Kaizen 2 go 167 : Der Mensch im KVP


 

Inhalt der Episode:

  • Was ist eine oft geäußerte Frage im Umfeld von Verbesserungen?
  • Was sind typische Reaktionen der Menschen, die mit Veränderungen konfrontiert werden?
  • Was sind die Ursachen dieser Reaktionen?
  • Wie sollte mit diesen Reaktionen umgegangen werden?
  • Welche Rolle haben Führungskräfte und die Geschäftsleitung?

Notizen zur Episode:


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Wenn Sie selbst ein interessantes Thema für eine Episode im Umfeld von Geschäftsprozessen haben, können Sie mir das auf dieser Seite mit Vorbereitungsfragen vorschlagen.

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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode Kaizen 2 go 167 – Der Mensch im KVP

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Ralf Volkmer bei mir im Podcastgespräch. Da kann man definitiv schon sagen wieder, es ist nämlich die dritte Episode. Hallo Ralf.

Ralf Volkmer: Hallo Götz. Ja, in der Tat. So langsam, aber sicher fühle ich mich als Stammgast bei dir.

Götz Müller: Ja. Sind ja immer wieder spannende Themen. So, du bist Moderator, Coach bei der Learning Factory, Initiator von, ich glaube, ich könnte es gar nicht aufzählen, von unheimlich vielen Lean-Initiativen. Habe ich irgendetwas vergessen? Sag noch zwei, drei Sätze zu dir.

Ralf Volkmer: Die unheimlich vielen reduzieren sich auf zwei Dinge. Einmal das, was man unter der Lean Base findet und da vielleicht auch noch das Klassentreffen der Lean Community, Lean Around the Clock, und alles, was irgendwie noch dazu gehört, ja. Aber alles gut.

Götz Müller: Also da kann ich definitiv schon mal eine Empfehlung aussprechen. Jemand, der dort noch nicht war, hat absolut schon was verpasst.

Ralf Volkmer: Nächstes Jahr haben wir ein kleines Jubiläum. Das fünfte Mal und du bist ja sozusagen einer der Premierengäste, du warst ja beim Allerersten auf der Bühne gestanden.

Götz Müller: Ja. Und ich glaube, ich darf es sagen. Beim fünften Mal auch wieder.

Ralf Volkmer: Ja, genau. Gerade eben haben wir noch darüber gesprochen. Beim fünften Mal bist du auch wieder dabei. So, ja. Cool.

Götz Müller: Und wenn ich drüber nachdenke, geht es in beiden Fällen auch wieder um unser Thema heute, nämlich um den Menschen. Und ich habe mir ja so zwei Felder irgendwo rausgepickt, einmal die Fragestellung, die uns, glaube ich, immer wieder begegnet, jetzt vor kurzem sind wir beide dabei gewesen, wo die Frage gestellt wurde: Was passiert unter Umständen mit den Menschen, wenn wir da etwas optimieren und dann halt einfach diese Rolle wegfällt? Und wie gehe ich dann mit den Menschen um, die halt sagen „Will ich nicht haben.“?

Ralf Volkmer: Na ja, also das war ja erst diese Woche, wo wir da am Montag mit ein paar Leuten zusammenarbeiten durften und da kam er dann eben gerade die Frage auf „Na ja, wenn ich jetzt Prozesse optimiere, Geschäftsprozesse optimiere, dann kommt es ja dazu, dass irgendwie irgendwelche, ja, Funktionen oder Rollen wegfallen und dann würde es ja dazu führen, dass die Menschen entlassen werden solle, müssen oder wie auch immer und das ist ja, glaube ich, aber das begegnet dir ja auch, immer mal wieder, dass das irgendwie dann dahin führt, dass man im Zweifel halt bestimmte Stellen, Funktionen nicht mehr braucht und die Frage, die man dann eben hat, ist, ja, eher schwierig, oder?

Götz Müller: Ja. Definitiv.

Ralf Volkmer: Wenn etwas nicht mehr benötigt wird, dann wird es nicht mehr benötigt. Das soll nicht das primäre Ziel sein, vielleicht gibt es ja dann auch andere Aufgaben, aber das diskutieren wir ja generell und es ist ja nicht jetzt irgendwie lean-spezifisch.

Götz Müller: Ja, ich werde halt auch den Verdacht nicht so los, auch weil es jetzt in dem Fall auch wieder eine Führungskraft war, die diese Frage gestellt hat, dass eben denen die Frage auch durch den Kopf geht und dass sie vielleicht auf sich selber bezogen, aber eben auf die Mitarbeiter bezogen, halt bestimmte Bedenken haben, wie sieht die Reaktion aus, wie sieht ihre eigene Antwort aus, wenn diese Frage kommt. Was ist da so ein Tipp, den du geben kannst?

Ralf Volkmer: Na ja, also grundsätzlich denke ich, dass man ganz ehrlich und offen damit umgehen muss. Die Antwort lautet einfach „Ja, wenn es denn wirklich so ist, dann kann das dazu führen, dass man Menschen in Organisationen nicht mehr benötigt.“ Also es geht dann gar nicht so sehr, um den Menschen, sondern es geht eben diese Funktion, dass die Funktion nicht mehr benötigt wird. Denn, das muss ich kurz einschieben, du und ich wissen ja, dass sich über viele Jahre, wenn, ich sage es mal so, keine Geschäftprozessorganistion betrieben worden ist, ja viele Funktionen ergeben haben, die halt heute da sind und die man, wenn man das saubermacht, möglicherweise nicht mehr gebraucht werden. Und dann wäre mein Tipp zu sagen, guckt erst mal, ob ihr diese Menschen nicht woanders einsetzen könnt, aber im Zweifel muss man sich dann halt eben von diesen Menschen oder anderen trennen. Und ich glaube, da darf man auch nicht versuchen, lange um den heißen Brei zu reden. Das ist einfach so.

Götz Müller: Ja.

Ralf Volkmer: Was wir sozusagen in unserem Business tun müssen, ist, dass wir diesem Vorurteil, dass alles das, was damit einhergeht, eben nicht dazu dient, Menschen zu entlassen. Aber man darf halt eben auch nicht verheimlichen, dass es passieren kann.

Götz Müller: Ja, ich glaube, es würde einen definitiv früher oder später einholen, weil man es nicht ausschließen kann.

Ralf Volkmer: Na ja, klar. Also du machst dich … stell dir mal vor, du arbeitest an dem Prozess über eine längere Zeit mit den Leuten und dann sagst du am Ende „Ach so, jetzt brauche ich dich nicht mehr.“, also wenn die Frage auftaucht, dann wäre meine Empfehlung, da immer offen damit umzugehen.

Götz Müller: Ja, ich glaube eben auch, dass es dann ganz wichtig ist, von oben her, sprich von der Unternehmensleitung her, da einen klaren Standpunkt zu haben, wo ich den Fokus drauf setze, das nicht zu verheimlichen, weil auch da es einen früher und später einholen wird. Ich meine, es gibt ja durchaus durch das Beispiel Toyota, wie sie damals in den Fünfzigern unterwegs waren.

Ralf Volkmer: Ja. Jetzt muss man vielleicht auch dazusagen, dass heute in vielen Organisationen die Personaldecke ja sozusagen der Festangestellten, ja, bisweilen auch wirklich sehr, sehr, sehr, sehr, sehr heruntergeschraubt worden ist und dass bestimmte Dinge dann halt eben nur von Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter besetzt werden. Also, vielleicht geht man dann, soweit das dann auch am Ende einem auch tut, aber dann ist halt eben der/die Leiharbeiter/in das schwächste Glied in der Kette. Und ich habe gerade vor vier, fünf Wochen, also in einem Projekt, wo wir für einen Unternehmen arbeiten dürfen, da hat sich der Geschäftsführer dann auch vor eine Gruppe von Mitarbeitenden gestellt und gesagt „Eins kann ich euch versprechen, bei all dem, was wir hier tun, geht es nicht primär darum, eine Rationalisierung im klassischen Verständnis zu betreiben, sondern wirklich Prozesse zu optimieren, dass die internen und externen Kunden zufrieden sind, insbesondere die externen. Aber es könnte sein“ – und da war er ehrlich – „es könnte sein, dass bestimmte Jobs in Zukunft nicht mehr gibt und dann werden wir alles versuchen, die Menschen, die da hinter den Job stehen, irgendwo anders einzusetzen.“ Und hat dann eine Sprechpause gemacht, das fand ich ziemlich cool. „Aber versprechen kann ich es nicht.“

Götz Müller: Ja. Ich finde, das ist nur ehrlich, weil alles anderen wäre unpassend. Was ist jetzt deine Erfahrung, wenn man sich die Menschen grundsätzlich anguckt. Am Anfang kann ja keiner wissen, ob er jetzt betroffen sein wird oder nicht, sondern es sind halt die Vorbehalte da und wir kennen aber auch alle Situationen, wo andere Menschen oder ein der Menschen ja schon fast, im positiven Sinne, davon springt, sprich irgendetwas anpacken und verändern und machen und tun. Da greife ich jetzt das auf, was du vor paar Tagen eben vorgestellt hast, dieses Modell und das möchte ich noch ein bisschen vertiefen, nicht dass wir jetzt Menschen in Schubladen stecken, aber …

Ralf Volkmer: Das wäre mir auch wichtig.

Götz Müller: Aber ich denke, es ist eben hilfreich, sich bewusst zu sein, was so typische Reaktionen sind.

Ralf Volkmer: Also wir hatten ja darüber gesprochen, also alles, also … in dieser einen Veranstaltung, wo wir gemeinsam waren, tauchen ja immer verschiedene Fragen auf. Am Ende geht es ja in allem, was wir tun, darum, dass wir irgendetwas verändern. So jetzt muss man sich einfach klar darüber werden, dass Veränderung in einem soziotechnischen System nicht vorhersehbar ist, also wir reden ja nicht über irgendwelche technologischen Dinge, die man irgendwie berechnen kann, vorhersehen kann oder methodische Gebilde, sondern wir reden ja am Ende über eine Organisation und eine Organisation besteht nun mal eben auch aus Menschen in den allermeisten Fällen, dort, wo wir unterwegs sind. So. Und wenn wir kommen und sagen „Der Prozess könnte verändert werden.“ und das machen wir eben halt eben auch mit den Menschen zusammen, dann ergibt sich daraus irgendetwas und das, was ich daraus ergibt, ist eine Veränderung. Wenn wir uns jetzt vorstellen, dass wir beide, was weiß ich, jahrelang eine bestimmte Sache immer im gleichen Ablauf getan haben und jetzt kommt jemand zu uns und sagt „Ab morgen dürft ihr euch nicht mehr linksrum drehen, sondern müsst euch rechtsrum drehen.“, dann heißt das ja nicht, dass wir beide gleich reagieren. Also, es könnte ja sein, dass du sagst „Mensch, endlich darf ich mich auch mal rechtsrum drehen, darauf habe ich schon immer gewartet und ich bin auch im Übrigen der Überzeugung, dass es für das Unternehmen viel besser ist, wenn ich mich rechtsrum drehe.“ und ich bin genau das Gegenteil. Ich finde das Rechtsrumdrehen doof und ich glaube auch nicht, dass es dem Unternehmen etwas bringt. Was ich damit sagen will, ist, dass Veränderungen … also Menschen bewerten anstehende Veränderungen immer auf unterschiedlichen Ebenen. So, tun sie einmal sozusagen persönlich, nämlich der Fragestellung nach „Was macht das mit mir?“ und es gibt die zweite Ebene, sie stellen sich eben in diesem Kontext auch die Frage „Was macht … was bringt es dem Unternehmen?“ Und dann tun sie halt eben beide Ebenen positiv oder negativ bewerten. In meinem Beispiel wärst du sozusagen auf der persönlichen Ebene derjenige, der sagt „Ja, finde ich toll und für das Unternehmen finde ich es auch toll.“ und dann würde man dich in diesem Modell, sage ich mal, als Promoter bezeichnen. So. Ja und mich, der das sowohl für sich als auch für das Unternehmen irgendwie doof findet, ja also das negativ beurteilt, zu dem sag ich Kontrahent. Also haben wir schon mal die zwei Gruppen. Wobei das ja nicht alles ist. Das Spannende dabei ist natürlich die Frage, wie gehe ich mit diesen beiden Gruppen um, um zwei weitere Gruppen erstmal außen vor zu lassen. Was ich persönlich erlebe ist … Das ist eben auch wichtig, in einer völlig anderen Sachlage kann das Verhältnis umgekehrt sein. Also dann kannst du der Kontrahent sein und ich der Promoter. Also es geht immer um dieses Eine. Was ich halt erlebe, ist, dass diese Promotoren in aller Regel verheizt werden. Das heißt, die werden dann zu irgendwelchen Multiplikatoren oder Musterbeispielen hergenommen „Guck mal Ralf, der Götz hat doch überhaupt kein Problem.“ und so weiter und so fort.

Götz Müller: Was für die dann vielleicht auch nicht leicht ist, weil …

Ralf Volkmer: Genau. Weil es dir halt vielleicht gar nicht recht ist.

Götz Müller: Weil sie vielleicht dann ausgegrenzt werden.

Ralf Volkmer: Weil sie so als Litfaßsäule irgendwie durch das Unternehmen getragen werden. Das macht ja auch etwas mit dir. Und die andere Gruppe, also in dem Fall, in dem Beispiel ich, der das sowohl persönlich doof findet als auch für das Unternehmen Quatsch findet, an den tun sich die allermeisten Führungskräfte abarbeiten. Das heißt, man versucht dann diese Kontrahenten mit aller Gewalt davon zu überzeugen, dass das, was der andere jeweils sagt, besser ist oder toller ist oder richtig ist oder wie auch immer. Das ist jetzt aus meiner Sicht wie, wenn man Perlen vor die Säue wirft, das ist Quatsch, weil die Energie, die ich da hinein bringe, könnte ich woanders nutzen, ich arbeite mich ja regelrecht an dem ab. Der beschäftigt mich dann auch noch, wenn ich abgestempelt habe und im Auto sitze, nach Hause fahre, und am Ende werde ich ihn nicht überzeugen. Der hat schon seine Überzeugung. Und dessen muss man sich halt bewusst werden. Also wir haben Leute, die das toll finden, alles persönlich, alles auch fürs Unternehmen und wir haben Leute, die das fürs Unternehmen und für sich persönlich nicht so toll finden und das muss ich einfach akzeptieren.

Götz Müller: Ich könnte mir jetzt vorstellen, ich habe es gesehen, weil du es auf die Tafel gemalt hast, vielleicht weil wir jetzt ja nur den auditiven Kanal haben, mal kurz der Einwurf, im Grunde sind es vier Quadranten, wir haben, wenn man mal ein klassisches Koordinatensystem nimmt, wir haben jetzt über links unten und rechts oben gesprochen. Ich glaube, es ist ziemlich klar, du hast es schon angedeutet, es gibt noch zwei andere.

Ralf Volkmer: Genau. Und das ist das eigentlich Spannende der Geschichte. Das heißt, wenn ich, und du hast es, das ist jetzt auch wichtig, du hast es ja quasi in der Fragestellung schon gesagt, also was wir hier nicht wollen, was ich auf keinen Fall will ist, dass wir Menschen einteilen, also dass wir Menschen jetzt statt in Farben in Quadranten einteilen. Sondern es schafft einfach Klarheit. Es gibt halt eben diese zwei anderen, also diese zwei Fälle, nämlich links oben und rechts unten, die eigentlich spannend sind. Also es gibt diejenigen, die das persönlich irgendwie cool finden, die das für das Unternehmen irgendwie cool finden und sagen „Ja, das ist das, was ich schon vor vielen Jahren gesagt habe, was man tun muss.“, die sich aber plötzlich bewusst werden, dass da etwas auf sie zukommt, wo sie möglicherweise aus ihrer eigenen persönlichen Sicht Zweifel haben, ob sie das überhaupt packen. Also jede Veränderung bedeutet ja letztendlich, dass ich als Mensch, also Teil eines soziotechnischen Systems, als Element eines soziotechnischen Systems, ja von mir etwas erwartet wird. Und auch wenn ich das toll finde für das Unternehmen, heißt das noch lange nicht, um das jetzt mal ganz extrem zu formulieren, mir das, was da ansteht, nicht auch Angst macht und das schließt sich so ein bisschen an, an das, was wir einleitend gesagt haben, nämlich „Hey, verliere ich dadurch vielleicht meinen Job?“. Das heißt, wenn ich die jetzt versuche mitzunehmen auf diese Reise der Verbesserung von Geschäftsprozessen, dann muss ich wissen, dass die möglicherweise gehemmt sind, weil sie Sorge in sich tragen, dass das, was da ansteht, durch sie nicht leistbar ist. Und ich hatte es eben schon mal in einem Nebensatz gesagt, zu denen sage ich halt eben Zweifel. So und jetzt haben wir, was weiß ich, unten links den Promoter, oben rechts den Kontrahenten, oben links den Zweifler und jetzt ist die Frage, wer ist das da unten rechts? So, das sind diejenigen Menschen, die ich gerne als Skeptiker bezeichne. Die sagen nämlich „Persönlich macht mir diese Veränderung überhaupt nichts aus, aber lieber Ralf Volkmer, du bist, dich überlebe ich auch noch, also was denkst du, wie viele von dir schon hier waren. Oder was denkst du, wie viele neuen Ideen unsere Führungskräfte schon gebracht haben?“. Das ist für mich die eigentlich spannende Gruppe. Mit denen zu arbeiten ist total anstrengend, weil die natürlich alles in Frage stellen, aber die …, wenn die etwas sagen, zumindest ist das meine Erfahrung, hat das Hand und Fuß. Das heißt, sie sagen mir klipp und klar, was geht und was nicht geht, also im Moment, es kann sein, dass es irgendwann funktioniert. Und wenn du mit diesen Leuten arbeitest, wichtig ist, arbeiten heißt nicht, indem du als Führungskraft dann hergehst und denen sagst, was sie tun haben, im besten Fall noch im PowerPoint-Folien verpackst, sondern mit denen zu arbeiten heißt, gib denen Aufgaben und die werden dir zeigen, und zwar ganz klipp und klar, wie es funktioniert, ob es funktioniert oder nicht. Was man wissen muss dabei, noch mal, ich betone es, es sind nicht sozusagen angenehme Personen, bei denen man unbedingt sagt „Hurra, mit dir will ich arbeiten!“, sondern die stellen dir den Laden auf den Kopf. Und jetzt könnte, und ich möchte es nochmals betonen, jetzt könnte man hergehen und könnte sagen „Na ja, du kannst ja nicht irgendwie die Menschen in vier Quartale einteilen.“, natürlich nicht, möchte ich auch nicht. Natürlich gibt es nicht nur Skeptiker oder nur Kontrahenten oder nur Promotoren, es wird immer eine Mischung daraus geben, aber ich habe das für mich so eingeteilt im Übrigen, um mir das auch ein bisschen zu erleichtern und nicht jeden, der irgendwie nicht gleich Feuer und Flamme für das ist, was ich/wir vorschlagen, irgendwie abzustempeln und zu sagen „Ja, den kannst du sowieso vergessen.“, sondern ich versuche wirklich, mich mit diesem Mensch, der dahintersteckt, auseinanderzusetzen, was die Gründe dafür sind, warum der Hurra schreit. Also Promotoren müssen per se nichts Gutes sein, also nur weil die alles toll finden, heißt das noch nicht, dass die für mich im Rahmen von Verbesserungsprozessen wertvoll sind. Vielleicht sind es ja einfach nur … wollen mir irgendwie gefallen. Also das ist so der Versuch.

Götz Müller: Mir ging gerade so ein bisschen noch durch den Kopf, weil ich die ein oder andere Situation dann auf das abbilden konnte, dass natürlich auch Menschen, jetzt bleibe ich mal trotzdem bei der Schublade, dass halt Menschen auch ihre Schublade wechseln. Dass zum Beispiel jemand, der primär erstmal den Vorteil fürs Unternehmen sieht und vielleicht am Anfang noch gar nicht realisiert, was es in der Bedeutung für ihn ausmacht, unter Umständen, wenn er das merkt eben das Spielfeld wechselt, oder?

Ralf Volkmer: Ja, ja. Ich will hier sogar ein ganz konkretes Beispiel geben. Wenn man jetzt versucht sich mal diesen Zweifler vorzustellen, dann könnte man sagen, also dann kann man ja alles reininterpretieren, also machen wir das jetzt mal hier. Also mal angenommen, das ist ein labiler Mensch, der in der Angst hat, seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Und noch mal, der Mensch ist nicht gegen das per se, er findet es sogar für das Unternehmen toll, aber er trägt eine wie auch immer geartete Sorge in sich. So. Und mache das mal wirklich an dem Extremen fest. Angenommen, der hat Angst, weil er selbst erkennt „Hey, dafür bin ich nicht hinreichend qualifiziert, dafür habe ich nicht genügend Erfahrung.“ Da wird der Kontrahent bei dem vorbeilaufen und sagen „Siehst du, habe ich es nicht gleich gesagt. Die wollen doch eh bloß die Plätze wegrationalisieren.“ Und dann kann eine Umkehrung stattfinden. Dann kann aus einem ehemals per se positiven Menschen, kann es durchaus sein, dass er in der gleichen Angelegenheit zum Kontrahenten wird. In meiner Vorstellung wildern die. Der Skeptiker wildert natürlich auch. Das ist völlig klar. Das ist das Eine und das andere ist, noch mal, ich hatte es vorhin schon mal gesagt. Wir reden ja sozusagen über eine bestimmte Sache. Machen wir uns mal das Lieblingsbeispiel. Das Management verordnet 5S, ja. Das muss ich mal kurz ausführen. Stell dir vor, lieber Götz, das ist ein Kunde, die arbeiten mit Naturprodukten, also wirklich mit Naturprodukten und da gibt’s unglaublich viel Staub und unglaublich viel Schmutz, so. Jetzt kommt da, sagen wir mal, ein neuer Manager, Topmanager, der kommt aus der Pharmaindustrie. Und in der Pharmaindustrie gibt es Reinräume, und so weiter, da hast du bestimmte Regularien und so weiter und der sagt: „Morgen machen wir 5S. Wie sieht’s denn hier aus? Was ist denn hier los? Wir müssen jetzt unbedingt aufräumen.“ Dann sagen sie zu dem „Äh, es ist aufgeräumt.“ Und dann sagt der: „Nein, Saustall.“ und verordnet jetzt 5S. Das heißt, der wird unglaublich viele Leute haben, die sagen „Das funktioniert nicht bei uns. Das geht nicht. Einmal ein Brechhub und dann stehen wir sowieso in der Wolke wieder mit Staub und allem drum und dran.“ Das heißt, wenn er das macht, wird er relativ viel Kontrahenten erzeugen, aber er wird natürlich auch Menschen finden, die das toll finden. „Ja, natürlich, ich bin immer dreckig, wenn ich nach Hause gehe, ich muss mich jedes Mal duschen. Es wäre doch toll, wenn ich mich nicht duschen müsste.“ Die Promotoren. Und jetzt gehen wir zu den Zweiflern. Die Zweiflern sagen: „Hey, aber der erwartet von mir immer, dass ich dies und jenes tue und das und das und das. Ich verstehe das ja, was der will. Das muss alles sauber sein, aber boah nee. Das schaffe ich nicht.“ Also so entstehen letztlich ja diese Felder und es kann in einer völlig anderen Angelegenheit können Kontrahenten Promotoren sein. Das muss mir halt nur klar sein.

Götz Müller: Ja. Wenn es dann vielleicht nicht um Sauberkeit, sondern um körperliche Belastung, wo der ein oder andere, wir sind beide jetzt nicht mehr die Allerjüngsten, vielleicht seine Bandscheibe zu spüren.

Ralf Volkmer: Ja. Noch mal, wir wollen weder die Menschen in diese vier Quadranten da hineinstecken, noch wollen wir das verallgemeinern und sagen, in jeder Situation ist ein Kontrahent ein Kontrahent. Nein, ein Kontrahent kann auch ein Promoter sein in einer bestimmten Angelegenheit. Das ist einfach so.

Götz Müller: Jetzt haben wir im Umfeld von größeren Unternehmen, da ist das fast die Regel, das Thema Arbeitnehmervertreter, Betriebsrat und Co, da ist es natürlich Stück weit auch in meiner Erfahrung, dass die per se erwartungsgemäß in den Augen der anderen eine bestimmte Rolle einnehmen sollen, müssen, wie auch immer man das nennen mag, und das dann für sich vielleicht sogar annehmen oder in der Regel sogar annehmen und jetzt muss ich damit umgehen. Was ist dann deine Erfahrung, dein Vorschlag, wie gehe ich mit Betriebsräten, mit Arbeitnehmervertretern um, die sich per se, ja, sehr bewusst, selbstgewählt, ich nehme wieder das Beispiel, in die Schublade setzen?

Ralf Volkmer: Also, dieses Thema Betriebsrat, Gewerkschaften und so weiter, also erst mal hast du ein schönes Wort benutzt, es sind Arbeitnehmervertreter. Wir haben Gott sei Dank ein Gesetz, in dem drin steht, dass ab einer bestimmten Größe die Belegschaft das Recht hat, einen Vertreter zu wählen. Wir haben Gott sei Dank das Recht oder die Möglichkeit sozusagen, dass es Gewerkschaften gibt und dass die natürlich erstmal, wenn man das alles kennt, emotionalisiert sozusagen die Recht per se, die halt im Gesetz geregelt sind oder in Tarifverträgen geregelt sind, dass die den Job haben, die Arbeitnehmer zu vertreten. Wenn man das jetzt in den Kontext von unserem beruflichen Umfeld bringt, also Geschäftsprozessorganisation bringt, dann werden die natürlich nicht bei allem, was wir sagen Hurra schreien und das ist auch völlig klar. Da kann man ja offen miteinander umgehen. Also ich würde nicht einen Betriebsrat, eine Gewerkschaft, die Arbeitnehmervertreter erstmal per se in dem Gebilde des Kontrahenten abbilden, nur weil der möglicherweise eine andere Position einnimmt, das ist ja eine übergeordnete Funktion dann in diesem Kontext natürlich, aber dass der sozusagen nicht Hurra schreit, wenn wir da mit irgendwelchen Vorschlägen kommen, ist auch wieder klar. Ich würde es gerne insofern vereinfachen, dass wir uns an Recht und Gesetze halten, das ja für beide gilt, sollten wir da auf der sicheren Seite sein. Eine andere Frage ist in diesem Zusammenhang, ist das, was ich tue, noch moralisch vertretbar. Und das kannst du halt eben nicht in einem Recht abbilden oder in einem Gesetz oder einem Tarifvertrag. Das heißt also, wenn da der Vergangenheit verbrannte Erde hinterlassen wurde, ja, dann sind sie nicht offen, ja, und sie werden natürlich sehr verhalten sein. Du hast die Frage gestellt, wie kann ich die für mich gewinnen. Ich gehe jetzt erst mal davon aus, dass ich die nicht gewinnen kann, weil die natürlich eine andere Haltung haben, aber das ist ja nicht schlimm. Am Ende müssen wir beide, also beide Seiten, an etwas arbeiten und es heißt Organisationsgestaltung. Da kann ich unterschiedliche Meinungen haben, unterschiedliche Interessen haben, aber, ja. Und ich habe das zur Genüge erfahren, wenn du dann ein Argument vorträgst und dann sagt der „Ja, aber…“ und reden dann über einen völlig anderen Bereich. Wenn du dich darauf einlässt, bist du verloren.

Götz Müller: Mhm.

Ralf Volkmer: Also ich rede jetzt über das und ich rede jetzt nicht mit dir über das. Die jetzt unbedingt, weil sie per se eine andere Meinung haben, haben nicht per se eine andere Meinung. Das könnte auch der Skeptiker sein. Das würde ich nicht einordnen und natürlich könnte ich jetzt das billige Argument bringen, dass die Mitarbeiter weniger Stress haben und so weiter und so fort, mit allem drum und dran. Das wird sich ergeben. Und ich kann es nicht versprechen. Ich weiß ja gar nicht, ob es so kommen kann.

Götz Müller: Ja. Ein beliebter Einwand, ja beliebt kann man ihn, glaube ich, schon nennen, ist halt das Stichwort Arbeitsverdichtung. Das stimmt gar nicht unterschiedlicher Meinung. Ein, ja, auch Vorbehalt. Was ist da deine Empfehlung, wenn wir jetzt mal hypothetisch uns einen Menschen vorstellen, der in irgendeiner Form, ich sortiere uns zwei jetzt mal in die Schublade Berater ein, wir kriegen ein Stück weit Schmerzensgeld dafür. Wenn jetzt jemand im Unternehmen drin die Rolle bekommen, wie auch immer er zu der Rolle gekommen ist, muss er trotzdem mit der Situation umgehen. Was ist so dein Tipp, deine Empfehlung für den, wie er sich da am besten aufstellt? Er ist ja, glaube ich ein Stück weit schon zwischen vielen oder zwischen allen Stühlen.

Ralf Volkmer: Zwischen allen, glaube ich. Na ja, das Problem von Leuten, die … Nein, stopp. Die Hürden, die sozusagen Menschen, die eine Rolle innehaben, die im Bereich der Geschäftsprozessorganisation ist, dass sie es ja nie allen recht machen können. Das zeigt ja das Bild, zwischen allen Stühlen. Aber die Frage ist natürlich, wie diese Person sich selbst begreift. Wenn diese Person sich als Führungskraft bezeichnet, ja, und dann damit meint, sie müsste intelligent für das Systems sein, dann wird der natürlich vielmehr Wind um die Ohren fliegen, wie es ihr Recht ist. Du kennst meine Meinung, wie Führungskräfte agieren müssen, ich möchte sie hier noch mal wiederholen. Also insbesondere in unserem Job haben Führungskräfte dafür zu sorgen, dass Menschen Verbesserungsarbeit selbst leisten können, also sie sind ein Befähiger, ja, sie moderieren, sie helfen, ja, sie stellen Fragen. So. Ich glaube, wenn man den Weg geht und, ich meine, du als auch ich, wir sind davon nicht frei, dass wir auch hin wieder zwischen den Stühlen sitzen, zwischen unserem Auftraggeber und den Menschen, mit denen wir arbeiten. Klar, wenn man sich davon befreit, und dann halt eben, egal zu welcher Seite, auch ehrlich ist, dann sollte der Job relativ viel Spaß bringen. Aber nochmal, du hast das Alter angesprochen, vielleicht muss man da ein gewisses Alter haben, um das zu verstehen. Vor 25 Jahren bin ich auch noch anders unterwegs gewesen und habe mir blutige Nasen geholt oder habe gemeint, ich müsste mit dem Kopf durch die Wand. Aber das sind Entwicklungen, die machen wir alle durch.

Götz Müller: In der Regel gewinnt die Wand, kann ich da sagen. Vielleicht an der Stelle noch ein kleiner Punkt zum Abschluss, du hast den Punkt Führungskraft genannt, jetzt gibt es ja durchaus, ich erlebte es meistens sehr positiv, Menschen in der Geschäftsführung, die also mal definitionsgemäßg schon die Rolle der Führungskraft haben, die ja sagen „Lean ist cool.“, also die man wahrscheinlich irgendwo in der Promotoren-Ecke einordnen kann, was ist dein Wunsch an die, damit sie dann, wenn sie nicht alles selber machen können, und vielleicht manchmal wollen, trotzdem dem Thema Lean den richtigen Beigeschmack geben?

Ralf Volkmer: Also, auch da ist die Antwort an sich relativ einfach, aber die Wirklichkeit ist halt eben dann doch auch anders. Also, wenn wir etwas verändern wollen, dann braucht das einfach Zeit. Das ist mal das allerwichtigste. Das heißt, wenn ein bestimmter Zeitraum, ein bestimmter Prozess so gelaufen ist, wie er gelaufen ist, dann kann ich nicht erwarten, selbst wenn allen klar ist, dass das nicht gut ist, kann ich nicht erwarten, dass das binnen Stunden sozusagen dann anders gemacht wird, also weil es ja darum geht sozusagen, alle mit in das berühmt-berüchtigte Boot zu holen. Also mein Wunsch an diese Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen dieser Welt wäre: Nehmt euch Zeit. Weil ihr an einem lebenden Organismus arbeitet. Also eine Organisation ist ja irgendwie ein lebendiges System und wenn ich von dir erwarten würde, dass du, wenn du es bisher noch nicht gemacht hast, morgen einen Marathon läufst, dann wirst du mich für verrückt erklären. Wenn ich das dem Geschäftsführer sagen würde, würde er mich auslachen. Also braucht es einfach Zeit, bis du in der Lage bist, diesen Marathon zu machen. Wer jetzt glaubt, sie müssten einen Change Prozess einleiten, der ist erstmal per se ja sozusagen schon auf dem richtigen Ritt, aber Veränderung, Change, braucht halt eben Zeit. Und ein anderer Wunsch wäre halt eben auch noch, dass sie sich selbst klarer werden, was sie überhaupt wollen. Also wo wollen sie denn selbst sein mit diesem Unternehmen in fünf Jahren oder in drei Jahren? Und zwar nicht nur an irgendwelchen KPIs, die die Produktivität abbilden, sondern auch, was wollen sie denn sozusagen gestalterisch für diese Organisation in den nächsten drei bis vier Jahre oder so erreichen. Wenn mir das … aber die sind ja selbst auch getrieben die allermeisten … wen das, wenn sie sich beherzigen würden, na ja dann wäre, glaube ich, viel getan. Gar nicht in die Richtung von New Work oder so, dass das klar ist, aber …

Götz Müller: Da sage ich jetzt, da würden wir wahrscheinlich sogar noch eine extra Episode dazu machen.

Ralf Volkmer: So ist es.

Götz Müller: Das machen wir bestimmt. Ralf. Ich danke dir für deine Zeit.

Ralf Volkmer: Gerne!

Götz Müller: Der Austausch mit dir ist immer wieder bereichernd und ich bin mir ziemlich sicher, dass auch die Zuhörer da einiges mitgenommen haben.

Das war die heutige Episode im Gespräch mit Ralf Volkmer zum Thema Der Mensch im KVP. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 167.

Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freue ich mich über Ihre Bewertung bei iTunes. Sie geben damit auch anderen Lean-Interessierten die Chance, den Podcast zu entdecken.

Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder zu lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.