Kaizen 2 go 166 : Lean in der Instandhaltung


 

Inhalt der Episode:

  • Wie sieht der typische Wertstrom in der Instandhaltung aus?
  • Was unterscheidet Instandhaltung von klassischer Produktion?
  • Was sind Gemeinsamkeiten?
  • Wo sind die Ansatzpunkte für Lean in der Instandhaltung?
  • Was sind dabei die besonderen Herausforderungen?
  • Was ist die Vision für Lean in der Instandhaltung? Was sind die nächsten Schritte?
  • Wie nehmen die Menschen (MA & FK) in der Instandhaltung Lean an?
  • Welche Vorbehalte ggü. Lean sind vorhanden?
  • Was lässt sich auf andere Bereiche aus der Instandhaltung übertragen?

Notizen zur Episode:


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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode Kaizen 2 go 166 – Lean in der Instandhaltung

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Michael Retzlaff bei mir im Podcastgespräch. Er ist Lean Manager in der Instandhaltung von Fahrzeugen. Hallo Herr Retzlaff.

Michael Retzlaff: Ja, hallo Herr Müller.

Götz Müller: Klasse, dass das heute klappt. Jetzt habe ich bisschen etwas gesagt zu Ihnen, aber sagen Sie noch zwei, drei Sätze mehr über sich.

Michael Retzlaff: Ja. Ich habe viele Hüte auf. Ich bin zu allererst Vater von zwei ganz tollen Jungs, bin verheiratet und wohne am Niederrhein. Ich bin Diplom-Ingenieur, Führungskraft, begeistert von Lean, Engpasstheorie, Organisationsentwicklung. Ich mache in dem Bereich auch ein MBA-Studium gerade. Lebenslanges Lernen ist mir wichtig und wenn dann noch ein bisschen Zeit bleibt, spiele ich noch ein bisschen Trompete.

Götz Müller: Oder Sie sind bei mir im Podcast.

Michael Retzlaff: Oder bin auch mal im Podcast, genau.

Götz Müller: Prima. Okay, ich habe jetzt schon ein Stichwort gesagt, nämlich Instandhaltung. Da wird ja jetzt klassisch nichts produziert, deshalb halte ich es zum Einstieg für eine gute Idee, dass Sie mal mit ein paar Worten oder Sätzen anreißen, wie da so der typische Wertstrom in der Instandhaltung aussieht.

Michael Retzlaff: Mhm. Also Wert und Instandhaltung ist schon ein ganz gutes Stichwort und gerade diese Werterhaltung ist das, was mich eigentlich begeistert an meinen Job. Dass ich eben helfe, Werte zu erhalten und da gibt's mehrere Stoßrichtungen, womit wir uns beschäftigen. Das eine ist, ja, eine geplante Instandhaltung, dass man eben genau weiß, ich habe jetzt das Objekt, ich habe diese Instandhaltungsstufe, wo bestimmte Arbeiten genau festgeschrieben sind. Es kann aber auch eine Unfallinstandsetzung sein. Da habe ich dann die große, ja, Wundertüte, wo ich überhaupt nicht weiß was mich erwartet. Und das Dritte ist, dass wir noch Ersatzteilverkauf haben.

Götz Müller: Da klangen jetzt schon ein paar Dinge an, nämlich Dinge, die ähnlich sind, Dinge, die unterschiedlich sind. Das möchte ich noch bisschen vertiefen. Ich würde sagen, fangen wir mal mit dem Unterschied an. Was unterscheidet also die Form der Instandhaltung vielleicht auch allgemein von klassischer Produktion?

Michael Retzlaff: Bei der klassischen Produktion habe ich ja sehr klar festgeschrieben, was zu tun ist. Ich bin auch als Entwicklungsingenieur gestartet, wo es um Neuproduktion ging. Und da entwickle ich etwas, habe meiner Stückliste, meine Zeichnung und danach wird gefertigt. Da gibt's in der Regel wenig Überraschung außer es wird vielleicht mal ein Teil abgekündigt, dass nicht mehr lieferbar ist oder so, aber ansonsten weiß ich was Sache ist. Bei der Instandsetzung ist der Unterschied eigentlich gar nicht so groß. Deshalb bin ich dann auch damals dazu gekommen, weil letztendlich, ich kenne das Objekt der Begierde und daran werden gewisse Arbeiten durchgeführt. Das ist auch beschreibbar, aber ich weiß eben nicht immer genau jetzt Zustand. Dann habe ich ganz oft da den Fall, dass eben die klar umrissene Arbeit erstmal darin besteht, einen Zustand zu überprüfen. Dann messe ich etwas und in Abhängigkeit der Abweichung kann eben die Komponente entweder weiter genutzt werden, muss getauscht werden, aufgearbeitet werden. Also da gibt's einen ganzen Blumenstrauß. Also diese Varianten, dass Eventualitäten habe, wo ich vorher noch gar nicht weiß, was mich erwartet. Das ist eigentlich der Hauptunterschied.

Götz Müller: Sie haben es ein bisschen angedeutet, aber ich möchte es noch ein bisschen vertiefen: Wo sind dann doch Gemeinsamkeiten?

Michael Retzlaff: Gemeinsamkeiten letztendlich … ich habe einen Prozess, also ich habe vielleicht nicht wie in der Neuproduktion, dass ich sage „Nimm Komponente A, daran mach die und die Arbeit, schraub es mit Komponente B zusammen und dann kommt Komponente C.“, sondern es ist vielleicht „Guck dir mal Komponente A an, wenn der und der Wert ist, dann lass die drin, wenn der Wert noch größer ist dann tausche oder arbeite auf.“ Also ich habe so ein paar Äste in so einem Prozessablauf, wo ich dann entweder links oder rechts rum gehen kann. Aber trotzdem ist ein Prozess.

Götz Müller: Da wo man halt sonst eben die Variantenvielfalt hat, weil halt einer ein blaues oder grünes oder gelbes Auto hat, plus allen weiteren Details, das sind halt dann da die Unwägbarkeiten.

Michael Retzlaff: Und es ist oftmals auch ein bisschen schmutziger, weil es einfach schon in richtig im Einsatz war, also den Punkt Reinigung hätte ich jetzt klassischerweise bei einer Neuproduktion ja nicht.

Götz Müller: Richtig. Da habe ich jetzt, ja letzte Woche, einen spannende Artikel, für mich spannenden Artikel, weil er aus einem Gedanken heraus entstanden ist, aber das würde jetzt wahrscheinlich zu weit gehen, wenn ich über das Thema Schmutz und so weiter, was das für Einflüsse haben kann, auf das Denken vor allen Dingen der Menschen, aber mir ging jetzt …

Michael Retzlaff: Das wäre vielleicht eine neue Folge.

Götz Müller: Vielleicht auch das. Mir ging jetzt gerade noch ein Punkt durch den Kopf, wo ich persönlich selber mal eine große Überraschung erlebt habe und ich vermute mal, dass es Ihnen vielleicht ähnlich ging, ein so ein zentraler Punkt, wenn ich mich im Lean bewege ist dieses Streben nach dem One-Piece-Flow. Wenn ich nicht nur ein Auto produziere, dann passieren da her Sachen, die mich eher wegbringen klassisch von dem One-Piece-Flow, trotzdem strebe ich danach. Jetzt bin ich ja auch in der Unfallinstandsetzung von Kraftfahrzeugen unterwegs und was mich damals eben stark überrascht hat, das haben die ja schon. Weil ja nicht am Freitagnachmittag gleichzeitig fünf silberne Golf mit dem Frontschaden auf dem Hof stehen, sondern da kommt ja ein blauer, ein gelber und ein Daimler und ein Golf und ich weiß nicht was. Ich vermute mal, das ist bei Ihnen nicht anders, oder? Dieses One-Piece-Flow habe ich schon, also so eine Vision, nach was ich strebe, habe ich schon.

Michael Retzlaff: Ja. Das ist schon erfüllt. Oder ich sage immer liebevoll, dass wir ja eigentlich eine Manufaktur haben, weil an jedem einzelnen Objekt ja arbeiten letztendlich.

Götz Müller: Und da fällt ja dann, für mich war das zumindest damals schon auch erhellend, da fällt ja dann so dieses eine Streben, nämlich nach dem One-Piece-Flow das fällt dann weg, und dann hatten wir damals durchaus die Herausforderung „Ok, nach was streben wir dann jetzt übergreifend?“

Michael Retzlaff: Wobei der Aspekt vom Fluss ja nach wie vor bleibt. Ich habe zwar das eine Objekt, was letztendlich durch seinen eigenen Prozess läuft, aber da habe ich auch alle Möglichkeiten der Störungen, die dann auftreten können.

Götz Müller: Das ist richtig, aber es droht vermutlich nicht die Gefahr, dass man eben, ich nehme das Beispiel von gerade eben, dass ich jetzt erstmal so lange warte, bis ich fünf silberne Golf auf dem Hof habe, die ich dann alle in Silber spritze.

Michael Retzlaff: Das ist wahr.

Götz Müller: Auf die Idee wird mal an der Stelle vermutlich kaum jemand kommen. Ansonsten in einer klassischen Produktion haben wir immer so einen leichten Hang zum Batching, also sprich gleiche Sachen zu sammeln, weil man dann vermeintlich glaubt, es geht dann besser und schneller, wenn man sie alle gleichzeitig macht.

Michael Retzlaff: Das ist wahr.

Götz Müller: Okay, gut. Jetzt ein bisschen vertieft noch mal speziell beziehungsweise angefangen haben wir ja noch gar nicht damit. Was sind dann Ansatzpunkte für Lean in der Instandhaltung?

Michael Retzlaff: Das kommt ein bisschen darauf an, also ich habe gern so ein weites Lean-Verständnis, also was jetzt nicht nur die reinen Methoden sind, sondern erstmal auf der Fokus auf den Menschen und da habe ich natürlich solche sehr naheliegenden Dinge, dass ich gucke, dass ich Sicherheit und Schutz der Mitarbeiter irgendwie anstreben oder auch ein klassisches 5 S mit Ordnung und Sauberkeit einfach helfen kann, dass das die Arbeit leichter oder sicherer geht. Oder dass ich auch Ziele habe, die ich dann auch durch die Abteilung entfalten kann. Das sind sicher Ansätze, die sind unabhängig jetzt von Neuproduktion oder Instandhaltung. Und dann habe ich natürlich die die klassischen prozessbezogen Themen, dass ich erstmal versuche, möglichst Standards zu schaffen, wobei da eigentlich auf der Hauptkonflikt liegt, so nach dem Motto „Ich kann es ja nicht standardisieren, weil alles ist anders“, aber letztendlich, gewisse Gemeinsamkeiten gibt es halt dann doch. Ich kann mir gewisse Fehler angucken. Ich kann überhaupt so eine Problemorientierung haben. Ich werde immer komisch angeguckt, wenn ich sage, ich bin nicht lösungs-, ich bin problemorientiert, weil am Ende, wenn dieses Problem verstanden ist, kommt die Lösung einfach von selbst, aber ist halt gerade nicht so politisch korrekt, das so zu sagen. Dann dass Arbeiten sich irgendwie selber steuern, dass ich sage, ich habe so eine harte Verknüpfung, das ist sicherlich noch mal so ein Ansatz, wo wir noch zu wenig gemacht haben und was man sich auch denken kann, in Richtung so einer Pull-Logik. Das sind so die Themen, die jetzt … oder auch so ein Thema Line Stop, das ist zwar keine Linie, kein Fließband was da fließt und ich sage, ich halte jetzt alles an, und dass ich sage, ich gebe an den Prozessschritt keine fehlerhafte Arbeit weiter. Das ist eigentlich auch vergleichbar.

Götz Müller: Hat man dann auch ähnlich hohe Arbeitsteilung, das halt Mitarbeiter sich auf einzelne Themen spezialisieren, so wie ich jetzt halt in der klassischen Produktion halt irgendwo ich baue einen Motor und ich baue ein Getriebe und ich baue die Innereien ein und solche Dinge.

Michael Retzlaff: Ja und Nein. Auf die einzelnen Objekte ergibt sich das in der Regel mit der Arbeitsteilung. Gut, ich habe natürlich auch, ob ich jetzt eher den Schlosser mir angucke oder den Elektriker, das ist dann schon, ja, vom Fach vorgegebene Arbeitsteilung, aber letztendlich ja sind alle Handwerker, die wir so haben, schon fast Künstler, weil sie doch sehr über den Tellerrand hinaus gucken können und, ja, es sind nicht diese klassischen Aufgaben – „Du machst jetzt wirklich nur diesen kleinen Teilbereich.“ – und man versteht das Gesamtsystem dann gar nicht mehr irgendwann, wenn man es jetzt so extrem treibt.

Götz Müller: Verstehen sich die Menschen dann auch eher als Handwerker, vermute ich mal fast, oder?

Michael Retzlaff: Ja.

Götz Müller: Okay. Da kommt es doch der Punkt noch mal in den Sinn und vielleicht vertiefen wir das jetzt doch, den ich vorhin kurz vor angerissen hatte und wo Sie 5S gesagt haben, das hängt damit wieder, direkt zusammen der Gedanke, der mir da begegnet ist und da hatte ich schon auch wieder ein Aha-Erlebnis, wo jemand meinte „Ja, in bestimmten Branchen gehört dieses ‚Ich mache mich schmutzig bei der Arbeit.‘ schon fast zum Selbstverständnis.“ und dann meinte einer so flapsig in der Unterhaltung „Ja, stellt euch mal vor – ich nehme jetzt eine andere Branche – der Gipser kommt nach Hause und sieht nicht aus wie ein Gipser. Was sagt dessen Frau, so nach dem Motto, wo kommst denn du jetzt her?“ Ist Ihnen sowas, vielleicht jetzt spontan das erste Mal so dieser Gedanke, aber können Sie sich sowas für ihr für Ihren Bereich auch vorstellen? Und ich glaube halt, dass da eine gewisse Hürde entsteht im Sinne von Sauberkeit, weil ich es gewohnt bin, es gehört für mich dazu in dieser Branche, dass ich mich dreckig mache und alle erwarten, nur wenn ich mich dreckig mache, haben die anderen das Gefühl „Hey, da schafft einer was.“

Michael Retzlaff: Oh, ja. Also wie gesagt, erstens sind die Objekte ja sowieso schon relativ schmutzig, wenn sie aus dem Betrieb kommen, dann hat man auch immer noch mit Öl zu tun und allerlei weiteren Flüssigkeiten und wenn man dann auch noch Produktion in Hallen macht, die irgendwann 1880 gebaut wurden, dann ja ist so eine wirkliche Produktion, wo man vom Boden essen kann, schon daher nicht geben.

Götz Müller: Okay. Vertiefen wir noch ein bisschen Herausforderungen beziehungsweise Unterschiede im Sinne von Herausforderungen, was zeichnet ihrer Ansicht nach Instandhaltung besonders aus, jetzt im Lean Kontext, wo es vielleicht, ja, sagen wir mal schwieriger wird?

Michael Retzlaff: Ich hatte eben schon mal ein bisschen angesprochen, dass das Thema Standards, dieser Glaubenssatz, es ist ja eh alles anders, deshalb braucht man gar nicht mit Standard anfangen, dass man das aus den Köpfen bekommt. Dass man eben gesagt „Ok, jedes Einzelne für sich genommen ist zwar anders“, aber ich bringe so als Beispiel immer, hier, du bist ein Mensch, ich bin ein Mensch, du hast viele Haare, ich habe wenig Haare, ich habe eine Brille, du hast keine, aber irgendwie können wir trotzdem sagen, wir haben zwei Arme, zwei Beine, einen Kopf und das bleibt ja gleich.

Götz Müller: Ja. Ich könnte mir vorstellen, es hängt auch ein bisschen im Allgemeinen damit zusammen, dass der Mensch natürlich auch eher ein Tier ist, das eher auf Unterschiede reagiert.

Michael Retzlaff: Ja, definitiv und da sind wir ja richtig gut drin, also auch genau zu erkennen, wo sind jetzt ja im Detail die Unterschiede an jedem einzelnen Objekt, zwischen verschiedenen Typen. Also das ist wirklich gut. Das kann man auch für seinen Vorteil sicher nutzen, das hilft aber beim Standardisieren nicht, da ist es eher hinderlich. Aber ich denk mal, da haben wir auch schon jetzt in der letzten Zeit einen ganz guten Ansatz dran bekommen und können es immer weiter vertiefen.

Götz Müller: Jetzt ist doch mal diesen Punkt mit der Vision, mit den One-Piece-Flow, was ja im Grunde eins der Prinzipien ist. Gibt's da jetzt irgendwas Zentrales, was in der Instandhaltung diese Rolle übernimmt, diesen visionären Charakter, diese Karotte, die ich immer vor der Nase habe, nach der ich strebe, aber im Grunde weiß, ich komme da nicht hin, gibt's was Vergleichbares trotzdem?

Michael Retzlaff: Ich weiß nicht, ob ich dafür für alle sprechen kann. Bei uns habe ich jetzt erstmal die Durchlaufzeit dazu erkoren, dass ich sage, ich versuche eine möglichst kurze Durchlaufzeit zu erreichen. Also in meinem Bild, was sicherlich utopisch ist heute, aber wer weiß, dass jetzt endlich jemand Fahrzeug vorbeibringt, der setzt sich hin, trinkt einen Kaffee und nimmt das wieder mit. Also in die Richtung.

Götz Müller: Ja. Das könnte ich mir sehr gut vorstellen, weil ja im Grunde die Fahrzeuge, wenn sie bei Ihnen in der Halle stehen oder im Hof stehen, weil sie ja dort noch nicht ihre eigentliche Aufgabe erfüllen, sondern da stehen Sie halt rum, im Sinne von, man verdient damit kein Geld …

Michael Retzlaff: Genau. Da ist das Tolle eigentlich, dass wir, dass wir unseren Kunden ja helfen mit ihren Werkzeugen, das sind sie ja letztendlich nur, eben ihr Geschäft zu machen und das kann man eben umso besser, je mehr Verfügbarkeit man hat.

Götz Müller: Jetzt haben Sie es schon ein bisschen angedeutet, ich möchte es ein bisschen vertiefen, Faktor Mensch ist ganz zentral und ich habe die Erfahrung gemacht, jetzt in doch einigen Jahren, wenn ich das Stichwort Lean sage, dann schreit ja nicht die ganze Mannschaft „Hurra!“

Was ist da Ihre Erfahrung, einerseits bei Mitarbeitern, ich habe es durchaus eben aber auch bei Führungskräften erlebt, dass auch die nicht total begeistert sind, wenn ich mit so etwas ums Eck komme.

Michael Retzlaff: Da muss ich sagen habe ich jetzt keinen größeren Unterschied festgestellt, also ob ich jetzt mir die Führungskräfte-Kollegen angucke oder eben die Mitarbeitenden, letztendlich gibt es so ein paar Punkte, die bei allen gleich sind. Das eine ist, dass sehr schnell das Thema kommt „Ja, wenn wir jetzt ein Autobauer wären, könnte ich mir das vorstellen, aber wir als Instandhalter, da geht das ja nicht“. Das ist eigentlich so das Hauptgegenargument oder die Hauptskepsis. Dann natürlich ich noch dieses Thema „Ja, schlanke Produktion, dann haben wir alle Magersucht.“ oder dieses „Ja, muss ich dann schneller schrauben? Das macht doch bestimmt auch viel Arbeit und hält mich von der Arbeit ab?“ Und ja vielleicht ein bisschen mehr Fokus bei den Führungskräften, weil wir sie wirklich auch mehr einbinden aktuell ist das Thema zu viele Besprechungen in der Wahrnehmung. Das war auch so ein Thema, was man, denke ich, sehr gut auch in der Instandhaltung anwenden kann, dass man eben so tägliche Shopfloorrunden einführt, wo einfach über die Aufträge gesprochen wird und sich ausgetauscht wird. Und allein darüber, dass einige Kollegen sich jetzt täglich treffen sollen, die sich früher vielleicht, ja, wöchentlich oder gar nicht getroffen haben, ist natürlich in der Wahrnehmung die Anzahl der Besprechungen stark gestiegen. Aber da gibt es eben auch Positivbeispiele. Wir hatten vor zwei Jahren noch so eine wöchentliche Auftragsrunde, wo dann über alle Aufträge gesprochen wurde in epischer Breite im Besprechungsraum und die hat dann wirklich auf zweieinhalb Stunden gedauert. Mittlerweile ist diese Auftragsrunde in der Werkstatt an einer Tafel, wo dann jedes Objekt sein DIN-A4-Blatt hat, mit Magnet dran, dass man es auch bewegen kann und da sind wir jetzt in einer guten halben Stunde durch.

Götz Müller: Hat sich dann die Frequenz erhöht oder ist immer noch einmal in der Woche?

Michael Retzlaff: Die große Runde ist einmal der Woche dann geblieben. In den Teilbereichen gibt es dann höher frequentierte Runden.

Götz Müller: Ja. Mir ging jetzt halt gerade durch den Kopf, ob nicht an der Stelle dann vielleicht sogar eben auch eine Gefahr besteht oder bestand, eine Form des Batchings zu machen, weil man eben dann die ganze Woche zusammenfasst und dann aus all den Aufträgen, aus all den Fahrzeugen, die jetzt innerhalb einer Woche neu dazu kommen, die in einer Runde bespricht.

Michael Retzlaff: Also im Informationsfluss, ja. Das stimmt. Das ist ein guter Punkt. Das haben wir in der Tat immer noch und wir haben auch eher den Effekt, dass wir eher über alle Stati sprechen und gar nicht nur über die eigentlich zu eskalierenden Themen eben. Das wäre jetzt so die nächste Qualitätsstufe, die ich einführen möchte, dass wir eben noch viel mehr selektieren, durch Vorbesprechung der Fachleute. Dass wir eben in der großen Runde uns gar nicht mehr auf alle Objekte konzentrieren.

Götz Müller: Da geht mir jetzt gerade so eine spannende Branche durch den Kopf, wo es natürlich auch Vorbehalte gibt, weil auch da der Spruch kommt „Ja, das ist ja keine Automobilindustrie.“, nämlich das Gesundheitswesen, sprich im Krankenhaus. Da, glaube ich, komme ich jetzt sogar darauf, kann man wieder von denen etwas lernen, denn die würden jetzt wahrscheinlich nicht auf die Idee kommen, zu sagen, ich mache einmal in der Woche eine Visite und dann mache ich gar keine Visite, sondern ich treffe mich im Besprechungszimmer. Sondern die gehen ja klassisch, soweit ich das als Laie von außen betrachte, und zum Glück ist es schon ewig her, dass ich jetzt schon mal im Krankenhaus war, die gehen ja täglich durch und sie gehen von Zimmer zu Zimmer also von Krankenzimmer zu Krankenzimmer und von Bett zu Bett. Da wird ja wahrscheinlich keiner auf die Idee kommen zu sagen, wir machen das irgendwo auf der grünen Wiese, in einem Besprechungszimmer, einmal in der Woche.

Michael Retzlaff: Das ist nicht schlecht. Wir führen Visite ein, ja, kann ich mir durchaus vorstellen. Die Frage ist ja, wo habe ich welche Information und das Hauptziel dieser Runde ist eher, dass man bei allen Aufträgen den Überblick behält. Das ist auch noch so ein riesen Thema, dass wir sehr viel anfangen, aber durch dieses Parallele nicht alles fertig bekommen, weil eben auch lange, lange, Jahrzehnte würde ich fast sagen, auf Auslastung gesteuert wurde und da geht es jetzt vielmehr darum, was habe ich im WIP letztendlich, was fehlt mir vielleicht noch an Material, wo müssen welche Außenaufträge koordiniert werde, wo muss ich vielleicht Komponenten zum Aufarbeiten noch mal woanders hinschicken. Das ist dort das Ziel. Aber für jeden seiner Patienten in der Visite, dass man dann wirklich zu dem Patienten hingeht, das wäre jetzt auch das was ich sowieso vorhatte, das war eben dieser kleinen Fachgruppe, dass man noch mal eher über den Stand beim Patienten reden. Aber das wäre jetzt nicht Ziel dieser Runde. Aber das Bild ist toll.

Götz Müller: Ja. Manchmal entstehen solche Ideen ja im Gespräch. Die Idee hätte ich jetzt alleine im stillen Kämmerchen so gar nicht gehabt. Ich möchte noch mal einen Punkt vertiefen, nämlich diese Vorbehalte gegenüber Lean allgemeiner Natur, vielleicht spezifischer Natur. Was ist so Ihre Erfahrung, wie man damit am besten umgeht?

Michael Retzlaff: Ich sage mal mit einer gewissen Hartnäckigkeit. Letztendlich hat man ja auch da Change-Prozess, wo man halt auch irgendwo durch das Tal der Tränen durch muss. Und wir sind jetzt gerade ja in diesem aufsteigenden Ast, wo man eben sagt, durch die durch die dauernde Transparenz, Aufklärung, und eben Hartnäckigkeit, dass man dran seid und sagt „Doch, auch wenn es jetzt nichts Neues gibt, wir treffen uns wieder und wir kommen alle zusammen und tauschen uns aus, und wenn wir in 15 Minuten fertig sind, ist es auch gut.“, aber dass man eben nicht locker lässt und dabei bleibt und dass man eben auch als Vorbild vorangeht und da ist dann eben auch der eigene Büroschrank einigermaßen sortiert und aufgeräumt.

Götz Müller: Ja, ich glaube, das hat dann auch viel mit den zweiten, vorhin habe ich es gesagt, menschlichen Tier, was eher auf Unterschiede reagiert, stark reagiert, andererseits ist der Menschen riechen natürlich auch ein starkes Routinetier. Ich glaube, das ist eine nicht zu unterschätzende Hürde, die halt irgendwo drin steckt, die zwar einerseits auch große Vorteile hat, nämlich wenn ich eine neue Routine habe, dann hält es klassischerweise eine Weile, aber es ist schon recht eine Sache, die mich abhält von der Veränderung an sich.

Michael Retzlaff: Ja, genau. Ja, da haben Chip und Dan Heath in ihrem Buch Switch dieses Bild von dem Elefanten Chip mit dem Reiter geprägt, weil so das Unterbewusste, das Gewohnheitstier, letztendlich der Elefant, wenn der in eine Richtung geht, da kann man noch so viel Überzeugungsarbeit leisten wollen, das klappt erstmal nicht.

Götz Müller: Und da ist halt ein Elefant doch kein Pferd.

Michael Retzlaff: Ja, genau. Und die dritte Komponente ist halt der Weg und da ist eben auch ein Ansatz, dass man sagt, wie kann ich den Weg möglichst so vorbeschreiben, dass es eben dem Elefanten einfach fällt, dem zu folgen.

Götz Müller: Ja, und ich würde sagen, ihm auch halt zu vermitteln beziehungsweise dann den Menschen zu vermitteln, was habe ich denn davon, wo sie vielleicht jetzt auf den ersten Blick, es ihnen ins Gesicht springt und sagt „Hier, das hast du davon“ und da ich persönlich dann auch einen Teil der Aufgabe der Führungskräfte, genau das zu vermitteln.

Michael Retzlaff: Absolut.

Götz Müller: Okay. So zum Abschluss noch eine Frage, die ich auch immer wieder adressiere, weil ich glaube, dann für die Zuhörer, ich nehme mich da nicht aus, immer noch ein Lerneffekt entstehen kann, was würden Sie sagen, was lässt sich, welche Erfahrungen, welche positiven Erfahrungen, lassen sich aus der Instandhaltung wieder in andere Dinge, in andere Bereiche, in andere Branchen, was auch immer übertragen?

Michael Retzlaff: Also, was mich am positiv überrascht hat, wo ich dann aus einer anderen Branche kam, ist die Flexibilität, dass man eben sagt „Okay, ich rechne mit dem Unbekannten. Ich weiß halt nicht, was mich erwartet, aber das bringt mich jetzt nicht völlig durcheinander, sondern das ist dann ja Normalzustand.“

Götz Müller: Wo es dann ja wieder hilfreich ist, das ist auch so eine Argumentationskette, die ich immer sage, wenn es um Standards geht, weil ja der ein oder andere dann sagt, da bleibt mir doch weg damit, es wird mir sonst langweilig, wo ich sage, kein Problem, spannende Sachen kommen von alleine, die Sonderfälle habe ich, ist doch gut, wenn man dann die Routine drauf hat und nicht groß seine Energie da reinstecken muss.

Michael Retzlaff: Stimmt.

Götz Müller: Vermute ich mal, das ist bei Ihnen wahrscheinlich ähnlich.

Michael Retzlaff: Ja, wie gesagt, im Moment ist gefühlt in der Wahrnehmung der der Mitarbeiten alles die Überraschung, aber letztendlich ist genau das der Übertragungseffekt, dass man sagt eigentlich ist das dann ja der Standard. ,Ja das kann ich mich eigentlich immer … das finde ich nach wie vor wirklich toll, also da wird dann eben auch ja nicht groß auf die Uhr geguckt. Ja, solange die Arbeit da ist, sind da alle dabei. Da ist eher Thema, wenn man mal Material nicht hat. Das ist eher ein schwierigeres Thema im Vergleich zur Neuproduktion, dass ich jede Variante im Bauch habe und ja, ich weiß eben erst, wenn ich aufgemacht habe, was da drin steckt. Und dann fehlt vielleicht auch mal was und dann muss ich warten und das frustriert, wenn man da nicht weitermachen kann.

Götz Müller: Das denke ich mir. Aber da ist ja dann der Ansatzpunkt, die Idee von Paul Akers „Fix what bugs you“, sich genau auf diese Themen zu konzentrieren, wo nervt es mich, wo hält es mich von einem Fortschritt ab.

Michael Retzlaff: Ja.

Götz Müller: Okay, Herr Retzlaff. Ich danke Ihnen für Ihre Zeit. Ich gucke mal so Richtung Uhr, ziemlich genau eine halbe Stunde.

Michael Retzlaff: Sehr gut.

Götz Müller: Auch da waren jetzt wieder paar neue Gedanken dabei, die, glaube ich, eben alleine, wenn man etwas durchs Hirn trägt, so gar nicht entstehen können.

Michael Retzlaff: Ja, vielen Dank für die Möglichkeit, sich mal auszutauschen. Hat Spaß gemacht.

Götz Müller: Prima.

Das war die heutige Episode im Gespräch mit Michael Retzlaff zum Thema Lean in der Instandhaltung. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 166.

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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder zu lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

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