Kaizen 2 go 134 : Startup-Konflikte


 

Inhalt der Episode

  • Was sind die häufigsten Konflikte, die bei Startups und im agilen Umfeld auftreten?
  • Warum sind diese Konflikte für Startups besonders typisch?
  • Wann treten diese Konflikte meistens auf?
  • Was sind die Folgen dieser Konflikte?
  • Welche Fehler machen Startups in ihrem Projektmanagement immer wieder?
  • Welche Fragestellung ist bei Startups besonders kritisch?
  • Nach welchen Kriterien sollte diese Frage beantwortet werden?

Notizen zur Episode


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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 134 – Startup-Konflikte

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Sebastian Gutmann bei mir im Podcast-Gespräch. Er ist Konzeptdesigner mit einem Background im Produkt- und Interaktionsdesign. Hallo Sebastian.

Sebastian Gutmann: Hallo Götz, grüß dich.

Götz Müller: Jetzt könnte ich mir vorstellen, dass nicht jeder der Zuhörer sagt „Ok, weiß ich Bescheid, um was es da gehen wird.“ bei den Stichworten. Sag noch mal zwei, drei Sätze selber zu deiner Person.

Sebastian Gutmann: Also wie gesagt Produktinteraktionsdesigner. Ich mache seit zehn Jahren Konzeptionierungen und Implementierungen von Frühphasenentwicklungen. Das habe ich am MIT begonnen, ich hatte später ein eigenes Robotik-Startup und war auch freiberuflich für andere Startups beratend tätig, das in Deutschland und den USA und habe in der Zeit in meinem Entwicklungsportfolio unterschiedlichste Sachen angehäuft, von interaktiven öffentlichen Installationen, über Robotik-Objekte, Services und Produkten bis hin zu mobilen Desktoplaboren, um genetisch veränderte Organismen zu erzeugen, also relativ bunt alles.

Götz Müller: Mhm. Ja, ich denke, da ist es jetzt ein bisschen klarer geworden und ich denke, da ist auch schon rausgekommen, über was wir uns zum Teil heute unterhalten werden. Startup-Konflikte habe ich die Episode genannt. Umreiß mal zum Start, was sind so die typischen Konflikte, die bei Startups oder auch im agilen Umfeld, was sich ja oft auch überdeckt, was da so typischerweise auftritt. Also hauptsächlich fängt das meistens bei einem einfachen Strategie-Konflikt an, dann geht es meistens über einen Rollenkonflikt zu einem Ressourcen-Konflikten und sozialen Konflikten. Die Strategie-Konflikte, die ganz am Anfang sind, das ist immer meistens ein Ziel-Konflikt oder ein Weg-Konflikt, also wo wollen wir hin und wie gehen wir dorthin. Und irgendjemand muss sich dann darüber quasi im Klaren sein und auch eine Entscheidung treffen, das ist dann der Rollenkonflikt: Wer macht die Ansage? Und diese Ressourcen-Konflikte und die sozialen Konflikte, die später daraus entstehen, sind meistens „Haben wir genügend Leute?“, also bei den Ressourcenkonflikten, „Haben wir genug Geld und wie verteilen wir das?“ und bei den sozialen Konflikten ist es halt einfach klassisch ein Macht- oder ein Statuskonflikt. Und allgemein ist es so, wenn man die Konflikte mal kennt und man steckt dann selber im Prozess drin, kann man die oft auch besser erkennen und frühzeitig gegensteuern. Das ist eigentlich das Wichtigste: Sie frühzeitig zu erkennen und dann gegenzusteuern.

Götz Müller: Ich denke, zu dem Punkt werden definitiv auch noch kommen, was man machen kann, wenn so ein Konflikt aufkommt. Jetzt noch mal zum Start: Warum würdest du sagen, sind die Konflikte für Startups so besonders typisch?

Sebastian Gutmann: Zunächst einmal, das sind Umfelder, wo es keine vorgegebenen Strukturen oder Hierarchien gibt oder auch Vorgehensweisen, so Best Practices, wo ich weiß, wenn ich das mache, kann ich es so entwickeln. Das heißt, ich habe da eine Gruppe von, das ist quasi immer so ein Zusammenschluss von Individuen, die motiviert sind, ein Ziel zu verfolgen, im Idealfall ein gemeinsames Ziel. Und die sind meistens intrinsisch motiviert, das heißt, die wollen das aus einem inneren Antrieb heraus machen, nicht wie in einer Firma, wo sie quasi bezahlt werden, dass sie jeden Tag auftauchen, sondern die treffen sich am Wochenende, am Abend, um gemeinsam an etwas zu arbeiten, zu Beginn zumindest. Und dann kommt bei jungen Gründern oft hinzu, dass wenig Projekterfahrung da ist, weil die manchmal direkt aus dem Studium kommen oder wenig berufliche Erfahrung haben und da ist die Unerfahrenheit eigentlich so, in Anführungszeichen, eine Stärke und eine Schwäche zugleich. Stärke natürlich, man stürzt sich in Sachen rein. Schwäche: Man hat zu wenig Projekterfahrung, man hat zu wenig Fehler gemacht und sieht dann frühzeitig ein Problem auftauchen und das gibt Reibungsverluste dadurch. Und bei den älteren Gründern ist es oft so, die haben schon einiges gesehen, die haben auch viel Erfahrung und da treten da häufig die Macht-/Status- und Rollenkonflikte auf; das typische Micromanaging. Und dass sie quasi bis ins letzte noch die Hand draufhaben wollen. Und das Interessante an der Sache ist, dass bei Älteren mit viel Erfahrung, sie haben einen Workflow, der hat sich etabliert, der ist sehr gut, der hat jetzt zehn, fünfzehn Mal funktioniert und im Startup kommen neue Fragestellungen und auf einmal wird der in Frage gestellt und die können sich da nicht schnell genug oder wollen sich auch nicht schnell genug umstellen.

Götz Müller: Ja und ich könnte mir vorstellen, das in-Frage-gestellt-werden kratzt ja auch bei jedem, egal in welcher Altersstufe oder mit welcher Erfahrung, es kratzt es ja jedem so ein bisschen an der Fassade oder am Selbstverständnis.

Sebastian Gutmann: Ja, also da nehme ich mich nicht aus. Also wenn ich … ich habe Techniken, die sind für mich so ein Fallback, die funktionieren immer und ich ertappe mich selber auch, dass ich manchmal etwas machen möchte, weil ich es halt so und so gut umsetzen kann, aber ich muss mich auch fragen „Ist das der richtige Weg?“ oder sollte ich jetzt was Neues dazu dazulernen, um das besser umsetzen zu können. Und das ist immer … desto älter man wird, die Umstellung wird schwieriger, aber muss man noch angehen.

Götz Müller: Ja, ich denke, da steckt wahrscheinlich, speziell wieder bei den Älteren, steckt natürlich auch wieder dieser Aspekt Erfahrung und Routine drin und man hat eben auch gute Erfahrungen mit einer Lösung gemacht und dann liegt es ja wahrscheinlich auf der Hand zu sagen „Hey, mache ich wieder so.“.

Sebastian Gutmann: Spricht ja absolut nichts dagegen. Ich mache das ja genauso. Das einzige, was man machen muss, ist, man muss sich regelmäßig zumindest einen Moment zurück-, rausnehmen und hinterfragen: „Ist es jetzt das Richtige? Ja oder nein?“

Götz Müller: Was sind dann so im Startup-Umfeld die typischen Folgen und natürlich konkret auch wieder, wo unterscheiden die sich eventuell von klassischen Unternehmen, die halt schon ein paar Jahre irgendwo unterwegs sind?

Sebastian Gutmann: Also Startups leben, zumindest am Anfang, hauptsächlich von Entwicklungsdynamiken. Das heißt, die Leute wollen was machen, die wollen was umsetzen und wenn ich jetzt ganz an den Anfang gehe, gibt es im Prinzip diesen Zauber des ersten Moments. Man trifft sich an einem Hackathon, man hat etwas erarbeitet und dann stehen Entscheidungen an und diese müssen getroffen werden. Oder nach einer ersten Entwicklungsphase stehen Entscheidungen an und diese müssen getroffen werden. Und dann kristallisiert sich heraus, dass jemand diese Entscheidungen trifft und das tötet unter Umständen die Entwicklungsdynamik. Weil aus so einem Strategiekonflikt, Weg und Ziel, wird relativ schnell auch ein Rollenkonflikt oder auch ein sozialer Konflikt und dann schwindet die Motivation und die Dynamik in dem Team und davon leben Startups am Anfang ungemein, von der Motivation und von der Dynamik.

Götz Müller: Ja, weil das ja Dinge sind, die man, zumindest zu einem gewissen Teil, gar nicht kaufen kann.

Sebastian Gutmann: Richtig. Absolut. Das ist … also ich nenne das immer so ein bisschen Emotional Ownership, jeder ist so ein Grundbestandteil und auch … hat auch Anteil am Erfolg. Das heißt, jeder bringt sich ein, jeder sieht seinen Teil im Projekt, den er beigetragen hat und das gibt das Ganze am Schluss. Wenn da irgendjemand rausbricht oder irgendwas überhandnimmt … schwierig.

Götz Müller: Jetzt gibt es ja durchaus auch die Aussage, so im Umfeld des klassischen Projektmanagements oder auch andere Situationen, die da lautet, so der Konflikt an sich ist ja gar nicht mal schlecht, der hat ja durchaus auch seine positiven Aspekte. Was würdest du sagen, wie gehe ich jetzt halt mit Konfliktsituationen um, um die eher positiven Aspekte zu verstärken oder zu nutzen und die eher negativen zu vermeiden?

Sebastian Gutmann: Das Allererste ist, ich muss wissen, um welchen Konflikt es sich handelt, also um welchen es sich wirklich handelt. Also wenn ich jetzt glaube, es ist ein Strategie-Konflikt, aber in Wirklichkeit ist es ein Rollenkonflikt, weil jemand einfach nicht loslassen kann, habe ich ein ganz anderes Problem. Da brauche ich jetzt das Ziel oder den Weg gar nicht diskutieren, sondern ich muss mir im Klaren darüber werden, dass es ein Rollenkonflikt ist. Das heißt, der Konflikt zeigt im Prinzip an, dass es da einen Ansatzpunkt gibt, an dem man arbeiten muss. Wenn ich dann weiß, welcher Ansatzpunkt das wirklich ist, dann kann ich den gezielt auch bearbeiten, dann kann ich aus der Situation auch gestärkt wieder herausgehen.

Götz Müller: Hast du so einen Tipp oder eine Vorgehensweise, wo du sagst, das hilft um zum Beispiel eben entweder für sich selber oder durchaus, eventuell auch sogar im Team, zu sagen „Ok, wir sind erstmal einverstanden, wir haben gerade einen Konflikt und jetzt denken wir mal so auf einer Metaebene darüber nach was für einen Konflikt wir haben“, weil natürlich … wenn das Problem halt kein Nagel ist, dann ist der Hammer das falsche Werkzeug.
Sebastian Gutmann: Genau. Sehr gutes Beispiel. Generell, wenn … bei mir ist es so, wenn ich wenn ich in einen Strategie-Konflikt gehe oder wenn ich einen sehe und ich bearbeite den, dann versuche ich mich erstmal rauszunehmen und mich zu fragen „Welchen Entscheidung macht jetzt wirklich einen Unterschied und wenn ja welchen?“ Das heißt, ich versuche mir anzuschauen, wo die verschiedenen Punkte sind, wo ich mich ein … wo ich einhaken muss, wo ich nachhaken muss und gehe die dann an. Die Sache ist die, in dem Moment, wo ich diese Sachen miteinander vermische, also zum Beispiel einen Strategie-Konflikt und einen Rollenkonflikt, da rede ich dann über verschiedene Dinge und ich komme auf keinen gemeinsamen Nenner. Das heißt, ich muss mir einen Punkt raussuchen, wir müssen darüber verständigen, dass wir jetzt über diesen einen Punkt sprechen und nur dieser Punkt wird analysiert. Ich kenne das oft, dass jemand in einer Diskussion, in einer Bearbeitung, sehr viele Haupt- und Nebensätze aneinander schmeißt, also aneinander packt und dann immer wieder einen neuen Inhalt einpflegt. Das heißt, das ist dann so eine Situation, da sind fünf Punkte und dann: welchen sollen wir jetzt ansprechen? Das heißt, ich bestehe meistens darauf, wir suchen uns einen Punkt raus und den besprechen wir. Und dann gehen wir zum nächsten Punkt, zum nächsten Inhaltspunkt.

Götz Müller: Also im Grunde da an sich schon wieder, eine Art von agiler Vorgehensweise, nicht alle möglichen Sachen, versuchen, Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten, sondern auch da eins nach dem anderen abarbeiten.

Sebastian Gutmann: Genau. Das ist einfach … sich einen Stapel machen mit den Themen und dann … und wenn es, bildlich gesprochen, Karteikärtchen sind, die auf dem Tisch liegen und dann nehme ich das erste, dann wird nur darüber gesprochen. Dann nehme ich das andere, dann wird nur darüber gesprochen.

Götz Müller: Jetzt hast du ja mindestens bei dem Aspekt Rollen-Konflikt in meinen Augen natürlich definitiv auch den Faktor Mensch schon ins Spiel gebracht und das möchte ich noch ein bisschen vertiefen. Was ist so deine Erfahrung bezüglich persönlichen Eigenschaften von Menschen, die ja durchaus einerseits wieder wertvoll sind dadurch, dass sie unterschiedlich sind, aber ich könnte mir vorstellen eben, natürlich auch wieder zum Konflikt beitragen können?

Sebastian Gutmann: Auf der einen … also wenn ich jetzt zum Beispiel die Rolle des CEOs nehme, das ist ja der, der einfach oftmals ein bisschen heraussticht, das ist jemand, der auf der einen Seite sehr begeistern muss, der auf der anderen Seite im richtigen Moment antreiben und motivieren muss, der muss sich aber auch zurücknehmen können. Das heißt, der darf jetzt nicht anfangen, sich zum Beispiel bis ins Letzte durch Micromanaging hervorzutun und jegliche Entscheidung treffen zu wollen. Das heißt, es gibt unterschiedliche Typen in der Gründerphase in diesem kleinen Teams und diese Typen haben unterschiedliche Aufgaben. Es gibt Experten, die da bearbeiten ein bestimmtes Thema und dann gibt es ja Generalisten, die Themen zusammenführen.

Götz Müller: Wie gehe ich jetzt mit den Eigenschaften und den, nennen wir es mal Problemen, die ich eventuell habe um, die ja nicht notwendigerweise zusammenpassen.

Sebastian Gutmann: Also es gibt im Prinzip … so ein bisschen wie in einem Football-Team, es gibt für jeden die richtige Position in dem Team. Man muss sich nur fragen, ob die eine Person auf der Position die richtige ist. Das heißt, wenn ich jetzt jemanden habe, der absolute Experte ist in einem Bereich, der sich da reinfuchst, der diesen einen Bereich perfekt ausarbeiten kann, dann ist super, dann ist die Person aber jetzt nicht die richtige zum Beispiel, um einen Workshop zu leiten, wo man verschiedene Disziplinen zusammenbringen muss. Das heißt, ich muss mir genau überlegen, ist diese Person für diese Position richtig. Ja – dann ist das super. Nein – dann steht die Frage im Raum, ob die Person die richtige für diese Position werden kann. Wenn sie das werden kann, super. Dann ist die Frage, ob das rechtzeitig wird und wenn sie es auch noch ohne Abstriche wird, auch noch gut. Wenn es jetzt aber so ist, dass die Person einfach nicht die richtige für die Position ist, dann muss man sich Gedanken machen: eine andere Person? Holt man sich permanent jemanden dazu oder nur temporär, um diese Position zu füllen? Und das ist auch das, wo ich bei vielen Startups ein Problem sehe, dass Positionen schlichtweg falsch besetzt sind.

Götz Müller: Weil ich wahrscheinlich primär halt erstmal nur die, um bei dem Beispiel Spieler zu bleiben, weil ich halt nur die Spiele habe und jetzt glaub … oder ich habe nur die Hämmer, um es mal wieder so auszudrücken und dann alles zum Nagel machen, oder?

Sebastian Gutmann: Ja, man hat ja dieses, ich nenne es immer Superhelden-Team. Jeder Superheld hat so seine Eigenschaft und gemeinsam können die jegliche Situation meistern und wenn Probleme auftritt, dann sollte ich im Prinzip in meinem Netzwerk im Idealfall vorher schon Leute kontaktiert haben, die mir dieses Problem lösen können, damit sie direkt dazustoßen. In dem Moment, wo ich anfange, jeden auf ein neues Problem neu auszubilden, dass sie das Problem angehen können, das wird eine gewisse … das wird eine Endlosnummer. Das heißt, ich muss auch irgendwann akzeptieren, dass ich jetzt Verstärkung brauche, dass ich das nicht mehr allein stemmen kann. Und dann spar ich mir auch Zeit und auch Geld, selbst wenn die Verstärkung was kostet.

Götz Müller: Wobei ich mir vorstellen könnte, dass speziell eben dieses Kaufen, wenn man vielleicht noch nicht das Geld hat als Startup da eine nicht zu unterschätzende Herausforderung darstellt, oder?

Sebastian Gutmann: Ja, also allgemein diese make-or-buy-Entscheidung, wenn ich, egal ob ich mir jetzt einen Produkt, eine Entwicklung, einen Service von außen zukaufe, ist für ein Startup immer schwierig. Insofern, also generell make-or-buy ist ja so, dass was zu machen, ist hauptsächlich eine strategische Entscheidung, das ist mittel und langfristig gesehen oft mit der Ausrichtung der Firma verbunden, während etwas zu kaufen oft eine rein operative Entscheidung ist. Das heißt, das ist einfach billiger, ich muss jetzt keine Schrauben selber machen, wenn ich Schrauben kaufen kann. Allerdings, wenn ich jetzt was zukaufe, sollte ich sicher sein, dass ich nicht abhängig werde von jemand, weil das gefährlich ist. Das heißt, es muss das immer so eine Art second source oder third source da sein, wo ich das gleiche Produkt, das gleiche auch beziehen kann und dann sind wir auch schon einfach bei diesen zwei Punkten make ist hauptsächlich strategisch. Das heißt, da brauche ich Vertrauen und Ausdauer und ich baue das selber intern auf. Um dieses zu tun kann nicht mir temporäre, operative Verstärkung dazuholen. Das heißt, ich hole mir jemanden rein, der kurzzeitiges Wissen in die Firma bringen oder ins Startup bringt, bis ich es selber habe und dann gehe ich von da aus weiter. Wenn ich jetzt aber was von außen zukaufe, diese Kaufentscheidung ist meistens eine operative Entscheidung und das heißt aber auch, dass ich über diesen Prozess außerhalb eine Art von Kontrolle entwickeln muss. Einfach ich muss genau schauen, was macht mein externer Zulieferer, was macht der wirklich. Das heißt, ich brauche intern eine permanente strategische Verstärkung. Das heißt, ich brauche jemanden intern, der das überwacht, was extern gemacht wird. Das ist ein Fehler, den ich oft sehe. In der Hardwareentwicklung ist es zum Beispiel oft so, man gibt eine Entwicklung raus an jemanden, der entwickelt dann das, aber das heißt noch lange nicht, dass das fertig ist und viele gehen mit der Vorstellungen raus „Ich frage jetzt ein Ingenieurbüro an oder eine Produktdesignagentur und gebe die Entwicklung raus, dann macht mir jemand einen Entwurf und danach wird er produziert“. So einfach ist es nicht. Man muss Externe extrem gut briefen, man muss sehr klare Vorgaben machen und muss auch überwachen, dass man diese sehr klaren Vorgaben zurückbekommt. Und das heißt permanente strategische interne Verstärkung, die das macht.

Götz Müller: Ja, ich könnte mir vorstellen, dass das im Startup Umfeld doppelt kritisch ist. Also ich kenne sowas aus meinem, ich nenne es immer früheres Leben raus, wo ich auch externe Hardwareunterstützung eingekauft habe, aber natürlich wie du es gerade gesagt hast, eine extreme Abhängigkeit dadurch besteht, was aber jetzt in der Situation gar nicht so unheimlich kritisch war, weil es im Grunde ein bekannter Markt war und das, was man im Unternehmen A gekauft hat, man auch gut beim Unternehmen B kaufen könnte und da stelle ich mir jetzt eben vor, in einem Startup-Szenario, wo ich ja etwas ganz Neues schaffe, da ist das natürlich doppelt kritisch, oder?

Sebastian Gutmann: Absolut. Vor allem es gibt einfach, es gibt intern oft einfach das Problem, dass viele neue Dinge entwickelt und zusammengeführt werden müssen. Und in einem Startup ist bei jungen Gründern so, dass oft das Rad neu erfunden wird. Und das Gleiche passiert auch bei älteren Gründern, die was von Grund auf neu machen wollen. Oft ist es so, das ist einfach auch schon bestehende Lösungen am Markt gibt, Man kann verschiedene Lösungen kombinieren, um einen Teilbereich nicht neu entwickeln zu müssen. Und diese Kompetenz sollte man intern haben. Wenn man die extern zukauft, gilt wieder, man braucht intern jemanden, der die externen überwacht, da draufschaut.

Götz Müller: Ja, da höre ich definitiv auch dieses berühmt-berüchtigte not invented here raus, oder? Dieser Aspekt not invented here, wo dann auch der Ingenieursehrgeiz plötzlich zum Tragen kommt, was wissentlich oder unwissentlich schon existiert.

Sebastian Gutmann: Ja. Genau das.

Götz Müller: Okay. Ja, das ist ein Symptom, das kenne ich.

Sebastian Gutmann: Du hast einen sehr interessanten Punkt noch erwähnt, dass du Hardwareentwicklungen rausgegeben hast, weil auf dem Markt das Gleiche relativ leicht verfügbar war, von einem anderen Anbieter, wenn ich dich richtig verstanden habe.

Götz Müller: So kann man es ausdrücken, ja.

Sebastian Gutmann: Genau und das ist auch ein wichtiger Punkt. Wenn ich was rausgebe, ich lasse etwas 3D-drucken und ich brauche das in einer spezifischen Qualität, es gibt 3D-Drucker, ich möchte nicht sagen wie Sand am Meer, aber wie Sand am Meer. Man kann das überall drucken lassen. Das heißt, das ist unkritisch. Wenn es jetzt aber nur einen 3D-Drucker gibt, der mit einer absolut neuen Technologie arbeiten würde, dann wird es schwierig und dann muss ich mich auch als Startup fragen, ob ich mich wie Abhängigkeit bewegen will von dem einen einzigen Zulieferer. Also, man will ja niemanden was Böses unterstellen, aber man kann ja auch nicht in die Zukunft gucken, man weiß nicht, was mit der Firma passiert. Das heißt dann, wenn dann so einen Tanker so ein Schiff mal untergeht, das hat einen gewissen Sog und dann zieht es mich mit unter Wasser.

Götz Müller: Jetzt möchte ich noch mal auf den Punkt Projektmanagement kommen und das noch ein bisschen vertiefen. Was ist so in deiner Wahrnehmung, was sind, nennen wir es mal beliebte Fehler, die Startups in ihrem Projektmanagement immer wieder machen?

Sebastian Gutmann: Oft fehlt einfach die Expertise mit dem Projektmanagement. Das heißt, es gibt kein Projektmanagement und das machen sie falsch. Das heißt, die Entwicklung wird rein linear gedacht. Man fängt mit einem relativ hohen Stresslevel an, weil man im Prinzip nur die ganze Arbeit vor sich sieht und das ist so eine endlos langen Roadmap mit 25 Millionen Milestones und man will die alle abarbeiten. Wichtig ist zu verstehen, welche Prozesse parallel entwickelt werden können, mit welchen Ressourcen und dass man diese Prozesse, diese Ergebnisse ergeben schnell evaluiert. Diese typischen Lean-Startup-Geschichten, das ist das eine, also dass man was schnell versucht zu evaluieren, um dann weiter zu kommen. Aber für mich, meiner Meinung nach ist es das Wichtigste, dass man lernt oder schnell sieht, welche Prozesse parallel entwickelt werden können. Das gleiche gilt auch, wenn ich meine Verstärkung dazu suche oder einen Experten, der dann einen bestimmten Bereich abdeckt. Man muss frühzeitig versuchen, diesen Experten oder diese Verstärkung oder diese strategische Partnerschaft vorzubereiten. Das heißt nicht alles gleichzeitig machen, aber das heißt, sich gut einzuteilen und zu überlegen, was man wie parallel umsetzt. Das heißt, lineare Prozesse, die sehr langwierig sind, kostenintensiv sind und die auch erst nach einer gewissen Zeit zeigen, ob wir auf dem richtigen Weg sind, das ist schwierig, das bringt einen dann in Situationen, aus denen man nicht mehr rauskommt, weil die Zeit fortgeschritten ist und das Geld weg ist. Das heißt, möglichst frühzeitig parallel arbeiten.

Götz Müller: Wo ich mir dann aber wieder vorstellen könnte, um so ein bisschen einen leichten Bogen zu dem Ursprung, also sprich zu den Konflikten zu schlagen, dass natürlich wenn ich parallel arbeite, natürlich primär, in meinen Augen, das Thema Ressourcen also sofort wieder auf dem Tablett steht.

Sebastian Gutmann: Absolut. Da gibt es … für mich ist es so, man hat man hat in diesem Entwicklungsteam Spezialisten, die Dinge bearbeiten, das sind so genannte I-Persons, das sind Spezialisten, die sich auf etwas fokussieren, man muss aber auch eine T-Person, das heißt eine Person, die sehr breit denkt und diese verschiedenen Personen auch zusammenführen kann. Wenn ich ein Team habe, das einzig und allein nur aus Experten besteht, das wird schwierig. Das heißt, ich muss frühzeitig jemanden reinholen, der auch breiter denken kann, der auch ein Generalist ist, der die anderen zusammenführen kann und der auch besser diese verschiedenen Disziplinen, unter Umständen, auch besser miteinander verbinden kann und dann kann diese Parallelentwicklung, die vorher angesprochen ist auch leichter gelingen und ich kann das auch ressourcenschonender machen, aber ich muss halt einmal in diese T-Person investieren.

Götz Müller: Vielleicht da noch mal nachgefragt, T wie Tee, wo kommt der Begriff jetzt überhaupt her? Das habe ich irgendwie noch nicht ganz durchdrungen und könnte mir vorstellen, denen Hörern, die jetzt nur hören, geht es ähnlich.

Sebastian Gutmann: Ja. Das kommt aus dem Beraterbereich, das war etwas mit Kinsey, die sich irgendwann überlegt haben, wen sie einstellen wollen und es gibt ganz grob zwei Arten von Menschen in so einer Organisation. Das eine sind Spezialisten und das andere sind Generalisten. Und das T, das steht für think extended, also im Prinzip wie so eine T-Kreuzung aus drei verschiedenen Bereichen, treffen die sich in der Mitte, und so kann man sich das vorstellen, das heißt jemand, der verschiedene Bereiche zusammenbringt und aus verschiedenen Aspekten heraus Interessen zusammenführen kann. Und diese I-Person, das ist quasi I think narrow and thight, so als Eselsbrücke, das sind einfach Spezialisten, die sich sehr strukturiert, sehr gezielt und fokussiert auf ein Thema stürzen können.

Götz Müller: Ok, ja. Das finde ich jetzt spannend, weil da hat einerseits die Form des Buchstaben den Einfluss, andererseits natürlich der Buchstaben sich als Initiale von der Geschichte auch wieder. Sehr spannend.

Sebastian Gutmann: Ganz genau. Das ist gerade, wenn es jetzt in die multidisziplinäre Entwicklung geht, das heißt Software und Hardware kombiniert, das sind so Bereiche, wo man Generalisten braucht, die definitiv zwischen den Disziplinen auch so ein bisschen Dolmetschen können, die auch die Sprache beider Bereiche so einigermaßen verstehen und dann auch das in so ein Gesamtbild einfügen können.

Götz Müller: Ja, das kann ich aus meiner eigenen Historie nur bestätigen, dass es da manchmal erhebliche Sprachprobleme gibt.

Sebastian Gutmann: Absolut, absolut.

Götz Müller: Die zum Teil, glaube ich, auch nicht nur Sprachprobleme sind, also klassisch im Sinne von Sprachproblemen, dass man von Sachen redet, die der andere halt nicht in seinem Wortschatz hat, sondern eben auch so eine Art von, nennen wir es mal Denke.

Sebastian Gutmann: Absolut. Das ist einfach … man braucht ein gewisses, nennen wir es mal interdisziplinäres, empathisches Denken. Das heißt, jemand, der sich hinsetzt und sich denkt, rausgeht … also sich überlegt „Ich bin in dem Bereich tätig, wenn ich jetzt da die Stellschraube drehe, wie verändert das den Bereich oder das Anforderungsbereich in einem ganz anderen Bereich. Das heißt, wenn ich jetzt … zum Beispiel, ich habe einen Hardware-Entwickler, der hat eine mechanische Lösung entwickelt und die wird über eine Elektronik angesteuert, also einen Elektromotor, der wird über eine Elektronik angesteuert und diese Elektronik wird über eine Software betrieben und in der Software wird etwas geändert und es findet keine Kommunikation vom Softwareentwickler zum Mechatroniker, zum Hardware-Entwickler statt. Der Softwareentwickler ändert ein bisschen was, die Elektronik macht was anderes, der Motor macht was anderes als das, was vorhin in Spezifikationen oder halt im Lastenheft vereinbart war und schon funktioniert das Teil nicht mehr. Dann muss sich der Software-Entwickler fragen oder der Projektentwickler vom Software-Entwickler „Hm, der hat jetzt was gemacht, der hat das nicht abgestimmt, jetzt funktioniert das Teil nicht.“ Andersrum natürlich auch. Wenn der Hardware-Entwickler irgendwas an den Motoren ändert, auf einmal irgendwas anderes kauft, andere Steppermotoren oder wie auch immer und die verbaut, weil sie eine bessere Größe haben, dann muss der sich ja auch abstimmen mit dem Mechatroniker oder mit dem Softwareentwickler, weil sonst kann die Software super gut sein, aber die Kommunikation funktioniert nicht mehr zwischen Hardware und Software.

Götz Müller: Das sind ja dann die Dinge die man so in die große Schublade Systems Engineering reinsteckt.

Sebastian Gutmann: Genau. Das Interessante … die große Chance beim Startup ist, diese Leute sitzen ja normalerweise in einem Raum. Das heißt, man sitzt zusammen, man bearbeitet die ganzen Themen und das ist auch die große Stärke, dass man sich einfach, man sitzt auf dem Drehstuhl, dreht sich um und stupst einen anderen und dann meinte „Ich habe da was, was ich in der Software ändern möchte, was macht das mit deiner Hardware?“ Der Hardware-Entwickler kann sich später genauso umdrehen und sagen „Du, ich brauche einen anderen Motor, weil er besser reinpasst, ist das okay mit der Software, müssen wir da etwas ändern?“ und diese Stärke, dieses schnelle Abstimmen, das sollte man immer machen und das sollte auch ganz obenan stehen, wenn man interdisziplinär oder halt multidisziplinär eigentlich, so kombinierte Lösungen aus Hardware und Software entwickelt.

Götz Müller: Da höre ich jetzt definitiv einen Tipp raus, so zum Abschluss, ich guck mal so ein bisschen Richtung Uhr auch, halbe Stunde grob, im Sinne von, was können erwachsene Unternehmen, also die ist schon eine Zeit lang am Markt sind, die Produkte schon entwickelt haben, was können die von den Startups lernen.

Sebastian Gutmann: Startups können sehr schnell vom Standbein auf Spielbein wechseln und das können sie deshalb weil in der Regel eine sehr schnelle Kommunikation stattfindet. Das sind … bei diesen typischen agilen Entwicklungsprozessen ist es ja immer so, dass das viel Eigenverantwortung gefördert wird und dass die Leute sich quasi selber auch zu dem Produkt oder zu der Entwicklung bekennen und die Kommunikation zwischen diesen verschiedenen Abteilungen, zwischen diesen Teammitgliedern oder verschiedenen Teams, wenn man diese Kommunikation allein steigert, kann man relativ schnell vom Standbein auf Spielbein wechseln und auch kurzfristig etwas ändern. Wenn man aber die Kommunikationsprozesse zwischen dieser Abteilung und zwischen diesen Bereichen erschwert oder zum Erliegen bringt, weil es immer durch jemand abgeknickt werden muss, dann geht viel verloren, sehr viel Kontext geht dann verloren.

Götz Müller: Ja, das kann ich definitiv nur bestätigen und das gilt im Grunde überall. Egal um was es geht. Ob ich ein Auto lackiere, nach einem Unfall repariere und lackiere oder ob ich über was hochkomplexes Technisches rede, wenn die Menschen nicht miteinander reden, funktioniert es nicht.

Sebastian Gutmann: Kann ich so unterschreiben.

Götz Müller: Gut. Sebastian, ich danke dir für deine Zeit, von diesem vermeintlich einfachen Thema Startup-Konflikte waren, fand ich, unheimlich spannende Dinge dabei, die man eben, und das ist auch immer mein Ziel, auch auf ganz andere Sachen übertragen, im Sinne von lernen, kann und da glaube ich eben ist dann auch der Wert für den Zuhörer dabei, wo mal jemand sich etwas anhört, wo er vielleicht nach dem ersten Satz sagt „Hm, ist das wirklich relevant für mich?“. Also ich danke dir für deine Zeit noch mal.

Sebastian Gutmann: Sehr gerne.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Sebastian Gutmann zum Thema Startup-Konflikte. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 134.

Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freue ich mich über Ihre Bewertung bei iTunes. Sie geben damit auch anderen Lean-Interessierten die Chance, den Podcast zu entdecken.

Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder zu lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.