Automatisierung oder Optimierung?

Automatisierung

Wenn diese Frage so in den Raum gestellt wird, entsteht fast unweigerlich ein Entweder-Oder-Reflex.

Ob auch die bloße Reihenfolge der Erwähnung von Automatisierung bzw. Optimierung einen weiteren Einfluss auf den gedanklichen Umgang mit der Frage hat, sei dahingestellt. Tendenziell wird bei einer Aufzählung dem erstgenannten Begriff eine höhere Bedeutung zugeschrieben.

An dieser Stelle geht es mir noch gar nicht um den inhaltlichen Umgang mit der Fragestellung (kommt später noch), sondern erstmal um die Aufmerksamkeit welche Konsequenzen die formale Nutzung der Sprache haben kann. Da Sprache ein sequenzielles Konstrukt ist, muss man aber um die potenzielle Bedeutungsgebung der Reihenfolge Gedanken machen und das auch gezielt einsetzen.

Entscheidend hierbei ist wiederum die Wirkung auf den Empfänger und dessen – ggf. unbewusste – Reaktion, nicht die Intension des Senders (über die sich der Empfänger eher selten und dann erst in zweiter Linie Gedanken machen wird).

Jetzt wieder zurück zum Anfang, zum Verbindungswort oder. Was wären mögliche Alternativen und deren Konsequenzen?

Ein Möglichkeit wäre und statt oder: Automatisierung und Optimierung.

Damit entfällt schonmal die möglicherweise erzwungene – oder eben beim Empfänger selbst (unbewusst) auferlegte – Alternative zwischen Automatisierung und Optimierung.

Gleichzeitig steigert sich aber der schon erwähnte Effekt der Reihenfolge. Automatisierung und Optimierung ist dann erstmal nicht dasselbe und nicht mal das Gleiche wie Optimierung und Automatisierung.

Das gilt dann auch für weitere alternative Verbindungswörter, bei denen die Reihenfolge dann definitiv eine Bedeutung bekommt und auch das Verbindungswort selbst eine teilweise starke Bedeutung trägt.

  • Optimierung vor (der) Automatisierung
  • Optimierung durch Automatisierung
  • Optimierung mittels Automatisierung
  • Optimierung ohne Automatisierung
  • Automatisierung nach (der) Optimierung
„Automation angewandt auf einen ineffizienten Betrieb wird die Ineffizienz vergrößern.“

– Bill Gates

Ist Ihnen bei der Aufzählung etwas aufgefallen?

Richtig. Ich habe nirgends der Automatisierung eine höhere Bedeutung gegeben als der Optimierung. Im Lean Kontext sicherlich eine Selbstverständlichkeit. Trotzdem erlebe ich immer wieder Fälle, in denen das anders ist.

Da wird ein wertschöpfender Arbeitsschritt automatisiert, die nicht wertschöpfende Vorgänge außenrum aber übersehen oder ignoriert. Auf die Durchlaufzeit üben die aber oft den deutlich größeren Einfluss aus.

Da wird ein Arbeitsschritt automatisiert, aber die Betrachtung der logistischen Aspekte vor und nach dem Arbeitsschritt bleiben außen vor. Das gilt dann nicht nur für die physische Logistik (Rohmaterial & Vorprodukte, Endprodukte), sondern auch für informationelle Bestandteile. Dabei geht es dann nicht nur um die Herkunft von Daten (aus einem ERP-System), sondern auch um die Schnittstelle zu dem Automat. Außerdem entstehen vielleicht neue Daten (Chargen-Kontrolle, Nachverfolgbarkeit, Prozessdaten, …), die wieder aufgenommen und abgespeichert werden müssen.

Da wird durch den Automat ein Produktionstakt aufgeprägt, der mit dem Kundentakt nichts zu tun hat und sich auch nicht so einfach anpassen lässt.

Da entstehen aufwändige Rüstvorgänge, die Auswirkungen auf Losgrößen mit allen Folgekonsequenzen haben und oft die ursprüngliche Reduktion der Durchlaufzeit wieder zunichtemachen.

Da entstehen Wartezeiten der involvierten Menschen.

Da entsteht Überproduktion (mit allen Konsequenzen), weil der sich der teure Automat ja schließlich rechnen soll und das an der produzierten Menge gemessen wird.

Da werden Kundenbedürfnisse und die Auswirkungen auf Produkte und Varianten nicht erkannt und entsprechend nicht berücksichtigt.

Da werden Produktvarianten übersehen, die gar nicht automatisiert werden können (weil der Automat dafür nicht gebaut wurde).

Da werden Wechselwirkungen mit zukünftigen Veränderungen des Geschäftsmodells übersehen (das vom Markt her beeinflusst wird).

Da wird im Ergebnis Geld in den Sand gesetzt und Zeit verbraten, wobei mindestens letztere unwiederbringlich verloren ist.

Frage: Was haben Sie im Kontext Automatisierung schon erlebt? Wo stand die Lösung statt des Problems im Vordergrund? Welche Konsequenzen haben sich daraus ergeben?

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