Warum die Durchlaufzeit keine gute Kennzahl ist

Durchlaufzeit

Wenn ich diese Aussage mache, könnte ich mir vorstellen, dass ein Aufschrei durch die Lean-Gemeinde geht. Ist doch die Durchlaufzeit einer der zentralen Faktoren für Kundenzufriedenheit und gleichzeitig auch eine Kennzahl, die dem Unternehmen selbst nützt, weil typischerweise eine kurze Durchlaufzeit auch für schnelleren, das heißt früheren Zahlungseingang bei Unternehmen sorgt.

Trotzdem ist die Durchlaufzeit im klassischen Gebrauch als Kennzahl nicht geeignet. „Klassisch“ soll hier nicht bewährt bedeuten, sondern nur darstellen, dass es sich um ein häufiges Vorkommen handelt. Wie Kennzahlen falsch verwendet werden, hatte ich schon in dem Artikel über den Zweck von Kennzahlen beschrieben.

Wenn man nun eben annimmt, dass Kennzahlen eben viel zu oft falsch verwendet werden, weil sie sich auf (betriebs-)wirtschaftliche Aspekte beziehen, sollte auch klar werden, warum die Durchlaufzeit bei dieser Betrachtungsweise eine „falsche“ Kennzahl ist. Bei einer längerfristigen Betrachtung des wirtschaftlichen Erfolgs eines Unternehmen spielt sie nämlich keine wirkliche Rolle, außer wenn man vielleicht noch den ROI (Return on Invest) betrachtet. Typischerweise wird der ROI allerdings eingesetzt, um Investitionsentscheidungen zu treffen.

Wenn ich mir allerdings die Durchlaufzeit eines Produkts oder einer Leistung betrachte, wird die Investitionsentscheidung einerseits einmalig getroffen, wenn klar ist, dass man damit überhaupt Geld verdienen kann. Andererseits ist die Verkürzung der Durchlaufzeit bei jeder Produktentstehung bzw. Leistungserbringung für diese Entscheidung eher bzw. völlig irrelevant.

Vor diesem Hintergrund könnte man also annehmen, dass die Durchlaufzeit eben keine gute Kennzahl ist und man sich damit nicht beschäftigen müsste und schon gar nicht mit der Verkürzung im Sinn einer Verbesserung.

„Ist die Zeit das Kostbarste unter allem, so ist die Zeitverschwendung die allergrößte Verschwendung.“

– Benjamin Franklin

Natürlich steht die Durchlaufzeit in einem Zusammenhang mit der Kapitalbindung (weil die eingesetzten Mittel zur Produktion bzw. Leistungserbringung erst mit dem Zahlungseingang vom Kunden wieder frei werden), der Gedanke an ihre Verkürzung ist dabei aber meist nicht vorhanden.

Ähnliches gilt für die noch konkreter Form der Kapitalbindung durch Lagerbestände, die sich typischerweise ebenfalls negativ auf die Durchlaufzeit auswirken.

Hier kommt es oft vor, dass Ursache mit Wirkung verwechselt wird und das Pferd eben nicht aus Kundensicht vom Schwanz her aufgezäumt wird, statt zu erkennen, dass die Lieferfähigkeit das oberste Gebot ist und die Lagerbestände mit dem Einfluss auf Durchlaufzeit sich dem unterordnen sollten.

Wie sieht also ein typischer Effekt bei der Verkürzung der Durchlaufzeit aus? Bei der kurzen Beobachtungszyklen kann es durchaus zur einer Verbesserung des Betriebsergebnisses kommen. Allerdings nivelliert sich das nächsten Beobachtungszeitraum wieder und der Effekt ist dahin oder verschlechtert sich sogar scheinbar, weil durch im vorangegangenen Zeitraum bspw. kein Materialeinsatz notwendig war, weil Bestände zur Lieferung genutzt werden konnten, jetzt aber wieder am Beginn des Wertstroms Materialeinsatz notwendig wird und die Bilanz scheinbar verschlechtert.

Unter diesem Blickwinkel sollte jetzt deutlich geworden sein, warum die Durchlaufzeit – unter falschen Voraussetzungen und Annahmen – keine gute Kennzahl ist.

Trotzdem ist die Durchlaufzeit eine Kennzahl, die einerseits die Kundenzufriedenheit direkt beeinflusst und damit auch indirekt genutzt werden kann, um festzustellen, ob sich der Kontinuierliche Verbesserungsprozess eben genau am Kunden orientiert.

An Hand von diesem Beispiel sollte deutlich geworden sein, dass die betrachteten Kennzahlen im KVP und für den KVP einen entscheidenden Einfluss auf dessen Erfolg ausmachen und zu einem nicht unerheblichen Maß durch den gesetzten Kontext auch die Ausrichtung des KVP beeinflussen, indem indirekt Einfluss auf die handelnden Menschen genommen wird.

Frage: Woran machen Sie Fortschritte im KVP fest? Wie stellen Sie dabei sicher, dass der Kunde im Fokus derr Verbesserungen steht? Welche Veränderungen bei der Denkweise sind dazu ggf. nötig?

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