KVP – eine Frage der Grenzen

Grenzen

Im kontinuierlichen Verbesse­rungs­prozess ist es wichtig, die Grenzen der betrach­teten Geschäfts­prozesse bewusst zu wählen. Die Grenzen eines Prozesses werden durch den Anfangs- und Endpunkt des Prozesses bestimmt. Die Kunden­sicht ist dabei der bestimmende Faktor.

Den Anfangs­punkt des Prozesses bildet typi­scher­weise der Auslöser eines Kunden­bedürf­nisses, während der Endpunkt die Erfül­lung dieses Bedürf­nisses durch das Prozess­ergebnis darstellt. Auch wenn die Kunden­sicht ein wichtiges Ent­schei­dungs­merk­mal für die Prozess­grenzen darstellt, sind diese doch selbst­bestimmt – also eine Defi­nitions­frage – das heißt, es sind weite oder enge Prozess­grenzen möglich. Trotz­dem ist es sinnvoll im Zweifels­fall eher weite Prozess­grenzen, das heißt umfassende Grenzen zu wählen, als zu enge.

Enge und weite Prozess­grenzen bringen beide spezi­fische Randbe­dingungen mit, die es zu beachten gilt, auch wenn die Über­gänge zwischen weit und eng fließend sind und wieder vom Einzel­fall abhängen.

„Wir dürfen das Weltall nicht einengen, um es den Grenzen unseres Vorstel­lungs­vermögens anzupassen, wie der Mensch bisher zu tun pflegte. Wir müssen viel­mehr unser Wissen ausdehnen, sodass es das Bild des Weltalls zu fassen vermag.“

– Francis Bacon, englischer Philosoph im 16./17. Jh.

Merkmale und Vorteile von weiten Prozess­grenzen

Durch weite Prozess­grenzen ist es möglich, umfassendere Kunden­bedürf­nisse zu erkennen und zu befriedigen, unter Umständen sogar Bedürf­nisse, über die der Kunde zu Beginn selbst noch gar kein Bewusst­sein hatte. Dadürch sind Wow-Effekte möglich und es entstehen neue Chancen auf Innova­tionen, neue und größere Markt­anteile. Gleich­zeitig ist es wichtig, diese Möglich­keiten dann auch sofort mit Leis­tungs­pro­zes­sen zu hinter­legen, das heißt die Schaf­fung des Kunden­erleb­nisses auch sofort repro­duzier­bar zu gestalten. Das Kano-Modell ist ein wert­volles Werk­zeug, um Klarheit über die Einord­nung der verschie­denen Leistungs­merkmale zu erhalten.

Besonders wichtig ist dabei die Frage, ob es sich bei dem Kunden­erlebnis bezogen auf das Indivi­duum um einen Einzel­fall handelt, der für diesen Kunden nicht wieder auf­treten wird oder ob sich durch ein erstes Kunden­erlebnis in der Folge eine Erwar­tungs­haltung aufbauen kann. In letzte­rem Fall ist es dann besonders wichtig, die Repro­duzier­barkeit sicherzustellen.

Weite Prozess­grenzen können auch heraus­fordernd sein, weil sie oft den Leistungs­umfang erweitern, dadurch neue Anforde­rungen an die Personen im Prozess schaffen, zusätz­liche Ressourcen erfordern und neue Schnitt­stellen schaffen. Natürlich sollte an dieser Stelle der schmale Grad zwischen dem/den Kern­leistungs­prozess(en) und einem Bauch­laden beachtet werden. Der Fokus sollte hier auf dem kons­tanten Kunden­bedürf­nis im Sinne der Engpass-konzen­trierten Strategie (EKS) liegen. Darüber hinaus kann es dann wert­voll sein, Koopera­tionen zu nutzen.

Weite Prozessgrenzen vergrößern gleich­zeitig die Durch­lauf­zeit und können dadurch negat­ive Folgen nach sich ziehen, wenn dieser Aspekt nicht beachtet wird (grund­sätz­lich ist die Redu­zierung der Durch­laufzeit ein wichtiges Ziel des KVP, weil dadurch für den Kunden die Zeit zwischen Bedürf­nis­wahr­nehmung und -befrie­digung sowie für das Unter­nehmen die Zeit zwischen Auf­trag und Bezah­lung verkürzt und somit zentrale Kenn­zahlen verbessert werden).

Weite Prozess­grenzen bergen auch die Gefahr, dass der Einfluss auf den Gesamt­prozess erst­mal sinkt. Hier kommt dann wieder die Vision des Unter­nehmens ins Spiel, die Ausrich­tung der Prozesse sowie deren Verbes­serung lenkt.

Enge Prozessgrenzen verursachen oft die Opti­mierung lokaler Begeben­heiten und lassen den Blick für das Umfeld vermissen.

Bei Wahl der Prozess­grenzen sind nicht nur direkte Bedürf­nisse des Kunden wichtig (vergleich­bar zu den Ergebnis­zielen bei Pro­jek­ten) sondern auch die indirek­ten Bedürf­nisse (vgl. Prozess­ziele), die die direk­ten beglei­ten und bei­spiels­weise oft durch Warte­zeiten ent­stehen oder sich in ihrer Bedeu­tung verstärken.

Neben den Prozess­grenzen gibt es auch noch die Wissens­grenzen. Die Heraus­forde­rungen bei den Wissen­grenzen liegt oft im Bewusst­sein darü­ber bzw. auch im Nicht-Bewusst­sein. Dieses feh­lende Bewusst­sein führt dann oft zu Schnellschüssen durch Annahmen, die aber nicht not­wendiger­weise der Realität (wenn es die im objek­tiven Sinn über­haupt gibt) entspre­chen müssen. Diese Annahmen führen dann zu Lösungen, die u.U. nur am Symptom arbeiten, statt die Ursachen zu beheben.

Zusammenfassend sind weite Prozess­­grenzen zwar meist anspruchsvoller, bieten aber mehr Chancen, das Kunden­erlebnis positiv zu gestalten und Innova­tions- und Verbes­serungs­poten­ziale auszu­schöpfen. Dabei gilt es die eigenen Wissen­grenzen zu beachten, um Fehl­schlüsse bei Verände­rungen und Verbesse­rungen zu vermeiden.

Frage: Wie werden in Ihrem Unternehmen die Prozessgrenzen festgelegt? Welche Einfluss hat die Kunden­per­spektive darauf? Wie gehen Sie mit möglichen Folgen der Erweite­rungen der Grenzen um?

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