KVP – eine Frage auf Baustellen

Baustellen

KVP im Bau-Umfeld bzw. auf Baustellen hat zwei unter­schied­liche Ausrich­tungen. Der etwas bekann­tere Bereich betrifft die Bauin­dustrie mit dem Stich­wort Lean Construc­tion. Dort geht es vorallem um das Inei­nander­greifen der verschie­denen Gewerke im Rahmen eines Bauvor­habens. Die Themen betreffen oft das Projekt­manage­ment. Die zweite Ausrichtung im Bau-Umfeld hat eher hand­werk­lichen Charakter. Dann wird vom Bauge­werbe bzw. Bauhand­werk gesprochen.

In diesem Artikel geht es im Vergleich zu früheren Bei­trägen etwas hand­fester zu. Der Hinter­grund dazu kommt aus Projekten, die sich auf den ersten Blick eben eher im handwerk­lichen Bereich (auch im wahrsten Sinnen des Wortes) bewegen. Aufgrund der spezi­fischen Details sind trotz­dem Aspekte aus der Bauin­dustrie dabei, bezogen auf die Größe des Unter­nehmens und der betref­fenden Tätig­keiten. Diese bewegen sich im Umfeld von Fußboden- und Wandar­beiten ist und haben daher auch eher indus­triellen statt Werkstatt­charakter. Dement­sprechend sind auch leichter die ein­schlä­gigen Methoden und Werkzeuge aus dem Lean Manage­ment einzusetzen. Indus­trielle Produktion, indivi­duelle Ausprägung und Varianten­vielfalt sind dabei kein Widers­pruch, sondern nur verschie­dene Seiten einer Medaille.

Da wir uns in den konkreten Fällen im Bereich der Verkür­zung der Bearbei­tungszeit bzw. Steigerung der Produktivität bewegen, kann dazu auch das klassi­sche Werkzeug der Verschwen­dungs­suche eingesetzt werden. Ich werde zwar alle Verschwen­dungs­arten ansprechen, mich jedoch stärker auf einzelne fokussieren.

Transport auf Baustellen

Die Transport­verschwen­dung tritt in den klassischen Fällen bzgl. Material (in selteneren Fällen sind Produkte betroffen), Werkzeug und Maschinen (oft mobil, selten stationär) auf. Ein häufiger Fall ist die Bohr­maschine o.ä., die am Ort der letzten Verwendung liegen­bleibt, dann aber oft irgendwo anders benötigt wird und nicht selten gesucht werden muss. Diese Verschwen­dungsart tritt oft auf Baustellen außer­halb von Werkstatt­szenarien, ohne festum­rissene Arbeits­plätze auf und ist tw. in der Natur der Sache begründet. Trotzdem ist es sinnvoll das Bewusst­sein für diese wie auch andere Verschwen­dungs­arten zu schärfen, um sie zu reduzieren.

Lager auf Baustellen

Lagerung des Roh- bzw. Verbrauchs­materials auf der Baustelle ist ebenso wie der Transport nur schwer vermeidbar. Folge­probleme entstehen durch die Diebstahl- und Beschä­digungs­gefahr. Bei größeren Baustellen bzw. werti­geren Mate­rialien macht es deshalb auf jeden Fall Sinn über Just-in-Time-Liefe­rung, bei größerem Bedarf sogar über Just-in-Sequence nachzu­denken. Die enge Einbindung der Liefe­ranten ist dabei eine Grund­voraus­setzung reibungs­loser Abläufe auf der Baustelle.

Bewegung auf Baustellen

Wie auch in anderen Produktions­situationen tritt die Bewegung oft gepaar mit dem Transport auf, weil es in sehr vielen der Mensch ist, der ihn bis zum Bedarfs­ort durchführt. Bewegungs­verschwen­dung tritt verstärkt auf, wenn es sich um „vergessenes“ Material oder Werkzeug handelt, in harm­losen Fällen beschränkt auf die Baustelle selbst, im Extremfall geht es zurück in die Werkstatt. Eine weitere Ursache unnö­tiger Bewegung ist eine nicht optimierte Arbeits­weise, auch Sinne der fehlenden Abstim­mung mit Kollegen. Zugrunde­liegend ist auch hier oft das fehlende Bewusst­sein.

Warten/Suchen auf Baustellen

Die nicht abgestimmten Arbeits­abläufe, die Suche nach Werkzeug resultieren dann eben so oft auch in Warten auf Unter­stützung bei bestimmten Tätig­keiten oder im Kontrast dazu Warten aufgrund von gegen­seitigen Behinde­rungen (bis Vorarbeiten abgeschlossen sind oder Arbeits­räume frei werden).

„Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen und Arbeiten einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“

– Antoine de Saint-Exupéry

Überproduktion auf Baustellen

Diese Verschwen­dungsart tritt typischer­weise am selten­sten auf. Wenn sie ansatz­weise vorkommt, handelt es sich nur um Details (zu viel angerührter Putz), statt auf Produkt­ebene (es kommt eher selten vor, dass mehr als die Wände des betref­fenden Hauses verputzt werden ;-) Man kann auch darüber streiten, ob das zusätz­liche aber über­flüssige Loch in der Wand oder im Boden zur Fixie­rung der Armie­rung in diese Kategorie fällt oder in die Über­bear­beitung oder gar in „Fehler und Defekte“.

Überbearbeitung auf Baustellen

Diese Verschwen­dungsart tritt oft an der schmalen Grenze zur notwen­digen Qualität und deren Sicherung auf. Ein mehr an Bearbeitung (bspw. Über­lappung bei Verputz- oder Anstrich­arbeiten führt oft zu keiner Steige­rung der Kunden­zufrie­den­heit (Basismerkmal des Kano-Modell), weil quali­tativ gar nicht erkennbar ist. Manchmal notwendige Nachar­beiten befinden sich wiederum am Übergang zu Fehlern und Defekten.

Fehler/Defekte auf Baustellen

Neben dem Verlust von Arbeits­zeit (oder sogar erhöhten Zusatz­bedarf für korrigie­rende Nachar­beiten) verursacht diese Verschwen­dungsart in vielen Fällen zusätz­lichen Material­bedarf mit den beglei­tenden Kosten.

Nicht genutztes Mitarbeiter­potenzial auf Baustellen

Diese Verschwen­dungsart kann in meinen Augen verschiedene Ausprä­gungen haben. Dazu gehört, dass Mitar­beiter nur über wenige Tätig­keiten Kennt­nisse haben und keine breit angelegten Vertretungs- oder Ersatz­lösung bei Engpässen, Krankheit oder anderen Aus­fällen bestehen. Aber auch ungeeig­netes Werkzeug oder schlechte Arbeits­bedingungen (beginnend bei schlechter Ausleuch­tung der Arbeits­umgebung) fällt darunter.

So weit also diese Verschwendungen. Ein interessanter Aspekt in der Bauindustrie wie auch im Baugewerbe ist der fehlende Kundentakt (weil es sich in der Regel um Unikate handelt, selbst dabei sich wiederholende Aktivitäten ergeben). Durch den Kundentakt wird ein starker Rahmen vorgegeben, an dem sich die eigenen Prozesse orientieren können. Fehlt dieser Kundentakt, fehlt auch die direkte Orientierung, speziell für die Mitarbeiter in der Leistungserbringung. Es mag zwar ein Tagesziel geben, bspw. eine Fläche in einer Zeiteinheit, dies ist aber nicht mit der Taktung eines Prozesses zu vergleichen. Dieser fehlende Kundentakt und seine Abbildung wirkt sich auch auf den Kontinuierlichen Verbesserungsprozess aus. Was sich daraus ergibt, werde ich in einem weiteren Artikel besprechen.

Frage: An welchen Stellen haben Sie Situa­tionen in Ihrem Unter­nehmen wiedererkannt? Welche Gegenmaß­nahmen werden dort getroffen? Wie lassen sich die Ursachen vermeiden?

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