Warum Lösungen nicht immer Lösungen sind

Lösungen

Vielleicht ist Ihnen schon mal der Spruch begegnet „Kommen Sie mir nicht mit Problemen, ich will Lösungen!“ oder in der verschärften Form „Verschonen Sie mich mit Problemen, …“

Vielleicht haben Sie ihn sogar schon mal selbst verwendet.

Wie ging's Ihnen dann damit? Als Sie diesen Spruch gehört haben, ggf. von sich selbst.

In meinen Augen gehört er in die unterste Schublade von Sprüchen – um nicht den Begriff der Killerphrasen zu verwenden – die Führungskräfte auf jeden Fall vermeiden sollten. In diesem Artikel will ich meine Gründe für diese Ansicht darstellen und Sie zur Reflexion darüber anregen.

Dabei gibt es mehrere Gesichtspunkte bzw. Perspektiven, die man berücksichtigen sollte. Dabei will ich weder einen Anspruch auf Vollständigkeit bzw. der Perspektiven erheben, noch nehme ich für mich die ultimative Wahrheit über die Bewertung in Anspruch. Primär will ich einfach dem Titel meines Blogs gerecht werden und Denkanstöße liefern.

Was sind also mögliche Perspektiven, aus denen man den genannten Spruch betrachten kann?

Da gibt es einmal die Perspektive des Senders also typischerweise der Führungskraft, die diese Aussage macht.

Eine weitere Perspektive ist die des Empfängers. Das kann eine einzelne Person oder eine Gruppe von Personen sein, die mit dem Problem (bei der Führungskraft) vorstellig wird.

Je nach Situation können an diesem Dialog (wenn man wirklich davon reden will) noch weitere Personen als vermeintlich unbeteiligte Zuhörer betroffen sein. Hier verwende ich bewusst den Begriff „betroffen“, weil gewollt oder ungewollt die Aussage auch bei diesen Personen eine Wirkung hinterlassen wird. Ganz im Sinn und der Konsequenz des Kommunikationsaxioms, dass nicht kommunizieren nicht möglich ist und jede Art der Kommunikation damit auch Folgen hat, weil auch ein resultierendes Nicht-Verhalten nicht möglich ist (können Sie ja mal ausprobieren ;-)

Neben diesen drei Personenkreisen gibt es noch mindestens eine weitere Perspektive, die man berücksichtigen sollte, auch wenn es dabei nicht (direkt) um handelnde Personen geht.

Die Perspektive, die ich dabei im Sinn habe, ist der Problemsituation, die letztlich der Auslöser für die genannte Aussage ist. Dass es dabei nicht auch um betroffene oder beteiligte Personen geht, habe ich erstmal bewusst vage ausgedrückt, um es jetzt noch weiter auszuführen.

Im Grunde und unter Berücksichtigung aller Effekte lässt sich kaum eine Situation, welcher Art auch immer, vollständig „entmenschlichen“, d.h. vollständig von irgendwelchen Auswirkungen auf beteiligte oder vermeintlich unbeteiligte Menschen trennen. Damit kann die Situation also auch auf eine weitere Gruppe von Personen abgebildet werden.

Ein Grund, warum ich diese Perspektive von den Personen der ersten drei Gruppen trennen will, ist die Tatsache, dass dieser weitere betroffen-beteiligte Personenkreis kein direkter Teil der Kommunikation ist, in deren Zentrum die genannte Aussage steht. Trotzdem ist diese bzw. deren Perspektive ein wichtiges Element der Reflexion, das es ebenfalls zu betrachten gilt.

„Probleme brauchen Platz – nicht nur in Organisationen, sondern vor allem in den Köpfen der Menschen. Dann lassen sich auf einfache Weise Lösungen finden.“

– Timm Urschinger

So viel erstmal zur (kurzen) Einleitung, um den Rahmen für die Reflexion aufzuspannen.

Welche Auswirkungen kann also die Aussage für die vier Personenkreise haben? Dabei lassen sich die Auswirkungen nicht vollständig voneinander trennen, was mit zur Kritikalität der Aussage beiträgt.

Für den Sender kann sich die Konsequenz ergeben, dass er nicht wirklich etwas über das Problem erfahren wird und eine möglicherweise in der Folge dargestellte oder erarbeitete Lösung u.U. am eigentlichen Problem vorbeigeht und im Extremfall sogar kontraproduktiv ist, d.h. die Problemsituation sogar noch verschlimmert. Mögliche indirekte Konsequenzen – auch für den vierten, indirekt betroffenen Personenkreis, der dann u.U. weiter unter dem Problem leiden wird – will ich an dieser Stelle Ihrer Phantasie überlassen.

Indirekt kann eine weitere Konsequenz sein, dass der Sender auch in der Zukunft von Informationen über Probleme abgeschnitten wird, weil sich Empfänger und Zuhörer möglicherweise nicht mehr trauen, über Probleme zu berichten – Stichwort psychologische Sicherheit (hierzu ist am 10.10 eine Podcast-Episode online gegangen [1]).

Auch wenn ich jetzt noch nicht direkt über mögliche Konsequenzen für die Empfänger und Zuhörer gesprochen habe, sollten alleine schon die Auswirkungen für den Sender genug Gründe darstellen, warum ich die Aussage für – vorsichtig ausgedrückt – etwas unglücklich halte.

Vor allem sollte man sich immer vor Augen führen, dass die Auswirkungen bzw. Rückwirkungen auf den Sender typischerweise eine viel längere Lebensdauer haben werden – um nicht sogar vom möglicherweise ewigen Leben zu sprechen – als dies direkt bzw. bewusst bei ihm und den Empfängern und Zuhörern der Fall sein wird.

Die werden vielleicht schwer schlucken, sich auf die Zunge beißen oder innerlich (kurz) kochen. Von außen betrachtet, mag das sogar vielleicht schnell vergessen sein – im Sinne von Worte sind Schall und Rauch – aber die geschilderte langfristige Wirkung und die resultierende Rückwirkung wird bestehen bleiben und das wahrscheinlich länger als bei den Beteiligten/Betroffenen im direkten Bewusstsein.

Genau dieser Effekt birgt aber die größte Gefahr.

Im Sinne der oben erwähnten psychologischen Sicherheit kann ich allen Führungskräfte nur wärmsten ans Herz legen, die eingangs erwähnte Aussage ganz tief im kommunikativen Giftschrank zu verstecken.

Sollte Ihnen die Aussage selbst mal rausgerutscht sein, bleibt Ihnen – nach der Reflexion darüber – immer noch die Möglichkeit ganz offen damit umzugehen und ggü. den anderen Beteiligten den Fehler einzugestehen. Und tun Sie das ruhig ganz eigennützig – und nennen es auch ganz offen so – weil Ihnen, wie dargestellt, die Konsequenzen daraus selbst am meisten schaden – ob Sie das wollen oder nicht.

Frage: Welche Killerphrasen sind Ihnen schon mal rausgerutscht? Welche Konsequenzen haben sich daraus ergeben oder könnten sich unbemerkt ergeben haben? Wie könnten Sie das korrigieren?

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[1] Episode 301: Psychologische Sicherheit und Resilienz im Lean-Kontext

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