Warum Lean kein Kochrezept ist

Kochrezept

Die Diskussion, dass Lean viel mehr ist als nur der Einsatz von Methoden und Werkzeugen, ist jetzt nicht mehr wirklich neu. In der Regel geht es dabei nicht darum, die Methoden und Werkzeuge an sich zu verdammen, sondern eben bewusst zu machen, dass es nicht ausreicht, nur die Methoden und Werkzeuge einzusetzen und dann zu glauben, dass man dann Lean ist (was so oder so als Zustand nicht möglich ist[1]).

Was mir auch manchmal begegnet ist, sind Vorstellungen und Erwartungen, die ein Stück weit Kochrezepten ähnlich zu sein scheinen. Also Ansätze wie nimmt diese Zutaten, verarbeite sie nacheinander auf diese Weise und wenn das eingehalten wurde, sieht so das Ergebnis aus.

Bei Kochrezepten ist in meinen Augen besonders verführerisch, dass zu Beginn schon das Ergebnis vorgestellt wird, weil diese Kochrezepte eben bewährt sind und schon wiederholt zum Erfolg geführt haben. Dann ist es nur verständlich, dass einem da das Wasser im Mund zusammenläuft und der Gedanke entsteht „will ich auch haben“.

Im Lean-Kontext sind das dann Vorbilder wie Toyota oder auch kleinere „Happen“, die den Lean-Prinzipien folgen.

Wenn man sich über diesen Vergleich Gedanken macht, lohnt es sich (mal wieder) das Thema in seine einzelnen Elemente aufzugliedern, die Wechselwirkungen zu betrachten aber auch bildlich gesprochen einen Blick über den Tellerrand zu werfen.

Die zentralen Elemente eines Kochrezepts hatte ich schon vorgestellt. Viel wichtiger sind in meiner Augen aber die „Dinge“, die da in der Regel nicht besprochen, ja manchmal gar nicht erwähnt bzw. stillschweigend vorausgesetzt werden.

Das beginnt schon bei Kleinigkeiten, wie Eiweiß schaumig schlagen. Welches Rezept beschreibt jetzt wirklich, wie das genau funktioniert, was dazu alles notwendig ist und welche Randbedingungen ggf. zu beachten sind.

Die Schlussfolgerung ist also, dass da ziemlich viele Hintergrundinformationen als bekannt und Fertigkeiten als vorhanden vorausgesetzt werden.

„Kochen erfordert sicheres Raten und Improvisieren – Experimentieren und Ersetzen, kreativer Umgang mit Misserfolgen und Unsicherheit.“

– Paul Theroux

Natürlich wird im Lean-Kontext etwas ausführlicher kommuniziert, aber die „Dinge“ sind ja auch etwas komplexer.

Bei Kochrezepten kann man sich typischerweise auf das Was und Wie beschränken, um Lean erfolgreich einzusetzen, spielt aber auch auch das Warum eine wichtige Rolle. Spätestens, wenn man eingetretene Pfade verlassen will oder muss, wird man auch von dem vorgegebenen Rezept abweichen (müssen), um das gewünschte Ziel zu erreichen.

Das entspricht dann auch nicht mehr bloß den Grundbedürfnissen hinter einem Kochrezept, vereinfacht ausgedrückt, die Stillung von Hunger auf eine angemessene Art und Weise. Letzteres ist wie im Lean-Kontext höchst individuell und führt typischerweise eben zu Auswahl eines passenden Rezepts aus einer endlosen Menge von Möglichkeiten.

Im Vergleich von Kochrezept und Lean bewegt man sich bei letzterem wieder eher auf einer „einfachen“ methodischen Ebene vergleichbar zu „wenn ich etwas lockeres haben will, werde ich zu Eischnee oder einem Backtriebmittel greifen“. Damit sollte auch klar sein, dass das entsprechende Verständnis zum Warum hinter Eischnee oder Backtriebmittel vorhanden sein muss.

Wenn ich jetzt zum Abschluss des Artikels nochmal auf den Titel zurückkomme, ist Lean also viel mehr als nur ein Kochrezept. Selbst ein Kochbuch oder ein Kochkurs kommt der Komplexität auch nur ansatzweise nahe. Wir bewegen uns eher auf der Ebene eines individuellen Ernährungsprogramms, das auf das entsprechende System (=Mensch) angepasst werden muss. Und selbst da gilt es auch weitere Randbedingungen wie den familiären Kontext, das Arbeitsleben u.v.m. einzubeziehen.

Und natürlich sollte man als guter Koch Eischnee machen können. Aber diese methodische Fähigkeit das in einem Rezpet einsetzen zu können, macht einen noch nicht zu einem Paul Bocuse [2].

[1] Lean als Zustand
[2] Wikipedia-Artikel über Paul Bocuse (lohnt sich, im Details zu lesen)
[3] Blog-Artikel über Lean nach Rezept (den ich schon wieder vergessen hatte ;-)

Frage: Welche Lean-Rezepte haben Sie schon ausprobiert? Was hat sich daraus ergeben? Wie zufrieden waren Sie mit den Ergebnissen?

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