Die R-Prinzipien außerhalb der Supply-Chain

Front-Loading

Im Logistik- bzw. Supply-Chain-Kontext sind die sechs bzw. sieben R=Richtigen [1] ein bewährtes Konzept, um die Logistikprozesse an den relevanten Zielen auszurichten.

Im Kontext der Produktentwicklung – also außerhalb der Supply-Chain – haben Jeff Liker und Jim Morgan in ihrem Buch „The Toyota Product Development System“ die drei „R“ der Produktentwicklung definiert: Right Person, Right Work, Right Time.

Mit diesen drei Richtigen konzentrieren sie sich dabei innerhalb der Produktentwicklung in ihrem zweiten LPDS-Prinzip auf das sogenannte Front-Loading.

Damit werden zu Beginn oder im Grunde schon fast vor dem eigentlichen Beginn eines Entwicklungsprojekts entscheidende Weichenstellungen vollzogen.

Deshalb ist es auch entscheidend, dass unter allen Beteiligten in dieser frühen Phase Klarheit über die richtigen=wichtigen Aktivitäten (Right Work) und den Einfluss auf den späteren Erfolg des Projektergebnisses entsteht und dann herrscht.

Dies erfordert wiederum, dass diese frühen Aktivitäten auch von den fähigsten Mitarbeitern (Right Person) ausführen zu lassen. Ich finde es bemerkenswert, dass Liker und Morgan hier den Begriff Person statt People (wie in den 14 Lean-Prinzipien) verwenden. Das deutet in meinen Augen auch darauf hin, dass es sich um die ganz gezielte Auswahl dieser Personen dreht und nicht darum Masse mit Klasse zu verwechseln.

Bezüglich des richtigen Zeitpunkts (Right Time) in der Kombination mit den richtigen Personen betonen sie auch, dass es im Kontrast dazu um die Verschwendung wertvoller Ressourcen, deren Potenzial und Moral handelt, wenn man sich diese Investition zu diesem frühen Zeitpunkt vermeintlich spart, um sie dann eben in einer späten Phase durch zu erbringen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist und diese Fachleute dann verheizt werden, um das sinkende Schiff doch noch zu retten.

„Jeder kann wütend werden, das ist einfach. Aber wütend auf den Richtigen zu sein, im richtigen Maß, zur richtigen Zeit, zum richtigen Zweck und auf die richtige Art, das ist schwer.“

– Aristoteles

Über die genannten Punkte hinaus unterstreichen die Autoren auch die Wichtigkeit, sich ausreichend Zeit für die frühen Phasen der Produktentwicklung zu nehmen, weil die falsch verstandene, vermeintliche Sparsamkeit zu Beginn später zu erhöhtem Aufwand führt, um verfrühte Fehlentscheidungen zu korrigieren, die zusätzlich auch noch Zeitverzögerung verursachen und den Markteintritt verzögern.

Gleichzeitig ist es aber auch notwendig, die technischen und kommerziellen Gespräche mit Entwicklungspartnern, Zulieferern und Lieferanten erst dann zu führen (Right Time), wenn die Entwicklungs(zwischen)ergebnisse die erforderliche Reife haben, um auf beiden Seiten unnötigen Druck und wirtschaftliche Fehlentscheidungen zu vermeiden.

Ähnlich wie in der Supply-Chain lassen sich aus diesen R-Prinzipien eine Vielzahl von Einflussfaktoren ableiten, die auch weit außerhalb dem Kernthema Erfolgsfaktoren darstellen, deren Relevanz nur indirekt zum Ausdruck kommt und deshalb viel zu oft untergehen und bei lokalen Optimierungen nicht ausreichend berücksichtigt werden können.

Diese Effekte treten besonders auch bei unternehmensübergreifenden Produktentstehungsprozessen mit deren verteilten und verzahnten Wertschöpfungsketten auf, wie sie Merkmale vieler technisch komplexer Produkte sind und deren Gesamtkosten beeinflussen.

Im Unterschied zu Logistikprozessen haben Produktentwicklungsprozesse jedoch nicht den hohen Wiederholcharakter, müssen daher jedoch umso stärker in der Veränderung zur Verbesserung transformativ betrachtet werden, weil in der Natur der Sache bedingt, inkrementelle Verbesserungen den längeren Zyklen unterliegen.

[1] https://welt-der-bwl.de/Logistik

Frage: Welche R-Prinzipien sind Ihnen außerhalb der Supply-Chain begegnet? Welche Wechselwirkungen leiten sich daraus ab? Wie gehen Sie mit „Ihren“ R-Prinzipien um?

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