Neulich am Flughafen – Verschwendungen durch ein Blatt Papier

Vor kurzem bin ich von Berlin nach Stuttgart geflogen. Aufgrund der unvermeidlichen Wartezeit am Abflugschalter hatte ich die Gelegenheit, die Vorbereitung zum Einsteigen zu beobachten. Begonnen hat es damit, dass eine Mitarbeiterin 15 min vor der angegebenen Einsteigezeit am Schalter eintraf. Als erstes machte sie einige Eingaben am Computerterminal. Die erste Merkwürdigkeit in meinem Augen war, dass sie sich während den Eingaben umfangreiche Notizen auf einem Blatt machte. Dieser Vorgang dauerte über 5 min. Während den Eingaben und Notizen führte sie zwei Telefonate, die einen erkennbaren Zusammenhang mit den Informationen auf dem Monitor hatten und gleichzeitig zu weiteren Eingaben führten. Zum Abschluss machte sie einen Ausdruck auf einem Drucker, betrachtete diesen kurz, …

zerriss ihn und warf ihn in den Mülleimer am Schalter.

Den Aspekt einer möglichen Datenschutzverletzung will ich hier mal außer acht lassen. Mit Sicherheit handelt es sich aber um mehrere Verschwendungen, z.B. die Folgenden:

  • Transport (von Daten aus einen Computer- System auf das System Papier, Übertragung von Informationen über das Telefon von und zum Computer)
  • Lager (des Papiers und des Druckers selbst)
  • Bewegung (zerreißen des Papiers und bücken unter den Schalter zum Papierkorb)
  • Warten (auf den Ausdruck)
  • Überbearbeitung (der Daten auf den Notizen und im System)
  • Überproduktion (des Ausdrucks)
  • Fehler (Telefonate wg. fehlenden Informationen im System oder auf dem Ausdruck

Nach einer kurzen Unterhaltung mit einer Kollegin, die jetzt eingetroffen war, begann das Boarding doch pünktlich. Allerdings waren die Türen des wartenden Busses noch geschlossen, was die Mitarbeiterin veranlasste, dem ersten Fluggast nachzulaufen, um ihn wahrscheinlich ins Terminal “zurückzubitten”. Dass die Bitte nicht wirklich auf Verständnis stieß, war der Reaktion und der Gestik im Gespräch und ihrem Gesichtsausdruck bei der Rückkehr anzumerken. Diese Situation würde ich nun als klassische Fehlersituation beschreiben, die auf dem Rücken des Kunden ausgetragen wurde.

In Summe besteht hier möglicherweise ein Einsparungspotenzial von 5 min des Vorbereitungsprozesses. Bei über 85.000 Starts im Jahr (inkl. Fracht) ist das eine nicht vernachlässigbare Größe.

Ein Aspekt, der mich mit den Augen des Geschäftsreisenden immer noch nervt, ist der notwendige Vorlauf beim Einsteigen. 30 min sind zwar deutlich besser als vor zehn oder zwanzig Jahren (vor dem Aufkommen der Billigfluglinien), aber immer noch nicht so problemlos und kurzfristig wie das im Zugverkehr oder beim eigenen Auto der Fall ist. Dazu kommt dann noch die Zeit für die Sicherheitsüberprüfung und den Weg zum Abflugschalter. Hier geht ein großer Teil des Zeitvorteils wieder verloren. Mir ist schon klar, dass tw. notwendige Aktivitäten im Prozess vorhanden sind. Ein weiterer Engpass in diesem Bereich ist auch der Transport der Fluggäste vom Abflugschalter zum Flugzeug, der heute typischerweise mit dem Bus bewältigt wird (oder mit einem Flugsteig). Im Sinne eines schlanken Prozesses hat diese Massenabfertigung nicht den Fluggast im Fokus, sondern die Fluggesellschaft und den Flughafenbetrieb. Im direkten Bereich des Flugverkehrs hat man dieses sogenannte Hub-and-Spoke-Prinzip tw. schon überwunden, obwohl man es seit Jahrzehnten so gewohnt war und es anfänglich als alternativlos betrachtet hat. Bis Fluglinien wie Southwest es zu ihrem Geschäftsmodell gemacht haben und damit erfolgreich sind.

Was will ich mit diesem Artikel ausdrücken?

Es geht mir nicht darum, mit dem Finger auf die Mitarbeiterin zu zeigen. Die meisten Probleme sind ihr vermutlich gar nicht bewusst, sondern sie ist einfach nur eine Gefangene des Systems. An viele Handlungen hat sie sich vermutlich gewöhnt und sie erkennt sie nicht als Verschwendung, auch weil dies nicht zu ihren Aufgaben gehört und sie noch nie in dieser Richtung geschult wurde.

Wie lassen sich nun solche alltäglichen Verschwendungen aufdecken? In produzierenden Unternehmen kann man da einen radikalen, aber sehr wirksamen Weg einsetzen. Die vielen kleinen Zwischenlager zwischen Produktionsschritten werden einfach abgeschafft. Dadurch werden Flaschenhälse unbarmherzig aufgedeckt. Klar knirscht es dann erstmal im Getriebe. Schmerz bewirkt aber schnelle Veränderung. Auf unser Beispiel übertragen könnte das heißen, Papier und Stift am Abfertigungsschalter zu verbieten. Dann würden diese Systembrüche und die Folgen ebenso schnell offensichtlich und die Probleme an der Wurzel behoben werden.

Es gab aber auch etwas zu loben: Vor dem Flug hatte ich eine automatische eMail erhalten, die mir verschiedene Check-in-Möglichkeiten anbot. Die Variante mit der iOS-Passbook-App funktionierte problemlos und ermöglichte eine komplett papierlose Abwicklung von Check-in und Boarding.

Frage: Welches Optimierungspotenzial vermuten Sie in Ihren Prozessen? Wo erkennen Sie in Ihrem Unternehmen Verschwendungen? Wie könnten Sie Ihre Mitarbeiter in die Erkennung und Vermeidung einbeziehen?

Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.