Kaizen 2 go 123 : Digitale Kollaborationsprozesse


 

Inhalt der Episode

  • Welche Aspekte fallen unter die Überschrift Kollaborationsprozesse?
  • Welches Verbesserungspotenzial kann dort gehoben werden?
  • Meeting-Kultur
  • Informationsaustausch

Notizen zur Episode


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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 123 – Digitale Kollaborationsprozesse

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Oliver Ratajczak bei mir im Podcast-Gespräch. Er ist schon viele, viele Jahre Unternehmensberater, hat zwei Schwerpunkte: Kundenprozesse und die Verbesserung von Zusammenarbeit. Hallo Oliver.

Oliver Ratajczak: Hallo Götz, freut mich, dass ich hier sein darf.
Götz Müller: Ja. Klasse. Das ist ja schon das zweite Mal, beim letzten Mal, glaube ich, einige Zeit her haben wir uns über Kundenprozesse unterhalten, heute eben über Zusammenarbeit. Die Episode heißt Kollaborationsprozesse. Was gehört für dich, oder sag vorher noch zwei, drei Sätze zu dir selber, was gehört für dich dann zu Kollaboration dazu?

Oliver Ratajczak: Ja. Also ich sage noch was zu mir. Mein Name ist Oliver Ratajczak, ich komme aus Bochum, bin seit 18 Jahren jetzt Unternehmensberater und eigentlich ist es meine Aufgabe, Unternehmen dabei zu helfen, aus ihren Kunden profitable Stammkunden zu machen und ich habe da in den letzten 18 Jahren zwei Ansatzpunkte festgestellt. Der eine ist, die Prozesse zu verbessern, genau wie wir in der letzten Folge besprochen hatte. Das ist häufig sehr IT-lastig und der andere Punkt ist halt die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern zu verbessern und darüber reden wir heute. Du fragtest gerade, was für mich so zur Kollaboration gehört. Da muss ich gleich mal einhaken, ich habe mir das nämlich mal angeguckt. Das Wort kam mir irgendwie komisch vor und im Duden, im deutschen, steht drin, Kollaboration bedeutet „Zusammenarbeit mit dem Feind“.

Götz Müller: Oha.

Oliver Ratajczak: Finde ich, passt nicht so ganz. In der englischen Originalvokabel sozusagen collaboration ist es eindeutig, das bedeutet eigentlich Zusammenarbeit und genau deswegen versuche ich immer, das deutsche Wort Kollaboration zu vermeiden. Aber du fragtest, was für mich dazugehört. Für mich eigentlich alles, wenn mehr als ein Mensch sozusagen aufeinander trifft. Also immer, wenn mindestens zwei miteinander arbeiten, dann ist das ja schon sozusagen eine Zusammenarbeit. Das funktioniert heute mit diversen Möglichkeiten. Die begegnen sich in E-Mails, die schreiben sich E-Mails, tauschen irgendwie Informationen miteinander aus, sendend oder empfangend diverse Möglichkeiten, auf die Details werden wir, denke ich, heute auf jeden Fall noch kommen.

Götz Müller: Da höre ich jetzt schon raus, der Schwerpunkt ist Kommunikation zum Zweck des Informationsaustauschs.

Oliver Ratajczak: Ja, aber auch der Zusammenarbeit … also es geht ja manchmal auch, keine Ahnung, manchmal müssen auch Dateien ausgetauscht werden. Da kann man natürlich sagen, so eine Datei ist irgendwie auch eine Art der Kommunikation, ja, aber … also, ich fasse Kommunikation halt weiter als nur eine Botschaft sendet jemand, einer empfängt, sondern für mich geht es halt darum, gemeinsam Gedanken zu entwickeln, gemeinsam Konzepte zu entwickeln, sich im Zweifelsfall mal ein Meeting zu sparen – wie, da kommen wir bestimmt auch noch drauf.

Götz Müller: Ja. Jetzt würden wir grundsätzlich über das Thema auch gar nicht reden, wenn da nicht auch einiges an Verbesserungspotential drinstecken würde. Was ist dir da so bisher begegnet?

Oliver Ratajczak: Da gibt es diverse Möglichkeiten. Also wenn ich mir heute zum Beispiel angucke in den Unternehmen, viele Leute stöhnen und sagen: „Ah, ich habe überhaupt keine Zeit, weil ich habe heute meinen ganzen Tag Meetings.“ Und dann sehe ich immer, der Kalender ist vollgepackt, keine Ahnung … von neun Uhr bis zehn Uhr ist das erste Meeting, ab 10:01 beginnt das zweite Meeting und so sieht der ganze Tag aus. Und dann sozusagen, das erste Meeting ist überzogen, dann kommt man schon zu spät zum Zweiten und so weiter und das wird im Laufe des Tages nicht besser. Und ich stelle immer wieder fest, dass genau das ein riesiger Hebel ist. Wenn man die Meetingkultur in Unternehmen etwas verbessern würde, würde das einen riesigen Effekt haben, weil da muss man nicht so viel Zeit in Meetings verbringen, weil nach meinem Verständnis kann man auch durchaus Entscheidungen treffen, ohne ein Meeting zu haben.

Götz Müller: Hängt natürlich auch immer von den Meetings ab. Vor meinem geistigen Auge zieht jetzt so ein klassisches Shopfloor-Treffen vorbei, da ist der Anschlag zum Beispiel ganz hart bei einer Viertelstunde.

Oliver Ratajczak: Mhm.

Götz Müller: Da ist die Gefahr relativ klein, zumindest wenn man es mal gewohnt ist, wie man damit umgeht, dass man sich jetzt zeitlich vergaloppiert. Ich könnte mir aber auch vorstellen, geht mir gerade so durch den Kopf, weil wir ja typischerweise, wenn man über klassische Meetings reden, dann reden wir halt nicht über nicht über den im Kern Kundenwertschöpfungsprozess, also wo was produziert wird.

Oliver Ratajczak: Kommt drauf an. Je nachdem, also ich habe viele Unternehmen kennengelernt und es gibt Unternehmen, bei denen passiert gefühlt gar nicht anderes außerhalb von Meetings. Natürlich gibt es noch Backoffice-Prozesse etc., aber Produktentwicklung, da sitzt man zusammen und brainstormt mal ein bisschen und dann sitzt man da zusammen und redet über den Preispunkt und so. Das hat ja eine gewisse Wertschöpfung schon, aber nicht wirklich effizient, sage ich mal. Und, wie soll ich sagen, es hängt halt stark vom Unternehmen ab. Ich habe es in großen Konzernen erlebt, es gab keine Agenda für die Meetings, traditionell sozusagen, es stand dann einfach nur drin „Termin“, man wurde eingeladen und es stand gar nichts drin, außer vielleicht eine Überschrift. Niemand wusste so genau, worum’s da geht und dann kommt man halt hin und dann redet man mal. Das ist aber jenseits von jeder Effizienz und allein durch so eine Kollaborationsplattform – jetzt sage ich das Wort selber – eine Zusammenarbeitsplattform, kann man halt so ein Meeting anständig vorbereiten, indem jemand gezwungen ist, eine Agenda vorzubereiten und innerhalb des Meetings benutzt man mal halt genau diese Agenda und wenn man etwas entscheidet schreibt man es genau an diese eine Stelle, wo es halt im Agendapunkt steht und wenn Aufgaben vergeben werden, macht man das auch genau da. Das heißt, es gibt dann einen Ort, wo alle Informationen zu einem Meeting zusammenfließen, sowohl vor dem Meeting als auch danach.

Götz Müller: Jetzt möchte ich, bevor wir da tiefer einsteigen, noch mal einen kleinen Schritt zurückgehen. Was ist dir bisher so an Lösungsmethoden begegnet, wie die Menschen sich da irgendwie behelfen?

Oliver Ratajczak: Häufig gibt es die diversesten Ansatzpunkte. Da gibt es meistens so Formulare, die dann ausgefüllt werden müssen und dann schickt man die per E-Mail rum, also keine Ahnung, dann gibt es halt ein Agenda-Formular in Word und das wird dann ausgefüllt und rumgeschickt. Das hat man dann dabei, viele drucken das aus und wenn man dann irgendwie ein Protokoll schreiben muss, dann schreibt man das in ein anderes Formular und es ist halt alles sehr dateilastig und so Dateien laufen dann auseinander, weil irgendjemand schickt ein Meetingprotokoll herum und das wird dann korrigiert in sieben verschiedene Versionen, einer muss es wieder konsolidieren. Das ist extrem aufwendig und kostet viel Zeit.

Götz Müller: Ja, die Folgen, auf die ich im Grunde jetzt noch kommen wollte, hast du im Grunde damit schon erwähnt.

Oliver Ratajczak: Ja.

Götz Müller: Zeitverschwendung, was ja, so in meiner Sicht, in meinem Weltbild, die schlimmste Verschwendung ist.

Oliver Ratajczak: Das stimmt. Und was eigentlich noch obendrauf kommt ist, weil, egal mit wem ich spreche, viele Leute sind total genervt von „Ich bekomme so viele E-Mails, ich habe so viele Meetings, ich habe überhaupt gar keine Zeit mehr, so richtig klar zu denken. Ich habe gar keine Zeit mehr, mir Innovationen einfallen zu lassen oder mal am Markt zu gucken, was macht der Wettbewerb.“ und das führt natürlich zu einer extremen Frustration. Und wenn die Mitarbeiter genervt sind von der Art, wie sie arbeiten müssen, weil es halt manchmal ein bisschen zäh, schlägt das natürlich sofort direkt auf die Motivation und auf die Arbeitsqualität.

Götz Müller: Du hast es jetzt schon ein bisschen angedeutet, was sind so klassisch bessere, wie das wir gerade diskutiert haben, was sind so klassisch bessere Vorgehensweisen, um mit dem Problem Meetingkultur, ich glaube, so kann man es schon nennen, umzugehen?

Oliver Ratajczak: Es sind eigentlich ganz einfache Regeln, also wie ich gerade schon sagte, also wenn man zum Beispiel schon festschreibt, es gibt kein Meeting ohne eine Agenda. Das muss natürlich konsequent gemacht werden. Ich habe auch Unternehmen kennengelernt, wo der Vorstand dann so eine Regel rausgegeben hat, aber wenn er dann zum Meeting eingeladen hat, es natürlich keine Agenda gab und er halt Sonderlocken sozusagen geprägt hat. Das funktioniert nicht. Aber wenn sich alle daran halten und sagen, Wenn ich will, dass Leute zusammenkommen und mir ihre Arbeitszeit für mein Projekt, muss ich das auch entsprechend begründen. Es macht ja auch Sinn, dass die Leute vorbereitet sind und wissen, was sie da erwartet. Im Zweifelsfall lade ich fünf Leute ein, in der Agenda steht „Wir wollen über die Punkte sprechen.“ und irgendeiner der fünf sagt: „Da kann ich gar nichts zu sagen, aber ich schicke mal meinen Kollegen, der ist nämlich genau in dem Thema drin.“ und das würde man ja sonst erst im Meeting feststellen und dann muss man feststellen: „Können wir dann heute nicht, müssen wir einen neuen Termin machen.“ Und wie du gerade schon gesagt hast, was gibt es alles für Möglichkeiten? Es gibt natürlich Plattformen, die man nutzen kann, also im Zweifelsfall Web-Plattformen oder Plattformen, die man im eigenen Unternehmen installiert hat, wo man halt ein Meeting anlegt, dort alles dokumentiert, sowohl vor dem Meeting als auch nach dem Meeting, inklusive Aufgabenvergabe und und und. Also so Aufgaben vergeben und Aufgaben einhalten ist halt auch ein riesen Hebel, den ich in vielen Unternehmen sehe. Weil, man hat ein Meeting, man beschließt irgendwelche Aufgaben, einer schreibt sich das auf, manche Aufgaben landen dann im Protokoll und das Protokoll dauert dann ein bisschen, bis es wiederkommt und die Aufgaben werden nicht richtig nachverfolgt. Und der Witz ist halt in so einem System und einer zentralen Aufgabenverwaltung kann man halt Aufgaben direkt anlegen und sie direkt als erledigt markieren, wenn sie erledigt sind.

Götz Müller: Das möchte ich noch ein bisschen vertiefen, weil jetzt haben wir uns so ein bisschen auf die Meetings eingeschossen, aber eigentlich hast du ja noch viele andere Stichworte erwähnt.

Oliver Ratajczak: Ja, natürlich. Also ich hatte … E-Mails hatte ich sag gesagt, weil viel wird heutzutage mit E-Mails kommuniziert. Man hat eben die Idee, man schreibt ein paar Sachen zusammen und schickt sie dann in die Runde an fünf Kollegen. Der eine ist im Urlaub, der andere ist krank, einer antwortet schon, die anderen haben aber gar nicht mitgekriegt, was der so geantwortet hat und dann wird die Idee schon weitergesponnen. Der eine Kollege kommt aus dem Urlaub wieder, liest die E-Mails von damals, antwortet dann, obwohl die anderen schon viel weiter sind. Da habe ich auch viel Unproduktivität erleben dürfen. Mit so einer Plattform ist es relativ einfach. Man eröffnet eine Seite, eine Webseite, also jetzt keine Angst, das ist nichts Kompliziertes, das kann jeder, der Word bedienen kann, kann da auch einfach eine Seite eröffnen, schreibt seine drei Stichpunkte drauf und schickt dann den Link zu dieser Seite zu den fünf Kollegen und sagt „Schaut mal, da habe ich ein paar Gedanken gesammelt.“ Wenn da jetzt jeder praktisch seine Gedanken hinzufügt oder erweitert und der Kollege kommt nach einer Woche aus dem Urlaub, dann sieht der halt auf dieser Seite den aktuellen Stand und nicht den von vor drei Wochen. Wie heißt es immer so schön: Wenn wir wüssten, was wir wissen. Also wenn das gesamte Unternehmen sozusagen auf das Wissen des Unternehmens zugreifen könnte, das wäre ja extrem toll. Wir haben das in einem Projekt gemacht, die hatten einen Außendienst, wo halt die Leute, Monteure, draußen waren und diverse Tools benutzt hatten. Die hatten eigene Produkte, die sie verwendet haben, die haben zugekaufte Produkte und zu allen gab es irgendwelche Anleitungen. Und es ist oft passiert, dass die halt vor Ort beim Kunden waren, die Anleitung nicht dabei hatten und dann erstmal wieder angerufen haben im Büro und haben gesagt „Sag doch noch mal, wie geht denn das hier, schick mir das mal eben rüber, mach mal ein Foto, schick mal.“ und wir haben es halt geändert und haben halt diese ganzen Anleitungen auf einem zentralen Laufwerk versammelt sozusagen, also kein physisches Laufwerk, sondern eigentlich ein Webspace, aber das ist egal, und die Mitarbeiter konnten sogar vom Smartphone aus darauf zugreifen. Die haben dann einfach einen Suchbegriff eingegeben und die Suche hat automatisch die entsprechenden Handbücher hochgespült und hat die entsprechenden Seiten angezeigt, sodass die halt selbstständig da suchen konnten. Das hat extrem viel Arbeit eingespart.

Götz Müller: Ja, und ich glaube, es macht auch einen besseren Eindruck auf den Kunden, allein was du jetzt da gerade erzählt hast, wenn ich mich jetzt da mal kurz in die Kundenposition versetze, dann fallen mir da die letzten Haare schon aus.

Oliver Ratajczak: Ja, ja. Gut. Aber das ist ja alltäglich gelebte Praxis. Ich habe das auch vor kurzem privat erlebt, da wurde eine Heizung ausgewechselt und eieiei, also das machte definitiv keinen guten Eindruck, was die da gemacht haben. Also wenn dann der teuer bezahlte Monteur sozusagen dann im Büro anruft und „Sag doch noch mal, was war denn im Handbuch und wenn der Fehler passiert.“, das wirkt halt wirklich nicht professionell. Wenn der zwischendurch am iPad tippt und was abruft, dann macht man sich ja keine großen Gedanken, dass er in Wirklichkeit Hilfe von außen holt.

Götz Müller: Speziell wenn man dann natürlich auf so jemanden wie uns trifft.

Oliver Ratajczak: Ja, genau.

Götz Müller: Ja, das habe ich vor kurzem jetzt auch festgestellt. Da war nur eine Konto-Nummer falsch und das, was sich dann in der Folge an Aufwand bei allen Beteiligten ergeben hat, das möchte ich gar nicht zusammenrechnen, was das dann gekostet hat.

Oliver Ratajczak: Ja, ja. Das Problem ist, diese Kosten, die sieht ja keiner so richtig. Die sind ja irgendwie so in „Service“ eingerechnet oder irgendwo sind die völlig verschleiert und keiner weiß so genau, wo ist denn unser Problem. Aber genau dafür rufen mich ja Unternehmen an, und ich gucke mir dann die internen Prozesse an und sehe dann häufig genau so Knackpunkte. Also wenn ich zum Beispiel sehe, dass die Leute dauernd telefonieren müssen oder Rückfragen haben, die Leute im Büro total genervt sind, weil sie nicht zu ihrer Arbeit kommen, weil dauernd Rückfragen von den Monteuren von außen kommen, dann gucke ich mir halt genauer an, was die da fragen und wie man denen helfen kann.
Götz Müller: Genau diesen Punkt, die Zusammenarbeit und wie gehe ich miteinander um, das möchte ich noch ein bisschen vertiefen. Im Sinne von: Mach noch ein paar Beispiele, was sich damit auch verbessern kann.

Oliver Ratajczak: Ja, zum Beispiel die klassische Zusammenarbeit von Außendienst mit Innendienst. Also ich habe das für ein Unternehmen gemacht, die hatten so eine Vertriebsaußendienstflotte, die waren halt dauernd unterwegs und haben halt öfter mal, wie soll ich sagen, die hatten teilweise einen extrem guten Draht zu ihren Kunden und die haben dann auch ab und zu mal Werbeschreiben der Konkurrenz denen gegeben und gesagt „Schaut doch mal, die starten gerade hier eine neue Aktion, was sagt ihr denn dazu?“ Vorher war das halt so, dass der Kollege dann im Zweifelsfall ein Foto gemacht und das per e-Mail mal ins zentrale Office geschickt und dann haben die dafür gesorgt, dass es irgendwie verteilt wurde. Wir haben das geändert mit dieser zentralen Plattform in der Mitte. Es gab einen speziellen Raum, den wir angelegt haben, in den jeder, der Außendienstler gucken und auch Informationen reinstellen konnte. Das heißt, die haben einfach ein Foto mit dem Handy gemacht, haben gesagt „Leute, schaut euch das mal an.“ und es hochgeladen, direkt vom Handy aus, vom Smartphone und es stand ab dem Moment für alle Kollegen zur Verfügung. Da werden jetzt manche sagen „Das geht mir WhatsApp auch.“ Klar, aber wo liegen dann bitte diese Daten? Die liegen dann auf irgendwelchen Servern. Datenschutz … muss man intern klären, ob man das darf. Der Kunde, für den wir das gemacht haben, in diesem Fall, der durfte das nicht und der hat halt händeringend nach einer Lösung gesucht – selbstbetrieben, eigene Hoheit, Server in Deutschland – mit der man genauso gut arbeiten kann.

Götz Müller: Mir geht da dieser Spruch mit den Kommas im Englischen „If in doubt leave it out“ durch den Kopf. Im Zweifelsfall, was WhatsApp angeht, ist es im Grunde erst mal verboten, wenn es nicht explizit erlaubt ist.

Oliver Ratajczak: Genau. Ja. Also es gibt natürlich verschiedenste Unternehmen, die sagen „Ist jetzt gut, hilft mir, mache ich trotzdem.“ und das sind ja nicht nur kleine Unternehmen. Ich kenne auch, von befreundeten Beraterkollegen, die bei vielen Großkonzernen unterwegs sind, ich bin da auch öfter mal und ich sehe so viele Leute, die WhatsApp oder externe Dienste benutzen, die Doodle zum Beispiel benutzen, um Termine abzustimmen, zwischen verschiedenen Standorten, wo man nicht gegenseitig in den Kalender gucken kann und was in so Doodle-Terminen manchmal drinsteht für Informationen, manchmal hängen da sogar noch Anhänge dran mit Präsentationen, wo ich denke: „Die Informationen gehören irgendwie nicht außerhalb des Unternehmens, die sollten schon drinbleiben.“

Götz Müller: Ja, ich habe es dann durchaus auch schon erlebt, dass man von der IT-Abteilung etwas in einer privaten Dropbox bekommt.

Oliver Ratajczak: Ja. Das ist ja auch genau das Malheur gerade. Die IT ist im Zweifelsfall über Jahrzehnte gewachsen, aber die Welt da draußen dreht sich weiter. Es gibt Dropbox, es gibt mal eben WeTransfer), ich schieb riesige Dateien hin und her. Ich habe mein Smartphone, kann damit alles Mögliche machen und ich mich zum Beispiel mit meinem Kegelverein oder mit meinem Fußballverein organisieren will, nutze ich halt die Dinge, die es da draußen im Web gibt und das ist total toll. Und dann betrete ich morgens das Unternehmen und dann sagt die IT „Nee, das geht nicht. Unser Postfach ist nur 250GB groß, du musst ab und zu mal backupen.“ und das führt dann natürlich zu so Ausweichhandlungen, dass die Mitarbeiter sagen „Ah, Dropbox ist jetzt schon einfacher, ich mache das mal eben.“ Und was man auch teilweise verstehen, weil wenn ich privat besser arbeiten kann als mit den Arbeitsmitteln, die mir zur Verfügung stehen, führt das halt zu solchen Effekten.

Götz Müller: Ja, man darf ja nicht vergessen, es steckt fast immer, abgesehen von ganz wenigen Ausnahmefällen, steckt ja immer eine positive Absicht dahinter.

Oliver Ratajczak: Ja, natürlich. Aber das Problem ist halt, diese Dienste sind halt extrem einfach. Und, egal … ich weiß jetzt nicht, wer Dropbox, WhatsApp, irgendwas … also, irgendein Server, der irgendwo auf dieser Welt steht. Ich habe früher immer gesagt, so Wirtschaftsspione, die mussten früher noch Mülleimer durchkämmen und gucken, was da für schlechte Kopien drin waren. Heute machen die so einen Dienst auf und setzen sich an den Server und trinken dabei einen Tee und gucken mal, was da so kommt. Das ist halt einfach. Und die Daten kommen da in bester Qualität, nicht schlecht kopiert aus dem Mülleimer. Das halte ich schon für extrem gefährlich und auch Kunden, mit denen ich darüber spreche, die haben halt gesagt „Gibt es da nicht eine andere Möglichkeit?“ Ja, es gibt eine andere Möglichkeit, man kann sowas nämlich einfach bei sich selber installieren. Also nicht nur so eine Dropbox, sondern eine globale Zusammenarbeitsplattform, mit der man alles Mögliche umsetzen kann.

Götz Müller: Ja, da werden wir gleich noch dazu kommen, bevor du das Stichwort WhatsApp gesagt hast, ging mir jetzt noch so ein anderer Punkt durch den Kopf. Dieses Überfluten, dieses „Schnell, jetzt kommt schon wieder was.“. Da muss ich sagen: Hm, ich bin nicht sicher, inwieweit das nicht Menschen auch von der Arbeit abhält.

Oliver Ratajczak: Du meinst, weil dauernd Nachrichten reinkommen von den Kollegen. Ja, da muss man halt schauen. Es ist ja nicht so, dass man … keine Ahnung … also wenn ich zum Beispiel Verwandte von mir anschaue, die WhatsApp benutzen, da klingelt ja im Minutenrhythmus das Handy, das ist bei der Arbeit sicherlich nicht förderlich. Man kann so eine Plattform aber ja auch anders benutzen. Man kann zum Beispiel einen Raum aufmachen und auf dieser Seite Informationen teilen und dann sammelt man die da und es ist nicht so, dass man immer online, Ping-Pong, hin- und herreagieren muss, sondern man kann einfach zu der besten Zeit, sage ich immer, den besten Input liefern. Also, es gibt ja zum Beispiel so Morgen- und Abendmenschen. Also ich bin zum Beispiel definitiv ein Morgenmensch und wenn man mich morgens um sechs Uhr in ein Meeting steckt, bin ich wahrscheinlich nicht besonders produktiv. Dafür aber abends um elf, aber wer will dann mit mir ein Meeting machen. Aber wenn ich meinen Input dann um elf auf diese Plattform stelle und einfach dazuschreibe, kann der Kollege, der morgens um sechs zur Arbeit kommt, direkt schon die Ideen wieder nehmen und damit weiterarbeiten. Das entzerrt das Ganze halt ein bisschen und sorgt halt dafür, dass man nicht für alles ein Meeting machen muss.

Götz Müller: Und ich glaube aber, wo du jetzt gerade erzählt hast, ich glaube, dass man die Menschen nicht völlig allein lassen darf, was die Umgehensweise mit den, nennen wir es mal, Tools angeht.

Oliver Ratajczak: Nee. Nee, also, wie das immer so schön heißt, das Tool ist auch nur ein Werkzeug und man kann mit einem Werkzeug … keine Ahnung … man kann mit einem Schraubschlüssel halt eine Schraube drehen … eine Mutter drehen oder sonstiges oder festhalten, man kann damit aber auch einen Nagel in die Wand hauen, das funktioniert aber nicht so gut wie mit einem Hammer. Und die Leute nehmen halt das, was sie gerade haben. So eine Einführung so einer Plattform … es gibt verschiedene Ansätze. Man besorgt sich diese Plattform, installiert die und probiert mal rum und dann passiert es nämlich genau so, dass jeder ein bisschen anders damit arbeitet, nicht alle haben mitbekommen, was überhaupt geht und dann wird es halt den Erfolg nicht haben, den es haben könnte. Das heißt, man muss sich schon Gedanken dabei machen, welche Funktion will ich nutzen und welche Funktion will ich wie meinen Mitarbeitern beibringen, damit die Zeit sparen. Also da muss man schon ziemlichen Aufwand in Schulungen stecken. Nicht Schulung im Sinne von „Das ist kompliziert und dann musst du da klicken und hier klicken.“, sondern eher Schulung im Sinne von „Schau mal, du willst ein Konzept machen, wen willst du dazu holen? Ist das geheim? Ist das offen?“ Also dass man halt begreift, wie man damit umgeht. Das ist nicht kompliziert, aber das muss man halt mal durchdacht haben.

Götz Müller: Und ich glaube aber eben auch, den Menschen sagen, was sie damit machen können. Also nicht nur das Wie, was ja gerade anklang, sondern eben auch das was und das möchte ich jetzt noch ein bisschen vertiefen, dass man mal von so, klar die sind wichtig, Meetings, E-Mails, vielleicht Dateiaustausch, aber im Grunde ist das ja wie einen Stift halten und jetzt kann ich ja darüber nachdenken, was mache ich mit dem Papier und Stift.

Oliver Ratajczak: Genau. Und das ist eben so, man muss die Philosophie verstehen, dass es halt sinnvoll ist, zum Beispiel, wenn man so ein internes Firmenwissensmanagement aufbaut, dass es halt allen im Unternehmen hilft, wenn alle auf die Informationen zugreifen können – natürlich mal ausgenommen die, die geheim sind, weil man gerade fusioniert mit irgendwem oder so – aber die Informationen, die man prinzipiell innerhalb des ganzen Unternehmens teilen kann, die sollten auch jedem zur Verfügung stehen und dazu muss man aber ziemlich stark auf die Firmenkultur im Zweifelsfall einwirken. Manchmal gibt es Unternehmen, da herrscht eine ziemlich schwierige Fehlerkultur. Wenn ein Fehler gemacht wird, bekommt man keine Beförderung. Und immer, wenn ich in solche Unternehmen komme, stelle ich fest, dass es extrem schwierig ist mit dem Informationsaustausch oder mit dem gemeinsamen Wissensmanagement, weil jeder sitzt auf seinen Informationen und sagt: „Ich speichere das lieber auf meinem persönlichen Laufwerk, wenn jemand fragt, kann ich ihm das geben, aber nur dann.“ Und denen beizubringen „Guck mal, wenn du diese Information öffentlich, also innerhalb des Unternehmens öffentlich zur Verfügung stellt und jeder würde es einfach über ein Suchfeld finden, würde es dem Kollegen vielleicht an einem anderen Standort einfach helfen. Und wenn es dem hilft, werdet ihr vielleicht insgesamt als Unternehmen schneller, besser, und ihr seid vielleicht besser als euer Wettbewerb. Das ist also die Grundbotschaft, weil egal wie schnell wir arbeiten, die Welt da draußen dreht sich nicht langsamer, sondern wird die wird halt immer schneller gefühlt und der Wettbewerb macht ja auch noch eine ganze Menge.

Götz Müller: Das möchte ich noch ein bisschen vertiefen. Du hast schon angedeutet, ein konkretes Beispiel, jetzt mal wirklich aus der Praxis von einem Unternehmen, von Menschen, natürlich geht es immer um Menschen. Wie funktioniert dann so eine Zusammenarbeit?

Oliver Ratajczak: Zum Beispiel, wenn man gemeinsam ein Konzept erstellen will. Einer fängt damit an, weil er hat im Zweifelsfall die Aufgabe „Komm, denk doch mal über diese Aufgabe nach.“ Klassischerweise würde er ein Meeting einberufen. In der neuen Welt, sage ich mal, kann er in dieser Zusammenarbeitsplattform einfach eine neue Seite eröffnen und schreibt da halt drauf „Liebe Kollegen, ich habe die Aufgabe bekommen.“ oder „Ich kümmere mich darum, über folgendes Problem, neue Produktentwicklung oder Wettbewerbssituation, die diskutiert werden muss, mir Gedanken zu machen und ich möchte gerne euch dazu einladen. Ich habe mir folgende Gedanken gemacht.“ Er schreibt die einfach auf die Seite, so ähnlich wie bei Word, es ist echt nicht mehr kompliziert und geht dann hin und teilt aus dem System diese Seite mit den Kollegen, die er gerne, von denen er gerne Feedback haben möchte, kann einfach die Seite teilen. Die bekommen dann eine kurze E-Mail oder eine Nachricht, da ist dieser Link drin, die gehen auf den Link, landen auf dieser zentralen Seite und können dann da ihren Input geben und im Zweifelsfall auch Punkte aus der Liste von dem ersten Kollegen streichen und sagen „Das würde ich so nicht machen, weil …“. So ist es praktisch ein nicht-zeitgleich stattfindendes Meeting. Jeder gibt zu der Zeit, zu der er den besten Input geben kann, halt seinen Input auf diese Seite. Und wenn man dann mit allen da erst mal Informationen gesammelt hat und sich da ein kleines Bild gebildet hat, dann macht man es vielleicht Sinn, einen Workshop zu machen oder sich in einem Meeting mal zu treffen und einzelne Punkte dann zu besprechen oder daraus Aufgaben zur weiteren Ausarbeitung herauszugeben.

Götz Müller: Mir geht da jetzt ein Punkt durch den Kopf, den ich so ein bisschen am privaten Umfeld gerade feststelle, dieser Aspekt Verbindlichkeit, den dann ein Meeting doch teilweise hat. Ich bin dazu eingeladen und warum auch immer, ich gehe dann hin und dann bin ich da, ich stelle aber immer mal wieder fest, auch an mir selber, da kommt eine E-Mail „Hier habe ich das und das abgelegt, mach doch mal mit.“, aber so ein bisschen auch der Aspekt „Aus den Augen, aus dem Sinn.“ Was ist da deine Erfahrung? Geht es nur mir so oder geht es auch anderen so und wenn ja, wenn es anderen so geht, wie kann man damit umgehen?

Oliver Ratajczak: Kann ich verstehen und es geht nicht nur dir so. Also es geht auch anderen so. Das hat halt was mit der Medienkultur in Unternehmen zu tun. Wenn man sozusagen sichtbar in einem Meeting sein muss, weil man nur da bereit ist, seinen Input bereit ist, seinen Input rauszugeben, dann ist das halt so. Aber ich habe viele Meetings erlebt, wo Leute zwar physisch anwesend waren aber geistig, glaube ich, schon längst im Urlaub. Und dann hilft das halt auch nicht. Und das sage ich ja, also so ein System führt man nicht einfach ein und sagt „Da ist es, viel Spaß.“, sondern es geht halt viel darum, einen Change im Kopf der Leute zu erreichen, zu sagen „Schaut mal, wir können jetzt dauernd Meetings machen und irgendjemand muss das dann immer protokollieren und dann könnt ihr die Protokolle lesen und korrigieren und dann das nächste Meeting machen oder wenn eine Aufforderung aus dem System kommt und der Kollege bittet euch darum, antwortet doch darauf und schreibt doch euren Input da rein.“ Das ist ein Prozess, das geht nicht von heute auf morgen, man kann so etwas nicht anschalten und dann funktioniert es. Aber, ich bin da ja bei Unternehmen unterwegs und meine Hauptaufgabe bei der Einführung unseres Systems ist es eigentlich, herauszufinden, welche Gruppen gibt es in dem Unternehmen und was, welche Aufgabe bereitet denen Schmerzen und auf welche Aufgabe haben die überhaupt keine Lust. Welche Aufgabe kostet die zwanzig Minuten am Tag und die haben darauf überhaupt keine Lust? Und genau diese Menschengruppen versuche ich sozusagen zu finden und überlege mir dann Anwendungsfälle, wie man denen diese zwanzig Minuten, diese leidvollen, am Tag ersparen kann. Das kann zum Beispiel sein, dass hatten wir bei einem Unternehmen, die hatten eben mehrere Standorte und immer wenn ein Termin koordiniert werden musste zwischen den mehreren Standorten, die keinen zusammenhängenden Exchange-Server hatten mit einem gemeinsamen Server, dann haben die Assistentinnen sich immer in die Telefone gehängt und haben mit allen anderen telefoniert. Das war ein super aufwendiger Prozess. Es ging dann soweit, dass die ersten gesagt haben „Lass uns doch Doodle verwenden.“, dann kam natürlich der Datenschutz und wir haben dann halt eine Möglichkeit geschaffen, so ein firmeninternes Doodle zu machen. Total simpel, man sagt halt „Ich hätte gern … ich möchte was mit euch besprechen“ oder keine Ahnung, sei es auch „Wir planen jetzt das nächste Sommerfest, an welchen Tagen könnt ihr?“, dann schickt man den Link an die Kollegen und die können dann einfach antickern die einzelnen Termine, an denen sie können und man hat super schnell eine Umfrage erledigt, an welchem Tag die meisten können. Das hat zum Beispiel den Assistentinnen damals extrem geholfen, weil die plötzlich die Terminabstimmung loswurden, wo sie so viel telefonieren mussten und dauernd hin und her. Das war super aufwendig. Oder im Projektmanagement. Klassischerweise war das bei einem der anderen Kunden so, dass die immer PowerPoint-Statusberichte schreiben mussten, in PowerPoint für ihren Projektstatus. Der wurde dann alle vier Wochen sozusagen erstellt, der wurde dann eine Woche vor dem Meeting mit dem großen Board fertiggestellt, dann verteilt an alle und dann wurde das halt diskutiert. Und wir sind halt hingegangen und haben gesagt „Den Status pflegen wir auf einer Seite in der zentralen Plattform und wir pflegen die immer. Wenn sich etwas Neues ergibt, ändern wir die.“ Das heißt, egal wann ich reinschaue, unter dieser bestimmten URL, unter diesem bestimmten Link, finde ich immer den aktuellen Status dieses Projekts. Das war vorher … das war ein Prozess, weil klassischerweise war das immer so „Wir schicken eine PowerPoint hin, dann wird die ausgedruckt und dann sitzt man vor dem Europa-Gremium und spricht mit denen und jeder hat seine PowerPoints dabei und jeder guckt halt durch.“ Wir sind halt explizit damals mit einem ziemlich großen Projekt hingegangen und haben das explizit nicht gemacht. Wir haben der Assistentin gesagt „Wir schicken keine PowerPoint, wir machen keine PowerPoint“, sind dann in das Meeting reingegangen, haben diese Zusammenarbeitsplattform aufgerufen – das kann man einfach im normalen Browser machen – am Beamer und haben da die Seite geöffnet mit dem aktuellen Status und haben dann da sozusagen das alles durchgeführt. Es war nicht in dem vorgegebenen PowerPoint-Format, aber es waren alle Informationen, die man brauchte. Und die Kernbotschaft war halt „So liebes Gremium, liebes Board, wenn ihr in einer Woche wissen wollt, wie der Status ist und geht genau auf diese URL, da ist der aktuelle Status und wenn ihr in zwei Wochen dahinguckt, dann ist er da auch wieder. Und nicht irgendeine PowerPoint, die abgelegt wurde vor zwei Wochen, sondern es gibt nur diese eine Seite mit jeweils dem aktuellen Status.

Götz Müller: Ja. Hört sich spannend an. Was im Grunde ja auch wirklich, ich verwende da den Begriff Shopfloor-Management noch mal, da ist ja ein ganz zentraler Aspekt, dass die Daten eben immer tagesaktuell sind, weil wenn ich über eine Produktion rede und ich treffe mich jeden Morgen, dann habe ich tagesaktuelle Daten.

Oliver Ratajczak: Das ist auch wichtig. Trotzdem ist manchmal auch eine Historie ganz wichtig. In so einem System zum Beispiel, von dem ich die ganze Zeit spreche, da gibt es auch eine Seiten-Historie. Das heißt, man kann prinzipiell nachgucken, wer hat wann was geändert. Was zum Beispiel gleich so Bedenken mit „Oh, da gibt es ja Vandalismus, wenn jeder alles ändern kann.“ sofort ausschließt, weil in ein System kann man halt nur rein, wenn man sich einloggt, damit ist man identifiziert. Wenn ich was ändere, wird es im Hintergrund protokolliert, man kann es also nachgucken. Und in allen Projekten, in denen wir so ein System eingeführt haben, gab es vorher immer die Diskussion „Ohh, da kann ja jeder alles ändern.“ und nachher ist das nie passiert. Es ist wirklich nie passiert. Auch in Abstimmung mit Betriebsräten, die gesagt haben „Wenn da jemand was Illegales reinschreibt oder Verleumderisches, dann muss es einen Notfallknopf geben, dass man das berichten kann“, haben wir immer gemacht, wurde nie … ist nie passiert, weil die Leute wissen, dass sie identifiziert sind und das ist halt keine Plattform, wo man Vandalismus treibt.

Götz Müller: Ja. Und das ist dann der Unterschied, wie wenn ich sonst vielleicht auf die Toilettenwand was schreibe.

Oliver Ratajczak: Genau. Weil da steht dann der Name drunter, das würde man sich dann auch zweimal überlegen, ob man das tut. Und … wenn man das mal erlebt hat, so kleine Punkte, dann entfacht das auch ein bisschen so das Feuer bei den Leuten. Und das ist halt genau meine Aufgabe, praktisch dafür zu sorgen … wie … welche Gruppen finde ich? Welche Arbeit haben die, auf die sie keine Lust haben und wie kann ich denen die im Zweifelsfall leichter machen oder gar abnehmen, wie zum Beispiel bei der Terminvereinbarung oder den Statusberichten.
Götz Müller: Da hast du, glaube ich, schon ein paar spannende Punkte erwähnt, jetzt fragt sich vielleicht der ein oder andere, ja, wenn ich so etwas einführen möchte, was passiert denn dann alles außer jetzt diesem Vorgehensteil, so ein bisschen, ja nennen wir es mal die zentralen Stakeholder zu identifizieren? Was passiert denn so auf der technischen Ebene zu? Vielleicht hört der ein oder andere mit einer IT-Affinität zu.

Oliver Ratajczak: Auf der technischen Ebene ist es extrem simpel. Also für das System braucht man keine besondere Technik, da reicht ein Webserver mit einem entsprechenden Festplattenplatz dahinter, das ist technisch super einfach zu machen. Entweder installiert man das selber bei sich, weil man eine IT-Abteilung hat, oder, wenn man die zum Beispiel gar nicht hat, kann man so etwas auch in einer Cloud hosten lassen. In einer Cloud, das ist immer so ein bisschen diffus, wo ist denn das jetzt? Also die Partner, mit denen ich ja zusammenarbeite, die sitzen in München und die betreiben das System, was sie auch selber entwickelt haben, auf deutschen Servern, nach deutschem Recht, das gehört einem wirklich. Ich sage immer, es gibt keine hundertprozentige Sicherheit, aber zumindest dieselbe Technologie, die deutsche Banken verwenden, um sozusagen Internetbanking anzubieten. Das ist von der Sicherheit ähnlich, also da muss man sich keine Sorgen machen. Also eigentlich muss man da noch nicht mal blechen oder Server anschaffen, sondern das kann man einfach in der Cloud für wirklich schmales Geld hosten. Und damit vielleicht die Zuhörer mal eine Idee davon haben, weil das Thema ist ja immer so „Was kostet denn das, so eine Plattform?“ und, also ich habe das für verschiedene Punkte durchgerechnet. Also zum Beispiel betrieben, so ein System in einer deutschen Cloud, Sicherheitsserver und alles, kostet bei, wenn man fünfhundert Mitarbeiter groß ist, zwanzig Cent pro Mitarbeiter pro Monat, und anders ausgerechnet, glaube ich, bis fünfzig Mitarbeiter kostet es ungefähr neunzig Cent pro Mitarbeiter pro Monat. Neunzig Cent pro Mitarbeiter pro Monat ist wirklich nicht viel. Wenn man sich mal anguckt, was man damit machen kann, ist es eigentlich erstaunlich.

Götz Müller: Als Schwabe sage ich da: „Jede zweite Woche eine Brezel pro Kopf.“

Oliver Ratajczak: Ja, das stimmt. Wir rechnen das immer gern in Kaffee um bei Starbucks, aber mit einem Starbucks-Kaffee kann man das Ding lange hosten.

Götz Müller: Ja, ich denke da werde ich dann auch in die Notizen zur Episode etwas reinnehmen, wo man dann noch ein bisschen was nachlesen kann.

Oliver Ratajczak: Ja, klar. Gerne.

Götz Müller: Oliver. Ich fand das eine spannende Diskussion. Ich denke, Digitalisierung wirkt immer erst mal relativ abstrakt vom Begriff her, aber da waren wieder sehr greifbare Dinge dabei und wichtig ist eben auch, was sich ja im Grunde jeder fragt: Was habe ich davon?

Oliver Ratajczak: Genau. Und das ist im Grunde ja immer die Frage, also man will ja nicht Digitalisierung machen, weil das gerade auf den Konferenzen angesagt ist, weil das überall im Web steht, sondern Digitalisierung ist doch auch nur ein Mitte, Prozesse, die man jetzt hat, die vielleicht ein bisschen holpern, schicker, schneller, billiger, effizienter zu machen und deswegen zäume ich das Pferd halt von andersrum auf und sage „Guck dir doch erst mal an, wo sind deine Punkte, die du besser machen kannst und dann überleg, wie du es umsetzt und nicht, wir starten jetzt ein Digitalisierungsprojekt.“ und dann analysiert man erst mal zwei Jahre, sondern es macht schon Sinn, mit einer geeigneten Plattform vielleicht erst mal klein anzufangen und dann schrittweise Stück für Stück mehr auszurollen.

Götz Müller: Ja. Absolut. Gut. Oliver, ich danke dir also für deine Zeit.

Oliver Ratajczak: Gerne.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Oliver Ratajczak zum Thema Digitale Kollaborationsprozesse. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 123.

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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder zu lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

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