Wenn nicht der Kunde der Kunde ist

Kunde

Über das Thema Kunde hatte ich schon mal einen Artikel geschrieben.[1] Darin ging es um die internen Kunden (und Lieferanten) aus Sicht der Produktentwicklung. Jetzt hab‘ ich mir Teile des Unternehmens vorgenommen, wo die Frage nach dem Kunden auf den ersten Blick wahrscheinlich nicht zur Diskussion steht, weil es sich um den „echten“ Kunden dreht, im Sinne des Endkunden, der die Leistungen (Produkte & Dienstleistungen) des Unternehmens nutzt. Damit liegt auch auf der Hand, dass ich mit den Unternehmensteilen die Abteilungen von Vertrieb, Marketing und Produktmanagement meine.

Trotzdem wage ich auch hier die Aussage, dass die reine Fokussierung auf den externen Kunden für die Arbeit von Vertrieb, Marketing und Produktmanagement zu kurz gegriffen ist. Ein nicht zu unterschätzender Teil der Aktivitäten (ich verwende hier bewusst noch nicht den Begriff der Wertschöpfung) in diesen Abteilungen zielt in ihren Arbeitsergebnissen nicht auf den externen Kunden, sondern auf interne Kunden, namentlich die Produktentwicklung aber auch die genannten Abteilungen untereinander.

Dabei geht auch darum zu berücksichtigen, dass es typischerweise von den externen Kunden eine Vielzahl gibt (ohne jetzt von der einzelnen Austauschbarkeit zu reden) aber eben bspw. nur eine Produktentwicklung innerhalb der Organisation existiert. Damit haben wir jetzt noch gar nicht von der Art der Weiterverarbeitung der Arbeitsergebnisse von Vertrieb, Marketing, Produktmanagement innerhalb der Entwicklung gesprochen.

Diese Weiterverarbeitung innerhalb der Produktentwicklung mit den entsprechenden wechselseitigen Abhängigkeiten üben auf den Erfolg des Geschäftsmodells einen mindestens so großen Einfluss wie die reine Produktion oder die Bereitstellung der Dienstleistungen. Das gilt in meinen Augen sowohl für Serienprodukte als auch Unikate in den entsprechenden Industrien (Immobilien, Anlagenbau, Schiffsbau, …)

„Nicht der Kunde kommt zuerst, sondern der Mitarbeiter. Kümmern Sie sich um Ihre Mitarbeiter, diese kümmern sich um Ihre Kunden.“

– Richard Branson

Die dabei relevanten und wechselseitigen Verpflichtungen und Beiträge von internen Kunden und Lieferanten ähneln wiederum denen ,wie sie auch zwischen Produktion und Produktentwicklung existieren[1] und beide Seite tun gut daran, diese Verantwortlichkeiten anzunehmen und gemeinsam zu gestalten.

Ein weiteres Spannungsfeld entsteht, wenn die jeweiligen Abteilungen zwar formal gemeinsame Ziele verfolgen, die tatsächlichen Erfolgskennzahlen aber gegeneinanderlaufen. Während Marketing auf Reichweite und Sichtbarkeit achtet, bewertet der Vertrieb den Auftragseingang und die Produktentwicklung die technische Machbarkeit und Termintreue. Dadurch entstehen Zielsysteme, die auf der Oberfläche kompatibel wirken, in der täglichen Arbeit aber gegeneinander arbeiten. Aus der Perspektive interner Kundenbeziehungen bedeutet das, dass die „Lieferungen“ zwischen den Abteilungen oft an den Bedürfnissen der jeweiligen Weiterverarbeiter vorbeigehen – nicht aus bösem Willen, sondern weil das Verständnis dafür fehlt, was im nächsten Prozessschritt wirklich gebraucht wird.

Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, den Informationsfluss zwischen diesen Bereichen ebenso systematisch und systemisch zu betrachten wie den Materialfluss in der Produktion. Wenn Informationen unvollständig, verspätet oder unklar weitergegeben werden, entstehen dieselben Verschwendungen wie bei physischen Prozessen: Nacharbeit, Wartezeiten, Missverständnisse und unnötige Schleifen. Ein gemeinsames Verständnis der internen Kunden-Lieferanten-Beziehungen und deren Wertbeiträge kann hier helfen, die Qualität der Zusammenarbeit zu erhöhen – und damit letztlich den externen Kunden besser zu bedienen, weil interne Reibungsverluste abnehmen und Entscheidungen fundierter getroffen werden.

Am Ende zeigt sich, dass die Frage nach dem „richtigen“ Kunden nicht nur eine begriffliche Klärung ist, sondern eine Haltungsfrage. Wenn Abteilungen sich als Teil eines Wertstroms verstehen, in dem jeder sowohl Lieferant als auch Kunde ist, entsteht eine andere Form der Verantwortung füreinander. Diese Haltung fördert nicht nur die Qualität der Ergebnisse, sondern auch das gegenseitige Verständnis für die Abhängigkeiten im Unternehmen. Und genau daraus wächst schließlich das, was auch der externe Kunde wahrnimmt – ein stimmiges Gesamtbild aus Bedarf, Lösung und Erfahrung.

Frage: Wie gehen Sie in Ihrem Unternehmen mit den internen Kunden-Lieferanten-Beziehungen zwischen Vertrieb, Marketing, Produktmanagement und Produktentwicklung um? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Wo besteht noch Verbesserungspotenzial?

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[1] Lean ist auch, wenn der Kunde nicht zahlt

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