KVP – eine Frage der Umgebung

Umgebung

Zu diesem Artikel hat mich der Blog-Artikel „10 Merkmale hochperformanter Projektumgebungen“ von Oliver Buhr inspiriert. Beim Lesen kam mir der Gedanke, dass sich viele Aspekte direkt oder in abgewandelter Form auch auf die Umgebung im Kontinuierlichen Verbesserungsprozess abbilden lassen.

In dem Artikel werden die folgenden Merkmale genannt. Ich teile die Durchsprache der zehn Merkmale auf mehrere Artikel auf, um intensiv auf sie eingehen zu können. Als Kriterien habe ich dabei in soziale und fachliche Merkmale differenziert.

  • Menschen als höchstes Gut
  • Stabile Teams
  • Termintreue
  • Qualität ist heilig
  • Kurze Feedback-Schleifen
  • Änderungsbereitschaft
  • Hohe Eigenverantwortung
  • Enge Kundeneinbindung
  • Einfachheit
  • Anpassung
  • Hoher Standardisierungsgrad

Menschen als höchstes Gut

Dieses Merkmal drückt sich durch „Respect for People“ als wichtigem Lean-Prinzip aus. Seine Herkunft stammt dabei nicht direkt aus dem japanisch-asiatischen Kulturkreis (der eher kollektivistisch ausgerichtet ist), sondern aus dem Job Relations Programm des Training Within Industry (TWI) aus den 1940er-Jahren in den USA mit der Kernaussage „People must be treated as individuals“ – „Menschen müssen als Individuen behandelt werden“. Das betrifft nicht nur die Arbeitssituation, sondern auch den familiären und persönlichen Hintergrund, den Gesundheitszustand und anderes. Letztlich spiegelt diese Einstellung auch die Erkenntnis wider, dass Führungskräfte nur durch ihre Mitarbeiter Wirkung erzielen können und erst durch die Anwesenheit bzw. Existenz zu führender Menschen zur Führungskraft werden können (sonst sind sie nur Manager von nicht-menschlichen „Dingen“).

Stabile Teams

Im Projektmanagement hat dieses Merkmal mit Sicherheit höhere Bedeutung im Vergleich zu Prozessen und dem KVP, wo in der Regel und aufgrund des fehlenden Einmaligkeitsmerkmal von Projekten ein größerer Schwerpunkt darauf liegt, auch mit wechselnden (Team-)Besetzungen zurechtzukommen. Das stellt nun in meinem Augen keinen Widerspruch zum erstgenannten Merkmal und dem Bezug zu Menschen dar, sondern unterstreicht nochmals die Bedeutung des Umgangs mit Menschen und die Fähigkeit der Führungskräfte, sich individuell auf die beteiligten und betroffenen Menschen einzustellen, gerade weil hier nicht die Stabilität von (länger laufenden) Projekten zum Tragen kommt.

Kurze Feedback-Schleifen

Dieses Merkmal ist entscheidend für die Verwirklichung von (Daily) Kaizen und der damit verbundenen Autonomie bei der Umsetzung von Verbesserungen, die am besten vor Ort entstehen und dort auch umgesetzt werden. Relevante Stichworte sind dabei Gemba und Genchi Genbutsu (japanisch: „vor Ort“ bzw. „Geh hin und sieh“). Eines der extremsten Beispiele dafür ist mit Sicherheit Mirai Industries in Japan, wo keinerlei Schleifen nötig und vorhanden sind.

„Der Mensch ist nicht das Produkt seiner Umgebung. Vielmehr ist seine Umgebung ein Produkt des Menschen.“

– Benjamin Disraeli

Änderungsbereitschaft

Die Änderungsbereitschaft ist eine notwendiges Merkmal, damit der KVP überhaupt funktioniert, da jede Verbesserung erst durch Veränderung ermöglicht wird. Dabei ist es aber wichtig, dass Veränderungen immer von einer stabilen Basis aus starten, da es sonst nicht möglich ist, eine Aussage darüber zu treffen, ob wirklich eine Verbesserung stattgefunden hat (es könnte ja auch nur ein statistischer Effekt gewesen sein). Bei Veränderungen ist es auch notwendig, nicht nur die Auswirkungen auf die Kunden zu berücksichtigen, sondern auch auf vor- und nachgelagerte Abschnitte der Wertschöpfungskette. Das steht nun nicht mit kurzen Feedback-Schleifen im Widerspruch. Bei Veränderungen sind durchaus auch Fehler zulässig bzw. sogar notwendig, da sonst kein neues Wissen entstehen kann. Änderungsbereitschaft ist kein Merkmal, das im Zusammenhang mit Menschen von alleine entsteht, sondern immer aktiv gepflegt und honoriert werden muss. Diese Pflege von Veränderungsbereitschaft und Hinwendung zu den Menschen ist daher auch ein gelebter Ausdruck des ersten Merkmals.

Hohe Eigenverantwortung

Wie in Projekten ist auch in Prozessen und dem KVP die Eigenverantwortung der Beteiligten keine Eigenschaft, die immer automatisch von alleine entsteht bzw. vorgeben ist. Es ist auch Teil der Führungsverantwortung die Eigenverantwortung vorbildhaft selbst mitzubringen und bei den Mitarbeitern zu fördern und fordern. Zur Pflege der Eigenverantwortung gehört auch ein gesundes aber nicht übertriebenes Maß an Kontrolle. Die negativen Folgen übertriebener Kontrolle auf die Eigenverantwortung habe ich in einem früheren Artikel zur verteilten Kontrolle beschrieben.

Enge Kundeneinbindung

Dass sich Prozesse und so natürlich auch der KVP an den Kunden ausrichten sollte, steht hoffentlich außer Frage. Nach den externen Kunden sollten dabei auch die internen Kunden berücksichtigt werden. Speziell bei den externen Kunden ist es wichtig nicht nur eine anonyme Kundenmasse zu betrachten, sondern immer die einzelne Person. Das gilt dann auch für die entsprechende Kommunikation mit dieser Person. So mag es insgesamt betrachtet durchaus angebracht sein, in der Notaufnahme eines Krankenhauses die Triage einzusetzen. Ich halte es aber für völlig unsensibel, das einfach mittels ausgelegter Merkblättern am Schalter der Notaufnahme den Hilfesuchenden zu kommunizieren.

So weit die „menschlichen“ Merkmale guter Prozessumgebungen und des KVP. Es liegt in der Verantwortung der Führungskräfte und des Top-Managements Umgebungen mit diesen Merkmalen zu schaffen, zu fördern und sicherzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es kaum einen betrieblichen Bereich gibt, in dem der Mensch nicht der ultimativer Erfolgs- oder auch Misserfolgsfaktor wäre. Bei aller Technikgläubigkeit existiert so etwas wie technisches Versagen nicht, sondern kann mit notwendiger Ehrlichkeit gegenüber allen Beteiligten immer auf den Faktor Mensch zurückgeführt werden.

Frage: In welcher Umgebung wird der KVP in Ihrem Unternehmen gepflegt? Welche Merkmale haben Sie wiedererkannt? Wo sehen Sie noch Chancen für Verbesserung?

Sie können einen Kommentar hinterlassen, indem Sie hier klicken.

Jetzt eintragen und Artikel/Denkanstöße zukünftig per eMail erhalten.

Artikel teilen auf ...

Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.