So, genug um den heißen Brei geredet, hier sind die vier Faktoren:
- Welche Aspekte der aktuellen Situation sind unerwünscht?
- Welche Aspekte der aktuellen Situation sind erwünscht?
- Welche Aspekte der zukünftigen Situation sind erwünscht?
- Welche Aspekte der zukünftigen Situation sind unerwünscht?
Nur wenn aus diesen Faktoren eine positive „Summe“ entsteht (ich weiß, dass die gemeinsame Verwendung von Faktor und Summe mathematisch nicht korrekt ist ;-) kommt es zu einer Veränderung. Dabei ist es wichtig, alle Faktoren zu berücksichtigt, da sie alle wirksam sind. Es bringt also nichts, wenn bspw. nur das positive Bild einer neuen Zukunft gezeichnet wird, aber die negativen Aspekte dieser Situation oder die Beharrungskräfte in der aktuellen Situation vernachlässigt werden.
Wichtig dabei ist auch, dass die positiven Aspekte der zukünftigen Situation oft nur durch die negativen Aspekte der aktuellen Situation wirklich sichtbar werden. Die Motivation tritt also nur durch die Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation zutage. Nur durch diese beiden Punkte kann eine Richtung entstehen. Die Größe des Antriebs ist dabei bedingt durch die oben genannte Summe der Einzelfaktoren. Ohne Kenntnis der negativen Aspekte (nicht notwendigerweise in eigenem Erleben aber zumindest in der Wahrnehmung) kann in meinem Weltbild kein Wunsch nach Veränderung und damit Verbesserung entstehen.
Deshalb bringt der ausschließliche Fokus auf eine Zielsituation (Hin-zu-Motivation) alleine auch nicht die gewünschten Ergebnisse. Die bewusste Wahrnehmung einer ungewünschten Situation mit der Weg-von-Motivation ist genaugenommen sogar die Voraussetzung für alle folgenden Aspekte. Das kommt auch sehr schön in folgendem Zitat zum Ausdruck:
Im Kontinuierlichen Verbesserungsprozess kommt diese Einstellung dadurch zum Ausdruck, dass das Vorannahme besteht, dass eine Situation immer (= kontinuierlich) verbessert werden kann. Im japanischen Begriff Kaizen = Veränderung zum Besseren wird das noch deutlicher. Es heißt dort nicht „Verbesserung zum Guten“ (da fehlt der Kontrast, speziell wenn eine Situation grundsätzlich schon gut eingeschätzt wird), ebenso wenig wie „Verbesserung zum Besten“ (was wiederum einen Endpunkt implizieren würde).
Die Notwendigkeit der Unzufriedenheit als Basis von Veränderung lässt auch noch etwas drastischer ausdrücken, wie das Tom Peters in diesem Interview getan hat.
„I believe there is one and only one source of innovation – pissed off people.“
Die wörtliche Übersetzung erspare ich uns an dieser Stelle. Ich denke, seine Aussage ist auch so verständlich. Auch wenn ich sonst mit Superlativen eher zurückhaltend bin, kann ich diese Aussage uneingeschränkt unterschreiben. Das Maß der Unzufriedenheit ist dann nur noch der bestimmende Faktor, ob wir eher von einer kleinen Verbesserung sprechen oder eben von der großen Innovation. Diese Unzufriedenheit ist es dann auch, was hilft, den Widerstand gegen die Veränderung zu überwinden.
Unter welchen Gesichtspunkten die Unzufriedenheit betrachtet wird, ist nun dem Einzelfall überlassen.
- Es kann die Unzufriedenheit der Kunden sein. Die große Gefahr dabei ist, dass die Unzufriedenheit im Unternehmen gar nicht erkannt wird, die Kunden aber plötzlich weg sind, ohne dies vorher kundzutun.
- Ähnliches gilt für die Unzufriedenheit der Mitarbeiter, die sich dann klammheimlich nach einer neuen Stelle umschauen. Oft tritt das erst mit der Eigenkündigung zutage. Auch dann ist es meist zu spät.
- Ein starker Antrieb kann auch die Unzufriedenheit des Unternehmers sein. Weil er zu sehr in die Prozesse eingebunden ist und ohne ihn nichts läuft, bspw. bei Urlaub, Krankheit oder anders begründeter Abwesenheit. Weil er durch diese Einbindung in die operativen Geschäftsprozesse nicht die Freiräume hat, sein Unternehmen weiterzuentwickeln. Weil ihm deshalb die Zeit für die Familie fehlt. Weil er und seine eigenen Bedürfnisse deshalb zu kurz kommen. Weil es den Unternehmenswert steigert, wenn es nicht von ihm abhängt.
Die entscheidende Frage im KVP (und ebenso auch bei persönlichen Veränderungsanlässen) ist also die Unzufriedenheit. Man könnte sie auch als die Mutter aller Veränderung bezeichnen.
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