Kaizen 2 go 076 : Verständnisprozesse


 

Inhalt der Episode

  • Was ist die Voraussetzung dafür, das etwas verstanden wird?
  • Wie haben sich Verständnisprozesse im Lauf der Zeit verändert?
  • Welche Auswirkungen hat das auf das Erklären?
  • Welcher Fehler wird beim Erklären immer wieder gemacht?
  • Was ist die Ursache dafür?
  • 5 Regeln für einfaches Erklären
  • Was kann man tun, wenn man immer wieder bzw. immer mit der gleichen Person Verständnisprobleme hat?
  • Welche Rolle spielt Interaktion im Verständnisprozess?
  • Wie wird sich das Thema in der Zukunft entwickeln? Was können Menschen und Unternehmen tun, um dafür gut gerüstet zu sein?

Notizen zur Episode

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(Teil)automatisiertes Transkript

Götz Müller: Episode 76 – Verständnisprozesse

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Heute habe ich Jens Schmelzle bei mir im Gespräch. Jens Schmelzle ist der Gründer der Firma simpleshow, die sich mit Erklärvideos beschäftigt und heute wird's auch um Verständnisprozesse gehen. Hallo Herr Schmelzle.

Jens Schmelzle: Guten Tag Herr Müller, hallo.

Götz Müller: Schön, dass Sie heute dabei sind, dass Sie Zeit gefunden haben.
Jetzt habe ich schon einen Satz zu Ihnen gesagt, Sie können das sicher noch viel besser darstellen, wer Sie sind, was Sie machen.

Jens Schmelzle: Ok, also auch ich bedanke mich für die Einladung. Schön, dass ich da sein darf. Genau, Sie haben es eigentlich schon gesagt. Ich habe 2008 die Firma simpleshow mitgegründet, damals noch als Student mit zwei anderen Kommilitonen und was die Firma simpleshow macht.

Sie hilft Unternehmen weltweit, Kommunikationsprobleme zu lösen gegenüber Kunden oder Mitarbeitern, also Dinge zu erklären. Das macht sie mit maximal drei Minuten Videos. Also wir sind ein Erklärdienstleister und im Bereich Erklärvideo auf der größte der Welt mittlerweile.

Und das heißt, ich beschäftige mich seit über 10 Jahren mit dem Thema einfaches erklären. Also wie schaffe ich es ein Thema in drei Minuten so machen, dass mein Gegenüber mich versteht.

Götz Müller: Und verstehen war schon gutes Stichwort, da möchte ich nämlich noch zum Einstieg darauf eingehen. Was sind denn ihrer Ansicht nach die Voraussetzung dafür, dass das Gegenüber etwas versteht.

Jens Schmelzle: Ganz allgemein kann man sagen: die richtige Information zur richtigen Zeit auf die richtige Art und Weise. Das ist jetzt natürlich sehr allgemein. Wir werden jetzt noch ein bisschen tiefer einsteigen im Laufe des Gespräch. Aber vielleicht man einen Fehler den viele machen ist, dass sie zu viel kommunizieren, oder die falschen Dinge und wenn wenn ich zuviel sage und die Angst habe, ich muss jedes Detail jetzt sofort loswerden Dann sage ich am Ende gar nichts, weil ich dann anderen komplett überfrachte mit Information und das ist ein ganz gängiger Fehler beim Erklären, dass ich aus Angst etwas wegzulassen, den anderen eigentlich völlig überfordere.

Götz Müller: Also Fachidiot schlägt Kunde tot, glaube ich. Jetzt sind wir ja in einer Zeit, wo sich vieles verändert und ich denke bzw. könnte mir vorstellen, zumindest nehme ich an mir selber wahr. So was Aufmerksamkeitsspanne angeht, was würden Sie sagen, wie haben sich Verständnisprozesse außer die Aufmerksamkeit auch von Menschen, wie hat sich das die Zeit über verändert.

Jens Schmelzle: Also grundsätzlich muss man sagen, unser Gehirn ist ein ja auch genauso aufgebaut wie in der Steinzeit kann man sagen. Also da hat sich gar nicht so viel verändert.
Das Gehirn wurde eigentlich zum Überleben gemacht und das heißt visuelle und akustische Reize aufnehmen.
Das hatte irgendwann mal einen Grund nämlich, dass wir es geschafft haben, in unserer Höhle oder vor der Höhle zu überleben.

Und daran hat sich gar nicht so viel verändert. Was sich allerdings verändert hat, das haben Sie gerade schon erwähnt. Das ist die Aufmerksamkeitsspanne, das heißt natürlich hat sich die Welt um uns herum stark verändert und wir haben sehr viel mehr Reize, die in sehr viel höhere Frequenz auf uns einströmen. Und das hat natürlich schon auch Auswirkungen auf unsere Aufmerksamkeitsspanne. Ein ganz anschauliches Beispiel ist zum Beispiel, wenn man sich, Hollywood Filme anschaut, die heute ins Kino kommen und die mal vergleicht mit Filmen aus den 30er Jahren oder 40er Jahren wird man schon feststellen, dass es eine deutlich höhere Schnittfrequenz z.b. hat. Eine deutlich lautere Mischung und dass Kinder und Jugendliche damit zurechtkommen, wohingegen ihre Großmutter damit vielleicht schon Probleme hätte.

Und das hat noch ein paar andere Ursachen aber es ist ein Beispiel dafür, wie sich unser Gehirn mit den Medien und der Art und Weise, wie wir kommunizieren, verändert und während jetzt vielleicht eine jüngere Person keine Probleme hat mit, sehr viel Reizen gleichzeitig, hat sie vielleicht eher Probleme damit, sich über längere Zeit hinweg zu konzentrieren oder empfinden dann z.b. einen langsam geschnittenen Film sehr viel schneller als langweilig.

Und an solchen Beispieenl sag ich mal schon okay, die Wahrnehmung und die Aufmerksamkeitsspanne, das ist durchaus etwas, was sich mit unserer schnelleren Gesellschaft und schnelleren Kommunikation durchaus verändern.

Götz Müller: Das möchte ich noch ein bisschen vertiefen, im Sinne von was für Auswirkung hat und das auf das erklären, weil ich möchte ja schon etwas vermitteln und nicht jemanden nur unterhalten. Also wenn ich mal von dem geschäftlich beruflichen Kontext ausgehe.

Jens Schmelzle: So ist es. Zunächst mal muss ich das wissen, heißt, ich muss wissen, dass mein Gegenüber einfach nur eine gewisse Aufmerksamkeitsspanne hat, Das heißt, das ist das erste, was ich will ich doch tun sollte. Ich muss mich mit meiner Zielgruppe auseinandersetzen. Und wenn ich jetzt weiß, naja, es ist nun mal ein Naturgesetz, dass nur eine gewisse Menge an Informationen in einer gewissen Zeit aufnehmen kann, dann muss ich also auch versuchen, mich daran zu orientieren und z.b. Informationen in kleinere Häppchen zu verpacken.

Also wenn ich den jetzt nicht in drei Stunden am Stück beschalle, dann muss ich mich nicht wundern, wenn der von der letzten Stunde nicht mehr viel mitnimmt. Vielleicht ist es viel sinnvoller, kleinere Häppchen zu machen.

Und das kommt jetzt auf den Kontext an. Wir haben eben meistens in solchen drei Minuten Einheiten, die als sehr sinnvoll erachtet. Das ist so die Länge von so einem Radio Song.
Allerdings ist dann natürlich auch die Menge an Informationen begrenzt und man kann das aber vielleicht auch gezielt einsetzen, um es zu verbinden. Also z.B. in der internen Ausbildung hat man oft Themen, die kann ich in 3 Minuten nicht vermitteln. Das ist einfach zu viel. Was ich aber machen kann, ist, wenn ich eine Präsenzschulung plane, in den Wochen zuvor, vielleicht schon so Basisinformationen in so 3 Minuten Häppchen zu vermitteln und dann schaffe ich es vielleicht die Präsenzschulung tatsächlich um zwei Stunden zu verkürzen.
Und das sind Fälle, die mit unseren Kunden tatsächlich so hatten. Also einfach mal drüber nachdenken, ob ich nicht die Art und Weis, wie ich Informationen verpacke, mal neu denken kann.

Götz Müller: Also auch im Sinne von Medienmix. Höre ich da zumindest raus.

Jens Schmelzle: Genau richtig. Also wir haben ja auch oftmals mit Videos kommuniziert. Das war ja unser Kernprodukt, weil wir eigentlich immer in dem Segment der wenigen Minuten unterwegs waren. Es gibt aber natürlich völlig andere Formate, die auch ihre Berechtigung haben, also auch dort sich mal zu beschäftigen wann ich denn, wo muss ich eine Präsenzveranstaltung machen. Wie kann ich die aber effektiver gestalten, wo kann ich z.B. mit Videos auch dafür sorgen, dass Leute gar nicht präsent sein müssen, sondern zu Hause in ihrem eigenen Tempo lernen können. Das hat auch Vorteile. Das heißt, die können z.b. ihr Video ,also ihren Lehrer, anhalten, zurückspulen, es noch mal ansehen.

Damit wird auch schon in der Schule rumexperimentiert, sogenannte flipped Classroom Konzepte, heißt die Schüler lernen nicht mehr in der Schule und machen dann zu Hause ihre Hausaufgaben, sondern sie lernen zu Hause in ihrem eigenen Tempo und im Klassenzimmer macht man dann gemeinsam die Übungen und hat Platz für Diskussionen und Rückfragen und das ist eben ein Medienmix durchaus sinnvoll. Also immer nur Text ist genauso falsch wie immer nur Video. Es geht am Ende um das richtige Gesamtkonzept und wie schaffe ich es, an ein Lernziel zu bringen und Wissen zu vermitteln, so dass ich das in der kurzen Zeit erreiche und dass dann auch noch hängenbleibt.

Götz Müller: Okay, jetzt möchte ich mal bisschen von der anderen Seite her kommen, im Sinne von was passiert denn in Ihrer Wahrnehmung immer wieder, was wird immer wieder falsch gemacht, wo letztlich das Verständnis auf der Strecke bleibt.

Jens Schmelzle: Also einen Punkt habe ich schon genannt: Das ist das Thema zu viel Informationen und die falschen Informationen. Und das ist ein Fehler, der wirklich sehr sehr weit verbreitet ist und der hängt auch damit zusammen, dass wir, wenn wir Wissen vermitteln wollen, ganz oft unser Wissen zeigen wollen.

Also egal, ob ich jetzt eine Führungskraft bin oder im Vertrieb arbeite und meinen Kunden etwas erklären muss oder vielleicht als Ingenieur einem neuen Mitarbeiter. Wir haben ja wahrscheinlich erstmal ein Expertenwissen, also mehr Wissen als unser Gegenüber und viele haben Angst davor dieses Wissen nicht zeigen zu dürfen. Wissen ist ja auch eine gewisse Macht und das macht uns zu Experten, das macht uns aus und wir wollen unser Wissen zeigen und viele haben Angst davor, wenn die ganz viel von dem Wissen, das sie eigentlich haben, verstecken, dass sie dann geringer wertgeschätzt werden vom Gegenüber, oder dass der Gegenüber meint, so schwer ist das ja gar nicht. Das ist also ein Aspekt: Wir wollen unser Wissen zeigen.

Das zweite ist, dass wir Probleme haben damit einzuschätzen, was ist denn für die andere Person jetzt in dem Moment relevant und was nicht und man kann grundsätzlich sagen, wenn es um das einfach Erklären geht, dann muss man sich klar machen, ich schaffe es nicht mal nicht, in ein bis drei Minuten jedes Detail zu vermitteln. Das muss ich auch gar nicht, sondern wichtig ist es, dass ich zunächst mal die Zusammenhänge klären. Also das große Ganze und die groben Zusammenhänge und noch den Mut habe, Dinge vielleicht mal wegzulassen und als Grundlage, eine wichtige Grundregel muss man unterscheiden zwischen zwei Dingen, die den meisten Leuten gar nicht bewusst sind. Es gibt nämlich einen großen Unterschied zwischen einer Erklärung und einer Beschreibung. Also wenn die Leute sagen, ich erkläre dir jetzt etwas, dann beschreiben sie ganz oft nur. Ich nehme als Beispiel oftmals die Sicherheitsnadel.
Wenn man die Leute fragt, was ist denn eine Sicherheitsnadel, dann fangen sie, an den Gegenstand zu beschreiben. Eine Sicherheitsnadel ist aus Metall, 3 cm lang, gebogen und hat da oben so ein Ding.

Das wäre der falsche Weg. Das ist die Beschreibung des Gegenstands. Viel wichtiger wäre es, zu erklären, wozu braucht man den Gegenstand, also was kann ich damit machen, was hat dieser Gegenstand für Vorteile. Ich kann also, wenn mir die Hose reißt, die Hose kurzfristig reparieren, ich kann Dinge, das Kleidungsstück, kurzfristig fixieren, ohne mich dabei zu verletzen, kann es wieder lösen.

Und das ist der große Unterschied zwischen dem warum und dem wie und das lässt sich auch ganz viele Dinge Berufsalltags übertragen. Auch wenn ich z.b. ein Produkt verkaufen will, dann.
Soll ich ein immer die Kundennutzen in den Vordergrund stellen, bevor ich dann genau erkläre, wie gehe ich denn jetzt mit dem Produkt um und wie ist es beschaffen.

Götz Müller: Na ja, das kam mir sofort auch in den Sinn, eben dieses, ich erkläre Leistungsmerkmale statt den Nutzen.
Wovon der Kunde letztlich oder der potenzielle Käufer vielmehr hat. Jetzt haben Sie das schon angedeutet, ich möchte bisschen vertiefen: Was glauben Sie, was sind die Ursachen dafür. Einerseits ja dieses, ich möchte mich als Experte und so weiter darstellen. Gibt's noch andere Punkte, wo Sie sagen, da dran hängt es. Das muss man sich ja bewusst machen.

Jens Schmelzle: Ja, so sind jetzt wie schon gesagt, schon 2 das eine ist Wissen ist Macht, ich möchte mein Wissen auch zeigen. Und das andere ist eben diese fehlende Unterscheidung zwischen dem warum und dem wie. Also der Beschreibung und der Erklärung. Das ist vielen nicht bewusst. Und dazu kommt eine nicht zielgruppenorientierte Erklärung. Das heißt, viele Leute denken, eine einfache Erklärung, die ist für jeden gleich und das ist auch ein weit verbreiteter Irrtum. Eine einfache Erklärung für ein Kind kann völlig anders aussehen, als wenn ich das gleiche Thema einem Kollegen erklären.

Und es heißt, das erste was man immer machen sollte, ist sich bewusst zu machen, ob eine Erklärung verständlich ist und einfach ist, hängt immer von der Zielgruppe ab, der das ganze kläre – und das ist eigentlich immer mein Startpunkt – an der ich mich orientieren muss. Also ich muss darüber nachdenken, wen habe ich denn dort vor mir, was für eine Situation ist der, was hat der für Vorwissen, und auf ihn muss ich meine einfache Erklärung zuschneiden. Also ich darf nicht von mir ausgehen und nur von meinem Thema, sondern ich muss das zusammenbringen mit der Situation meines Gegenüber.

Götz Müller: Ja und da gibt's ja diesen netten Spruch, erkläre so, dass es für die Großmütter, für Kinder und für Geschäftsführer passend ist. Das heißt, der Rang ist nicht notwendigerweise ein gutes Kriterium, um die Einfachheit oder Kompliziertheit festzulegen.

Jens Schmelzle: Nee also richtig. Man sagt ja auch, ein wahrer Experte ist der, der es schafft, Dinge einfach zu erklären.

Götz Müller: Dann kann ich mir vorstellen, der ein und andere fragt sich jetzt dann, ja wie schaffe ich denn das, einfach zu erklären. Gibt's denn da irgendwo Regel. Zu sagen, wenn man sich daran hält, wird's was werden, wird's einfach werden.

Jens Schmelzle: Die gibt's tatsächlich. Also, wir haben uns ja, wie gesagt, seit circa zehn Jahren mit dem Thema beschäftigt und hat in der Zeit ca. 10.000 Erklär-Probleme gelöst bei unseren Kunden weltweit. Und das Interessante ist, dass sich da gewisse Muster zeigen.
Also egal, ob jetzt ein Kunde etwas an seine Mitarbeiter kommuniziert oder an seine Kunden, ob das technische Themen sind oder eher so Soft-Skill-Themen oder Veränderungsprozesse. E gibt eine Methodik, die man verwenden kann, um seine Erklär-Kompetenz sehr schnell zu steigern. Weil was viele denken, ist, das Erklären irgendwie ein Gott gegebenes Talent sei, der eine kann's und der andere nicht. Und das ist ein Irrtum. Ich sehe Erklären eher so als ein Handwerk, das man erlernen kann und das auch jeder erlernen kann und dass man auch üben muss. Das ist eine Trainingssache. Wenn man das öfter macht, dann wird man darin auch besser. Die Methodik, die wir bei der simpleshow damals entwickelt haben, die beruht eigentlich fünf Regeln.

Und die erste Regel ist der Perspektivwechsel. Heißt, das Erste, was ich machen sollte, wäre sich meine Zielgruppe anzuschauen. Mir zu überlegen, was hat denn diese Zielgruppe für Vorkenntnisse. Also was weiß sie über diesen Sachverhalt schon oder was weiß sie vielleicht aus einem völlig anderen Thema, das ich als sogenannte Analogie nutzen kann. Also entweder du kennst dich doch im Bereich XY aus. Üertragen wir doch mal dieses Konzept.

Weil eigentlich im Grunde genommen, ist es ganz ehrlich und das kann was völlig banales sein. Es kann etwas aus dem Haushalt sein oder aus dem Privatleben. Damit muss ich mich aber beschäftigen. Also was hat derjenige für ein Vorwissen und auch was motiviert ihn, was hat er für Ziele, also warum sollte er sich für dieses Thema interessieren. Das sind ganz wichtiges Thema. Also Eigenmotivation. Und diesen Perspektivwechsel muss ich als erstes machen.

Das zweite ist das Thema Vereinfachung und das klingt simpel, ist aber eine der schwersten Punkte. Das heißt, ich muss den Mut haben, Dinge zunächst auch mal wegzulassen. Also Details wegzulassen und als Grundregel, schon mal ganz kurz erwähnt, kann man unterscheiden zwischen dem warum und dem wie.
Und das wichtigere für uns ist zunächst erstmal das warum also wie sind sogenannte kausale Zusammenhänge Ursache und Wirkung in so einem Thema.
Das bezieht sich eben bei technischen Dingen genauso auf alles andere, wenn ich etwas erklären will, dann muss ich immer Ursache und Wirkung von diesem in diesem Bereich zusammenbringen. Und muss also – nehmen wir mal das Beispiel von dem Ingenieur: Der Ingenieur, der sich auskennt mit einem Motor. Dann weißt der, warum jede Schraube an welcher Stelle sitzt und wie sie aussieht und es würde jetzt also nicht reichen, wenn er seinem Azubi erklärt: Die Schraube XYZ sitzt an dieser Stelle und sich hinterher wundert, warum der Azubi den Motor noch nicht zusammenbauen kann. Sondern, was er versuchen muss, ist dem Azubi begreifbar zu machen, welche Funktion diese Schraube hat. Und dann wird es nachher eben auch leichter zu erklären,, warum sie an dieser Stelle sitzt und warum sie so aussieht wie sie aussieht. Das heißt diese Kausalzusammenhänge, was macht dieser Motor eigentlich und warum brauche ich dieses Teil grundsätzlich, das ist erstmal wichtiger, als sich danach zu beschäftigen, wie's beschaffen ist.
Das ist also das Vereinfachung.

Nummer 3, das ist die dritte Regel ist das Thema, wir nennen es, Storytelling.
Gute Geschichten erzählen, also wie schaffe ich es, dass mein Gegenüber sich mit dieser Erklärung identifiziert. Und der einfachste Weg ist immer ein praktisches Beispiel. Also vielleicht auch ein Beispiel aus dem Leben, aus dem Alltag dieser Person.
Vielleicht auch eine Hauptfigur: Stell dir mal vor, hier der Mechaniker Klaus, wenn ich mit Mechanikern spreche, der hat folgendes Problem. Also denjenigen abzuholen, mit einer Situation möglichst praxisnah, die derjenige schon kennt.
Und dann hat man automatisch nämlich diese Kausalität schon drin. Weil eine Geschichte ist nichts anderes als.
Eine Person, die begründete Entscheidungen trifft in einer Geschichte.
Wenn wir einen Film schauen oder ein Buch lesen, gibt es da ja Charaktere und es gibt eine Handlung und diese Handlung ist normalerweise logisch aufgebaut. Das heißt aufgrund irgendwelche Ereignisse,
entscheiden sich Personen nachvollziehbar etwas zu tun und das ist diese genau diese Kausalität, die wir auch beim Erklären brauchen. Immer wieder nachfragen, warum, wozu, weshalb.

Und so verknüpft man diese ganzen Details. Deswegen empfehle ich immer, Geschichten zu erzählen, das legt man mehrere Fliegen mit einer Klapp. Man hat eine Identifikatio, Man hat eine gewisse emotionale Komponente und so im Vorbeigehen erschlägt man auch dieses warum.
Das ist also die Regel 3. Die Regel Nummer 4 ist das Thema Visualisierung. Also ich sollte versuchen, möglichst Dinge auch zu visualisieren auf dem Papier, auf dem Flipchart, wo auch immer. Viele denken, sie können nicht zeichnen. Aber darum geht's gar nicht. Erstmal muss man gar kein Künstler sein. Man kann damit Pfeilen, mit Rechtecken, mit Kreisen, ganz einfachen Symbolen und Formen arbeiten. Einfach nur um Beziehung zu setzen miteinander und das ist z.b. etwas was für unser Gehirn deutlich leichter zu verarbeiten ist als eine Seite DIN A4 Text. Und deswegen empfehlen wir immer eine Erklärung auch zu kombinieren mit irgendeiner Form der Visualisierung.

Und die Regel #5 ist Vertrauen oder Selbstvertrauen, das erste ich muss schaffen, zum einen eine Vertrauensbeziehung zu meinem Gegenüber aufzubauen, zum andern aber und das ist noch viel wichtiger, muss derjenige, ein Selbstvertrauen bekommen in dieses Thema, damit der motiviert ist, sich auch weiter mit diesem Thema zu beschäftigen und nachzufragen und selber aktiv zu werden.
Das Gute ist, wenn man die ersten vier Regeln beherzigt. Also einen Perspektivwechsel macht, sich in den anderen reingesetzt, versucht Details und Ausnahmen erst mal wegzulassen und auf die großen Zusammenhänge zu gehen.
Drittens, das Ganze eine praxisnahe Geschichte packt. Viertens das Ganze auch noch visualisiert. Dann kommt die Regel Nummer 5, nämlich das Selbstvertrauen, eigentlich schon von alleine.
Also sozusagen die Zusammenfassung der ersten vier Regeln und wenn man diese fünf Regeln beherzigt, die wirklich ganz bewusst macht, dann wird man zum einen feststellen, oh das habe ich in der Vergangenheit gar nicht beachtet. Oder ich habe es vielleicht schon aus Versehen richtig gemacht und deswegen hat er das da verstanden. Es ist aber sehr gut, sich diese Themen einfach bewusst zu machen, weil das sind die Dinge, die helfen damit bei jemand anderen was leichter in den Kopf geht und dort eben auch hängenbleibt.

Götz Müller: Das finde ich jetzt hochspannend, weil ich fast schon einen Deja-Vu-Effekt habe. Ich hab‘ so ein, nennen wir es mal Produkt, das über 70 Jahre alt ist, also das ich selber gar nicht geschaffen habe. Das ist ein Teil daraus – nennt sich Job Instruction Training. Und da stecken genau die Dinge drin, die Sie da erzählt haben, jetzt gerade. Das finde ich hochspannend. Da steckt auch dieses warum mache ich denn eine bestimmte Tätigkeit. Da gehst darum jemand zu erklären, wie man Dinge nachvollziehbar und immer wieder gleich macht. Das finde sehr spannend jetzt. Jetzt magst vielleicht doch auch mal wieder die ein oder andere Situation geben – da gehören sicherlich mehrere Faktoren dazu – was mache ich denn, wenn ich vielleicht immer wieder mit der gleichen Person Verständnisprobleme habe. Also dass mein Gegenüber nicht das versteht, was ich ihm sagen will. Was soll ich da jetzt tun, was kann ich tun?

Jens Schmelzle: Das kann natürlich ganz viele Ursachen haben. Aber ich würde hier als erstes auch wieder mit dem Perspektivwechsel ansetzen. Also das mal versuchen zu analysieren. Habe ich denn in der Vergangenheit, diese fünf Regeln, die wir gerade genannt haben, wirklich immer beachtet und habe ich nicht vielleicht schon beim Perspektivwechsel den ersten Fehler gemacht. Also den falsch abgeholt, mich zu wenig in seine Situation hineinversetzt und ich würde einfach mal versuchen, es aus seinen Augen zu betrachten. Also was ist für denjenigen wichtig? Was hat er für Vorkenntnisse? Wie sage ich es, ihn zu motivieren und zu erreichen? Und habe ich nicht vielleicht immer viel zu sehr von mir aus erklärt und von meiner Perspektive aus. Weil letztendlich ist es so, ich bin zwar derjenige, der in eine Richtung kommuniziert. Aber ich bin eben auch verantwortlich, dafür was beim anderen ankommt. Und habe ich in der Form alles richtig gemacht? Das also wirklich reflektieren.

Natürlich gibt es auch Fälle, wo sagt also wenn jemand etwas irgendwie nicht verstehen will, vielleicht ist der Grund dafür irgendwo ganz woanders. Ist der Mitarbeiter jetzt vielleicht zum Beispiel unzufrieden, hat er private Probleme, hat er innerlich schon gekündigt. Oder gibt's mit einem bestimmten Kunden immer wieder Kommunikationsprobleme, weil er aus einem ganz anderen Grund unzufrieden ist. Weil wir dem zu teuer sind, weil er mal unfreundlich behandelt wurde. Also die Ursachen dafür würde ich erstmal bei mir selber suchen.

Und mal diesen Katalog abprüfen, ob ich es wirklich in jeder Situation auch mal aus seiner Sicht gesehen habe und vielleicht kommen dann Sachen raus, die erstmal gar nichts mit direktem Erklären zu tun haben, sondern die ganz woanders liegen.

Götz Müller: Trotzdem sind aber die Gedanken und dann die darausfolgende eigene Reaktion ist es ja das Einzige, was ich verändern kann.

Jens Schmelzle: Richtig, man kann natürlich auch die Personen direkt darauf ansprechen und auch für die vergangenen Sachen, was hättest du denn in der Situation gebraucht, welche Art von Erklärung, damit du das verstanden hättest. Und da kann man natürlich dann auch draußen lernen.

Götz Müller: Ja, das ist ein Punkt, den habe ich auch noch ein bisschen auf meiner Liste drauf. Die Frage, was für eine Rolle spielt denn Interaktion in Verständnisprozesse. Ich denke mal, eine große, oder?

Jens Schmelzle: Richtig, also Interaktion ist natürlich immer die perfekte Lösung.
Also wenn derjenige auch die Möglichkeit hat, Fragen zu stellen oder im wahrsten Sinne des Wortes Dinge begreifen kann, also Dinge anfassen, Dinge selbermachen. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt.

Wir bei der simpleshow hatten meistens natürlich mit Fällen zu tun, wo das aus irgendwelchen Gründen nicht möglich war und deswegen haben wir uns eben auf das Thema Video spezialisiert. Wobei wir auch dort zum Beispiel Videokurse mit Interaktion angeboten haben. Also mit Quizfragen oder wo Leute, die lernen, irgendwie kommunizieren müssen mit dem Video und die einfachste Formel im persönlichen Gespräch oder bei einem Vortrag ist eigentlich, denjenigen Fragen stellen zu lassen ganz klar. Und ich hab‘ eigentlich immer einen Zettel und Stift dabei. Also Dinge auch spontan zu visualisieren oder den anderen visualisieren zu lassen. Das hilft immer. Man braucht also gar nicht unbedingt technische Hilfsmittel immer. Oftmals sind es die ganz einfachen und kleinen Dinge, die dazu führen. dass man in Interaktion treten kann.

Man hat ja auch den Gegenstand oder das Produkt oder so dabei, um selber anfassen zu lassen. Das ist aber eben nicht immer möglich und dann muss man sich eben anders behelfen.

Götz Müller: Jetzt möchte ich zum Abschluss den Bogen zum Beginn schlagen, wo wir drüber geredet haben, wie sich in der Vergangenheit was verändert. Jetzt können Sie ja schon auf 10 Jahre zurückgreifen und vielleicht auch von dem was ableiten. Das heißt, meine Schlussfrage wäre jetzt, was würden Sie sagen, wie entwickelt sich das Thema Verständnisprozesse Erklärprozesse in der Zukunft und was können Menschen und Unternehmen tun, um sich dafür gut zu rüsten.

Jens Schmelzle: Jetzt kommt vielleicht eine niederschmetternde Nachricht, aber das Thema wird bestimmt nicht einfacher in den nächsten 10 Jahren, sondern der Bedarf Dinge einfach und verständlich zu erklären, wird aus meiner Sicht noch viel viel größer werden, weil die Komplexität unserer Produkte, die Geschwindigkeit der Kommunikation, die wird eher noch zu nehmen. Das heißt, das Know-how, das viele Unternehmen haben, also das fachliche Know How, das ist wahnsinnig wichtig. Das will ich gar nicht Frage stellen. Aber zusätzlich muss aich jedes Unternehmen eben bewusst sein, dass die interne und externe Kommunikation genauso wichtig ist.

Das heißt, ich kann nur als Unternehmen erfolgreich sein, wenn ich es auch schaffe, das Wissen in meinem Unternehmen gut zu verteilen, gut fließen zu lassen. Also dass Informationen in meinem Unternehmen, Wissen teilen, andere zu bewegen, dass das ganz wichtiger Faktor ist neben der fachlichen Kompetenz, die meine Mitarbeiter haben. Das heißt, ich muss versuchen, Kommunikationskanäle zu schaffen, die möglichst reibungslos sind, die auch eine Kollaboration ermöglichen. Z.b. als gibt es schon soziale Netzwerke für Unternehmen, die deutlich effizienter arbeiten als jetzt zum Beispiel die gute alte E-Mail für eine 1 zu N Kommunikation überhaupt nicht geeignet ist. Also wenn ich mit jemand hin und her schreibe oder zu einem Kunden. Das ist wunderbar.

Aber wenn ich mit mehreren Leuten zusammen effizient an einem Thema arbeite, dann bieten sich eigentlich andere Tools eher an. Das kann alles mögliche sein, eben solche internen soziale Netzwerke, Messenger, Videokonferenzen alles mögliche. Das heißt, sowohl muss jeder Mitarbeiter selbst an seiner Erklärkompetenz arbeiten und das ist auch etwas, was von oben vorgelebt werden muss. Und da helfen diese fünf Regeln, über die wir vorhin gesprochen haben.

Gleichzeitig müssen aber überhaupt auch die kommunikativen Voraussetzungen im Unternehmen geschaffen werden, dass Wissen und Informationen zwischen Köpfen besser geteilt werden kann.

Götz Müller: Ja und ich glaub’, das auch über alle Hierarchien hinweg und nicht nur sagen, ich habe da unten, die irgendwo in der Halle oder in der Werkstatt und dann irgendwo ein zwei Stockwerke manchmal auch wirklich räumlich eben die da oben, die das Denken übernehmen.

Jens Schmelzle: Ganz genau.

Götz Müller: Ok, ich fand das jetzt eine spannende Unterhaltung. Allein dieser Aspekt zu meinem anderen Thema Training Within Industry, wo das herkommt, was 70 Jahre alt ist und diese Querbeziehung da noch mal für mich zu erkennen, fand ich sehr spannend. Deshalb, Herr Schmelzle, ich danke Ihnen für Ihre Zeit, so ne gute halbe Stunde.

Jens Schmelzle: Wunderbar. ich danke Ihnen für die Einladung, hat Spaß gemacht.

Götz Müller: Ja, ich denke, da waren für die Zuhörer viele spannende Sachen dabei. Ihre Kontaktdaten und andere Informationen packe ich dann wieder wie üblich in die Notizen.

Jens Schmelzle: Alles klar, vielen Dank.

Götz Müller: Ich danke Ihnen.

Das war die heutige Episode über Verständnisprozesse im Gespräch mit Jens Schmelzle.

Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse.
Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder zu lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.