Schlanke Entscheidungsprozesse – In sieben Schritten zu besseren Ergebnissen

Über Entscheidungsprozesse habe ich vor kurzem schon einen Artikel geschrieben. Im vorliegenden Artikel geht es um die Auswahl unter mehreren Möglichkeiten und wie selbst die ausgeschiedenen Möglichkeiten den Gewinner noch verbessern können. Das erste Mal kennen gelernt habe ich diesen Auswahlprozess während meiner Six Sigma Ausbildung unter dem Begriff Pugh Concept Selection (Konzeptauswahl nach dem schottischen Professor Stuart Pugh – gesprochen Pjuh, zumindest in schwedischem Englisch ;-)

So weit wäre das also erstmal nichts Neues und auch keinen Artikel wert. Warum das jetzt aber ein schlanker Entscheidungsprozess? Dazu lohnt sich immer ein Blick auf die sieben Verschwendungsarten (der eigentliche Prozess wird danach beschrieben):

Transport: Wirklich transportiert wird hier nichts außer der Tatsache, dass der Prozess in einem Workshop durchgeführt wird und nicht umständlich lange Vorschläge und Berichte erstellt und verschickt werden.

Inventar/Lager: Dadurch, dass alles in einem Workshop bearbeitet wird, sind auch keine größeren Ablageaktivitäten notwendig.

Bewegung: Alle Beteiligten sind in einem Raum. Wenn die Teilnehmer aus räumlich stark getrennten Standorten kommen, kann der Workshop mit moderner Technik auch in einer Videokonferenz durchgeführt werden. Dazu ist es dann notwendig, dass die Beteiligten ständige Einsicht haben in das Arbeitsblatt und dessen Entwicklung im Verlauf des Prozesses (s.u.).

Warten/Suchen: Auch hier sprechen die Vorteile eines gemeinsamen Treffens für sich (auch bei den virtuellen). Es muss nicht auf die Beantwortung der versendeten Vorschläge gewartet werden und es entsteht keine Verzögerung durch eMail-Ping-Pongs im Abstimmungs- und Verbesserungsprozess.

Überbearbeitung: Alle Vorschläge werden einmalig und fokussiert betrachtet, nichts wird mehrfach in die Hand genommen.

Überproduktion: Hier könnte ein Einwand sein, dass mehrere Vorschläge produziert werden, von denen dann nur einer umgesetzt wird. Diesen vermeintlichen Nachteil umgeht der Prozess dadurch, dass die positiven Aspekte der “Verlierer” im Gewinner aufgehen und dieser noch weiter verbessert wird.

Fehler/Defekte: treten hier nicht auf, da – wie schon gesagt – auch die nicht umgesetzten Vorschläge (vermeintliche Fehler) bzw. deren vorteilhafte Anteile in den Gewinnervorschlag integriert werden. Dies integriert nicht nur die Verlierervorschläge, sondern auch die Menschen, die diese Vorschläge entwickelt haben in den Gesamtprozess und das Endergebnis.

Wie sieht nun der Auswahlprozess im Detail aus? Er besteht aus den folgenden sieben Schritten.

  1. Festlegung der Bewertungskriterien für die Vorschläge
  2. Gewichtung der Kriterien nach der Relevanz für die Lösung bzw. das Problem
  3. Bewertung des Ist-Zustands oder einer fiktiven Lösung anhand der Kriterien (späterer Vergleichsmaßstab)
  4. Sammeln der (Alternativ-)Konzepte
  5. Bewertung der Konzepte im Vergleich zum Vergleichsvorschlag
  6. Integration des “schlechtesten” Vorschlags in die verbleibenden Vorschläge bzw. den Gewinner
  7. Wiederholung von Schritt 5 und 6, bis nur noch ein Vorschlag übrigbleibt.

Bei Schritt 1-3 ist es sehr wichtig, dass sie vor Schritt 4 und bereits hier möglichst unter Einbeziehung aller Beteiligten erfolgen (dazu gehört auch ein Kundenvertreter, selbst wenn sich die Kunden im Unternehmen befinden). Damit wird vermieden, dass die Festlegung der Kriterien und des Ist- Zustands schon von möglichen Lösungen einzelner Personen beeinflusst wird. Bei Schritt 5-7 gibt es theoretisch noch die Variante sofort auf den Gewinner zu zielen. Die schrittweise Integration der Verlierer hat aber m.E. den Vorteil, dass die einzelnen Aspekte mehr Beachtung finden und das Endergebnis deshalb besser ist.

Typischerweise läuft der gesamte Prozess längs einer Tabelle.

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Neben der strukturierten Vorgehensweise hat der Prozess noch den Vorteil, dass er eine hohe Zahl der Beteiligten (alle) und sogar Betroffenen einbezieht (Lean-Prinzip “respect for people”) und durch die gemeinsame Vorgehensweise ein hohes Maß von Verständnis für die Sache und untereinander schafft. Wie schon erwähnt, bleiben idealerweise keine Verlierer zurück, sondern alle sind Gewinner, weil ihre Ideen in das Endergebnis einbezogen werden und dieses weiter verbessert haben. Ein weiterer Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass lange Zeit mehrere Vorschläge im Rennen sind und dadurch die Freiheitsgrade erst zum Schluss eingeschränkt werden.

Frage: Wo standen Sie schon vor dem Dilemma aus einer Vielzahl von Vorschlägen einen auszuwählen? Wie haben Sie dafür gesorgt, dass auch die Verlierer mit im Boot waren? Wann haben Sie nach einer vielleicht suboptimalen Entscheidung die Aussage “hab' ich doch gleich gesagt” gehört?

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