Wenn Wiederholversprechen auf Unikate treffen

Unikate

Der Impuls zu diesem Artikel ist während der Podcast-Episode mit René Huppertz entstanden [1]. Wir haben uns da unter vielen anderen Aspekten auch kurz über einerseits gewünschte Einmaligkeit des Eigenheims bzw. die zu vermeidende Uniformität der Häuser unterhalten und andererseits, dass es doch bzw. trotzdem möglich ist, Takt- und Flussprinzipien in der Bauindustrie anzuwenden.

In diesem Kontext ist mir dann auch nochmal bewusst geworden, dass das Wiederholversprechen im Grunde zwei verschiedene Ausprägungen hat, während sich der Unikatbegriff auf das Ergebnis bezieht und dabei oft noch abstrahierende Elemente hat.

Der Wunsch nach einem Unikat bezieht sich also im Baukontext auf das Haus als Ganzes, vielleicht noch auf einzelne gestalterisch äußere Aspekte, während eine Vielzahl der Hauskomponenten gar nicht einbezogen werden und dort auch dieser Unikat-Charakter irrelevant oder sogar unerwünscht ist.

Dabei denke ich vor allem an alles, was unter den Überbegriff TGA (technische Gebäudeausrüstung) fällt, also die gesamte Elektro-, Sanitär-, Heizung-, Klima-Installation, aber auch an alles was letztlich hinter bzw. unter der Farbe an den Wänden und Decken steckt, vom Keller bis zum Dachboden und den Abschlussziegeln auf dem Dachfirst.

Bei all diesen Nicht-Unikatselementen kommt dann wieder das (unausgesprochene) Wiederholversprechen zum Vorschein, selten bedacht für das Ergebnis und noch weniger für den Entstehungsprozess, beginnend bei der Planung bis zum letzten Pinselstrich und der Verkabelung im Sicherungskasten.

Auch wenn man von den Regeln der Baukunst spricht, steckt doch wieder dieses Wiederholversprechen dahinter und man tut in meinen Augen gut daran, sich das immer wieder klarzumachen und die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.

„Das Geheimnis, mit allen Menschen in Frieden zu leben, besteht in der Kunst, jeden seiner Individualität nach zu verstehen.“

– Friedrich Ludwig Jahn

Das bedeutet dann unzweifelhaft auch, dass es sinnvoll ist, über den eigenen Tellerrand zu schauen und Entwicklungen in anderen Branchen zu beobachten – auch wenn diese viel jünger sind und eine (vermeintlich) höhere Standardisierung haben – um dann daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, funktionierende Elemente zu übernehmen und notwendige Adaptionen durchzuführen.

Letztlich würden wir uns nicht über Themen wie Lean Management und das Toyota Produktionssystem unterhalten, wenn die Schlussfolgerung aus der Beobachtung der Ford-Werke gewesen wäre, dass das nicht auf die japanische Situation passt (Stückzahlen, Produktvielfalt, …) und alles komplett ignoriert worden wäre.

Glücklicherweise ist das damals nicht passiert und passiert auch heute in der Bauindustrie nicht generell. So haben sich Konzepte wie BIM (Building Information Modelling und die Betrachtung des gesamten Lebenzykluses eines Gebäudes), das Last-Plannner-System und die integrierte Projektabwicklung entwickelt.

Und auf einer Meta-Ebene kann man auf jeden Fall von der Bauindustrie lernen, wie man Lean-Prinzipien aus einer scheinbar ganz anderen Industrie auf den eigenen Kontext anwendet, ohne in stumpfes Kopieren von einfachen Methoden und Werkzeugen zu verfallen, die dann an den Branchenunterschieden scheitern müssen.

Dieses Lernen von anderen, von deren Erfolgen wie auch Misserfolgen, ist es, das Lean Thinking im Kern ausmacht. Dazu gehört auch, dass man beim Besuch einer Veranstaltung erkennt, dass es gerade die Vielfalt ist, die den eigenen Horizont weitet. Wenn man nur „lernen“ will, welche Erfolge andere bei der Anwendung von 5S, SMED usw. erzielt haben, kann man auch einfach den nächsten Buchhandel oder -Onlineshop besuchen, dort wahllos eines der zahlreichen Bücher darüber kaufen und die Prinzipien dann anwenden (das T-Shirt schwitzt bekanntlich nicht von alleine).

So wie man aus BIM, LP und IPA lernen kann, wie sich Lean-Konzepte aus einer Branche in einer anderen Branche weiterentwickeln, kann von Agile und Scrum aus der Software-Entwickung und dem zugehörigen Projektmanagement lernen, wie sich Lean & Co. in einer projektorientierten Umgebung entwickeln können.

Dazu gehört dann auch die Übertragung der abgriffenen Erkenntnis in den eigenen Kontext, dass es bei Bohrmaschinen nicht um Löcher in Wand geht, sondern um eine Möglichkeit (von vielen), die eigenen vier Wände individuell zu gestalten.

Und trotzdem kauft man bei der Bohrmaschine ein Wiederholversprechen mit, das sich sogar auf den Auswahl- und Kaufprozess ausdehnen lässt.

[1] Podcast-Episode 311: Transformation am Bau

Frage: Welche Erkenntnisse aus anderen Branchen beziehen Sie in „Ihr“ Lean Management mit ein? Wie hat sich Ihr Lean-Denken dadurch verändert? Wo sehen Sie noch Potenziale?

Sie können einen Kommentar hinter­lassen, indem Sie hier klicken.

Oder teilen Sie den Artikel, gerne mit Ihrem Kommentar, auf Ihrem bevorzugten Social-Media-Kanal und lassen andere an Ihrer Erkenntnis teilhaben.

Jetzt eintragen und Artikel/Denkanstöße zukünftig per eMail erhalten.

Artikel teilen auf ...

Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.