Lean-Placebos

Placebos

Um was wird's in diesem Artikel gehen? Das ist zum Einstieg eine gute Frage, auf die ich selber gerne die Antwort wüsste.

Entstanden ist diese Fragestellung aus einem Artikel aus dem medizinischen Kontext, indem es eben einfach um Placebos ging und die vermuteten Mechanismen, die bewirken, dass Placebos eine Wirkung zeigen können, obwohl sie gar keinen Wirkstoff enthalten.

Was ich gar nicht mehr genau nachvollziehen kann, ist der Weg, wie dann daraus ein Impuls zum vorliegenden Artikel über Lean-Placebos entstanden ist. Und ich kann Ihnen auch noch nicht sagen, wohin dieser Artikel führen wird. Es könnte durchaus sein, dass es zum Schluss eher um Placebo-Lean gehen wird, was ich jetzt mal als etwas definiere, bei dem etwas gemacht wird, das durch die Lean-Brille eigentlich gar keine Wirkung erzeugen dürfte und dann aber trotzdem Resultate auftauchen, die im Placebo-Sinn sogar einen Bezug zur erwünschten Wirkung haben.

Dieser letzte Punkt ist im Grund auch der Punkt, bei dem auf jeden Fall eine Gemeinsamkeit zwischen dem medizinischen und dem Lean-Kontext besteht.

Nach meinem Verständnis steht hinter der Gabe eines Placebos im medizinischen Kontext immer eine Absicht mit einem Verständnis für eine erwünschte Wirkung und damit auch für ein zu erzielendes Resultat. Was sich aber nicht vorhersagen lässt, ist die Gewissheit, dass diese gewünschte Wirkung auch eintritt, insbesondere weil es ja keinen Wirkstoff gibt, aus dem sich ein kausaler Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung ableiten lässt und ergeben kann.

Auf Lean übertragen, besteht dort natürlich auch dieser Wunsch nach einer Wirkung und einem Resultat. Allerdings wird es kaum so etwas geben, wie einen vergleichbaren Nicht-Wirkstoff, weil das ja bedeuten würde, dass im Kern weder eine Handlung, eine Aktivität oder eine Kommunikation stattfinden darf. Dabei sollte man auch schon bedenken, dass es ja gar keine Nicht-Kommunikation, Nicht-Handlung oder Nicht-Aktivität geben kann.

„Der Mensch findet sich mitten unter Wirkungen und kann sich nicht enthalten, nach den Ursachen zu fragen; als ein bequemes Wesen greift er nach der nächsten als der besten und beruhigt sich dabei; besonders ist dies die Art des allgemeinen Menschenverstandes.“

– Johann Wolfgang von Goethe

Als Zwischenergebnis kann man also schon mal festhalten, dass es das Lean-Placebo ohne Wirkstoff (im Sinn von Kommunikation, Handlung, Aktivität) gar nicht gibt. Was es aber sicherlich gibt, ist der unbestimmte kausale Zusammenhang zwischen dem Ergebnis und der nicht möglichen Nicht-Kommunikation, Nicht-Handlung und Nicht-Aktivität. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass das Vorhandensein eines bekannten kausalen Zusammenhangs ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass es sich bei der „Sache“ (Kommunikation, Handlung, Aktivität) um nichts handelt, das etwas mit Lean zu tun hat. Was da nämlich fehlt – unter Beachtung der Eigenschaft „bekannt“ – ist der Wissenzuwachs.

Damit will ich nicht ausdrücken, dass diese „Sache“ nichts wert ist und deshalb unterbleiben sollte (der kausale Ursache-Wirkungszusammenhang ist ja gegeben). Nur sollte man es halt nicht Lean nennen. Das wäre dann auch eine Schlussfolgerung, dass der bloße Einsatz von Werkzeugen und Methoden eben kein Lean im eigentlichen Verständnis darstellt. Um es nochmal zu betonen, das heißt nicht, dass man beispielsweise kein 5S machen sollte, um Sauberkeit, Ordnung, Sicherheit zu erzielen. Nur sollte man es nicht Lean nennen, wenn es dann dabei bleibt und man sich immer bloß in bekanntem Terrain bewegt.

Was ich bis jetzt nicht adressiert habe und aus Gründen des Umfangs auch nicht vertiefen will, sind die psychologischen Aspekte, die dann trotz des Fehlens eines Wirkstoffs eine Wirkung generieren. Allgemein psychologische Effekte treten auch im Lean-Kontext auf, bspw. in der Form, wie ich im letzten Artikel [1] angerissen habe und es auch Thema in einer Podcast-Episode war [2] und ähnlich wie bei Placebos eine Wirkung erzeugen, die sich auf der eigentlich inhaltlichen Ebene gar nicht verorten lässt, diese Wirkung aber sehr häufig zu beobachten ist.

Wenn ich jetzt an dieser Stelle mal resümiere, was Lean mit Placebos zu tun hat und ob Placebo-Lean oder Lean-Placebos gibt, kann ich diesen Zusammenhang nur als sehr konstruiert bezeichnen und die Placebos im Lean-Kontext auch nur verneinen. Trotzdem war der ein oder andere Gedanke dabei, den ich selbst am Anfang nicht erwartet hätte. Und es ist ein weiteres Thema entstanden, das ich mir in einem der nächsten Artikel näher anschauen werde.

[1] Blog-Artikel über (Nicht-)Lösungen
[2] Podcast-Episode über Psychologische Sicherheit

Frage: Wo sind Ihnen im Lean-Kontext schon mal Effekte begegnet, die Sie so nicht erwartet hätten? Worauf führen Sie diese Effekte zurück? Wie lassen sich diese Effekte reproduzieren und was ergibt sich aus dieser Reproduzierbarkeit?

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