KVP – eine Frage des Leidens

Leiden

Über den Antrieb im KVP hatte ich mir in verschiedenen Artikeln schon Gedanken gemacht. Letztlich endet in meinen Augen die Beschäftigung mit diesem Thema auch nicht, solange man sich mit dem KVP, dessen Einführung und Pflege beschäftigt. Ich denke, ein entscheidender Antrieb ist ein notwendiges Mindestmaß an Leiden und ein daraus resultierender Leidensdruck. Egal, ob nun eine Hin-zu-Motivation (im Sinne von Freude erreichen) oder eine Weg-von-Motivation (Schmerzvermeidung) im Vordergrund steht, es geht immer um den Kontrast zwischen einer Ist-Situation und einer Soll-Situation und dem daraus resultierenden Leiden.

Nachdem dieser Punkt jetzt erstmal (wieder) geklärt ist, geht es anschließend darum, wie erstens dieses Leiden und der resultierende Leidensdruck aufgebaut werden kann und zweitens die notwendige kritische Masse der Leidenden im Unternehmen zusammenkommt, damit dann ausreichend viele Menschen in einer Organisation (das muss nicht notwendigerweise nur ein Unternehmen sein) nach der Veränderung streben.

Aufbau des Leidens

Primär ist das eine Frage des Bewusstseins (#2) für den oben genannten Kontrast und die Unzufriedenheit, die daraus folgt. Ein Stück weit kann das durchaus auch ein Kreislauf sein, der mit der Unzufriedenheit beginnt. Die Unzufriedenheit kann sich auch aus der Rückmeldung eines Kunden ergeben. Dazu muss jedoch ein Bewusstsein für die Bedürfnisse des (einzelnen!) Kunden vorhanden sein und der Wille dieses zu befriedigen (als Quelle jedes unternehmerischen Handelns).

In der Regel ist das Bewusstsein für den Kontrast auch eine Frage des eigenen Horizonts und der Fantasie, wenn die Ist-Situation mit neuen, anderen Möglichkeiten verglichen wird. Dieser Punkt lässt sich in dem Maße verstärken, wie Mitarbeiter und deren Weiterentwicklung darin einbezogen werden.

Hierbei muss es nicht darum gehen, dass jeder mit visionären Ideen ein zweiter Steve Jobs oder Elon Musk wird. In sehr vielen Fällen ist es schon ausreichend, wenn Mitarbeiter ihr direktes Arbeitsumfeld (in dem sie sich so oder so am besten auskennen) aufmerksam wahrnehmen und kontinuierlich den aktuellen Ist-Zustand herausfordernd hinterfragen bzw. durch geeignete Fragen der Vorgesetzten dazu angeregt werden.

„Es gibt nur eine einzige Quelle für Innovation: Es sind Menschen, die stinksauer und wütend über eine Situation sind.“

– Tom Peters

Multiplikation des Leidens

Hier kann man zwei Möglichkeiten unterscheiden: Erstens die Schaffung des direkten Leidens im Sinne des oben genannten und selbst erkannten Kontrasts bzgl. eines Ist- und Soll-Zustands. Die zweite Möglichkeit besteht darin, die Relevanz eines Problems entsprechend zu verdeutlichen.

Die beiden Möglichkeiten sind zwar miteinander verwandt, trotzdem glaube ich dass die Vorgehensweise zur Verdeutlichung, das heißt Steigerung der Relevanz anders aussieht.

Bei der Steigerung der Relevanz geht es in meinen Augen vor allem darum, die Auswirkungen zu verdeutlichen. Beispielsweise die Auswirkungen, wenn das Unternehmen in der aktuellen Situation verharrt, während sich sein Umfeld verändert, indem neue Kundenbedürfnisse entstehen, diese von Mitbewerber erfüllt werden und die eigenen Lösungen plötzlich oder schleichend nicht mehr gefragt sind.

Auch dazu ist es wieder sehr hilfreich, den Horizont der Menschen zu erweitern, indem jetzt ihre Aufmerksamkeit auf Aspekte gelenkt wird, die wahrscheinlich außerhalb des Arbeitsumfeld relevant sind. Auch dabei handelt es sich um eine Form der Weiterentwicklung.

Meiner Meinung nach ist es viel wertvoller, Energie für diese Weiterentwicklung (beispielsweise durch geeignete Kommunikation) aufzuwenden, als gegen den Widerstand gegen Veränderungen anzukämpfen, der sehr oft einfach im Unverständnis für die Notwendigkeit begründet liegt.

Während ersteres zum Selbstläufer werden kann, der dann immer weniger Energie benötigt, kann zweiteres eher zu einem Teufelskreis werden, der langfristig immer mehr Energie benötigt und sehr leicht in der achten und neunten Verschwendungsart mündet (ungenutztes Mitarbeiterpotenzial und Komplexität).

Leiden als Basis für den Kontinuierlichen Verbesserungsprozess mag sich erstmal negativ anhören. Im Kontrast zu einem Leiden, das sich durch äußere Veränderungen ergibt, die dann in ihren Auswirkungen nicht mehr beherrscht werden, kann das oben beschriebene Leiden jedoch positiv genutzt werden. Wichtig ist dabei auch, dass die Zusammenhänge offen kommuniziert und überkommene Ansätze des Taylorismus als erstes über Bord geworfen werden.

Frage: Welches Leiden kann den KVP in Ihrem Unternehmen fördern? Wie können Sie dieses Leiden bewusstmachen? Welche Möglichkeiten können sich daraus ergeben?

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