Warum Zweifeln und Aufgeben wertvoll sein kann

Zweifel

Was hinter zweifeln steckt, liegt vermutlich ziemlich auf der Hand, während mit aufgeben eher eine Vielzahl von Möglichkeiten verbunden ist.

Trotzdem beziehe ich mich beim Zweifel nicht auf die Aspekte, die ich in einem früheren Artikel beschrieben habe [1]. Beim Punkt des Aufgebens besteht in diesem Artikel auch eine große Nähe zum Zweifel.

Zu dem Thema des Artikels hat mich ein Buch von Adam Grant inspiriert, in dem er viel über Wissen und Lernen erzählt [2]. Darin geht es auch um mögliche Hürden, die dem Lernen entgegenstehen. Dazu gehört u.a. auch ein Übermaß an Selbstsicherheit und vermeintlichem Wissen über eine Sache bzw. wie etwas funktioniert.

Im Kontrast dazu steht dann eben der Zweifel am Wissen über eine Sache oder eine Situation und eben auch die Bereitschaft die eigene Meinung [3], das eigene Wissen oder auch vorgedachte Lösungen für Probleme (speziell, wenn sie noch gar nicht durchdrungen sind) in Frage zu stellen und ultimativ auch aufzugeben.

Natürlich sind Wissen und Erfahrung nicht zu unterschätzende Erfolgsfaktoren, speziell auch im weiten Feld von Lean, Kaizen & Co. Gleichzeitig besteht dabei dann auch immer die Gefahr, dass mögliche und notwendige Weiterentwicklungen und bessere Lösungen ausbleiben, wenn man sich immer nur auf bestehendes Wissen und vorhandene Erfahrungen stützt.

Dieses vorhandene Wissen und die vorhandene Erfahrung bezieht sich sowohl auf die eigene Person und die Organisation bzw. das System in dem man agiert und interagiert, als auch auf fremdes Wissen und fremde Erfahrung, die von außen einwirkt. Speziell bei den äußeren Elementen besteht immer auch die Gefahr, dass die Ausgangssituation der anderen Person oder der anderen Organisation, die man auf die eigene Person und/oder Organisation übertragen will, nur oberflächlich zur eigenen Situation passt.

Dann passiert es leicht, dass sich nicht die gewünschte Wirkung einstellt. Dieser Effekt hat dann nicht selten zur Folge, dass die Sache an sich verworfen wird. Auf die ein oder andere Art wird das vermutlich jedem, der sich mit Lean & Co. beschäftigt, passiert sein. Oft werden diese Effekte dann nicht selten von Aussagen begleitet wie „siehste, hab' ich Dir doch gleich gesagt“. Oder man bekommt später zu hören „haben wir schon probiert, hat aber nicht funktioniert“, die klassisch verbrannte Erde halt.

„Aufgeben heißt nicht nachgeben und auch nicht versagen. Es heißt, nicht länger Recht haben wollen.“

– unbekannt

Unter Umständen kann es in solchen Situationen eben wertvoller sein, den (eigenen) Ultimativitätsanspruch selbst etwas zurückzuschrauben (auch wenn das wiederum auch keine ultimative Regel ist) und die Beteiligten selbst eigene Erfahrungen machen zu lassen oder eigene Erfahrungen zu erweitern, indem nicht einfach einem Schema F gefolgt wird, ohne die Abbildbarkeit zu hinterfragen und ggf. Anpassungen anzustreben.

Im Lean-Kontext gehört dazu eine übersteigerte Methoden- und Werkzeuggläubigkeit, ohne den tieferen Sinn verstanden zu haben und die „fremde“ Ausgangssituation in der Relation auf die eigene Situation durchdrungen zu haben.

In diese Kategorie können dann durchaus auch eigene Erfahrungen und erworbenes Wissen aus anderen Situationen gehören. Besonders anfällig für diese Falle können speziell auch eigene Erfolge dabei sein, weil es typischerweise viel schwieriger ist aus eigenen Erfolgen zu lernen als aus eigenen Fehlern oder Irrtümern [4].

Eine der zentralen Botschaften von Adam Grant in seinem Buch ist der Punkt des laufenden Hinterfragens von Annahmen, die man aus zurückliegenden Erfahrungen ableitet, egal ob es immer die eigenen oder auch fremde Erfahrungen sind.

Erworbenes Wissen kann auch nur dadurch ausgebaut und erweitert werden, wenn man laufend bereit ist, dieses auf die Probe zu stellen, also anzuzweifeln und ggf. auch aufzugeben.

Im nächsten Artikel wird es um einen weiteren Impuls aus dem Buch von Adam Grant gehen, der auf ein Erlebnis von ihm mit Daniel Kahnemann zurückgeht.

[1] KVP – eine Frage des Zweifels
[2] Adam Grant: Think Again – Die Kraft des flexiblen Denkens: Was wir gewinnen, wenn wir unsere Pläne umschmeißen
[3] Meinungen und Gefühle (im Lean-Kontext) — Teil 2
[4] Der Fluch des Erfolgs

Frage: Wann haben Sie Zweifel schon mal auf einen besseren Weg geführt? Wie hat die Aufgabe einer vorgefassten Lösung zu etwas besserem geführt? Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus dieser Erfahrung?

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