Weniger ist mehr, nicht nur bei der Losgröße

Losgröße

Dass geringere Losgrößen ein anzustrebendes Ziel sind, um die Durchlaufzeit zu reduzieren, sollte im Kontext von Lean Manufacturing bekannt sein. Auf den Entwicklungsprojekte und -prozesse übertragen, entspricht das der Limitierung des Work-in-Progress, wie es auch bei agilen Prinzipien zum Ausdruck kommt.

Letztlich werden erst dadurch Konzepte wie Continous Integration möglich (die kontinuierliche Verfügbarkeit einer lauffähigen Software). Begleitet wird das durch die Daily Scrums, die dann den Fortschritt auf dem Weg des Sprints sichtbar machen und schnelle Reaktionen bei Abweichungen erlauben.

Der Reduktionseffekt auf das absolute Minimum ist auch ein zentrales Element innerhalb der Coaching-Kata, wenn es bei der dritten Frage um die Hindernisse geht und dabei das eine Hindernis im Fokus steht, um das sich der Coachee aktuell kümmert.

Ohne diese Beschränkung wäre es kaum möglich, Ursache-Wirkungs-Beziehung nachvollziehbar zu gestalten, zu prüfen und daraus – im positiven wie negativen – Schlussfolgerungen zu ziehen und Lernerfahrungen zu ermöglichen.

Wenn also diese Beschränkungen und Reduktionen sinnvoll sind und in Jahrzehnten ihre Wirksamkeit bewiesen haben, frage ich mich, warum im Kontext von übergreifenden Strategien, deren Umsetzung und angestrebten Transformationen immer wieder genau gegensätzliche Ansätze verfolgt werden.

Im Grunde wäre das gleichbedeutend mit dem Ansatz, das gesamte Product Backlog über dem Team auszuschütten. Wenn es dann zur offensichtlichen Überlastung kommt (Muri), vergrößert man halt das Team oder lagert einen Teil der Problemlösung (oder die Umsetzung vorgedachter Lösungen) aus.

„Die wirkliche Freiheit besteht in der Vereinigung mit der Notwendigkeit […]. Die Aufgabe besteht darin, die richtige Notwendigkeit zu wählen.“

– Friedrich Wilhelm Joseph Schelling

Aus der Erkenntnis, dass viel nicht immer gleichbedeutend mit besser ist, ergibt sich dann die Notwendigkeit zur Beschränkung. Daraus folgt dann ebenso die Notwendigkeit zur Priorisierung, woraus sich konsequenterweise die Frage nach den Auswahlkriterien ergibt.

Obwohl da jetzt zweimal der Begriff Notwendigkeit auftaucht, erlebe ich es immer wieder, dass bei den Auswahlkriterien die Möglichkeit im Vordergrund steht. Außerdem werden die Kriterien oft auch erst festgelegt, wenn vermeintlich schon ein Teil des Lösungsweges identifiziert wurde.

Dann entstehen ganz leicht „Nebenkriegsschauplätze“, auf denen jetzt die Auswahlkriterien nicht mehr neutral betrachtet werden, sondern immer aus dem Blickwinkel der angedachten Lösungen.

Der bessere Weg zur Auswahl ist die Betrachtung aus der Sicht der Probleme (sofern diese schon wirklich durchdrungen sind) und der anzustrebenden Ziel-Zustände.

Dann steht auch nicht mehr die Frage im Vordergrund „Was können wir machen?“, sondern der Fokus liegt auf der Frage „Was müssen wir machen?“.

Dass der Weg dorthin unbekannt ist, liegt ebenfalls in der Natur begründet. Sonst müsste man sich auch eher fragen (lassen), warum man diesen Zustand noch nicht erreicht hat (die Frage nach dem warum hier dann durchaus mal vorwurfsvoll formuliert).

Der unbekannte Weg ist auch ein zwingendes Merkmal der Verbesserungs-Kata.

Ist das unbequem?

Ja, und zwar bewusst und gewollt!

An dieser Stelle will ich auch nochmal betonen, dass das einer der (seltenen) Fälle ist, bei denen ich das Ergebnis (also das angestrebte Ziel) für wichtiger erachtet als den Prozess (den Weg zum Ziel). Wenn man den Weg noch nicht kennt, taugt er auch nicht als Auswahlkriterium. Wenn man die ganze Sache auf eine Meta-Ebene hebt, wird der Prozess/Weg aber auch wieder wichtiger.

Ein ziemlich untrügliches Indiz für einen Meta-Holzweg ist dabei auch, wenn die Möglichkeiten bspw. anhand des (scheinbar bekannten) Aufwands bewertet werden und daraus abgeleitet, budget-orientierte Entscheidungen getroffen werden.

Die Orientierung an den Notwendigkeiten – am besten aus der Sicht der Kunden – ist natürlich keine Garantie dafür, dass man nicht auch danebenliegen kann. Das ist aber in der Natur der Sache begründet und fällt in meinen Augen in die Kategorie des unternehmerischen Risikos, dem man sich grundsätzlich immer stellen muss.

Frage: Welche Beziehung zwischen Möglichkeiten und Notwendigkeiten nehmen Sie in Ihrem Verantwortungsbereich wahr? Welche Entscheidungen ergeben sich daraus? Was sind die Folgen daraus?

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