In diesem Artikel geht es im Vergleich zu früheren Beiträgen etwas handfester zu. Der Hintergrund dazu kommt aus Projekten, die sich auf den ersten Blick eben eher im handwerklichen Bereich (auch im wahrsten Sinnen des Wortes) bewegen. Aufgrund der spezifischen Details sind trotzdem Aspekte aus der Bauindustrie dabei, bezogen auf die Größe des Unternehmens und der betreffenden Tätigkeiten. Diese bewegen sich im Umfeld von Fußboden- und Wandarbeiten ist und haben daher auch eher industriellen statt Werkstattcharakter. Dementsprechend sind auch leichter die einschlägigen Methoden und Werkzeuge aus dem Lean Management einzusetzen. Industrielle Produktion, individuelle Ausprägung und Variantenvielfalt sind dabei kein Widerspruch, sondern nur verschiedene Seiten einer Medaille.
Da wir uns in den konkreten Fällen im Bereich der Verkürzung der Bearbeitungszeit bzw. Steigerung der Produktivität bewegen, kann dazu auch das klassische Werkzeug der Verschwendungssuche eingesetzt werden. Ich werde zwar alle Verschwendungsarten ansprechen, mich jedoch stärker auf einzelne fokussieren.
Transport auf Baustellen
Die Transportverschwendung tritt in den klassischen Fällen bzgl. Material (in selteneren Fällen sind Produkte betroffen), Werkzeug und Maschinen (oft mobil, selten stationär) auf. Ein häufiger Fall ist die Bohrmaschine o.ä., die am Ort der letzten Verwendung liegenbleibt, dann aber oft irgendwo anders benötigt wird und nicht selten gesucht werden muss. Diese Verschwendungsart tritt oft auf Baustellen außerhalb von Werkstattszenarien, ohne festumrissene Arbeitsplätze auf und ist tw. in der Natur der Sache begründet. Trotzdem ist es sinnvoll das Bewusstsein für diese wie auch andere Verschwendungsarten zu schärfen, um sie zu reduzieren.
Lager auf Baustellen
Lagerung des Roh- bzw. Verbrauchsmaterials auf der Baustelle ist ebenso wie der Transport nur schwer vermeidbar. Folgeprobleme entstehen durch die Diebstahl- und Beschädigungsgefahr. Bei größeren Baustellen bzw. wertigeren Materialien macht es deshalb auf jeden Fall Sinn über Just-in-Time-Lieferung, bei größerem Bedarf sogar über Just-in-Sequence nachzudenken. Die enge Einbindung der Lieferanten ist dabei eine Grundvoraussetzung reibungsloser Abläufe auf der Baustelle.
Bewegung auf Baustellen
Wie auch in anderen Produktionssituationen tritt die Bewegung oft gepaar mit dem Transport auf, weil es in sehr vielen der Mensch ist, der ihn bis zum Bedarfsort durchführt. Bewegungsverschwendung tritt verstärkt auf, wenn es sich um „vergessenes“ Material oder Werkzeug handelt, in harmlosen Fällen beschränkt auf die Baustelle selbst, im Extremfall geht es zurück in die Werkstatt. Eine weitere Ursache unnötiger Bewegung ist eine nicht optimierte Arbeitsweise, auch Sinne der fehlenden Abstimmung mit Kollegen. Zugrundeliegend ist auch hier oft das fehlende Bewusstsein.
Warten/Suchen auf Baustellen
Die nicht abgestimmten Arbeitsabläufe, die Suche nach Werkzeug resultieren dann eben so oft auch in Warten auf Unterstützung bei bestimmten Tätigkeiten oder im Kontrast dazu Warten aufgrund von gegenseitigen Behinderungen (bis Vorarbeiten abgeschlossen sind oder Arbeitsräume frei werden).
– Antoine de Saint-Exupéry
Überproduktion auf Baustellen
Diese Verschwendungsart tritt typischerweise am seltensten auf. Wenn sie ansatzweise vorkommt, handelt es sich nur um Details (zu viel angerührter Putz), statt auf Produktebene (es kommt eher selten vor, dass mehr als die Wände des betreffenden Hauses verputzt werden ;-) Man kann auch darüber streiten, ob das zusätzliche aber überflüssige Loch in der Wand oder im Boden zur Fixierung der Armierung in diese Kategorie fällt oder in die Überbearbeitung oder gar in „Fehler und Defekte“.
Überbearbeitung auf Baustellen
Diese Verschwendungsart tritt oft an der schmalen Grenze zur notwendigen Qualität und deren Sicherung auf. Ein mehr an Bearbeitung (bspw. Überlappung bei Verputz- oder Anstricharbeiten führt oft zu keiner Steigerung der Kundenzufriedenheit (Basismerkmal des Kano-Modell), weil qualitativ gar nicht erkennbar ist. Manchmal notwendige Nacharbeiten befinden sich wiederum am Übergang zu Fehlern und Defekten.
Fehler/Defekte auf Baustellen
Neben dem Verlust von Arbeitszeit (oder sogar erhöhten Zusatzbedarf für korrigierende Nacharbeiten) verursacht diese Verschwendungsart in vielen Fällen zusätzlichen Materialbedarf mit den begleitenden Kosten.
Nicht genutztes Mitarbeiterpotenzial auf Baustellen
Diese Verschwendungsart kann in meinen Augen verschiedene Ausprägungen haben. Dazu gehört, dass Mitarbeiter nur über wenige Tätigkeiten Kenntnisse haben und keine breit angelegten Vertretungs- oder Ersatzlösung bei Engpässen, Krankheit oder anderen Ausfällen bestehen. Aber auch ungeeignetes Werkzeug oder schlechte Arbeitsbedingungen (beginnend bei schlechter Ausleuchtung der Arbeitsumgebung) fällt darunter.
So weit also diese Verschwendungen. Ein interessanter Aspekt in der Bauindustrie wie auch im Baugewerbe ist der fehlende Kundentakt (weil es sich in der Regel um Unikate handelt, selbst dabei sich wiederholende Aktivitäten ergeben). Durch den Kundentakt wird ein starker Rahmen vorgegeben, an dem sich die eigenen Prozesse orientieren können. Fehlt dieser Kundentakt, fehlt auch die direkte Orientierung, speziell für die Mitarbeiter in der Leistungserbringung. Es mag zwar ein Tagesziel geben, bspw. eine Fläche in einer Zeiteinheit, dies ist aber nicht mit der Taktung eines Prozesses zu vergleichen. Dieser fehlende Kundentakt und seine Abbildung wirkt sich auch auf den Kontinuierlichen Verbesserungsprozess aus. Was sich daraus ergibt, werde ich in einem weiteren Artikel besprechen.
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