
In solchen Momenten offenbart sich eine unsichtbare Schwachstelle: die Prozessblindheit. Sie entsteht dort, wo funktionierende Abläufe nicht mehr hinterfragt werden. Wo Effizienz zur Gewohnheit wird, geht die Aufmerksamkeit verloren. Der Mensch wird zum Träger der Routine, nicht mehr zum Gestalter. Das System scheint stabil, aber es steht auf einem Fundament, das aus Erfahrung und Intuition besteht – nicht aus dokumentiertem Wissen.
Diese Blindheit betrifft nicht nur operative Tätigkeiten. Sie reicht tief in die Organisation hinein. Fachkräfte, die Entscheidungen mit einer Selbstverständlichkeit treffen, können selten genau sagen, warum sie das tun. Ihr Wissen ist verkörpert, nicht verschriftlicht. Wenn sie das Unternehmen verlassen, bleibt eine Lücke, die erst sichtbar wird, wenn etwas nicht mehr funktioniert. Der Prozess selbst wirkt unverändert, doch sein inneres Gleichgewicht ist gestört.
In Unternehmen, die stark auf standardisierte Abläufe setzen, ist dieser Effekt besonders ausgeprägt. Je mehr Prozesse formalisiert werden, desto stärker entsteht die Illusion von Kontrolle. Doch Standardisierung ersetzt kein Verständnis. Ein dokumentierter Ablauf ist nur dann belastbar, wenn er mit Leben gefüllt wird. Und dieses Leben entsteht durch Erfahrung, nicht durch Formulare.
– Arthur Schopenhauer
Prozessblindheit zeigt sich daher selten in einem großen Knall. Sie äußert sich in schleichenden Veränderungen: leicht verlängerte Durchlaufzeiten, unerklärliche Fehler, nachlassende Qualität. Niemand kann genau sagen, woran es liegt, denn formal läuft alles wie immer. Die Ursache liegt im Unsichtbaren – im fehlenden Erfahrungswissen, das Prozesse zusammenhält.
Ein Teil dieses Problems liegt auch in der Kultur. Wenn Wissen als individuelle Kompetenz betrachtet wird, nicht als gemeinsame Verantwortung, entsteht Abhängigkeit. Wissenstransfer geschieht dann nur reaktiv – wenn jemand kündigt oder in Rente geht. Dabei müsste er integraler Bestandteil des Prozessdesigns sein. Lern- und Übergaberoutinen, Tandemstrukturen oder TWI-Methoden sind keine Zusatzaufgaben, sondern systemische Elemente, die Stabilität erzeugen.
Wer Prozesse gestalten will, muss verstehen, dass sie nicht nur aus Abläufen bestehen, sondern aus Beziehungen. Zwischen Menschen, zwischen Erfahrungen, zwischen Entscheidungen. Erst wenn dieses Zusammenspiel sichtbar wird, kann ein Unternehmen Resilienz aufbauen. Der entscheidende Punkt ist nicht, Wissen zu sichern, sondern Lernen zu ermöglichen.
Wenn Sie wissen möchten, wie Erfahrungswissen systematisch weitergegeben wird, damit es bei Ruhestandssituationen nicht zum großen Knall kommt, nehmen Sie gerne Kontakt mit mir über dieses Formular auf oder greifen Sie einfach zum Telefon und rufen Sie mich unter 0171-7342717 an.
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