Lean ist auch, wenn der Kunde nicht zahlt

Lean

Hört sich erstmal schräg an, oder? Hier spielt der Kontext mal wieder eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, den Wahrheitsgehalt oder die Korrektheit dieser Aussage zu beurteilen.

Auf jeden Fall geht es nicht um einen externen Kunden in einer normalen Geschäftsbeziehung, sondern um einen internen Kunden.

In solchen Situationen fließt ja typischerweise keine echte Bezahlung, in vielen Fällen nicht mal ein interner Verrechnungssatz.

Trotzdem gibt es auch Situationen, in denen intern ein Budget verfügbar gemacht wird. Neben möglichen anderen Situationen habe ich hier den klassischen Produktentwicklungsprozess im Sinn, bei dem das Produktmanagement auf der Basis eines Geschäftsmodells und der zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben für ein Produkt oder eine Dienstleistung ein Budget zu dessen Entwicklung bereitstellt.

Jetzt könnte man natürlich sagen, dass das Produktmanagement doch der Kunde der Produktentwicklung ist und ja dafür in Form des Budgets bezahlt. In vielen Unternehmen ist das auch ein normaler Ansatz, an dem grundsätzlich auch erstmal nichts verkehrt ist.

Allerdings verschenkt man dabei in meinen Augen sehr viel Potenzial, wenn es darum geht, die Produktentwicklung als verantwortliche Instanz, den Produktentwicklungsprozess und die entwickelten Produkte mit all ihren Bestandteilen zu gestalten und zu verbessern.

Es wird nämlich ein ganz wichtiger Mitspieler im gesamten Produktentstehungsprozess übersehen und damit auch dessen Bedürfnisse.

Bei dem Mitspieler, den ich hier meine, geht es um die Produktion.

Die Produktion ist der eigentliche Kunde der Produktentwicklung, wenn man sich den gesamten Produktentstehungsprozess vor Augen führt und betrachtet, wer die Ergebnisse der Produktentwicklung erhält. Das Produktmanagement ist es nicht!

Die Produktion bekommt die Ergebnisse der Produktentwicklung in Form von Stücklisten, vielfältigen anderen Produktionsunterlagen, Testanweisungen und vielem mehr.

„Es ist nicht der Unternehmer, der die Löhne zahlt – er übergibt nur das Geld. Es ist das Produkt, das die Löhne zahlt.“

– Henry Ford

Auch der Einkauf bzw. die Beschaffung ist ein Kunde der Produktentwicklung und sorgt dafür, dass die notwendigen Materialien oder notwendige Komponenten für die Produktion verfügbar gemacht werden.

Sowohl die Produkt als auch der Einkauf „bezahlen“ aber nicht für die Leistungen der Produktentwicklung, auch wenn sie deren Kunden sind.

Dabei werde ich den Verdacht nicht los (und habe das auch von Verantwortlichen aus der Produktentwicklung bestätigt bekommen), dass diese Kunden-Lieferantenbeziehungen in Unternehmen den beteiligten Instanzen überhaupt nicht bewusst ist.

Mit diesem fehlenden Bewusstsein (auf beiden Seiten) ist es dann auch kein Wunder, dass die Produktentwicklungsprozesse nur wenig Kundenorientierung enthalten und die betreffenden Kunden (Produktion und Einkauf) unter Umständen nur schlecht mit den Ergebnissen zurechtkommen.

Das Dilemma zieht auch nicht selten noch weitere Kreise. So ist auch dem Produktmanagement oft nicht bewusst, dass die Produktentwicklung der Kunde des Produktmanagements ist, ebenso wie der Einkauf.

Im ersten Fall ist das Lastenheft das Produkt des Produktmanagements und die Basis für das Pflichtenheft der Produktentwicklung und der weiteren Schritte. – Und jetzt mal Hand aufs Herz für alle Produktmanager: Wie selten existiert ein sauberes Lastenheft für die Produktentwicklung, das die nicht ggf. selbst schreiben musste, damit es überhaupt etwas gab?

Für den Einkauf sind Stückzahlen und zeitliche Prognosen die wichtige Zulieferungen aus dem Produktmanagement, anhand derer der Einkauf die Beschaffung plant und Verträge mit Lieferanten abschließt. Die Produktentwicklung liefert dazu dann noch technische Daten und Informationen, die auch die Basis für ggf. notwendige Lieferantenentwicklung sein kann.

Zusammengefasst spielt das Produktmanagement als Auftraggeber für die Entwicklung und weitere Instanzen im Unternehmen eine wichtige Rolle. Für einen kundenorientierten Produktentwicklungsprozess sind aber ganz andere Perspektiven wichtig, um den Erfolg des gesamten Produktentstehungsprozesses sicherzustellen, ebenso wie wichtige Ansatzpunkte zu dessen Verbesserung.

Frage: Woran bzw. an wem richtet sich in Ihrem Unternehmen der Produktentwicklungsprozess aus? Welche Folgen hat diese Ausrichtung? Was wären alternative oder ergänzende Perspektiven?

Sie können einen Kommentar hinter­lassen, indem Sie hier klicken.

Oder teilen Sie den Artikel, gerne mit Ihrem Kommentar, auf Ihrem bevorzugten Social-Media-Kanal und lassen andere an Ihrer Erkenntnis teilhaben.

Jetzt eintragen und Artikel/Denkanstöße zukünftig per eMail erhalten.

Artikel teilen auf ...

Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.