Inhalt der Episode:
- Was war der Auslöser sich mit der Vernetzung von Schweißprozessen zu beschäftigen?
- Welchen Nutzen ziehen die Anwender aus dieser Vernetzung?
- Welche Elemente werden dabei vernetzt?
- Wie bilden sich diese Elemente auf den Schweißprozess ab?
- Wie sieht der Vernetzungsprozess allgemein aus?
- Welche Komponenten sind dabei beteiligt?
- Welche Hürden bestehen dabei?
- Welche allgemeinen Aspekte sollten bei der Digitalisierung beachtet werden?
Notizen zur Episode:
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Wenn Sie selbst ein interessantes Thema für eine Episode im Umfeld von Geschäftsprozessen haben, können Sie mir das auf dieser Seite mit Vorbereitungsfragen vorschlagen.
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(Teil)automatisiertes Transkript
Episode 364 : Vernetzte Schweißprozesse
Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.
Götz Müller: Heute habe ich Samuel Mann bei mir im Podcast-Gespräch. Er ist der Gründer und Geschäftsführer von welded.io Hallo Herr Mann.
Samuel Mann: Hallo, ganz herzlichen Dank für die Einladung.
Götz Müller: Ja, schön, dass Sie dabei sind heute. Ich habe jetzt ja schon ein kurzes Stichwort zu Ihnen gesagt, aber stellen Sie sich gern noch mal in ein paar Sätzen den Zuhörern vor.
Samuel Mann: Ja, ganz lieben Dank. Ja, mein Name ist Samuel Mann. Wie eingangs erwähnt, ich bin eigentlich Maschinenbauer von Beruf aus oder von der Ausbildung aus, habe in Aachen am ISF promoviert, dann die Plasma Additive GmbH mitgegründet und jetzt quasi die welded.io, ja, und kümmere mich um Digitalisierung, Vernetzung, Daten rund um Schweißprozesse.
Götz Müller: Genau, und das war halt schon das Stichwort, unserer Episode auch und bei so einem, ja, Stichwort Vernetzung von Schweißprozessen, bin ich ganz neugierig. Was war der Auslöser dafür, ich gehe mal davon aus, da haben wir jetzt nicht irgendwelche Schweißgeräte mit der Fahne gewinkt, hier vernetzt mich mal?
Samuel Mann: Genau, das ist richtig. Also mein Schwerpunkt war immer Sensorikautomatisierung. Deswegen bin ich da so reingerutscht, mehr oder weniger. Ich glaube, im Jahr 2018 ging es los, dass am ISF der Schwerpunkt Industrie 4.0 so ein bisschen weiterentwickelt wurde, da kam dann die ersten Veröffentlichung, die ersten Arbeiten dazu und dann ging es weiter mit dem Exzellenzcluster Internet of Production, der an der RWTH schon ein paar Jahre lang lebt und so hat sich quasi, ja, die Arbeit in der Richtung entwickelt und zum Schluss der Wunsch natürlich das, was so in der Forschung passiert, in die Praxis zu bringen, deswegen halt die Ausgründung mit der Plasma Additive und jetzt der welded.io, um das, was man so erforscht hat, entwickelt hat, auch nutzbar zu machen.
Götz Müller: An der Stelle von mir noch eine Nachfrage: für was steht ISF?
Samuel Mann: Das ist das Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik der RWTH Aachen, das ist unter Leitung von dem Herrn Professor Reisgen. Genau. Das ist so ein historisch gewachsener Name, aber das ist, genau, ein Institut an der RWTH Aachen.
Götz Müller: Wenn man jetzt Vernetzung in dem Kontext anstrebt, macht man das ja nicht aus Spaß an der Freude, um es mal so flapsig auszudrücken, sondern die Anwender, die dann die Vernetzung nutzen, sollen daraus dann ja einen Nutzen ziehen. Und was ist das, so ganz dumm, naiv nachgefragt?
Samuel Mann: Genau. Richtig. Genau das ist ein richtiger Punkt, ne, das soll jetzt kein Selbstzweck sein. Vernetzung, Industrie 4.0 soll kein Selbstzweck sein und da lohnt es sich vielleicht ein bisschen auszuholen und sich den Schweißprozess anzugucken. Wahrscheinlich sind Ihre, ja, sind die Leute, die Ihren Podcast hören, jetzt nicht so vertraut mit Schweißtechnik. Das Problem beim Schweißen, dass es halt oder ist vielmehr, dass es ein, ja, ein spezieller Prozess ist. Speziell tatsächlich nach Norm. Ich glaube nach DIN 9000, weil man so schlecht ins Schweißmittel mit reingucken kann. Also das, was die Qualität beim Schweißen ausmacht, ist eigentlich immer irgendwie im Werkstoff verborgen, in der Schweißnaht verborgen und deswegen ist es superschwierig Qualität zu überwachen bei Schweißprozessen, zu bewerten, ohne die Schweißwand zu zersägen, kaputt zu machen und das macht quasi ja die Datenanalysevernetzung grundsätzlich so spannend. Deswegen ist Qualität, Überwachung in dem Kontext so ein Thema und der Nutzen ist beim Thema Vernetzung rund um Schweißprozesse eigentlich immer dann gegeben, wenn man Transparenz schafft über Sensorik, über diese Daten und Handlungsfähigkeit am Ende, um dem Problem der schlecht bewertbaren Qualität gerecht zu werden. Um dann natürlich auch irgendwo, ja, Kosten zu reduzieren und Qualität zu steigern und all das, was daran hängt.
Götz Müller: Wenn ich den Begriff Vernetzung höre, dann denke ich spontan immer eben an die, nennen wir es mal Elemente, so etwas gibt es ja auch im menschlichen Kontext, da sind es halt dann Menschen, die miteinander vernetzt werden. Wenn man das jetzt auf die Technik überträgt, könnte ich mir vorstellen, dass man es eben auf einzelne, ja, ich nenne es jetzt mal Elemente runterbrechen kann, die irgendwo in Kategorien einteilen kann, was diese Elemente eben machen. So wie ein Mensch in einem Netzwerk ja auch etwas macht.
Samuel Mann: Ja, also genau das ist ein spannender Punkt. Gerade wenn es so um Vernetzung in Produktionssystemen geht, ne, dann hat man ganz viele, total diverse Daten und Informationsquellen, wenn man das ein bisschen weiter abstrahieren möchte. Da geht es von schon digitalen Anlagen, SPSen oder beim Schweißen schon digitalen Schweißprozessen oder Schweißgeräten. Und da ist jetzt erstmal natürlich die Frage, wie können diese verschiedenartigen Datenquellen zusammengelegt werden, verknüpft werden in einem, ja, homogenen System und dann nutzbar gemacht werden. Und das fängt halt an mit schon digitalisierten Systemen, die schon Schnittstellen bieten oder, und so machen wir das, halt mit dedizierter Sensorik, die man recht unkompliziert anschließen kann und die dann schon für aufwendigere Modellbildung geeignete Daten erzeugen und sich auch leicht vernetzen lassen. Also das ist so eine grobe, vielleicht so eine grobe Idee. Ich hoffe, das geht so in die Richtung der Frage.
Götz Müller:Samuel Mann: Also, was wir viel machen ist Lichtbogenschweißen, das ist wahrscheinlich so das große Rückgrat der Schweißtechnik, beim Schmelzschweißen, das ist so das, was man halt irgendwie, ja, vielleicht kennt, wenn es weihnachtlich funkelt und brutzelt. Und was da immer eine Rolle spielt, ist Schweißstrom und Schweißspannung, die quasi schon inhärent im Prozess mehr oder weniger mitlaufen und eine Aussage geben können darüber, was im Prozess passiert. Prozess kann man vielleicht auch hier ein bisschen differenzieren, das wäre eigentlich das Verfahren, also in dem Fall, wie zum Beispiel letztendlich beide Werkstücke zusammenschmelzen, wie der Tropfen abgelöst wird und was dann in diesem Zeitraum kurzfristig passiert. Das sind Größen, die superspannend sind. Dann erfassen wir die Lichtbogenstrahlung, das heißt die Strahlungsintensität aus dem Lichtbogen in einer sehr hohen zeitlichen Auflösung und was zum Beispiel auch super aussagekräftig ist, das sind Bilddaten, also einfach, ja, auf dem Schweißprozess zugeschnittene Kameras, die zum Beispiel HDR-Bilder erfassen, um die Prozesszone zu bewerten, zu betrachten und daraus Merkmale zu generieren und das ist so, vielleicht so die große Bandbreite an Sensorik, die man jetzt dediziert quasi einen Prozess legen kann. Dann gibt es natürlich Schweißgeräte, die schon ein Gefühl dafür haben, was gerade im Prozess passiert, welche Daten oder wie Strom und Spannung konkret aussehen, die man quasi adressieren kann und dann halt irgendwie auch mit vernetzen kann. Das ist so die große grobe Richtung an Sensorik.
Götz Müller: Ich hatte Sie ja auf einem Vortrag kennengelernt. Was ich da sehr spannend fand, dass ja durchaus das auch ein bisschen vom, ja, aus meiner laienhaften Sicht vom reinen Schweißen weggeht, sondern, und von dem Werkstück und von dem Werkzeug weggeht, und das so in dem Umfeld, in der Umwelt und da ist mir dann wieder eingefallen, vor vielen Jahrzehnten, wo ich mal ein Schweißgerät das erste und einzige Mal, ein Schweißgerät in der Hand hatte, hat das ziemlich gestunken auch, da hab ich bei Ihnen eben auch rausgehört, dass das durchaus auch Elemente sind, wo man hinschaut.
Samuel Mann: Richtig. Also das Thema, was Sie wahrscheinlich jetzt hier ansprechen, ist das Thema Schweißrauch. Beim Lichtbogenschweißen entsteht, je nachdem, welches Verfahren man da verwendet, sehr viel Dreck, sehr viel Schweißrauch, der halt 2018 offiziell als krebserregend eingestuft wurde und seitdem werden natürlich die Grenzwerte weiter reduziert und noch mal deutlich mehr Aufwand getrieben, um die Mitarbeiter vor Schweißrauch zu schützen und an der Stelle haben wir quasi, auch aus Vorarbeiten am ISF, von Herrn Eber zum Beispiel, diesen Schweißrauchsensor mit untergebracht, der zeitlich aufgelöst Partikel misst. In dem Fall halt Schweißrauch-Partikel und dieser Sensor erlaubt einem halt das erste Mal wirklich zeitlich hochaufgelöst zu zeigen, wo sich Schweißrauchkonzentrationen anhäufen, wie sie sich verhalten über die Zeit und ganz wichtig halt, was man dagegen tun kann, also wie man aus diesem Wissen heraus, aus diesen Daten heraus, handlungsfähig wird. Das kann bedeuten, dass man die Absaugung optimiert. Das kann bedeuten, dass man die Nachlaufzeiten der Absaugung meinetwegen verlängert oder die Absaugung direkt auf Grundlage dieser Schaltung schaltet oder meinetwegen den Mitarbeitern zeigen kann: Ah, okay, hier in dem Bereich haben wir gerade hohe Konzentrationen, jetzt sollte man besser aufpassen oder mal die Absaugung anschmeißen oder so. Genau, und das ist eigentlich ein wunderbares Beispiel, an dem man sehen kann, wie, wenn man mit eigentlich relativ einfachen Mitteln, also relativ einfacher Sensorik, wenn man so möchte, einen super Mehrwert schaffen kann, indem man diese Daten zusammenlegt und dann im besten Fall noch mit einer Automatisierungstechnik verknüpft.
Götz Müller: Mhm, jetzt da dann noch mal nachgefragt, wenn man sich jetzt den Schweißprozess anschaut, auf einer wahrscheinlich eher abstrakten Ebene, für uns Schweißlaien, wie wirken, wenn man das so ausdrücken kann, wie wirken jetzt diese Elemente, also Schweißrauchsensor zum Beispiel, mit Stromstärke, mit dem optischen Überwachen des Schweißvorgangs, kann man das so einfach ausdrücken, wie das zusammenwirkt?
Samuel Mann: Ja, also beim Schweißrauch hat man immer das Problem der Exposition des Schweißers und der Emission am Prozess. Also was am Ende eigentlich interessiert, ist die Exposition des Schweißers, oder sagen wir mal der Mitarbeiter vielmehr und der Bystander, also das, was die Leute wirklich einatmen, und das ist natürlich aber auch gekoppelt an die Emission am Prozess, das heißt, wie stark meinetwegen mein Prozess gerade Schweißrauch imitiert. Das hängt von der Vielzahl an Randbedingungen ab, wie der Prozess eingestellt ist, welche Zusatzwirkstoffe und so weiterverwendet werden und wenn man anfängt, diese Informationsquellen zu vernetzen, das heißt meinetwegen den Schweißstrom oder die Strahlungsintensität aus dem Lichtbogen als Informationsquelle, mit der Schweißrauchemission, die man mit dem Sensor messen kann, vernetzen kann am Ende, schafft man die Möglichkeit, Ursache und Wirkung ein bisschen besser aufzulösen. An der Stelle, ja, werden diese grundsätzlicheren Prozesse, die sonst halt verborgen bleiben, in der Produktion sichtbar und an der Stelle schafft man, glaube ich, einen sehr großen Nutzen über die Einzelteile hinaus. Das ist so die Richtung, in der wir uns halt bewegen.
Götz Müller: Ja, da geht mir gerade das, wird aber wahrscheinlich ein bisschen abschweifen, noch ein anderer Produktionsprozess, nämlich das Lackieren, durch den Kopf, wo ja auch Abgase mehr oder weniger entstehen, die man, nach meinem Wissen auch nicht unbedingt einatmen sollte, wo ich mir vorstellen könnte, aber wie gesagt, das schweift jetzt wahrscheinlich ein bisschen ab, dass das vielleicht auch für die Zukunft eine interessante Disziplin ist.
Samuel Mann: Ja, auf jeden Fall. Also das ist uns auch sehr bekannt, es gibt ja auch noch Gießereien, zum Beispiel, in denen auch sehr viel, sehr viel Rauch entsteht oder sehr viele Stäube. Da gibt es eine unglaubliche Menge an Produktionsprozessen, für die das sicher spannend wäre. Also man muss auch sagen, diese Sensoren, die wissen jetzt nicht, ob sie Schweißrauch messen oder andere Partikel, man misst also quasi die gesamte Hallenbelastung, die halt vorliegt und an der Stelle hat man natürlich auch irgendwie, allein die Nahtvorbereitung beim Schleifen oder wenn mal was daneben geht, dann wird geflext, das sind alles Sachen, die wir natürlich in den Sensoren sehen und die dann zusammen ein einheitliches Bild schaffen.
Götz Müller: Mhm. Gut, wenn wir jetzt mal über den, über den Schweißprozess rausgucken und ein bisschen stärker eben auf diesen, ich nenne es jetzt mal Vernetzungsprozess schauen, dann besteht ja dieser Prozess, wie im Grunde alle Prozesse, auch aus einzelnen Elementen. Was sind denn hier so die typischen Elemente, wenn ich diesen Vernetzungsprozess betrachte?
Samuel Mann: Also wenn man quasi dieses System abstrahiert und den Vorgang zur Schaffung dieses Systems betrachtet. Ja, also das hat in der Praxis eigentlich immer, würde ich sagen, zwei Herausforderungen, einmal klar geht es natürlich darum Sensorik zu haben, die Kommunikationsfreudig ist, dann irgendeine Art von Infrastruktur, das ist bei uns zum Beispiel MQDT, die halt in der Lage ist, diese Sensoren zusammenzulegen und dann Software, um diese Daten zu interpretieren, nutzbar zu machen in der Realität. In der Praxis ist es aber natürlich, steht natürlich die Frage im Vordergrund, wer möchte gerade wie kommunizieren, also welche Parteien sind da jetzt im Spiel? Das ist bei Schweißrauchsensoren noch überschaubar, aber wenn jetzt verschiedene Disziplinen miteinander kommunizieren möchten und diese Daten auf einmal eine gewisse Autorität mitbringen, dann ist immer die Frage: Wie verlässlich sind diese Daten, wer ist da jetzt für verantwortlich, was machen wir damit? Das heißt, die Parteien sind an der Stelle dann oder sagen wir mal ein Thema, was man im Griff behalten muss, gerade auch, wenn man jetzt über Unternehmensgrenzen hinausgeht, was das Thema Datensicherheit angeht. Und im zweiten Punkt, das ist eher eine technische Facette, kommt das Thema Zeiträume zum Tragen, das heißt Schweißrauch meinetwegen tasten wir in ein paar Sekunden ab, also alle paar Sekunden kriegen wir neue Sensordaten relativ unkritisch, weil das System nicht so schnell ist. Wenn es aber darum geht, die Tropfenablösung im Schweißverfahren selber, also beim Schweißen selber aufzulösen, wo unter Umständen wirklich qualitätsbeeinflussende Ereignisse passieren, ist man auf einmal im Millisekunden-Bereich. Das heißt, man hat ganz andere technische Anforderungen und wenn es dann noch mal darum geht, auf Grundlage dieser Daten Prozesse zu regeln, das heißt, diese Automatisierungssysteme zu ertüchtigen, dann muss man noch mal quasi eine Schallmauer durchbrechen, was die Deterministik angeht, was die Echtzeitfähigkeit angeht. Das heißt, man hat auf der einen Seite Parteien, die miteinander kommunizieren sollen. Das können Unternehmen sein, das können Abteilungen sein innerhalb eines Unternehmens, können im Zweifel auch Anlagen sein und auf der anderen Seite hat man halt diese eher technische Zeit-Komponente, die man im Griff behalten muss und die halt quasi diese Systeme und Prozesse deutlich unterscheiden. Also deswegen ist auch bei uns dieses Schalenmodell entstanden, mit Parteien und Zeiträumen, was immer wieder auftaucht und was man halt immer im Hinterkopf behalten sollte zumindest so nach unserer Perspektive, um da ja nach vorne gehen zu können.
Götz Müller: Ja, ich glaube, gerade das Stichwort Echtzeitfähigkeit ist nicht zu unterschätzen. Wenn ich da in mein früheres Leben zurückdenke, wo ich eben auch im Echtzeitkontext Software entwickelt hab, da kann man halt dann bestimmte Dinge nicht machen, wie man es vielleicht in einem anderen Kontext machen kann, wie man es so vor einem Rechner sitzt, vor dem Office-Rechner da kommt es jetzt auf ein paar Sekunden nicht an, aber sie haben es schon angedeutet. Wenn ich halt da etwas mache, wo es um Millisekunden geht, dann kann ich nicht warten bis mir irgendwas besser gefällt, um es mal vorsichtig auszudrücken.
Samuel Mann: Ja, ganz genau. Und da kann man sich ja schon vorstellen, dass da ganz andere Anforderungen an die Systeme gestellt werden, ganz andere Anforderungen an Sicherheiten an der Stelle. Da muss man dann sich an einen ganz anderen, ja ganz anderen Stellen bewegen.
Götz Müller: Sie hatten es schon ein bisschen angedeutet. Ich möchte es insofern noch ein bisschen vertiefen, im Sinne von Hürden, weil wenn es alles so trivial wäre, würde man nicht darüber reden. Was sind denn so typische Hürden und ich glaube, soweit habe ich das auch aus Ihrem Vortrag rausgehört, ist das eine sehr große Vielfalt an Hürden, ganz unterschiedliche Aspekte, die man da betrachten muss.
Samuel Mann: Ja, es gibt auf jeden Fall ein paar Herausforderungen, die immer wieder auftauchen. Das erste Praktische ist das Netzwerk, das heißt, wenn wir natürlich mit kommunikationsfreudigen Sensoren ankommen, dann ist immer die Frage, ja, in welches Netzwerk wollen wir das denn einbinden? Sicher nicht in unserem privaten oder im firmeninternen WLAN-Netz und am liebsten gar nicht in irgendwelche Clouds oder in irgendwelche Cloud-Lösungen, von denen wir nicht wissen, wo sie wirklich liegen und wer diese Daten kriegt. Das heißt, das Thema ist am Anfang immer, vor allem, wenn man noch nicht ganz klar skizzieren konnte, wo jetzt der Nutzen spezifisch für das Unternehmen liegt, deswegen bringen wir quasi unsere eigene Netzwerkinfrastruktur mit. Das heißt, die Leute, die daran Interesse haben, die müssen sich darum keine Sorgen machen für den Einstieg und dann, klar, dann geht es halt um das Thema Datenanalyse und vielmehr die Frage, wie man quasi zu Lösungen kommt, die wirklich für die Schweißtechnik Relevanz haben? Da würde ich jetzt sagen, ist das jetzt eine Herausforderung, aber das ist das, was immer quasi als Kernfrage mit dabei ist, dass wir nicht irgendwie am Ende Industrie 4.0 Lösungen schaffen, die schön aussehen oder halt schön klingen, sondern auch wirklich einen großen Mehrwert liefern am Ende.
Götz Müller: Weil eben dann vor allen Dingen, das ist bei mir hängengeblieben bin, wieder der Echtzeit-Aspekt zum Tragen kommt oder eben eine ganz große Notwendigkeit ist.
Samuel Mann: Genau, wenn es um Echtzeit geht, wenn es tatsächlich um die Regelung oder die Integrierung in Automatisierungssysteme geht, dann hat man natürlich technisch Herausforderungen, dann verschwimmen so die Grenzen zwischen diesen IOP, sagen wir mal Informationsprotokollen, die wir so nutzen, und dem, was man sonst so unter Feldbussen kennt, die halt sehr deterministisch, aber dafür vielleicht relativ steif und wenig skalierbar sind. Und da begibt man sich dann halt in andere technische Schwierigkeiten, oder sagen wir mal, ich würde es eher Aufwände nennen. Das sind alles Sachen, zu denen es schon Lösungen gibt da draußen, die man auch beherrschen kann. Da muss man halt einfach nur sehen, dass man da eine andere Geschwindigkeit am Ende hat. Weil man da noch abgesehen vom reinen Teilen von Daten, von der einfachen Analyse von Daten einfach noch mal andere Dimensionen mit im Griff behalten muss. Da kommt wieder das Thema Schnittstellen, also verschiedene Feldbussysteme, verschiedene Automatisierungssysteme zum Tragen. Im Augenblick ist es ja auch nicht so, dass die Leute nur darauf warten, dass wir mit einem neuen Automatisierungssystem ankommen, sondern es gibt ja oft schon bestehende Anlagen, die wir automatisieren oder optimieren können und dann muss man natürlich schauen, wie man mit dem Arbeiten kann, was dann da vor Ort ist.
Götz Müller: Ja, und da könnte ich mir eben vorstellen, dass da eine extreme Spanne existiert, wenn man sich jetzt mal so ganz weit, so ganz langsam, also ein ganz langsames Element meinetwegen irgendeinen ERP-System, das vielleicht in Schichten denkt, möglicherweise nicht mal ein Bruchteil von Schichten, vielleicht auch, wenn es eine Schicht an einem Tag, nur an einem Tag denkt, während die Schweißnaht halt, ja, jetzt sofort und Echtzeit praktisch relevant ist.
Samuel Mann: Total. Und das ist ja auch ein Punkt, wo es für uns super spannend ist, finde ich, auch diesen Kommunikationsgedanken oder diesen Vernetzungsgedanken nicht nur irgendwie technisch zu realisieren, sondern halt auch mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, weil ich bin halt eher Schweißer als, ja, ERP-Fachmann, selbst wenn der Begriff Schweißer natürlich sehr mit Vorsicht zu genießen ist in dem Kontext, wenn man an der Hochschule gewesen ist, zu lange, aber da ist es halt super spannend, wirklich zu gucken: Okay, was ist vor Ort möglich? Oder wo brennt der Schuh vor Ort und wie kann man mit den Kompetenzen, die natürlich auch vor Ort da sind, spannende Lösungen erzeugen? Das ist eigentlich, das sind die Sachen, die faszinierend sind. Wenn man natürlich nur mit einem Blumenstrauß ankommt an Möglichkeiten erstmal und dann vor Ort die Leute am besten wissen natürlich, wo sie Meta machen können und wie man da zusammen irgendwie vorankommt oder wie man dann an der Stelle praktisch meinetwegen ERP-Anbindungen schaffen könnte und was die konkret für Nutzen haben könnten.
Götz Müller: Mhm, da kommen jetzt mir gerade noch ein paar ganz allgemeine Digitalisierungsaspekte in den Sinn, auf die man eben achten sollte. So habe ich das, ein Stück weit auch aus ihrem Vortrag herausgehört, die eben, glaube ich, aufgrund dieses breiten Spektrums des Zeitfaktors und wenn wir uns allein mal auf das schon beschränken, unheimlich vielfältig sind.
Samuel Mann: Ja, also wenn es, das kommt natürlich total darauf an, welche auf welchem Qualitätsmerkmal, in welchen Dimensionen man zielt. Das geht natürlich los von der Auflösung von sehr kurzzeitigen Prozessereignissen, die halt mit spezieller Sensorik möglich ist, bis hin zur Erfassung von Schweißnähten, die nachher passieren, nach dem Schweißprozess meinetwegen und der Erfassung zum Beispiel von Schweißrauch, was jetzt vielleicht alle paar Sekunden abgetastet würde. Das sind alles Sachen, die die zwar unterschiedliche Zeiträume mitbringen, aber die quasi bei uns ganz clever aggregiert werden, sodass man dann trotzdem quasi auf einen gemeinsamen Nenner kommt, damit man halt über Zeitreihen doch quasi eine gemeinsame Plattform hat, mit der man quasi Daten analysieren kann.
Götz Müller: Wobei ich es eben rausgehört habe, also a) in Ihrem Vortrag und auch jetzt noch mal. Es geht ja nicht nur so um das Datenanalysieren, im Sinne von postmortal, um mal so einen Begriff zu verwenden, sondern eben wieder in diesem Echtzeiteffekt, weil die 5 Sekunden, wenn das Schweißgerät halt schon 2 Zentimeter weiter ist, dann ist es eben zu spät, was die Qualität angeht.
Samuel Mann: Ja, und das das ist total wichtig. Also das wäre natürlich der Wunsch, schon im Prozess Fehler zu detektieren, bevor sie wirklich einen entscheidenden oder sagen wir mal, das Problem zu erkennen, während es sich anbahnt und dann gegenzusteuern, das wäre natürlich eine wunderbare Möglichkeit. Im Augenblick, und da komme ich so ein bisschen zurück auf so die einleitenden Worte, ist es schon super, wenn man die Schweißnahtqualität auch einigermaßen nachträglich bewerten kann. Also wenn man sie überhaupt bewerten kann, wenn man ein bisschen auf die die zerstörende Prüfung verzichten kann, wenn man klar sagen kann: Hier ist eine Auffälligkeit, hier muss man näher gucken. Klar, wenn das soweit im Griff ist, wird man auch in der Lage sein, besser in Echtzeit zu regeln, sagen wir mal, den Prozess so zu manipulieren, dass er insgesamt stabiler läuft, rein technisch von den Möglichkeiten würde ich aber immer erst mit dem Schritt anfangen, den Prozess zu beobachten, Qualität zu beobachten und dann nach der entscheidenden Eingriffen zu suchen, wie man dem Problem, was man da vielleicht hat, irgendwie Herr zu werden, weil selbst bei diesem, bei dem Thema Eingriff hat man eine Vielzahl an Möglichkeiten. Wenn man sich nur allein anschaut, was sich, was der Schweißer manuell quasi vermag, war früher ein Ausbildungsbetrieb. Es ist schon eine, schon ein sehr anspruchsvoller Beruf, also optisch zu erfassen, was mit der Schmelze passiert, mit dem Gehör zu erfassen, auch mit der Hand zu erfassen, was mit dem Prozess passiert, und dann natürlich irgendwie einen Erfahrungsschatz zu haben, wie man damit umgeht, wie man den Brenner hält, wie man den Brenner mit jedem Zentimeter schweißen halt neu justiert meinetwegen und in das Schweißgerät einstellt, das sind sehr komplexe Zusammenhänge, ja, die man unterschiedlich manipulieren kann, über Schweißgeschwindigkeiten, Brennerhaltung vom Winkel her oder in den Schweißparametern aus dem Schweißgerät, das ist eine Vielzahl an, ja, an Freiheitsgraben.
Götz Müller: Ich höre auch so ein bisschen raus, das, was eben der Schweißer, der Mensch mit seinen möglicherweise Jahrzehnten Erfahrung, ja, vielleicht fast schon im Gefühl hat, aber gar nicht ausdrücken kann, was er da tut, und natürlich dann so ein Ding wie Digitalisierung natürlich noch mal anspruchsvoller wird.
Samuel Mann: Ja, also das kann man. Das ist natürlich, das sind so zwei Welten, die aufeinanderprallen, also die Schweißtechnik, wenn man sich anschaut auch wie wir in der Forschung gearbeitet haben, dann ist das unglaublich empirisch, das ist eine Sache, die fand ich auch in solchen Sozialprojekten wie dem IOP-Cluster, so klar geworden ist, es gibt Produktionsprozesse, die Zerspanung meinetwegen, da ist man schon an ganz anderen Stellen, weil man natürlich beim Fräsen oder Drehen die Qualität am Bauteil außen meinetwegen vermessen kann. Man kann sie optisch erfassen und so weiter, das ist eine ganz andere Grundlage als wir das quasi beim Schmelzschweißen haben, beim Lichtbogenschweißen, wo die Qualität irgendwie in der Schweißnaht drin ist und man unglaublich wenig versteht. Also man versteht immer noch nicht an vielen Stellen, wie diese, ja, sehr kurzzeitigen Ereignisse physikalisch zu beschreiben sind und deswegen wird immer noch viel empirisch gearbeitet. Das schafft aber auf der anderen Seite ein unglaubliches Potenzial für KI-Methoden, weil die natürlich nicht mehr darauf angewiesen sind, physikalische Prozesse explizit zu beschreiben, sondern aus einem Lerndatensatz meinetwegen zu lernen und so empirisch, oder sagen wir mal so, dass die Erfahrung, das Gefühl ein Stück weit besser abbilden können als das ein physikalisches Modell kann. Und da, glaube ich, haben wir, da sind wir so am bisschen am Knackpunkt, wieso solche datenbasierten Ansätze, Vernetzung, die ja die Grundlage schafft für diese datenbasierten Ansätze, so ein hohes Potenzial hat beim Schweißen.
Götz Müller: Ja, und ich finde es eben krass, dass zwei so, ja, irgendwie zwei Pole, zwei Extreme einerseits am einen Ende eben dieses Digitale, um es mal so zu nennen und am anderen Ende dieses zutiefst Analoge, Menschliche auf einer ein Stück weit unbewussten Ebene, wie halte ich also mein Schweißgerät und was rieche ich vielleicht, was sehe ich vielleicht minimal und das aber gar nicht ausdrücken kann. Und dann ist es trotzdem möglich, mit dem Stichwort KI, wie sie es ausgedrückt haben, diese Brücke zu schließen.
Samuel Mann: Ja, und das ist genau der Knackpunkt, wieso wir halt daran glauben, dass es gerade so eine unglaubliches unglaubliche Chance ist für die Schweißtechnik, da jetzt wirklich große Meter zu machen, nicht nur Evolutionsschritte, sondern wirklich große Änderungen mitzubringen, weil halt das praktisch an vielen Stellen kaum beschreibbar ist und es viel, wie Sie schon gesagt haben, irgendwie viel Praxis, viel Empirie ist, die da im Spiel ist, die man so schlecht abbilden kann. Findet man auch schnell, wenn man sich jetzt Bilder anschaut, HDR-Bilder, aus dem Schweißprozess, da erkennt man mit dem bloßen Auge relativ viel. Konventionelle Bildanalyseverfahren haben da Schwierigkeiten, aber wenn man dann anfängt mit modernen, datenbasierten Modellen, Machine-Learning-Modellen, findet man diese Merkmale in diesen Bildern und hat auf einmal eine super Informationsquelle, um, ja, wieder Qualität zu überwachen, den Prozess zu regeln am Ende und die Effizienz zu steigern und so weiter.
Götz Müller: Und was ich so spannend fand, eben auch diesen, ja, nennen wir es mal zutiefst menschlich-persönlichen Aspekt, nämlich Gesundheit, mit reinzubringen, das fand ich persönlich auch sehr spannend, dass es halt nicht nur die nackte, bloße Technik ist, sondern dass wirklich auch der Mensch in seiner Gesundheit, in seiner Person auch einen Vorteil hat.
Samuel Mann: Auf jeden Fall also das. Das soll natürlich nicht außenvorbleiben und das ist ja auch eine Sache, die noch mal einen ganz anderen Reiz mitbringt, wenn man solche Sensorik mit entwickelt und man natürlich irgendwie auch die Sensorik an einen wirtschaftlichen Vorteil knüpfen kann, aber wenn man merkt, okay, hier wird Transparenz geschaffen und die Mitarbeiter werden geschützt, ja. Man schafft wirklich einen Mehrwert im besten Fall an, ja, an Gesundheit in der ganzen Produktionshalle.
Götz Müller: Ja, das hört sich nach eben einem sehr umfassenden Thema an und deshalb fand ich das sehr spannend, was Sie uns da für einen Einblick gegeben haben. Und ich danke Ihnen da für Ihre Zeit.
Samuel Mann: Sehr gerne.
Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Samuel Mann zum Thema Vernetzte Schweißprozesse. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 364.
Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freue ich mich über Ihre Bewertung bei Apple Podcasts. Sie geben damit auch anderen Lean-Interessierten die Chance, den Podcast zu entdecken.
Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.
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