Warum gut genug nicht gut genug ist

Perfektionismus

Vor kurzem habe ich wieder einen Artikel in einem Manager-Magazin gelesen, in dem Perfektionismus praktisch als Geisel der Menschheit dargestellt wurde. Gut, zugegeben, der verwendete Begriff war „nur“ Untugend. Trotzdem muss ich mir hier meinen Ärger von der Seele schreiben.

Perfektionismus wurde in dem Artikel auf die gleiche Ebene wie Ungeduld (geht noch), Selbstsucht, Negativität und Hochmut gestellt. Im Zusammenhang mit Negativität wurde auch Problemfokus angeprangert, aber das wäre Material für einen anderen Artikel.

Der Artikel beschreibt dann eine Vielzahl von Folgen, die Perfektionismus auf Mitarbeiter haben kann. Dabei will ich diese Folgen grundsätzlich teilweise gar nicht bestreiten. Daraus allerdings die Schlussfolgerung zu ziehen, dass Perfektionismus an sich verkehrt ist, halte ich für einen Fehler im Ansatz. Er passt durchaus auch zu der Aussage, dass auch der Problemfokus im Zusammenhang mit Negativität schädlich ist und oft mit Perfektionismus einhergeht.

Die in meinen Augen vorschnelle Lösungsorientierung in dem Artikel sieht dann so aus, dass die genannten Untugenden für die Führungsrolle schädlich sind und in der Regel auch nicht beeinflusst werden können. – Denken Sie sich an dieser Stelle bitte einen beliebigen Kraftausdruck.

Statt Wege aufzuzeigen, wie mögliche negative Auswirkungen von Perfektionismus kompensiert werden können, wird also der Perfektionismus an sich verdammt. Das ist genau die Lösungsorientierung, die am Ende mehr Schaden anrichtet, als dass sie Vorteile bringt. Damit wird an der falschen Ursache gearbeitet, statt dass die positiven Ausprägungen und Auswirkungen zielführend genutzt werden.

„Solange besser möglich ist, ist es nicht gut genug.“

– Dettmar Cramer

Notwendige Nachbesserungen werden als unnötig beschrieben, wenn das Ergebnis anhand eines allgemeinen Maßstabs zufriedenstellend ist. Also entweder sind Nachbesserungen möglich und dann auch notwendig oder eben nicht. Warum durch das Bestehen auf notwendigen Nachbesserungen die Freude an der Arbeit bei den Mitarbeiter getötet wird, erschließt sich mir jetzt nicht wirken.

Der Artikel trennt auch nicht zwischen Arbeitsprozessen und Mitarbeiter, sondern bezieht sich beim Perfektionismus ausschließlich auf den Führungsaspekt. Er verkennt also völlig, dass es eine wichtige Führungsaufgabe ist, die Arbeitsumgebung und die Prozesse so zu gestalten, dass die Menschen perfekte Ergebnisse schaffen können.

In der Konsequenz kommt in dem Artikel der Begriff Kundenorientierung nicht ein einziges Mal vor. Dass Perfektionismus in Kombination mit Problemfokus der zentrale und dauerhafte Antrieb für kontinuierliche Verbesserung ist, fehlt ebenfalls völlig.

Stattdessen wird die perfektionistische Führungskraft als Plage für den ganzen Bereich bezeichnet, die auch schädlich für Innovation ist. Perfektionismus wird als disfunktional für die Führung beschrieben und es wird ihm ein charakterliches Defizit zugeschrieben.

Die Sammlung der Untugenden wird in dem Artikel übrigens als Resultat von Befragungen unterschiedlicher Personenkreise genannt. Hierzu fällt mir nur gehässig ein, dass man nicht die Frösche um Zustimmung fragen sollte, wenn man einen Sumpf trockenlegen will.

Natürlich macht es nicht immer Spaß, den Ansprüchen einer perfektionistischen Führungskraft zu genügen. Dies lässt beispielsweise sehr deutlich dem Buch „The Toyota Mindset – The Ten Commandments of Taiichi Ohno“ entnehmen. Hier darf auch „Respect for People“ nicht mit Kuscheln verglichen werden.

Über die Frage des Perfektionismus hatte ich schon einmal einen Artikel geschrieben (auch dort aus Ärger über einen Artikel, wenngleich mit etwas anderen Vorzeichen).

Frage: Welche Rolle spielt Perfektionismus in Ihrem Führungsstil? Welche Folgen ergeben sich daraus? Wie lassen sich negative Folgen reduzieren?

Sie können einen Kommentar hinter­lassen, indem Sie hier klicken.

Jetzt eintragen und Artikel/Denkanstöße zukünftig per eMail erhalten.

Artikel teilen auf ...

Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.