KVP – eine Frage der Irritation

Irritation

In seinem Einleitungsvortrag (auch Keynote genannt ;-) zur KataCon 2017 hat Mike Rother (natürlich) über die Kata gesprochen. Besonders merkenswert fand ich dabei ein Detail, das er über das begleitende und zugrundeliegende Lernen gesagt.

In seinem Vortrag ging es u.a. um die Wissensgrenze und wie leicht unser Gehirn auf der Basis unseres Wissens und unserer Erfahrung Schlußfolgerungen bei Fragestellungen zieht, wo wir die Antwort nicht kennen (können).

Er macht dies ganz einfach durch eine Zahlenfolge deutlich, durch eine weitere Zahl fortgesetzt werden soll. Zum besseren Verständnis ist hier die Folge mit der Andeutung der nächsten Zahl.

2, 4, 6, 8, 10, 12, __

Und auf welche Zahl tippen Sie? Ich könnte fast wetten, dass es wie bei mir auch die 14 ist.

Jetzt sind Sie hoffentlich nicht enttäuscht, wenn ich Ihnen sage, dass es die 2 ist. Und anhand meines eigenen Erlebnisses würde es mich auch nicht wundern, wenn Ihnen sogar (wie mir) eine Uhr bzw. ein Ziffernblatt durch den Kopf geht. Und auch dabei sind wir dann gemeinsam in die Falle getreten, dass wir auf Basis unserer Vorerfahrung schon wieder eine – möglicherweise verfrühte – Schlussfolgerung gezogen haben.

Rothers Aussage in seinem Vortrag war dann noch, dass wir auch nach 100 Fortsetzungen mit 14 (oder eben 2) nicht wirklich wissen können, mit welcher Zahl die Folge weitergeht (und es geht nicht darum, abhängig von der Antwort immer eine ander Zahl als richtig darzustellen).

Diese Darstellung an sich fand ich schon interessant, auch wenn sie für mich nicht mehr neu war, weil er diesen Punkt auch schon in anderen Vorträgen vorgestellt hatte.

„Alles das, was uns an anderen irritiert, kann zu einem besseren Selbstverständnis führen.“

– Carl Gustav Jung

Der Punkt in seiner Rede, auf den ich hier, wie einleitend dargestellt, raus will, ist, dass sich Lernen komisch anfühlen muss. Rother vertritt dabei deutlich die These, dass ein „Vorgang“, der sich nicht komisch anfühlt, Irritation und möglicherweise sogar Widerstand erzeugt, sich immer noch auf bekannten Wegen verläuft und deshalb kein Erlernen von neuem Wissen erfolgt.

Er legt damit den Coaches in der Coaching-Kata also nahe, dass sie auf genau dieses Gefühl der Irritation bei ihren Coachees achten und es sogar willkommen heißen sollen. Das gilt auch für sie selbst, wenn sie in der Coaching-Rolle noch neu sind und es deshalb noch heißt, der neuen Routine die notwendige Aufmerksamkeit zu geben.

Er empfiehlt auch, dass bei der Einführung von Lean Management dieses Gefühl nicht kleingeredet wird und als vermeidbar dargestellt (auch nicht im Sinne von „stell Dich nicht so an, das geht vorbei“).

Trotzdem kann in meinen Augen dieses Gefühl vorweggenommen und den beteiligten und betroffenen Menschen schon im Vorfeld angekündigt werden, wie ich das auch gerne mit dem Widerstand gegen Veränderungen mache, der entsteht, weil durch die Notwendigkeit zur Veränderung immer der unbewusste Eindruck, dass jemand etwas falsch macht (sonst wäre ja keine Veränderung notwendig).

Man kann also den Menschen schon vorher sagen, dass dieses komische Gefühl auftreten wird und auch das es gut und zu begrüßen ist, weil es ein Indiz für den stattfindenden Lernprozess darstellt.

Im Grund lässt sich das Gefühl der Irritation auch auf sämtliche Veränderungs- und Entwicklungsprozesse anwenden und willkommen heißen, weil dort ausgetretene Pfade und eingefahrene Bahnen verlassen werden.

Dieses Gefühl ernstzunehmen stellt für mich auch eine wichtige Form des Respekts gegenüber den Menschen dar und bildet auch einen nicht zu unterschätzenden, auch weil verborgenen Erfolgsfaktor.

Möglicherweise bewegen wir uns an dieser Stelle bzgl. der Wirksamkeit der Kata an einem ähnlichen Punkt wie bei den (unternehmens-)kulturellen Aspekten von Lean Management insgesamt, wo oft die Reduktion auf die rein methodischen Elemente den Misserfolg schon vorprogrammiert.

Frage: Welche Irritationen nehmen Sie bei den Menschen in Ihrem Unternehmen beim KVP wahr? Wie wird damit umgegangen? Welche Folgen ergeben sich daraus?

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