Kaizen 2 go 091 : Die zwei Seiten der IT-Medaille


 

Inhalt der Episode

  • Die zwei Seiten der Medaille – Die IT und der Rest
  • Welche Selbstverständnis haben die zwei Seiten
  • Wie können die IT und deren Prozesse gestalten werden, damit beide Seite zufrieden sind
  • Was kann die IT tun, um ihre Akzeptanz im Unternehmen zu steigern?
  • Welche Beitrag können die IT-Nutzer leisten, um die Zusammenarbeit mit der IT zu verbessern?
  • Die Agilitätslüge
  • IT muss unbequem sein
  • OBASHI

Notizen zur Episode


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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 91 – Die zwei Seiten der IT-Medaille

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Heute habe ich Robert Sieber bei mir im Podcast Gespräch. Robert Sieber ist IT-Leiter einer mittelständischen Unternehmensgruppe. Hallo Robert.

Robert Sieber: Götz, ich grüße dich, schön bei dir zu sein.

Götz Müller: Prima, dass das jetzt geklappt hat. Ich habe schon ein Stichwort zu dir gesagt, wir unterhalten uns ja heute um die – so habe ich die Überschrift genannt – zwei Seiten der IT-Medaille. Sag noch ein, zwei, drei Stichworte zu Dir als Person.

Robert Sieber: Ja, das Wichtigste hast du ja schon erwähnt. Ich bin IT-Leiter in einem kleinen mittelständischen Konzern mit 23 Unternehmen. Da das noch nicht genug ist und ich ein klein wenig schizophren an der Stelle bin, arbeite ich die Hälfte des Monats als Berater und kann so immer wunderbar wechselseitig das umsetzen, was ich auf den einzelnen Seiten lerne.

Götz Müller: Ja, Seiten war, finde ich, schon ein gutes Stichwort.

Das ist auch schon die erste Frage, nämlich wenn man über IT-Prozesse in Unternehmen sprechen, dann kommen eben diese zwei Seiten irgendwo so zum Tragen. Also sprich auf der einen Seite die IT und ich nenne es einfach den Rest.

Was würdest Du sagen, warum existiert diese Aufteilung überhaupt und was ergibt sich dann an Folgen daraus.

Robert Sieber: Da mag ich ein kleines Stück zurückgehen. Weil ich habe eine Theorie und die hängt mit der Historie zusammen. Eigentlich kommt die IT ja aus einem Bereich, den wir als Arbeitsvorbereitung kennen oder kannten oder unter dem Begriff Betriebsorganisation. Wo es jemanden gab, der war für IT verantwortlich, für die Prozesse verantwortlich, für die Arbeitsabläufe verantwortlich und es entwickelte sich alles Hand in Hand.

Irgendwann – ich kann weder verorten wann oder warum – hat sich die IT aus dieser Organisation herausgespalten und hat ein Eigenleben entwickelt. Sie hat angefangen mit viel mehr Technik, klar irgendwann ging dann auch viel viel mehr. Erst hatten wir die Mainframes, dann hatten wir die Client-Server-Bewegung, dann hat mal wieder Zentralisierung, dann hat mal wieder die Dezentralisierung, dann kam Virtualisierung.
Keine Frage, jede Menge ging und die IT hat sich konzentriert auf den meist technischen Teil des Ganzen.

Dann kam irgendwann aus Großbritannien die große ITIL-Welle. Weil, das muss ja jetzt organisiert werden, das ist ja jetzt so ein großer Haufen, da brauchen bei interne Prozesse. Und da ging es wieder in die Nabelschau, wieder reinzugucken. Ja, wir als IT, was brauchen wir? Wir brauchen einen Single Point of Contact, also einen Service-Desk, wo alle anrufen oder auf einer anderen Seite könnte man auch sagen, eine Firewall. Die IT vom Rest des Unternehmens abzuschirmen.

Und das ist etwas, das erlebt man glaube ich, in ganz ganz vielen Unternehmen, dass es irgendwo einen gefühlten Graben dazwischen gibt, was die IT möchte, will und kann und auf der anderen Seite, was eigentlich das Geschäft will. Und auf Geschäftsseite merkt man das einmal an der Stelle, dass man sagt ewarum gebe ich so viel Geld für die IT aus und auf der anderen Seite, wenn man Anforderungen hat, es häufig – nicht immer, nicht überall, häufig erstmal heißt, nee, geht nicht, haben wir nicht, ohne Security, was auch immer irgendwelche Ausreden, warum es nicht geht.

Götz Müller: Ja, das erinnert mich jetzt an meinen ersten Arbeitsplatz 1991 und die Abteilung in die ich da rein kam. Da wurde in einer Entwicklungsabteilung, in der wurde im Grunde das, was man heute als IT oder Entwicklungsumgebung nennt, wurde auch selbst betrieben von der Abteilung. Und wenn man irgendein Problem hatte dann ging man zu dem Kollegen an den Schreibtisch und hat gesagt, hier das und das tut nicht, guck mal.

Robert Sieber: Das ist ja jetzt auch wieder en vogue. das nennt sich dann Dev-Ops.

Götz Müller: Ich sehe zwischen den zwei Seiten auch sowas wie ein Selbstverständnis, also wie sieht sich die IT vor allen Dingen und da Du jetzt ja zur Hälfte Deines Lebens, glaube ich, in die Ecke gehörst, was für ein Verständnis lebt die IT aus deiner Sicht.

Robert Sieber: Da mag ich unterscheiden. Da mag ich unterscheiden in das, wie ich es lebe und wie ich es häufig sehe. Was ich häufig sehe, ist dieses Selbstverständnis, wir sind IT, wir machen hier die Regeln – Stichwort Governance – und wir haben unsere Prozesse und nach diesen Prozessen muss das Unternehmen mit uns zusammenarbeiten und vor allem man kümmert sich häufig rein um die IT-Belange. Man kümmert sich schon um die Applikationen und dass die Menschen damit ordentlich arbeiten können und man bearbeitet die Störung und alles, was dazu gehört. Keine Frage, das läuft häufig.

Worum man sich aber nicht kümmert, das sind die Geschäftsprozesse und das Geschäftsmodell an sich. Mein Verständnis von IT ist, dass ich IT von den Geschäftsprozessen aus denke, also dass ich in die Geschäftsprozesse reingehe, mir anschaue, wie läuft der Geschäftsprozess, an welcher Stelle gibt es Probleme, Medienbrü,che Verbesserungspotential und anschaue, ist IT eine Lösung oder gibt es auch andere Lösung. Weil nicht für jedes Problem ist IT eine Lösung.

Ich mag das mal an einem Beispiel festmachen. Als ich in dem Konze,rn indem ich jetzt tätig bin, angefangen habe so in den ersten zwei drei Wochen kam aus einem Unternehmen das Controlling auf mich zu und sagte, Herr Sieber, wir brauchen eine neue Controlling Software. Sag' ich, cool, können wir machen. Ich bin neu, ich würde gerne mal kennenlernen, wie ihr arbeitet. Hab' mir die Leute dann zwei Stunden genommen und habe mir von den zeigen lassen, wie sie arbeiten, was sie tun, hab' nebenbei den Prozess mitdokumentiert und wir sind ganz schnell nach diesen zwei Stunden an eine Stelle gekommen, da haben wir gesagt, nee nee, Eine Software, die die Zahlen auswertet und schön darstellt, die ist nicht unser Problem. Unser Problem ist wie die Ausgangsdaten in die Systemwelt kommen. Weil dort gab es an etlichen Stellen Brüche zwischen Excel und dem ERP-System. Also sind wir das richtige Probleme angegangen und haben danach erst dafür gesorgt, dass die Zahlen schnell und schön dargestellt werden.

Götz Müller: Die zwei großen Konkurrenten: ERP vs. Excel.

Robert Sieber: Wer Excel beherrscht, beherrscht die Welt.

Götz Müller: OK, jetzt möchte ich das noch etwas vertiefen. Wir haben die zwei Seiten, das können wir nicht wegdiskutieren. Was können beide Seiten, aber speziell natürlich eben auch die IT dazu beitragen, dass sich die Prozesse im Unternehmen so gestalten, dass eben unterm Strich dann beide Seiten zufrieden sind.

Robert Sieber: Unternehmen sind heute in der glücklichen Lage, dass sie sich die Frage stellen dürfen, muss ich das denn alles selber produzieren an II. Sie können sich jede Menge Dienstleister raussuchen, sie können sich Cloud-Services raussuchen und können dann tatsächlich schauen, welcher Teil dessen, was intern an IT gemacht wird, ist wertschöpfend oder wertunterstützend. Wertschöpfend ist wahrscheinlich ein bisschen schwierig, außer man ist tatsächlich ein voll digitales Unternehmen, mit einem voll digitalen Geschäftsmodell. Ähnlich wie diese ganzen Plattformökonomie wie Airbnb, HRS und wie sie alle heißen. Also das ist das, wo man anfangen könnte, sich diese Frage zu stellen. Von IT-Seite her ist es aus meiner Sicht ganz wichtig immer wieder die Frage zu stellen, wie arbeiten denn ihr, was macht ihr denn, ja was ist denn euer Geschäft. Also nicht den Nutzer IT beizubringen, sondern Business zu lernen. Das ist aus meiner Sicht ein ganz ganz wichtiger Punkt und darüber dann Fähigkeiten aufzubauen, die in Richtung Business Analyse gehen, die in Richtung Prozessmanagement gehen und wenn wir uns da von beiden Seiten auf der Reise befinden, dann darf der Unternehmenslenker, glaube ich, die Frage stellen ja, warum gibt es unterschiedliche Zuständigkeiten für die Unternehmensprozesse, für Digitalisierung, für IT, für Qualitätsmanagement, für Risikomanagement. Weil am Ende – in Klammern pragmatisch betrachtet – sind das alles dieselben Strukturen, alles die selben Informationen und damit aus meiner Sicht etwas, wenn ich ein Unternehmen führen würde, würde ich das alles in eine Verantwortung geben.

Götz Müller: Und eben noch einen Schritt weiter – du hast es schon angedeutet, dass die IT sich fragt, was brauchen meine Benutzer? Was natürlich durchaus auch passiert, die Benutzer im Unternehmen, dass die immer mal wieder, soll es ja geben den externen Kunden etwas aus dem Auge verlieren. Ich glaube, da kann es sinnvoll sein, wenn man den Prozessgedanken hat, eben zu fragen, okay, wer ist denn der da draußen, der letzten Endes Geld aufs Konto überweist.

Robert Sieber: Das ist dann ja noch einen ganzen Schritt weiter, den du jetzt gehst. Ich wäre froh, wenn IT-Abteilungen klarhaben, was ihr interner Kunde ist. Also diese Beziehung oder dieses Verständnis davon, dass ich da draußen, also von IT Abteilung ausgesehen, da draußen einmal einen Kunden habe und auf der anderen Seite ganz viele Nutzer habe, das habe ich ganz ganz selten.

Ich habe letztens einen Vortrag an der Universität gehalten und wir haben nachher über den Kunden diskutiert und da war die einhellige Meinung, jeder dieser, was weiß ich wie viel 10.000 Studenten ist unser Kunde. Schwierig mit diesem Herangehen also dort wirklich zu schauen, wer sind meine Kunden, wer bezahlt das Ganze und dann zu schauen, ob es nicht da auch vielleicht eine Veränderung bedarf.

Götz Müller: Ich glaube auch da muss man ein Stück weit differenzieren zwischen Nutzer und Kunde.

Es gibt da von Mike Rother diesen netten Spruch oder diese nette Aussage, Definition, was ich eigentlich Lean Management. Wo er dann neben anderen Dingen ganz expliz,it auch da drauf abhebt dass es um den einzelnen geht. Weil, wenn ich z.b. ein Auto kaufe, interessiert mich ja nicht, ob noch 10.000 andere in dem Jahr oder in dem Monat vielleicht sogar, ein Auto gekauft haben. Und ich glaube auch die Denke da fürs Unternehmen und dann später, wenn ich jetzt weiter reingehe ins Unternehmen – also sprich mit die IT anschaue, mit den Prozessen, die da ablaufen, auch da immer mal wieder im Kopf zu haben, okay der einzelne Nutzer, der jetzt halt an der Hotline, telefonisch oder oder per Mail im Austausch ist und dann ein Ticket erzeugt hat, den muss ich ja zufriedenstellen-

Robert Sieber: Wobei ich da etwas widersprechen darf. Wenn wir das Auto-Beispiel nehmen, dann ist dem so. Weil der Autokäufer bezahlt Geld dafür. Gehe jetzt in den Unternehmen rein, gehe ich in die IT rein, dann habe ich immer wieder den Konflikt zwischen dem, was die Budget-Verantwortlichen bereit sind zu bezahlen, gegenüber dem, was sich der Nutzer wünscht.

Götz Müller: Richtig und ich glaube sogar, weil es sind anderen Situation ja ähnlich ist. Ich glaube sogar, dass das ein Teil des Problems ist. Zum Beispiel ganz klassisch wo das ja auch ist, bei der Krankenversicherung. Ich bin zwar der Patient, bezahlen tut aber jemand anders. Und da glaube ich, ergeben sich ähnliche Konflikte wie im IT-Umfeld. Ich bin Nutzer, aber ich bezahle nix für die Dienstleistung.

Robert Sieber: Das ist ein interessanter Aspekt. Das heißt, Du möchtest oder doch Du möchtest dem Nutzer das Geld in die Hand geben und er soll für die Leistung bezahlen?

Götz Müller: Ich bin mir nicht sicher, ob das der beste Weg ist. Ich glaube, es fehlt beim Benutzer – und jetzt gucken uns ja auch durchaus die andere Seite an – es fehlt beim Benutzer dieses Verständnis dafür, was passiert denn, wenn ich irgendwas haben will bzw. wenn ich da nicht bekomme, entsteht nur ich dadurch ein Unverständnis, warum kriege ich es nicht.

Und da glaube ich jetzt, wenn wir zum Beispiel – ich selber bin es nicht – aber ich habe das durchaus schon gehört, dass wenn ich privat versichert bin, bekomme ich eine Rechnung von meinem Arzt oder vom Apotheker sehe ich vielleicht noch auch als gesetzlich oder freiwillig Versicherter. Und entsteht erstmal überhaupt Einverständnis, okay was passiert denn da.

Robert Sieber: Deswegen habe ich auch ein klein wenig gezögert, weil mir geht es durch den Kopf, dass das durchaus ein interessanter Ansatz ist, weil für die Krankenkassen ist ganz klar und haben wir das klassische Beispiel, ich hatte vor Anfang des Jahres eine Knie-OP. Die Krücken, die ich kriege, kosten mich quasi, ich glaube, 10 € Zuzahlung. Und die kosten in Wahrheit ja viel viel mehr. Und ich habe Kollegen, wo wir darüber geredet und was machst du jetzt damit? Die kommen in den Keller fürs nächste Mal. Die haben doch bloß 5 € gekostet, kannst du wegschmeißen, Ich sage nee nee, das Zeug kostet viel mehr Geld. Achso?

Und das ist das ist ein echt interessanter Aspekt, darüber darf ich nachdenken.

Götz Müller: Um halt jetzt nicht notwendigerweise wirklich dem Benutzer das Geld in die Hand zu geben. Ich glaube, das wäre dann wahrscheinlich wieder Selbstverwaltung ohne Ende, die man dadurch produziert. Aber um halt dieses Bewusstsein zu schaffen.

Robert Sieber: Ist die Frage inwieweit er das einordnen kann. Also bei mir im Unternehmen ist es so, wir haben einen Servicekatalog und in diesem Servicekatalog ist für jeden Nutzer transparent, was die einzelnen Services kosten.

Jetzt passiert an der ein oder anderen Stelle allerdings folgendes. Die nehmen da den Preis z.b. für einen PC. Das sind komplett die Lifecycle-Kosten drin und die vergleichen das mit dem PC, den sie im Mediamarkt kaufen.

Götz Müller: Das habe ich in dem aktuellen Projekt so ähnlich.

Robert Sieber: Darüber darf man diskutieren und klar machen, was wirklich der Wert dahinter ist. Aber daran sieht man , dass der Mitarbeiter, dass der Nutzer quasi mündig genug ist, tatsächlich darüber nachzudenken, ob es das jetzt wert ist, was er da einkauft, wenn es ihm transparent gemacht wird, was es kostet.

Götz Müller: Das, denke ich, gehört dazu,so dass da nicht nur eine Zahl unterm Strich steht, sondern auch ein gewisses Gefühl dafür gewinnt, was noch dahinter steckt, um es mal so auszudrücken.

Robert Sieber: Transparenz ist wieso aus meiner Sicht einer der wichtigsten Punkte. Klarzumachen, was so eine IT ein Angebot hat. Zu guck,en wie unterstützt dieses Angebot die Geschäftsprozesse und dann zu schauen, wer bezieht welches Angebot und welches Angebot kann ich abschaffen, weil erst wenn ich diese Transparenz habe, was wirklich genutzt wird, komme ich tatsächlich in so einen Lifecycle von einem IT-Service rein. Und kann das steuern und wenn ich sehe, dass ich ein System habe, wo von 200 Nutzer, die es anfänglich mal waren, nur noch fünf übrig sind, kann ich mit den fünf reden und wir können darüber reden, auf welchen anderen Service wir das migrieren können, um hier wieder Kosten zu sparen.

Du glaubst nicht, was in Rechenzentren an teilweise Applikationen und Systemen läuft, wo keiner weiß wofür das da ist.

Götz Müller: Ja, das kann ich mir lebhaft vorstellen, definitiv.

Okay, jetzt haben wir einiges über die eine Seite, sprich über die IT-Seie gesprochen. Was die tun kann, um ihre Akzeptanz im Unternehmen zu steigern, bei den Nutzern. Jetzt möchte ich noch ein bisschen aus deiner Sicht, wenn du mal auf die IT-Nutzer guckst, was kann man denen ans Herz legen, was den Beitrag angeht, damit unterm Strich die Zusammenarbeit besser funktioniert.

Robert Sieber: Was ich ganz persönlich immer sehr mag, wenn Menschen mit Problemen zu mir kommen. Beispielsweise wir wollen die Reporting-Folien fürs Controlling, die wollen wir besser schneller schöner gestalten. Jetzt lass uns mal darüber reden, wie wir da hinkommen.
Und nicht um die Ecke kommen und sagen, hier ich habe da die Software gefunden. Bitte installieren. Das ist ja das was wir häufig auch erleben. Woran die IT Schuld hat, keine Frage. Aber das darf sich ändern. Also ich als Unternehmen, als Fachbereich, als Geschäft darf vertrauensvoll mit meiner IT zusammenarbeiten und denen Probleme geben. Und zusammen dann schauen, was ist die beste Lösung dafür.

Und dort auch von meiner Seite her ein schnelles Prototyping unterstützen. Also zu sagen, okay, das Problem ist jetzt klar, es gibt Lösungsmöglichkeiten. Lass uns mal in den nächsten 14 Tagen etwas ausprobieren und schauen, ob es hilft.

Also da dieses dieses problemorientierte erstmal Herangehen an eine Sache und nicht gleich lösungsorientiert.

Götz Müller: Kann ich absolut unterschreiben. Viel viel zu schnell – das hat durchaus Vorteile – der Mensch ist, glaube ich, schon ein lösungsorientiertes Wesen, aber manchmal schon viel zu schnell mit der Lösung, die dann oft auch kurzgeschossen ist.

Robert Sieber: Na häufig wissen wir gar nicht, was das wirkliche Problem an der Stelle ist und da gibt es ja die 5 warums, die ich sehr gerne dann einsetze. Allerdings im privaten festgestellt habe, dass es mit Kindern überhaupt nicht funktioniert, aber im Business-Kontext es durchaus immer wieder richtig gut funktioniert auf den Kern eines Problems zu kommen. Weil häufig doktern wir ja an den Symptomen herum.

Götz Müller: Ja, da ist ein kleiner Ausflug in die Methode rein, ist auch ganz wichtig eben bei dem Warum aufzupassen, dass nicht irgendeine Art von versteckter Vorwurf mt schwingt und die andere Seite dann in die Rechtfertigung reinkommt. Das ist ein Fehl,er der ganz oft gemacht wird. Im Coaching hat die Warum-Frage sogar im Grund ein Tabu. Da fragt man so mehr Richtung wozu. Also wozu dient mir irgendwas, was möchte ich damit eigentlich erreichen.

Okay, jetzt habe ich mich im Vorfeld ein bisschen auf deiner Seite umgeguckt und fand da ein paar deiner Podcast-/Blog-Episoden bzw. Beiträge, die ich hier noch ein bisschen diskutieren will, weil sie, glaube ich auch gewollt, etwas provokativ formuliert sind und als erstes ist mir aufgefallen die Agilitätslüge.

Da habe ich jetzt als “klassischer” Projektmanager, der irgendwann mal so GPM-Geschichte gemacht hat, eine sowieso etwas vorgespannte eigene Meinung dazu, was ich aber auch sehr schön fand in dem Artikel diese Gegenüberstellung von komplex vs. kompliziert, und jetzt aber einfach zum Einstieg noch mal: Wo siehsD du die Agilitätslüge, was hat dich zu dieser Aussage motiviert.

Robert Sieber: Wenn man im IT-Bereich unterwegs ist oder auch im Projektbereich, dann ist ja alles heute, muss ja alles agil sein. Agilität ist ein Buzzword oder wie man so schön sagt, die Sau momentan, die durchs Dorf getrieben wird und die Lösung für alle Probleme ist, egal was das Problem ist. Darüber haben wir grad gesprochen und sehr häufig erlebe ich, dass Agilität gleichgesetzt wird mit einmal es wird alles schneller, es wird alles besser, so viel dokumentieren brauchen wir nicht mehr und um die Details kümmern wir uns später.

Und das ist alles aus meiner Sicht nicht richtig. Agilität oder agiles Vorgehen ist ein Werkzeug, wo wir erst mal schauen dürfen, mit was für einem Problem haben wir es denn zu tun? Weil Agilität ermöglicht uns Wendigkeit, durch kurze Iterationszyklen, wenn man so in Richtung Scrum schauen oder durch Priorisierung und ein pull-basierendes System in Kanban bin ich sehr schnell in der Lage Fehlentwicklungen zu erkennen, weil ich Dinge fertig bekomme und sehe, was es für Auswirkung auf meinen Kunden hat und dann entsprechend gegensteuern zu können, umpriorisieren zu können und festzustellen, ob der Weg der richtige ist. Das heißt, ich komme dann tatsächlich schneller zum Ziel, weil ich viel viel eher meine Richtung verändern kann. Habe ich jetzt aber ein Problem, welches relativ einfach, also welches nur kompliziert ist. Also was man in eine Anleitung gießen kann.
Und ich nichts weiter machen muss, als diese Anleitung nachzugehen, also beispielsweise, was habe ich letztes Wochenende, einen Kite aufgebaut. Das war nicht einfach aber es war nur kompliziert, weil ich brauchte einfach nur der Anleitung folgen.

Dann ist Wendigkeit nicht wirklich ein Wert. Dann kommt es darauf an, dass ich exakt diese Anleitung Folge, sie durchführe und dadurch mein Ziel erreiche.

Habe ich jetzt diese Anleitung nicht bzw. kommt viel Interaktion mit Kunden und Menschen dazu, dann wird's komplex und dann ist Wendigkeit ein sehr sehr großer Wert und dann kann ich agiles Vorgehen in guten Dosen entsprechend anwenden.

Trotzdem ist nicht alles was komplex erscheint auch wirklich komplex, sondern nur kompliziert.

Götz Müller: Ja so wie nicht alles, wo mehr als ein Mensch mit zu tun hat, gleich ein Projekt ist.

Okay, wie würdest Du in einem oder vielleicht auch zwei Sätzen differenzieren zwischen komplex und kompliziert.

Weil das erlebe ich immer wieder als eine Herausforderung ähnlich wie so die Geschichte zwischen effizient und effektiv, wobei ich glaube da hat sich mittlerweile eine Definition durchgesetzt. Aber was ist deine persönliche Definition von komplex versus kompliziert?

Robert Sieber: Kompliziert ist das, was ich mit entsprechenden Sachverstand mit einer entsprechenden Anleitung erreichen kann.

Komplex ist das, wo ich entweder den Weg nicht kenne oder das Ziel nicht kenne. Und aus der Definition noch mal auf kompliziert zurück, da wo ich den Weg kenne und das Ziel, das es nur kompliziert.

Götz Müller: Gute Definition. Okay, dann hatte ich mir die zweite Episode rausgesucht, wo mich auch die Überschrift irgendwie magisch angezogen hat, nämlich “die IT muss unbequem sein”.

Das jetzt aus dem Mund eines IT-Leiters raus, glaube ich, wird erstmal ein Fragezeichen erzeugen und dementsprechend auch jetzt meine erste Frage, was steckt hinter dieser These und worauf – dann das dann schon fast zweite Frage – worauf beziehst du das Thema, das Stichwort unbequem.

Robert Sieber: Wenn wir unsere Welt heute angucken, dann stehen wir, insbesondere auch in Deutschland vor einer ganzen Reihe von Herausforderung. Wir haben aus der Historie sehr gute Fähigkeiten, super Ingenieur-technische Fähigkeiten. Wir können alles in Perfektion. Was wir leider nicht so richtig können, ist schnell, einfache Ergebnisse. Also Stichwort Minimum Viable Product, 10 % diese gut, an den Markt gehen, Idee verifizieren. Nee, wir liefern 110 %. Und das ist eine Kulturveränderung in einem Unternehmen, die zweitens damit einhergeht, dass wir viel viel neue Technologie haben. Wir haben künstliche Intelligenz. Wir haben die ganzen Themen Big Data. Wir haben Augmented Reality, Virtual Reality. Also wir haben ganz ganz viele technische Werkzeuge, aus denen wir mit ein bisschen Ideen auch wunderschöne neue Produkte kreieren können.

Und an der Stelle müssen wir jetzt unbequem werden, weil die IT kann all diese Techniken kennen, sie kann Teile davon beherrschen oder jemanden kennen, der sie beherrscht. Und diese ins Unternehmen reinzutragen und mit den Menschen über zukünftige Geschäftsmodelle zu reden und nicht locker zu lassen, das sehe ich als Aufgabe.

Götz Müller: Und und dann wird's natürlich unbequem unter Umständen, weil man dann Antworten auf Fragen geben muss, die man sich selber vielleicht noch gar nicht gestellt hat.

Robert Sieber: Das ist das eine und das andere ist, wir arbeiten aktiv gegen dieses “das haben schon immer so gemacht”, ach das wird auch noch die nächsten 20 Jahre gutgehen, also wirklich Veränderung anstoßen. Und als zweiter Punkt gehört noch dazu, da wir ja in der IT,
insbesondere in der Software-Entwicklung aber auch inzwischen im Betriebsbereich ja agile Werkzeuge anwenden, andere Organisationsformen anwenden, auch das sehe ich so ein bisschen als unsere Aufgabe, das ins Unternehmen einzutragen.

Das ist auch ganz wichtig, dass ich da an der Kulturen unseren Unternehmen das eine oder andere verändert.

Götz Müller: Allein diese Aussage, die Du schon gemacht hast. Ich habe es irgendwo anders mal gelesen, die teuersten sieben Worte “das haben wir schon immer so gemacht”.

Robert Sieber: Das mag sein, das ist auch erklärbar, das verbraucht die wenigste Energie beim Menschen und der Mensch ist ja ein Energiesparwunder. Das hilft nicht, wir werden überrollt. Und es gab jetzt auf dem Deutschlandfunk ein sehr interessantes Interview. Eine Aussage von dem war in unserem Plattform-Kapitalismus wird es einen Marktführer geben einen Monopolisten und wenn wir Glück haben, vielleicht einen zweiten. Und das sehen wir.
Wie viel Prozent Marktanteil hat Google?

Götz Müller: Oder Facebook? Oder Airbnb oder Uber oder wie sie alle heißen.

Robert Sieber: Das ist das, was wir erleben werden.

Götz Müller: Und da glaube ich ist der falsche Weg, da schweifen wir aber schon fast ein bisschen ins philosophisch-politische ab, da glaube ich dann der falsche Weg nach irgendeinem Schiedsrichter zu rufen.

Robert Sieber: Da könnten wir jetzt tatsächlich drüber philosophieren. Das ist so, deswegen sagte ich ja bewusst Plattform-Kapitalismus, wir kommen aus einer sozialen Marktwirtschaft. Da muss man schauen, was da das sinnvolle Weg ist.

Götz Müller: Ich persönlich glaube dann auch an die Chancen, die dahinter stecken, einfach zu sehr limitiert. Weil ich persönlich finde Airbnb ne absolut coole Sache. Ich gehe einfach in die Nutzer-Position rein und ich glaube für die Gastgeber, die ich bisher besucht hatte, bringt auch was, sonst würden es sich nicht machen. Dass natürlich vielleicht irgendeine große Hotelkette davon not amused ist, kann ich auch nachvollziehen.

Robert Sieber: Ja gut, da sind sie ja selber dran schuld.

Götz Müller: So jetzt möchte ich zum Abschluss noch einen Punkt wahrscheinlich eher nur anreißen, den ich aber sehr spannend fand, weil ich es gar nicht kannte, aber dann sehr schnell den Nutzen gesehen habe, das ist dieser Begriff OBASHI. So weit wie ich mit einem Satz verstanden habe, geht es um die Abhängigkeiten und Datenflüsse zwischen Geschäftsprozessen und der IT. Warum es mich dann jetzt gerade in der Vorbereitung auf eben noch mal angezündet hatte, weil ich gerade selber in einem Projekt unterwegs bin bei einem Kunden, wo diese Denkweise, die da, glaube ich, dahintersteckt sehr nützlich sein kann.

Robert Sieber: Ich arbeite schon seit vielen Jahren mit Kunden und den eigenen, also in meinem Angestelltenverhältnis, immer wieder in der Modellierung von Business Services, geschäfts-fokussierte IT-Dienste. Einfach klarzumachen, an welcher Stelle unterstützt die IT wie die Geschäftsprozesse. Das darzustellen, war immer ganz schwieriges Unterfangen. Am Ende sind dann bei mir sogenannte Service-Bäume entstanden, die mit Software-Unterstützung relativ gut lesbar sind und irgendwann bin ich dann über OBASHI gestolpert und OBASHI ist ein Schichtenmodell, was ganz einfach ist und was als fürchterlich guter Leitfaden dient, von oben in der Organisation anzufangen. Das ist unsere Aufbauorganisation, dann weiter zu gehen in die Business-Prozesse, unsere Ablauforganisation und dann zu schauen durch welche Applikationen werden welche Geschäftsprozesse unterstützt und dann immer weiter runter zu gehen in die Technologie. OBA hatten wir. S sind die Systeme, im Sinne von Betriebssystem, H die virtuelle oder die physikalische Hardware und I die Infrastruktur. Und darüber kann ich das komplette Funktionieren eines Unternehmens abbilden und egal ob diese Technologie jetzt pick-by-light-Lämpchen ist oder irgendwo ein Schalter, das ist egal ich kann komplett dokumentieren, wie mein Unternehmen in seiner Organisation, also seinen Menschen, seinen Prozessen und seiner Technologie tickt.

Wenn ich das einmal habe, dann kann ich aufgrund der Darstellung – also sind farbige Kästchen – kann ich ohne Domänen-Wwissen, also ohne Wissen aus den Prozessen, ohne Wissen aus der IT sehr gut über Veränderungen, über Mergers and Acquisitions, über neue Projekte, über Risikomanagement sprechen und diskutieren. Wnd das ist ein sehr hilfreiches Werkzeug.

Götz Müller: Wo ich es kurz überflogen hatte, den Artikel, hatte ich das Gefühlt – vielleicht kannst Du es bestätigen oder widersprechen – dass dadurch, durch die Vorgehensweise auch so die klassischen Systembrüche, an die sicher im Grunde dann doch jeder gewöhnt hat, hier mal ein Excel-Sheet-chen und und da mal E-Mail-Austausch, weil man es halt einfach nicht anders kann, aber ich glaube, ich könnte es mir zumindest vorstellen, dass es durch die Vorgehensweise und durch das übergreifende Modellieren dann schneller transparent wird.

Robert Sieber: Ja, das auf jeden Fall. Das ist auch die Technologie das Beispiel vom Anfang die Controlling-Software, die ich dann eingesetzt habe, nachdem ich den Prozess kannte, mir dann transparent gemacht habe, wo welche Applikation und dann sah man es auf einem Bild.
Bei Excel, da ERP-System, da wieder ERP-System und dann Excel – aha und das am Prozess dargestellt und dann sieht man, okay, das wird ja alles manuell übertragen.

Götz Müller: Und da glaube ich, steckt dann das große Potenzial drin, wo halt wieder dieser Effekt mit dem “haben wir schon immer so gemacht” oder gar nicht drüber nachdenkt, weil man sich schon sehr gewöhnt hat.

Robert Sieber: Ja, das der Mensch auch sehr gut drin und das ist das ist auch gut so, dass er sich an vieles gewöhnt und was ich halt erlebe ist, dases viele, die den OBAHSI-Kurs machen. Also ich hab so einen kleinen E-Mail Kurs, wo man sich eintragen kann, da kriege ich es genau solches Feedback: Hey, jetzt haben wir endlich verstanden, wie das funktioniert oder da haben wir einen Singl-Point-of-Failure entdeckt. Und ich erlebe viele, die ist wirklich einsetzen und das freut mich auf jeden Fall

Götz Müller: Ja, das werde ich auf jeden Fall in den Notizen zu Episode verlinken. Ich glaube, du hast auch irgendwo einen Buchtipp, den ich dann da mit reinnehmen werde.

Robert, ich fand das jetzt eine spannende Unterhaltung. Da sind für mich auch definitiv wie praktisch in jedem Gespräch, wieder ein paar Dinge entstanden, die ich vorher so gar nicht gesehen habe, ich bin da ganz eigennützig, immer wieder wertvoll mit Menschen ins Gespräch zu kommen die vielleicht sonst auf einen anderen Weg gar nicht getroffen hätte.

Deshalb danke ich Dir für deine Zeit.

Robert Sieber: Ich habe zu danken, weil genau aus diesem Grunde mache ich ja auch Podcasts und das ist immer ein super Nebeneffekt, wir werden alle immer schlauer.

Götz Müller: Und Wissen ist eine Sache, die wir immer möglichst teilen sollten, weil es nur nur dadurch wächst.

Robert Sieber: So ist es.

Götz Müller: Also ich danke dir und vielleicht haben wir auch irgendwann mal die Chance, uns mal persönlich zu begegnen.

Robert Sieber: Das sollten wir hinkriegen, Götz, ich danke Dir.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Robert Sieber zum Thema der zwei Seiten der IT-Medaille. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 091.

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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder zu lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

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