Warum Materie leichter ist

Materie

Wenn Sie diese Überschrift gelesen haben, werden Sie vermutlich gestutzt haben. Das hängt auch damit zusammen, dass die Aussage eine Vergleichstilgung enthält. Selbst wenn ich jetzt ergänze, dass es sich um den Vergleich von Materie zu Informationen handelt, bleiben Sie vermutlich trotzdem irritiert, weil Informationen im Gegensatz zu Materie keine Masse hat (höchstens der entsprechende Informationsträger) und deshalb Eigenschaften wie Gewicht nicht wirklich sinnvoll sind.

Mit leicht bzw. schwer beziehe ich mich in der Folge aber auf den Umgang mit Materie und Information im Kontext von Lean & Co., inkl. allem, was sich daraus ableiten lässt.

Ein, wenn nicht der zentrale Auslöser des schwereren Umgangs mit Informationen ist die Tatsache, dass man sie direkt nicht sehen kann, sondern nur ihre Repräsentation auf einem Informationsträger. Zusätzlich ist es notwendig, dass Informationen auch einen Kontext benötigen, damit sie als solche existent werden. Vorher sind es nämlich nur Daten. Das heißt, dass Daten selbst zwar „gesehen“ werden können, aber erst der Kontext sie zu Informationen macht.

Materie selbst ist erstmal einfach sichtbar und greifbar, wenn man Augen und Hände mal als gegeben voraussetzt.

Das macht es dann auch „leichter“ den Fluss der Materie (und ggf. ihre Veränderung oder Umwandlung) zu verfolgen und festzuhalten, im Lean-Kontext typischerweise durch ein Wertstromdiagramm.

Natürlich enthält ein Wertstromdiagramm auch Informationsflüsse. Aber schon dazu sind zusätzlichen Anstrengungen notwendig, was also den Umgang mit Materie im Gegensatz zu Informationen eben „leichter“ macht. Je nach Ausprägung kann man der Materie auch einen Wert zuschreiben, der im Auge des Kunden dann hoffentlich einer Wertschöpfung unterliegt. Und wenn das nicht der Fall sein sollte, hat man ein Indiz für das, was gemeinhin als Verschwendung (im Muda-Sinn) bezeichnet wird und vermieden werden sollte.

Natürlich kann man Wertstromdiagramme auch außerhalb des materiell-getriebenen Produktionskontext einsetzen, bspw. im Kontext von Dienstleistungen oder Verwaltungstätigkeiten.

„Und alles begann mit einigen Menschen in der Antike, die fragten, wie weit man Materie teilen könne. Es zeigt, was sich alles erreichen lässt, wenn man die richtigen Fragen stellt.“

– Issac Asimov

Typischerweise handelt es sich dabei um Abläufe im Bereich von Minuten und Stunden vielleicht auch mal wenigen Tagen, wenn Liegezeiten miteinbezogen werden. Das gilt sowohl für Produktionsabläufe als auch für solche bzgl. Dienstleistungen und Verwaltung.

Ganz anders sehen die zeitlichen Verhältnisse jedoch im Kontext von typischen Abläufen in der Produktentwicklung aus (sowohl bei physischen Produkte als auch bei umfangreicheren Dienstleistungen). Dort erstrecken sich die Vorgänge über Wochen und Monate, mannchmal Jahre.

Die Erfassung der informationellen Abläufe in der Produktentwicklung mittels Wertstromdiagrammen ist also nicht so „leicht“ wie bei Materie, nicht nur weil diese viel einfacher physisch verfolgt werden kann, sondern auch weil sich die informationellen Vorgänge über einen viel längeren Zeitraum erstrecken.

Das ist vermutlich auch der Hauptgrund, warum Lean-Prinzipien innerhalb der Produktentwicklung zur Verbesserung der Entwicklungsprozesse viel seltener zum Einsatz kommen als in der Produktion oder vergleichbar kurzzyklischen Abläufen. Dazu kommt dann der deutlich geringere Grad der Wiederholungen der Entwicklungsprozesse im Verlauf der Projekte, selbst man von Projektmanagementprozessen spricht. Außerdem geht es ja weniger um die Managementaspekte in den Projekten, sondern um die inhaltliche Arbeit an den Entwicklungsergebnissen.

Durch diese längeren Abläufe ist es auch viel schwerer, d.h. schwieriger, in der Produktentwicklung Abhängigkeiten und kausale Zusammenhänge festzustellen, um diese zu bewerten und letztlich zu verbessern.

Wenn man jetzt aber berücksichtigt, dass die Produktentwicklungsergebnisse den anteilig bei weitem größten Einfluss auf die späteren Produktkosten haben, wird deutlich, wie wichtig es ist, die Abläufe auch dort zu optimieren. Nicht nur um den reinen Anteil der Entwicklungskosten zu verbessern (der gar nicht so groß ist im Verhältnis zu den Material- und Produktionskosten), sondern um den Einfluss auf die späteren Produktkosten (eben die Material- und Produktionskosten) gezielt zu gestalten und zu verbessern.

Auch wenn das nicht „leicht“, bzw. präziser formuliert, einfach ist.

Ein erster Schritt dazu kann es sein, interne Kunden-Lieferanten-Beziehungen der Produktentwicklung in Abhängigkeit von den verschiedenen Komponenten des Produkts zu identifizieren [1] und dann die damit zusammenhängenden Abläufe aufzudecken und enthaltenen wertschöpfenden Anteile zu verbessern. Da spielt der Faktor Zeit auch eine untergeordnete Rolle.

Frage: Wie geht Ihr Unternehmen mit Lean in der Produktentwicklung um? Welche Einflüsse übt die Produktentwicklung auf andere Teile Ihres Unternehmens aus? Welche Erkenntnisse und Maßnahmen leiten Sie daraus ab?

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