Nachdem es letzte Woche um einen Discounter ging, der sich schon einige Zeit am Markt befindet, will ich dieses Mal ein Lean-Thema aufgreifen, das ganz am Anfang des Lebenszyklus von Unternehmen steht, aber auch entsprechend für den Lebenszyklus von Produkten generell (also auch in bestehenden Unternehmen) eingesetzt werden kann.
Die Fragen, die in beiden Fällen gestellt werden können bzw. sollten, sind dabei die gleichen und lassen sich auf drei Risiken verdichten. Dabei kommt es oft dazu, dass die Schwerpunkte falsch gesetzt werden und es in der Folge zu einer Verschwendung kommt, die ebenso oft nicht korrigiert werden kann.
In vielen Fällen wird der Fokus sehr stark auf das Produktrisiko gelegt, weil Zweifel bestehen, ob die Produktidee (oder Dienstleistung) technisch überhaupt realisierbar ist. Natürlich erscheint dieses Risiko schnell übermächtig und dringend, speziell durch die Brille „Kunde droht mit Auftrag“.
In Wahrheit besteht ein viel größeres Risiko bei der Frage, ob für das Produkt überhaupt ein Markt existiert. Das heißt, ob es Kunden gibt, die willens sind, das Produkt oder die Leistung einzukaufen, weil es ihnen die Lösung für ein wahrgenommenes Problem bietet. Beachten Sie dabei, dass ich hier von einem wahrgenommenen Problem (in den Augen der Kunden) spreche und nicht von einem vermuteten Problem (in den Augen des Anbieters) spreche.
Wenn das Produkt durch die Augen des Anbieters betrachtet wird, kann speziell bei technisch orientierten Themen eine Verzerrung der Realität durch (Selbst-)Verliebtheit in die Idee entstehen und die Verwechslung von wichtig und dringend eintreten, indem die eigene Begeisterung auf den Kunden abgebildet wird.
– Thomas A. Edison
Das Produkt bzw. sogar das Unternehmen wird aber scheitern, wenn wenn es keinen Markt findet, weil es in den Augen von Kunden keinen Wert stiftet und diese deshalb auch nicht bereit sind dafür zu bezahlen. In diesem Fall kann eine zuvor geleistete Produktentwicklung auch nicht als Wertschöpfung klassifiziert werden, sondern muss unter Verschwendung eingeordnet werden. Dabei wurde oft nicht nur Kapital verschwendet (wobei das ja nicht wirklich weg ist, sondern sich nur auf dem Konto von jemand befindet). Vielmehr kommt auch die Zeitverschwendung hinzu. Eine Verschwendung, die auch nicht einfach korrigiert werden kann, weil die aufgebrachte Zeit unwiederbringlich verloren ist. Der einzige positive Aspekt kann der Gewinn an Erfahrung sein, wobei auch die nur dann zur Wertschöpfung zählt, wenn jemand bereit wäre, dafür zu bezahlen. Maximal kann die erworbene Erfahrung eine Voraussetzung für zukünftige Erfolge sein, manchmal sogar eine notwendige.
Das dritte Risiko ist manchmal scheinbar mit dem Marktrisiko verbunden, kann aber in der Regel viel eher überwunden werden. Hier geht es um das Risiko des Geschäftsmodells. Der Unterschied besteht hierbei darin, dass die Form, wie das Produkt insgesamt gegen Geld getauscht wird, nicht funktioniert oder noch nicht abschließend durchschaut wurde. Der grundsätzlich Bedarf besteht jedoch, weil für den Kunden ein Problem gelöst wird.
Der Bezug zum KVP folgt in diesem Artikel etwas später. Er besteht darin, dass zuerst die grundsätzliche Problematik verstanden sein muss (deshalb die lange Vorrede), indem dann durch frühzeitige Kontakte und Gespräche mit Kunden der Bedarf und Nutzen geklärt wird. In Iterationen kann dann aus einer Idee auch ein Produkt geschaffen werden, dass seine Zielgruppe findet und Markterfolg erreicht. Auch hier gilt der Aspekt der notwendigen Fehler, ohne die kein neues Wissen entstehen kann. Die Kunst besteht allerdings darin, die „richtigen“ Fehler zu machen.
Vielleicht fragen Sie sich an dieser Stelle wie dieser starke Kundenbezug zu Innovationen passt und meiner Begeisterung für Apple, die ich auch im letzten Artikel ausgedrückt hatte. Meine Antwort besteht dabei darin, dass praktisch alle Produkte, die Apple im Lauf der Zeit auf den Markt gebracht hatte, schon auf dem Markt existierten, d.h. der Kundenbedarf grundsätzlich schon evaluiert werden konnte. Allerdings wurden sie erst von Apple in einer Form verfügbar gemacht, die sie von den Vorgängern abhob und deshalb den Erfolg ermöglichte.
Zum Thema Lean Startup gibt es eine Reihe von Büchern, die ich Ihnen sehr ans Herz lege, wenn Sie entweder Existenzgründer sind, in einem bestehenden Unternehmen für die Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen verantwortlich sind oder sich grundsätzlich für dieses Thema interessiert.
Sie können einen Kommentar hinterlassen, indem Sie hier klicken.
Artikel teilen auf ...
Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.