KVP – eine Frage der Aktualität

Aktualität

Nachdem es im letzten Beitrag um das Thema Geschäftsmodell am oberen Ende der Komplexität oder Kompliziertheit ging, will ich in diesem Beitrag eher einem Thema widmen, dass (vermeintlich) am unteren Ende der Skala angesiedelt ist. Trotzdem ist es aktuell, weil es eben noch viel zu häufig anzutreffen ist.

Vor ein paar Wochen hatte ich an einem Samstag ein TWI-Einführungsseminar an einem Standort eines Automobilzulieferers gehalten. Teilnehmer waren der Produktionsleiter, Logistikleiter, Instandhaltungsleiter und diverse Teamleiter in der Produktion.

Aktuell waren viele Probleme und Herausforderungen, wie sie es auch schon vor 75 Jahren waren und letztlich zur Entwicklung des Training Within Industry führten.

Eine hohe Zahl ungelernter Arbeitskräfte

An dem betreffenden Standort herrscht praktisch Vollbeschäftigung (1,1 % Arbeitslosigkeit). Dementsprechend sind kaum noch Facharbeiter auf dem (lokalen) Arbeitsmarkt verfügbar und es wird auf fach- bzw. branchenfremde Personengruppen zurückgegriffen, die typischerweise keinen Hintergrund bzgl. industrieller Produktion besitzen. Hier kommt es dann leicht zu einem Teufelskreis aus Zeitmangel, fehlender Unterweisung der neuen Mitarbeiter, Frustration auf beiden Seiten und resultierender hoher Fluktuation aus unterschiedlichen Gründen auf beiden Seiten.

Fehlende Arbeitsstandards

Aus der fehlenden Unterweisungstiefe der Mitarbeiter resultiert dann ebenfalls sehr schnell ein Wildwuchs aus unterschiedlichen Vorgehensweisen an den einzelnen Arbeitsstationen. Dass diese Situation sich auf die Qualität der Arbeitsergebnisse auswirkt, liegt dann ziemlich deutlich auf der Hand. Aber auch die Termintreue bzw. Konstanz der Durchlaufzeiten bleibt dabei auf der Strecke. Obwohl theoretisch auch SMED-Konzepte gepflegt werden (Single Minute Exchange of Die), sind die Mitarbeiter teilweise aber auch hier überfordert, weil die notwendigen Unterweisungen ausbleiben und sich die entsprechenden Arbeitsanweisungen eher zur Schrank-Ware entwickelt haben, von der die Ablage oder sogar die Existenz den Betroffenen oft sogar unbekannt sind.

„Die einzigen Diebe, die in unserer Gesellschaft nicht bestraft werden, sind Zeitdiebe.“

– Napoleon Bonaparte

Überforderung von FK und MA

Die geschilderten Situationen führen dann in der Konsequenz zu einer Überforderung der Beteiligten bzw. Betroffenen auf beiden Seiten. Einerseits überforderte Mitarbeiter, die theoretisch und praktisch mögliche Rüstzeiten mangels Kenntnis und Routine nicht einhalten, dadurch unter Druck kommen, dem sie aber zumindest fachlich nicht gewachsen sind. Andererseits überforderte Führungskräfte (Teamleiter), denen unterhalb der Meisterebene die Fähigkeit zur Unterweisung fehlt und deshalb fehlende Fähigkeiten der Mitarbeiter selbst durch erhöhten Einsatz, bspw. bei Rüstvorgängen, ausgleichen (müssen). Auch dadurch kommt es zu einem Teufelskreis oder ergänzt den oben geschilderten.

Schwierige Arbeitsbeziehung

Dass die beschriebenen Situationen den Umgang miteinander nicht erleichtern, dürfte ziemlich klar auf der Hand liegen. Auch fehlende Führungskompetenzen (nie erworben, weil eben unterhalb der Meisterebene) tragen nicht zur Erleichterung und Entspannung bei. Dazu gehört eben auch, dass die betroffenen Führungskräfte gar keine Optionen bei ihren Handlungen haben, um aus den geschilderten Teufelskreisen auszubrechen und ihnen zu entkommen, sondern im Gegenteil immer tiefer darin verstrickt werden, was ultimativ wieder in der höheren Fluktuation endet.

Keine Verbesserungen bei den Arbeitsabläufen

Zentrale Ursache hier ist einerseits der Zeitmangel, um überhaupt etwas zu gestalten. Dazu kommt dann noch, das Verbesserungen in der Vergangenheit eher einzelnen (vermeintlich notwendigen) Spezialisten vorbehalten waren und deshalb nicht in der Fläche gepflegt und oft nur von der Geschäftsleitung angestoßen wurden, wenn Vorkommnisse entsprechend eskaliert worden waren und dann hoffentlich auf fruchtbaren Boden gefallen sind.

An diesen Situationen und deren unglücklicher Verkettung können dann auch die durchaus gepflegten Layered Process Audits nichts mehr retten, wenn die Führungskräfte zwar meist durch den eigenen Einsatz gerade noch den gelben Zustand erreichen, aber zeitlich und führungs-fachlich nicht in der Lage sind, die Probleme wirklich an den Wurzeln abzustellen.

Mit diesem kurzen Abriss konnte ich hoffentlich darstellen, warum die Module Arbeitsunterweisung (Job Instruction Training), Schaffung guter Arbeitsbeziehungen (Job Relations Training) und Verbesserungsmethoden (Job Methods Training) aus dem Training Within Industry trotz ihren Alters immer noch ein Mittel der Wahl darstellen können, die genannten Teufelskreise zu durchbrechen.

Frage: Welche Herausforderungen stehen Mitarbeiter und Führungskräfte in Ihrem Unternehmen gegenüber? Welche Teufelskreise? Wie werden diese Teufelskreise durchbrochen?

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