon oft eine Erleichterung war, dass viele Hersteller ja alles auch auf digital umgestellt haben. Das heißt, ich kann, habe einen Onlinezugang beim Hersteller. Ich kann da nicht nur bestellen, sondern ich kann auch auf Daten zugreifen von zum Beispiel der Wärmepumpe oder Sonstiges. Da habe ich quasi so einen Datenpool, wo ich mir das rauspicken kann, was ich gerade brauche, muss nicht immer unbedingt mehr beim Hersteller anrufen oder nachfragen, kann mir das halt rauspicken. Dann bieten sie auch in der Zwischenzeit viele Online-Schulungen an. Das heißt, ich kann mir auch die Zeit nehmen und das online machen, muss nicht unbedingt zum Hersteller fahren, weil der nächste ist vielleicht nicht gerade in der Nähe, das sind halt solche Dinge. Ja, aber ich glaube, so arg viel weiter zu denken, dass da vielleicht Videos kommen, wie mache ich was, oder so, finde ich eher schwierig, weil ich glaube, einen guten Handwerker macht es aus, wenn er weiß, welche Schrauben er anfassen müsste und nicht das in dem Video zum Beispiel gesagt wird: Hey, du musst die Schraube linksrum drehen und nicht rechtsrum oder sowas. Da würde ich als Kunde dann danebenstehen und sagen: Hoppla, was will denn der bei mir, kann da eigentlich gleich wieder gehen. Da hätte ich eher Angst, was der bei mir an der Anlage macht. Aber wenn man das so einfach, ja, ein bisschen ausbaut, dass da vielleicht noch mehr Unterlagen drin sind, ein bisschen mehr Online-Schulungen oder so. Das hilft auf jeden Fall schon mal weiter, ja.
Götz Müller: Ja, mir kam da gerade, Sie hatten es ja eigentlich gesagt, die KFZ-Branche, Werkstätten in den Sinn, weil ich da ein bisschen schon Projekte gemacht habe. Da habe ich so das Gefühl, das soll jetzt keine Wertung sein, aber dass da auch von der Herstellerseite aus das Thema schon bisschen weiter ist, vielleicht auch, weil natürlich das Thema insgesamt ein bisschen komplexer ist.
Emily Schultka: Ja, also da ist es tatsächlich bisschen weiter, die können da auf ja viel mehr zugreifen, haben viel mehr Infos auch von den Herstellern als wir teilweise, wobei man auch sagen muss, bei uns so die Grundtechnologie, wenn man sich Öl oder Gas anschaut, hat sich jetzt nichts geändert. Das heißt, da bräuchte ich nicht unbedingt mehr. Und das Thema Wärmepumpe, das wäre jetzt schon was, wo man weiter ausbauen könnte. Das hat aber halt auch bei uns den Hintergrund, wenn ich an der Wärmepumpe mehr arbeiten wollen würde, bräuchte ich noch mal eine Zusatzqualifikation, ich bräuchte also einen Kälteschein, damit ich mehr dran machen kann, also das ist immer so ein Einschränkungs-, ja, nicht Problem, aber ich glaube, durch diese Einschränkung ist es dann nicht so ganz weiterentwickelt und da müsste man gucken, dass man das irgendwie noch so weit bringen kann so ja.
Götz Müller: Ja, aber ich höre eben auch raus, dass das Thema Ausbildung grundsätzlich gar nicht statisch ist, wie sie Sie jetzt mit dem Kälteschein gesagt haben und egal wie jetzt, aktuelle Situation, die Dinge ausgehen, werden Wärmepumpen weiter attraktiv gefördert in irgendeiner Form oder wieder gefördert und will man halt das Öl und Gas noch weiter reduzieren, kann es ja für die Betriebe im Grunde genommen nur hilfreich sein, wenn sie dort in der Lage sind, sich eben auch weiterzuentwickeln, weil sie sonst im Extremfall auf der Strecke bleiben würden, ja.
Emily Schultka: Ja, also das ist auch ganz arg wichtig. Deswegen bieten die Hersteller jetzt immer mehr an. Ich glaube, das kommt jetzt erst so langsam. Ja, also ich hoffe, dass es sich noch weiterentwickelt, weil um dieses Thema Wärmepumpe kommen wir ja mit der gesetzlichen Lage nicht wirklich drum rum, das heißt über kurz oder lang werden wir sehr viele Wärmepumpen im Programm haben bei den Kunden. Das heißt, da wird sich im bisschen mehr drauf versteift und deswegen denke ich auch, dass da jetzt, ja, die nächsten Jahre mehr kommen wird, in welcher Hinsicht das kommt, weiß ich jetzt nicht, aber wird bestimmt noch mehr werden.
Götz Müller: Jetzt zum Abschluss, mit ein bisschen einem Blick auf die Uhr. Ich stelle immer zum Schluss eine Frage, was lässt sich auf andere Branchen übertragen? Wir hatten das ja schon mindestens zwei Branchen, irgendwie haben wir zumindest eine davon ein bisschen auch angerissen. Was ist so ihr Gefühl, was vielleicht eben andere daraus lernen können, was für Sie unter Umständen vielleicht schon fast wieder ganz natürlich ist, weil Sie es jetzt schon eine Weile machen, wo eben, und jetzt nehmen wir halt den Buchbinder, in der Hoffnung, dass jetzt vielleicht an der Stelle doch keiner zuhört und dann schimpft, warum zieht er jetzt über uns her, könnte ja auch eine Chance sein, für andere Branchen, Handwerksbranchen?
Emily Schultka: Ja, also ich hoffe, dass ja auch so kleinere Gewerke, sage ich mal, ein bisschen davon profitieren, dass es bisschen attraktiver wird. Gut, klar, das Handwerkliche wird immer bleiben. Wir arbeiten mit unseren Händen, klar, aber man kann sich das Drumherum erleichtern, sage ich mal so durch das ganze Digitale und viel macht ja auch gerade dieses digitale Spaß und, ja, also ich denke mal, man kann es gut auch auf andere Branchen übertragen und wenn es bloß mit dem Tablet arbeiten ist, irgendwas zeichnen, oder, ja, ich kenn mich da jetzt bei anderen Gewerken nicht so gut aus, aber die müssen bestimmt auch irgendwelche Pläne erstellen oder sowas. Ich denke mal, das wird schon irgendwie in dem Sinne möglich sein, das zu übertragen.
Götz Müller: Ja, ich glaube, das, was die große Gemeinsamkeit ist, eben neuen Dingen auch mal offen gegenüberstehen, selbst wenn es erst mal ungewohnt ist und selbst wenn vielleicht dann im Extremfall der Auszubildende sich mit dem Thema besser auskennt, aber es ist ja immer eine Chance, sich da immer noch ein bisschen weiterzuentwickeln.
Emily Schultka: Genau ja. Also ich denke mal, das ist für jede Branche eigentlich attraktiv. Da muss jede Branche selber gucken, wie weit man das in dem Gewerk halt machen könnte, das zu wissen die selber am besten, klar, aber ich denke mal so ein Stück weit haben wir das alle gemeinsam, dass wir irgendwie diese Digitalisierung möchten.
Götz Müller: Ja, weil es vielleicht unterm Strich dann irgendwann die Kunden einfach wollen, weil es halt gewisse Vorteile hat und im Extremfall merkt man es, in Anführungszeichen, nur im Geldbeutel, aber das kann ja auch eine Motivation sein.
Emily Schultka: Ja, genau.
Götz Müller: Gut, prima. Ich danke Ihnen also, Frau Schultka, an der Stelle für Ihre Zeit, wenn es für Sie in Ordnung ist, werde ich auch Ihre Kontaktdaten reinnehmen in die Notizen und dann, vielleicht hört jemand zu aus einem ganz anderen Kontext und sagt da, das ist interessant, da möchte ich mehr darüber wissen und dann wären Sie ja unter Umständen auch eine gute Ansprechpartnerin.
Emily Schultka: Jawohl, vielen Dank. Ich bedanke mich auch, war sehr schön.
Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Emily Schultka zum Thema Digitalisierung in der Handwerksausbildung. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 360.
Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freue ich mich über Ihre Bewertung bei Apple Podcasts. Sie geben damit auch anderen Lean-Interessierten die Chance, den Podcast zu entdecken.
Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.
Jetzt eintragen und Artikel/Denkanstöße zukünftig per eMail erhalten.
Artikel teilen auf ...
Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.