Prozesse vs. Innovation & Kreativität

Immer mal wieder sind Artikel zu finden (bspw. ManagerSeminare Heft 183, Juni 2013), die Kreativität und Innovation dem (Prozess-)Management gegenüberstellen und beklagen, dass (Prozess-)Management den Niedergang von Kreativität und Innovation bedeuten. Dem möchte ich in diesem Artikel widersprechen. In meinen Augen ermöglichen gute Geschäftsprozesse in allen Bereichen die zielgerichtete Kreativität in Form von Innovationen.

Zur Untermauerung meiner Meinung möchte ich zu Beginn erstmal die Begriffe in Kürze definieren:

Der Duden definiert Kreativität u.a. als schöpferische Kraft. Das Gabler Wirtschaftslexikon bezeichnet Kreativität als die Fähigkeit eines Individuums oder einer Gruppe, in phantasievoller und gestaltender Weise zu denken und zu handeln. Weitere Stichworte sind phantasievoll, gestalten, originell, neu. Vom lateinischen Wort “creare” abgeleitet ist es die Fähigkeit wirklich Neues zu schaffen. Das folgende Video (15 min) beschreibt das sehr schön.

Innovation wird von der Dudenredaktion im Bereich der Wirtschaft als “Realisierung einer neuartigen, fortschrittlichen Lösung für ein bestimmtes Problem, besonders die Einführung eines neuen Produkts oder die Anwendung eines neuen Verfahrens” definiert. Im Gabler Wirtschaftslexikon lautet die Kurzerklärung “Bezeichnung in den Wirtschaftswissenschaften für die mit technischem, sozialem und wirtschaftlichem Wandel einhergehenden (komplexen) Neuerungen.” Dort wird auch anerkannt, dass keine allgemein akzeptierte Begriffsdefinition existiert.

Die Duden-Definition von Management ist zu vielfältig und spezifisch, sie würde den Rahmen hier sprengen. Besser gefällt mir die Definition im Gabler Wirtschaftslexikon. Management als Funktion sind Tätigkeiten, die von Führungskräften in allen Bereichen der Unternehmung in Erfüllung ihrer Führungsaufgabe zu erbringen sind.

In Wikipedia wird Prozessmanagement so beschrieben: Prozessmanagement beschäftigt sich mit der Identifikation, Gestaltung, Dokumentation, Implementierung, Steuerung und Verbesserung von Geschäftsprozessen. Ganzheitliche Ansätze des Geschäftsprozessmanagements adressieren nicht nur technische Fragestellungen, sondern insbesondere auch organisatorische Aspekte, wie die strategische Ausrichtung, die Organisationskultur oder die Einbindung und Führung von Prozessbeteiligten. Ein Ein Geschäftsprozess beschreibt eine Folge von Einzeltätigkeiten, die schrittweise ausgeführt werden, um ein geschäftliches oder betriebliches Ziel zu erreichen. Im Gegensatz zum Projekt wird ein Prozess öfter durchlaufen.

Der letzte Satz und die Assoziation von der Einmaligkeit von Projekten zu kreativ-innovativen Vorgängen mag jetzt auf den ersten Blick einen Widerspruch auch zwischen Prozessen und der Kreativität und Innovation hindeuten. Wenn man jedoch berücksichtigt, dass auch Projekte einem Projektmanagement-Prozess unterliegen, ist es nicht mehr weit, auch Prozesse für kreativ-innovative Vorgänge zu definieren. Der Vorteil dieser strukturierten Vorgehensweise liegt darin, dass der Kreativität und Innovation plötzlich Raum unter zwei Aspekten geschaffen wird.

Einerseits entsteht dieser Raum durch definierte Prozesse in Form von Standards in der Leistungserbringung, in der Unterstützung und Führung derselben, weil in den Abläufen das Rad nicht jedes Mal neu erfunden werden muss und die Beteiligten ihre Kreativität auf die Schaffung neuer Dinge und notwendige Verbesserungen lenken können. Andererseits fördert ein Innovationsprozess die zielgerichtete Nutzung der Kreativität und verhindert, dass Neuerungen im betrieblichen Alltag untergehen. Damit entstehen im betrieblichen Vorschlagswesen und im Kontinuierlichen Verbesserungsprozess Chancen, die Verschwendung durch ungenutztes Potenzial der Mitarbeiter vermeiden. Im Kleinsten sind dies regelmäßige wöchentliche KVP-Runden, die keine 30 Minuten benötigen, um die Kreativität zu nutzen. Ebenso kann der entstehende Raum zur Schaffung neuer Produkte und Leistungen verwendet werden. Exemplarisches Beispiel dazu ist die Vorgehensweise (ein Prozess), wie Google seinen Mitarbeiter Raum innerhalb der bezahlten Arbeitszeit für kreative Gedanken zur Verfügung stellt. Dass daraus auch verwertbare Ergebnisse entstehen sollen, ist einfach nur gesundes unternehmerisches Denken.

Was mich z.B. in eingangs genanntem Artikel sehr stört, ist, dass auf provozierende und stark vereinfachende Art und Weise ein vermeintlicher Konflikt und Widerspruch angeprangert wird, ohne die wahre Ursache – nämlich schlechtes Prozessmanagement, fehlende Standards und fehlendes Innovationsmanagement, das seinen Namen wirklich verdient – zu benennen und schon gar keine Lösung anzubieten. Der Leser wird mit einer, meiner Meinung nach, nachteiligen Schlussfolgerung alleine gelassen. Eine Schlussfolgerung, die dann dazu führt, dass genau die Standards vermieden werden, weil sie ja ach so sehr die Kreativität und Innovation beschränken könn(t)en. Die Konsequenz sind dann aber genau die genannten Probleme, dass die Verantwortlichen keine Zeit haben, um im übertragenen Sinn Brandschutzmaßnahmen zu installieren, weil sie nur noch damit beschäftigt sind, Feuer zu löschen.

Frage: Wo sind in Ihrem Unternehmen kreative Ideen schon verloren gegangen? Wie hätte ein Innovationsmanagement das verhindern können? Welche Standards könnten den Mitarbeiter notwendigen Raum geben, um ihre Kreativität zielgerichtet einzusetzen?

Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.