Welche Gründe hinter Fehler-Aversion noch stecken können

Fehleraversion

Über das weite Feld des Umgangs mit Fehlern hatte ich schon einige Artikel geschrieben. Kürzlich ist mir im Zusammenhang mit der Adlerschen Individualpsychologie noch ein weiterer Aspekt bewusst geworden. Auf diesen Aspekt kommt man erstmal nicht von selbst, wenn man ihn sich aber mal klar gemacht hat, sind in meinen Augen mögliche Zusammenhänge und Auswirkungen ziemlich deutlich.

Vereinfacht ausgedrückt, lautet Adlers Aussage, dass Fehler immer auch einen Machtverlust verursachen. Beim Machtverlust geht es dabei speziell um die eigene Wahrnehmung.

Jetzt könnte der/die ein/e oder andere vielleicht sagen, „Moment mal, ich hab' doch gar keine Macht. Wie soll ich dann welche verlieren?“

Ich denke, der Aspekt Machtverlust wird deutlich, wenn man nicht (nur) an die absolute Macht (über andere) denkt, sondern primär erstmal nur die relative Macht im Bezug zu anderen betrachtet. Also das, was man gemeinhin Machtgefälle nennt. Das natürlich auch scheinbar nicht vorhanden ist, wenn man von ausgewogenen Machtverhältnissen spricht. Dann ist das Gefälle halt einfach null (wenn man durch die Brille des Mathematikers oder Ingenieurs blickt ;-)

Im Grund kann man Macht immer auch wie Kommunikation und Verhalten betrachten. Ein Machtverhältnis im Bezug zu anderen ist immer vorhanden, im Grund sagar nur durch den Bezug. Auch wenn das von den Beteiligten so nicht wahrgenommen wird und es im Extremfall sogar beide Seiten weit von sich weisen.

„Es ist niemals zu spät, aber immer höchste Zeit.“

– Alfred Adler

Adlers Schlussfolgerungen zur Beziehung zwischen Fehler und Machtverlust bzw. Veränderung der Machtverhältnisse lauten demnach:

Wenn ich einen Fehler mache, eröffnen sich für jemand anderes Möglichkeiten, diesen Fehler zu seinem/ihrem Vorteil (in Form der Veränderung des Machtgefälles) zu nutzen, bspw.

  • indem die Person mich rügen kann (das würde dann ein ggf. vorhandenes Machtgefälle steigern),
  • indem die Person jemand anderen auf meinen Fehler aufmerksam machen kann (was dann dort ggf. zusätzlich das vorhandene Machtgefälle steigern kann).

Aus diesen Überlegungen oder Bedenken kann dann die Reaktion folgern, dass ein Fehler eben einfach nicht kundgetan wird. Oder, wenn es um Verbesserungen geht, bei denen Fehler fast zwingend dazugehören müssen, dass nicht genügend „Mut“ aufgebracht wird, etwas neues, mit möglichen Fehlern behaftetes auszuprobieren.

Hier geht es nicht so sehr darum, dass diese andere Person meinen Fehler böswillig zu meinem Nachteil nutzen will, sondern vielmehr, dass der Fehler Konsequenzen nachsichzieht, die nicht mehr unter meiner alleinigen Kontrolle stellen. Und Kontrollverlust (über eine Situation) ist immer auch eine Form des Machtverlust.

Das Spannende an diesen Überlegungen ist nun, dass die Reaktionen sehr stark auf der unbewussten Ebene der einzelnen betroffenen Person ablaufen. Erstmal braucht es dazu gar keine andere handelnde Person. Und trotzdem löst ein Fehler eine Folge von möglichen Reaktionen aus, der bspw. eine Führungskraft (als die andere Person) auch ausgeliefert ist.

Das heißt auch, die Führungskraft kann lange eine positive Fehlerkultur predigen und sich sogar entsprechend verhalten. Sie hat aber trotzdem nur sehr eingeschränkten Einfluss auf die (unbewussten) Reaktionsprozesse einen Menschen, der den Fehler macht. Oft sind (kollektive) Erfahrungen dieses Menschen sehr viel prägender, das das Verhalten der Führungskraft.

Daraus resultiert auch, dass der Umgang mit eigenen Fehlern durch die Menschen hochgradig individuell ist. Das heißt dann eben auch, das objektiv vergleichbare Fehler völlig unterschiedliche Verhaltensweisen seitens der fehlermachenden Menschen auslösen können

In meinen Augen kann diesen Mechanismen nur begegnet werden, indem sie allen Beteiligten bewusst gemacht werden und dieses Bewusstsein auch laufend gefördert wird.

Natürlich gehört dazu auch, dass man sich bewusst darüber ist, dass auch diese Bewusstmachung selbst schon wieder ein Machtgefälle schaffen oder verstärken kann.

Jetzt könnte man sich sogar fragen, ob (dieses) “machen” auch etwas mit “Macht” zu tun hat.

Es kann jedoch m.E. kein Fehler sein, wenn man sich selbst dieser Mechanismen und ihres Einflusses auf das eigene Handeln und das anderer bewusst ist und sie positiv zur Schaffung guter Arbeitsziehungen nutzt. Meine kleine eMail-Serie zur Gestaltung guter Arbeitsbeziehungen kann ein weiterer Einstieg sein. Sie können sie hier abonnieren.

Frage: Welche Reaktionen auf Fehler erleben Sie? Wo vermissen den offenen Umgang mit Fehlern? Was könnten mögliche Ursachen sein?

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