Kann/soll das Leben wirklich LEAN sein?

Die Inspiration zu diesem Artikel hatte ich kürzlich bei einem Unternehmertreffen, bei dem ein Präsentator von seinen vergeblichen Versuchen bzgl. termingerechter Familienplanung berichtete. Deshalb folgen hier ein paar Überlegungen zu der Eingangsfrage aus der Perspektive der sieben Verschwendungsarten unter spezieller Berücksichtigung der Familienplanung.

Transport

Bei dieser Verschwendungsart kann zwischen mehreren Phasen unterschieden werden. Allen Phasen ist gemeinsam, dass sie miteinander verkoppelt sind und der Verlauf der Belastungsintensität insgesamt sägezahnartig verläuft. In der ersten Produktionsphase wird die Transportbelastung anfänglich gar nicht wahrgenommen, um dann in den letzten Wochen doch beschwerlich zu werden. In den Folgephasen werden Transportaktivitäten noch ohne Hilfsmittel durchgeführt (manuelles Herumtragen), um später jedoch von – anfangs nicht-motorisierten – Transportmitteln (Kinderwagen) und dann motorisierten Fahrzeugen (Anlieferung und Abholung für Schule, Kino, Disko usw.) abgelöst zu werden.

Inventar/Lager

Die Verschwendung im Lagerbereich wird deutlich, wenn man sich die durchschnittliche Verweildauer von 18+ Jahren vor Augen führt. Vorbild für Prozessoptimierungen können in der Tierwelt ausgemacht werden (Nestflüchter), erschwerend sind jedoch die notwendigen Evolutionszyklen zu berücksichtigen. Selten kommt es zu vorzeitigen Lagerräumungen bzw. Auslagerungen (in der Regel überwiegt der sporadisch auftretende gedankliche Wunsch). Ebenso kommt es nach der Lagerräumungen vereinzelt zu Rückrufaktionen, eher noch zu Rückgaben. Meist verursacht dies jedoch keine logistischen Probleme, da die Lagerkapazitäten nur selten abgebaut werden (was ebenso eine Verschwendung ist und durchaus erhebliche Ressourcen freisetzen könnte).

Bewegung

Diese Verschwendung tritt in der Regel in direkter Verbindung mit der Transportverschwendung auf. In frühen Phasen sind es noch eher einfache Bewegungsmuster. Vor allem nachts wiederholt sich oft der Weg Schlafzimmer-Kinderzimmer. Hier kommt es dann oft zu ersten Optimierungsversuchen (Kinderbett ins Elternschlafzimmer), die jedoch aus übergeordnet langfristigen Aspekten wohlbedacht sein wollen. Auf jeden Fall können Spaghetti-Diagramme das Optimierungspotenzial deutlich aufzeigen. Spätere Bewegungen ergeben sich dann ebenfalls im Transportumfeld (führerlose Transportsysteme haben sich im Bereich des Straßenverkehrs noch nicht durchgesetzt). Die hier eingesetzten Optimierungen durch Arbeitsteilungen unter den Eltern, speziell familienübergreifend, sind auf jeden Fall zu begrüßen.

Warten/Suchen

Die vermutlich größte Verschwendung wird ersichtlich in der (bauartbedingten) Differenz zwischen Durchlaufzeit (40 Wochen) und Bearbeitungszeit (wenige Minuten zu Beginn und einige Stunden am Ende des “Produktionszykluses”). Spätere Wartezeiten ergeben sich dann noch in Verbindung mit der Transport- und Bewegungsverschwendung (s.o.). Manchmal sind die Wartezeiten auch eher passiver Natur (“wo kommst Du jetzt so spät noch her?“). Suchzeiten ergeben oft noch spontan in der Vor- und Nachbereitung von Wäscheaufbereitungaktivitäten (wo ist nur die zweite Socke oder “Mami, wo ist mein xyz-T-Shirt?“).

Überproduktion

Tritt manchmal spontan auf (ungewollte Schwangerschaften) oder durch Missverständnisse bei den Bestellmengen (Mehrlingsschwangerschaften). In späteren Phasen kommt oft zu plötzlichem Zuwachs, der zu Beginn bei der Produktions- und Lagerplanung nicht berücksichtigt wurde (“Mami, Papa, das ist …… Darf er/sie bei mir übernachten?“). Durch eingeschränkte Kapazitäten können Doppelbelegungen in den nächtlichen Zwischenlagersystemen und Wartezeiten im Bereich der sanitären Anlagen die Folge sein.

Überbearbeitung

Auch bei dieser Verschwendungsart treten immer wieder unerwünschte Effekte auf. Dies kann von einfachem “ich hab' Dir nicht schon tausendmal gesagt, räum Dein Zimmer auf” bis zu “muss man Euch immer alles nachräumen” reichen. Die größte Herausforderung bei dieser Verschwendungsart ist der sehr schnell eintretende Gewöhnungseffekt und die in vielen Fällen ausbleibende Wahrnehmung der resultierenden Verschwendungen. Deutlich zu Tage treten diese dann nach dem Abbau der Lagerbestände, wenn die Überbearbeitungsverschwendungen plötzlich wegfallen. Hierdurch kommt es vereinzelt zu Mangelerscheinungen, speziell bei den weiblichen Betriebsangehörigen.

Defekte/Fehler

Echte Defekte treten eher selten auf. Moderne Pränataldiagnostik kann oft zur vorbeugenden Fehlervermeidung eingesetzt werden, wobei komplette Produktionsabbrüche immer unter ethisch-moralischen Gesichtspunkten betrachtet werden müssen und in der ultimativen Verantwortung der/des einzelnen Betroffenen verbleiben sollten.

Fazit

Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Nein, das Leben ist nicht wirklich Lean, sollte es auch nicht sein und das ist auch gut so (obwohl dem Prozessoptimierer manchmal die letzten Haare zu Berge stehen ;-)

Frage: Wo haben Sie durch diese – völlig hypothetischen – Betrachtungen Parallelen zu Ihren betrieblichen Abläufen entdecken können? An welche Verschwendungen haben Sie und Ihre Mitarbeiter sich vielleicht schon gewöhnt? Welche Verschwendungen könnten Sie mit einfachen Maßnahmen abstellen?

Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.