Inhalt der Episode
- Was ist eigentlich Innovation?
- Welche Rolle spielt der Prozessgedanke bei der Innovation?
- Welche Rolle spielen die Menschen im Innovationsprozess? Wie gelingt die optimale Einbeziehung?
- Was können Hürden im Innovationsprozess sein?
- Was ist der Unterschied von Lateral Shortcuts zu „klassischen Innovationsmethoden“ wie Design Thinking, Lateral Thinking?
- Was sind typische Einsatzbereiche für Lateral Shortcuts?
Notizen zur Episode
- XING-Profil von Nadine Meisel
- LinkedIn-Profil von Nadine Meisel
- Website von Nadine Meisel
- Video-Vorstellung von Nadine Meisel
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Episode 136 – Innovationsprozesse
Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.
Götz Müller: Heute habe ich Nadine Meisel bei mir im Podcast-Gespräch. Nadine Meisel ist Strategiedesignerin und Innovationsberaterin. Hallo Nadine.
Nadine Meisel: Hallo Götz.
Götz Müller: Du bist ja jetzt nicht direkt ums Eck hier, wenn wir das mal global-galaktisch uns betrachten. Erzähl noch ein paar Worte von dir, dass die Zuhörer dich einschätzen können.
Nadine Meisel: Also ich bin ursprünglich, komme ich aus Deutschland, bin aus dem Hintergrund Produktdesign und Erfindungen, also ich habe in Deutschland studiert und habe da sehr viele Innovationen und Erfindungen generiert, bin dann aber gleich nach dem Studium ins Ausland, wo ich da jetzt seit fünfzehn Jahren von Kalifornien, Holland, Japan, dann über zehn Jahre Barcelona, mit einem Abstecher mit Mallorca, unterwegs bin, jetzt bin ich wieder auf dem Rückweg nach Deutschland. Und nachdem ich fünfzehn Jahre Design Thinking ohne überhaupt zu wissen, dass das existiert als Begriff, angewandt habe in Designprozessen, von Erstellen des Briefings hin bis zur Produktion, haben dann die Kunden seit ca. zehn Jahren mich immer mehr in strategischen Themen eingesetzt und seitdem bin ich als strategischer Designer und Innovationsberater tätig und helfe Unternehmen, Herausforderungen zu definieren, Strategien oder Richtungen entwickeln, in die sie sich neu orientieren können oder neue Business Opportunities bis zum Detail entwickeln und auch in Prozessen während der Entwicklung zum Beispiel Hürden jeglicher Art zu überwinden. Und das so zusammengefasst.
Götz Müller: Mhm. Passt. Jetzt ist der Titel unserer Episode und du trägst es ja auch in deiner Berufsbezeichnung, Innovation. Innovationsprozesse. Ich glaube, das ist so ein Begriff, da hat jeder so ein bisschen ein eigenes Verständnis vielleicht, da gibt es jetzt nicht diese Definition, deshalb jetzt vielleicht zum Einstieg die Frage an dich, wie ist deine Definition? Wo weichst du vielleicht auch vom Mainstream, von dem, was klassisch darunter verstanden wird, ab?
Nadine Meisel: Ja, zum Einen, eine sehr kompakte, klassische Beschreibung von Neuerung, neuen Ideen, Erfindungen und deren wirtschaftlichen Umsetzung, die teile ich und die ja auch über viele typische Beispiele, wie … von der Musik-CD zum Streaming-Dienst oder vom Automobilhersteller zum Mobilitätsservicedienstleister etc., die teile ich alle. Wobei bei mir ist es wichtig, dann immer wieder neu zu innovieren von dem Standpunkt, wo man jetzt ist, das heißt, immer weiter zu gehen, daher auch das Thema beyond, was bei mir immer wieder vorkommt, heißt, nicht über die Zukunft der Mobilität oder die Mobilität der Zukunft nachzudenken, sondern über die Zukunft der Zukunft der Mobilität, sprich, wenn mal alles elektrisch und selbstfahrend ist, was ja auch in absehbarer Zeit passiert, was ist dann? Was kommt danach? Ist dann vielleicht die Zukunft der Mobilität, sich gar nicht mehr fortzubewegen, sich zu beamen etc., also immer den Status quo oder wo man jetzt gerade ist, was man schon abschätzen kann, noch mal einen Schritt weiterzudenken und dafür dann innovieren. Das zum Einen und zum anderen, immer noch mal einen Schritt zurück an die Wurzel gehen und sagen „Wo sind wir eigentlich? Was wollen wir eigentlich?“ und nicht die Innovation über Technologie etc. einfach um der Innovation willen zu machen, sondern versuchen vielleicht sogar durch die Reduktion und das nicht produzieren etc. da Innovation oder Sachen von einem Kontext im anderen anzuwenden und so weiter.
Götz Müller: Ja, da kommt mir jetzt, bei den kleinen Beispielen, oder bei den Stichworten, die du genannt hast, kommt mir jetzt vielleicht in den Sinn Mobilität ja, zum einen, aber was passiert denn, wenn vielleicht mein Kühlschrank selber bestellt, dann muss ich gar nicht mehr einkaufen fahren.
Nadine Meisel: Genau. Das ist zum Beispiel eins, wohin die Mobilität sich bewegt, dass man sich gar nicht mehr fortbewegen muss. Die Frage ist nur, was passiert mit uns dann? Haben wir dann ein Bewegungsdefizit? Entstehen dann ganz neue Räume von Zeit oder Bewegungsbedürfnissen? Und darauf Antworten zu finden, sozusagen immer noch mal einen Schritt weiterzudenken und dafür zu innovieren und nicht zu versuchen, mit den herkömmlichen Sachen noch … ja, doch, schon auch herkömmliche Sachen, aber immer noch mal einen Schritt weiter und immer noch mal die Grenzen weiterdehnen sozusagen.
Götz Müller: Ja. Genau. So, jetzt habe ich die Episode ja Innovationsprozesse genannt und da jetzt an dich die konkrete Nachfrage, wie verstehst du den, ich persönlich habe da ein Bild, aber das muss ja nicht deinem entsprechen, wie verstehst du den Prozessgedanken innerhalb der Innovation?
Nadine Meisel: Ein Prozess, um Innovation hervorzurufen oder die Innovation als Prozess?
Götz Müller: Beides … Der Hintergrund meiner Frage ist ein bisschen, ich hatte vor einiger Zeit mal einen Artikel gelesen, da war so die Kernaussage, dass Prozesse die Kreativität, im Sinne als Teil der Innovation, weil ohne Kreativität wird es, glaube ich, keine Innovation geben, dass das aber umgekehrt durch Prozesse behindert wird, wo ich persönlich sage: „Nein, glaube ich nicht, weil Kreativität alleine macht noch kein verkaufbares Produkt.“
Nadine Meisel: Ja, und da teile ich beides, also ich glaube, dass ist auch genau die Abwechslung und die Kombination, die dabei wichtig ist, weil wenn man alles zu sehr plant und in einen Prozess reinquetscht sozusagen, verliert man natürlich Improvisationsmöglichkeiten und Kreativitäten etc., aber wenn man einfach nur ganz wild kreativ vor sich hingestaltet, dann führt das auch zu nichts letztendlich und je nach Kontext und je nach Challenges, denke ich, ist idealerweise ein Prozess auf jeden Fall im Hintergrund wichtig und der aber abwechselnd konvergent und divergent letztendlich immer wieder Sachen definiert, dann öffnet, Ideen in verschiedene Richtungen gehen lässt, danach wieder schön konvergent zusammenführt, auswählt, bevor man dann den nächsten Schritt eher wieder divergent angeht und das wichtige dabei ist halt, letztendlich einen Prozess im Hintergrund zu haben, darüber dann zu improvisieren, mit den Tools zu spielen, die auch wieder ihren eigenen Prozess, jedes einzelne, haben, aber improvisiert und flexibel genug, um es halt nicht in ein wirkliches Prozessschema ohne Ausweichmöglichkeiten zu quetschen.
Götz Müller: Ja, ich höre da auch so ein bisschen Themen raus … in meinem Umfeld ist natürlich der Standard, Standard Arbeit, und solche Dinge, standardisierte Arbeit auch so ein Thema und auch da entsteht immer wieder, nennen wir es mal Widerstand von den Beteiligten, die sich da nicht in ein enges Korsett pressen wollen, wo ich dann wieder sage, und ich glaube, man kann es auch auf das Thema Innovation und Kreativität haben, wenn ich so eine stabile Basis habe, gewinne ich ja auch andererseits Freiräume, weil ich über manche Dinge dann in der Form nicht so intensiv nachdenken muss und diese Kapazität plötzlich frei wird, oder?
Nadine Meisel: Genau, dass man die nötigen Dinge standardisiert, wie du sagst, und in eine bestimmte Schrittabfolge und so weiter setzt, aber eine Flexibilität behält und vor allem da immer wieder seine vordefinierten Räume hat, in denen man wieder das komplette Gegenteil macht, wo es überhaupt keinen … also schon einen Prozess gibt, aber immer innerhalb des Prozesses ganz viel Freiräume gibt, mit denen man immer ein bisschen flexibel umgehen muss, um nicht im falschen Moment zu unterbrechen zum Beispiel. Also ich sehe es wie eine Art Tanz, also indem man sozusagen Schritte als Basis hat und darüber improvisiert und ohne die Basis würde es letztendlich nicht funktionieren, aber nur ganz stur Schritte ablaufen, wäre letztendlich auch kein schöner Tanz mehr.
Götz Müller: Das ist, finde ich, ein wunderbares Beispiel mit dem Tanz und du jetzt in Barcelona, da fällt natürlich spontan Flamenco und sowas ein, da gibt es auch gewisse Standards und wenn man sich das so anguckt, ist trotzdem, glaube ich, kein Flamenco so wie der andere.
Nadine Meisel: Und viel kommt halt auch auf die Kommunikation und das Gespür für den Moment, dafür ist natürlich auch die Leitung von solchen Innovationsprozessen wichtig, dass ein Facilitator, also jemand da ist, der genau weiß, in welchem Moment man jetzt welches Tool einsetzt, je nach Situation wieder reagiert und ähnlich wie im Tanz eine Kommunikation zwischen den beiden Tänzern, da dann die Kommunikation zwischen der Person, die durch den Prozess führt und den Teilnehmern aufgebaut wird.
Götz Müller: Ja. Jetzt hast du hier wissentlich/unwissentlich mir schon ein schönes Stichwort geliefert, nämlich den Menschen mit der Rolle, oder zumindest aus deinen letzten Sätzen habe ich schon zwei rausgehört, nämlich einerseits die Teilnehmer, die jetzt vielleicht geführt werden, um bei der Metapher zu bleiben, du hast es Facilitator genannt, den Moderator. Was würdest du sagen, welche Rolle spielen die Menschen auf diesen beiden Seiten, wie gelingt es sie optimal einzubeziehen?
Nadine Meisel: Auf beiden Seiten spielen die Menschen eine crucial Rolle, vor allem in kreativen Prozessen. Andere Prozesse werden irgendwann durch Roboter abgelöst werden, aber immerhin beim kreativen und Innovationsprozess wird es noch eine Weile dauern. Und da spielen auf der Teilnehmerseite die Menschen insofern eine große Rolle, dass sie meiner Meinung nach idealerweise interdisziplinär zusammengestellt werden, von Schlüsselfiguren, Interessenvertretern bis zu Nutzern und Experten, alle an einen Tisch gesetzt oder gestellt werden im aktiven Prozess, um dann Innovation hervorzurufen und zum anderen natürlich auf der Moderatorseite ist es sehr wichtig, dass es jemand ist, der nicht nur jetzt den Prozess und die Methode kennt, sondern auch die entsprechende Erfahrung hat, idealerweise die einzelnen Rollen wie ein Dirigent in einem Konzert zu führen zu leiten, ihnen die gewissen Freiräume zu geben und die richtigen Fragen an der richtigen Stelle zu stellen, jedem genug Kommunikationsmöglichkeiten und Freiraum zu geben, aber dann trotzdem es nicht ausufern zu lassen, was dann letztendlich die Kunst dabei ausmacht, das alles zu einem flüssigen Tanz werden zu lassen.
Götz Müller: Ja, ja, die Metapher ist, glaube ich, richtig genial, weil ich habe da definitiv gerade Bilder im Kopf. Speziell bei lateinamerikanischen Tänzen ist es ja auch zentral, dass man sich eben nicht die ganze Zeit festhält, sondern da mal wirklich auch mal Abstand entsteht und ich könnte mir vorstellen, dass das auch in einem Innovations-, Kreativitätsprozess ähnlich ist, so vom Moderator eine etwas längere Leine zu lassen und dann auch die Teilnehmer wieder enger ranzuholen.
Nadine Meisel: Genau. Und das im richtigen Moment. Gerade bei Zeitdruck ist es besonders wichtig, die dann gut abzufangen, wobei Zeitdruck wiederum hilfreich ist. Gegensätzlich zu anderen Meinungen finde ich sogar, dass Zeitdruck sogar Kreativität fördernd ist und aber mit muss man gut umgehen, dass man unter Zeitdruck immer genug Freiheit lässt und im richtigen Moment immer die Leine wieder ranzieht, was natürlich in solchen … wie nennt man das auf Deutsch … in diesen Executive Levels muss man immer vorsichtig damit umgehen, um niemanden zu unterbrechen, auch Kommunikationsbedürfnisse dann im richtigen Moment auf eine elegante Weise dann wieder in einen nächsten Schritt des Prozesses weiterzuführen.
Götz Müller: Einerseits das könnte ich mir gut vorstellen, andererseits vielleicht auch eine gewisse Ungeduld, eher entgegenzuwirken, also so nehme ich zumindest in den oberen Führungsebenen oft Menschen war, dass die von einer starken Ungeduld angetrieben werden, so im Sinne von „aber jetzt muss doch mal“ und das dann aber, glaube ich, möglicherweise, nicht pauschal immer, aber möglicherweise auch wieder eine Hürde sein kann, oder?
Nadine Meisel: Jaaa. Ich habe eher die Erfahrung fast umgekehrt, weil … also ich habe viel mit oberen Führungsebenen zu tun und dadurch dass sich das alles … die haben oft wenig Zeit, also das heißt, das muss dann in sehr, sehr kurzer Zeit alles stattfinden und da ist das zeitlich immer so optimiert, dass gar keine Zeit ist, da irgendwie ungeduldig zu werden, daher habe ich diese Erfahrung bisher nie gemacht. Ich kann mir das gut vorstellen, also ich habe schon selbst bei Workshops, wo ich als Teilnehmer mitgemacht habe, selbst gemerkt, das kann gut passieren, aber ich denke, darin besteht ja die Kunst, das nicht aufkommen zu lassen, also sozusagen gar keinen Freiraum oder Möglichkeit, dass es überhaupt so weit kommt, sondern jede Sekunde macht Sinn und jede Sekunde führt irgendwo hin und wenn die halt gerade dafür ist, dass wir jetzt kurz uns Gedanken machen können, aber da ist dann klar, in einer Minute geht es weiter und da werden die wieder angewendet.
Götz Müller: Ja. Den Punkt möchte ich jetzt noch ein bisschen vertiefen, was können deiner Ansicht nach Hürden im Innovationsprozess sein? Wo …
Nadine Meisel: Also Hürden … eine der größten Hürden ist, finde ich, zu spät anzufangen, also wenn man sozusagen erstmal anfängt mit irgendwelchen Prozessen, Methoden, irgendwas und dann auf halber Streckte merkt, wir haben jetzt so viel angewendet und aber eigentlich diesen Innovationsgedanken viel zu spät einfließen lassen, also wir machen jetzt erstmal mit den herkömmlichen Wegen und wenn es dann nötig ist, innovieren wir, sondern ich finde, die Innovation, also den Aspekt muss man ganz von Anfang einfließen lassen, bevor man überlegt, in welche Richtung wollen wir oder was wollen wir überhaupt, was sind unsere Ziele, unsere purposes dahinter und sozusagen das alles ganz am Anfang schon über einen Innovationsprozess zu definieren. Und nicht erst dann, wenn man denkt, jetzt könnte man damit mal anfangen. Also oft ist es … dass Leute erst später damit anfangen beziehungsweise zu früh in eine Richtung rennen „Ach, jetzt haben wir es ja, wir machen das jetzt, ohne es noch einmal in Frage zu stellen“ … also rauszuzoomen und sagen „Ok, wie können wir hier jetzt noch mal anders rangehen, bevor wir uns verrennen?“
Götz Müller: Da möchte ich noch ein bisschen nachfassen. Im Sinne von zu spät sich überhaupt über Innovation Gedanken zu machen, also im Sinne von, jetzt hat da einer ein iPhone erfunden und drei Jahre später merke ich, dass mir das ein Problem bereitet, wenn ich Nokia heiße. Das ist der Gedanke, der dahinter steckt, oder?
Nadine Meisel: Genau. Dass man sozusagen sich nicht ausruht auf „ach, wird schon, geht schon, wir werden es ja dann, wenn es nötig ist, schon einfließen lassen“, sondern und jetzt weniger Innovation, aber selbst noch mal zu definieren, zu fokussieren, immer wieder in Betracht ziehen, zu sagen, bevor es zu spät ist oder der Zug irgendwie abfahren könnte, sollen wir nicht jetzt schon mal darüber nachdenken, was könnten wir machen, also in welchem Fall könnten wir innovieren, etwas ändern uns neu definieren, bevor es irgendwie zu spät sein sollte.
Götz Müller: Mhm. Jetzt gibt es ja verschiedene Werkzeuge, nenne ich es mal, Methoden, wie man das Thema angehen kann, da weiß ich jetzt aus dem Vorgespräch, dass du da eine spezielle Methode hast, und ich möchte da so ein bisschen den Bogen dorthinschlagen, vielleicht dann auch untermauert durch das ein oder andere Beispiel von dir, also wie gehe ich mit Innovation, mit dem zugrunde liegenden Prozess … wie kann ich damit umgehen?
Nadine Meisel: Ja, ich habe, nachdem ich ja viele Jahre als Erfinder und Produktdesigner einige Innovationspreise, Patente, und so weiter hatte, und die Kunden dann das Gleiche zum einen auf höherer Ebene anwenden wollten, aber das dann auch selbst lernen wollten, habe ich letztendlich meine Denkweise in eine Methode verwandelt, oder eine definiert/kreiert, die heißt Lateral Shortcuts, die aus drei Schritten besteht, die sozusagen ganz einfach auf alle möglichen Challenges, Herausforderungen, anwendbar sind. Und die hilft sozusagen in … bei jeder Challenge, in jeder Situation, ganz am Anfang, während dem Prozess oder auch noch vor Prozessen, sich sozusagen zu definieren, wer sind wir, welche Lösungen können wir gehen, Richtungen zu definieren etc.
Götz Müller: Vielleicht bevor wir da noch tiefer einsteigen, wo unterscheidet sich deine Methode von den, ich nenne es jetzt mal klassischen Innovationsmethoden, Design Thinking, Lateral Thinking?
Nadine Meisel: Ja, einmal … also die Methode, also um mehr zu verstehen, um was es geht, ist eine Kompensation von Elementen vom Design Thinking und Lateral Thinking. Also ich habe das, nachdem ich das zehn, fünfzehn Jahre angewandt hatte, die Elemente intuitiv aus beiden genommen, ich wusste noch nicht mal, dass es Design Thinking heißt, habe automatisch die Elemente rausgenommen und die in drei zusammengepackt, in drei Schritte. Der erste ist, die Herausforderung neu zu definieren, also was auch immer unser Ziel ist. In Frage zu stellen, wollen wir wirklich mehr Autos produzieren oder wollen wir eigentlich mehr Business generieren? Müssen wir irgendwelche Investoren zufrieden stellen? Was ist das Ziel dahinter? Der zweite Schritt ist laterales Denken anwenden und um Ideen zu generieren, die innovativ sind, dadurch raus aus der Box zu gehen, um dann ganzen außen oder beyond the box sogar, Abkürzungen für die neu definierte Challenge zu generieren. Und diese drei habe ich sozusagen … da gibt es Elemente, die aus Design Thinking genommen habe, wie der bedürfnisorientierte Ansatz, das Interdisziplinäre, die Lösung … also vom Prozess habe ich Elemente drin und den habe ich dann aber optimiert und verkürzt und vom Design Thinking habe ich das outside the box, auf Deutsch weiß ich nicht, wie der Begriff dazu wäre …
Götz Müller: Ja, ich glaube, das versteht man.
Nadine Meisel: Das jenseits vom Offensichtlichen, komplett losgelöst vom logischen oder konventionellen Denken, diesen Ansatz zu integrieren, aber im Vergleich zu Lateral Thinking, wo es letztendlich darum geht, wild Ideen zu generieren und anzuwenden, sehr über einen Prozess fokussiert und sozusagen fokussierter, kompakter reinbringen auch nur an der Stelle, wo es wirklich nötig ist, immer mit dem Ziel im Hinterkopf.
Götz Müller: Ja. Kannst du vielleicht mal ein, zwei Beispiele machen, wo das zum Ausdruck kommt?
Nadine Meisel: Ja. Also die Lateral Shortcuts selbst ist an einem Beispiel, womit alles anfing sozusagen, gut zu verstehen und zwar schon vor zwanzig Jahren, noch vor meinem Studium, gab es in Deutschland einen Wettbewerb zur originellsten Sitzgelegenheit. Während verschiedene Designfirmen monatelang an Stühlen, Bänken jeglicher Art gebastelt haben, habe ich einen Tag vorher entschieden teilzunehmen und zwar nicht nur irgendeine Sitzgelegenheit einzureichen, sondern mit dem ersten Schritt sozusagen, die Herausforderung neu zu definieren, um was geht es hier? Es geht hier nicht darum, einen Sitz zu bauen, sondern es geht mir ja eigentlich darum, den Wettbewerb zu gewinnen. Dann habe ich auch im ersten Schritt analysiert, was habe ich denn an Resources, die in meinem Fall … ich hatte kein Geld, keine Materialien, keinen Platz, keine Idee von Design, was hatte ich an Ressourcen? Nicht viel außer einem Freund unter anderem und der mir auch viel Zeit gefressen hatte, in Anführungszeichen, und daraufhin basierend und die ganzen Challenges, die Kriterien des Wettbewerbes, die waren Komfort, Substainability, vor allem originell sollte es sein und dann im zweiten Schritt, laterales Denken andenken heißt, raus aus meiner Box, weg vom Herkömmlichen, dass ein Sitz vier Beine, eine Rückenlehne und so weiter haben muss, ich meine, beim Sitzen geht es ja darum, komfortabel zu sein, seinen Rücken auszuruhen etc., die Kriterien in Betracht zu ziehen, zu schauen, was kann ich … wie kann ich die Ressourcen, die ich habe, anwenden, um diese Kriterien zu erfüllen. Und dann habe ich den Shortcut als dritten Schritt gemacht, indem ich dann von meinen nicht obvious resources, also sozusagen den Freund unter anderem als Resource gesehen habe und zu sagen, den kann ich doch als Sitz einreichen und dann habe ich tatsächlich den Freund offiziell als Sitzgelegenheit zu dem Wettbewerb eingereicht. Der saß zwischen allen Sitzen, wurde von der Jury getestet, wir haben alle Kriterien erfüllt und nicht nur Substainability, Komfort etc., sondern vor allem auch Originalität, was das Hauptkriterium war, und damit sozusagen den Wettbewerb gewonnen und das war dann ein lateraler Shortcut in dem Fall, dass man sagt: Okay, einmal ging es nicht darum, eine Sitzgelegenheit einzureichen oder zu bauen, herzustellen, sondern den Wettbewerb zu gewinnen. Wie komme ich dahin noch schneller, noch einfacher mit den existieren Ressourcen, was in dem Fall unter anderem der Freund war? Und den sozusagen als Sitzgelegenheit umzufunktionieren, die genau das Ziel getroffen hat und der mich sogar noch zum Wettbewerb gefahren hat, insofern war das eine ganz einfache Lösung für dieses neu definierte Ziel.
Götz Müller: Ja, und das eigentliche Ziel zu hundert Prozent erreicht, nämlich den Wettbewerb zu gewinnen.
Nadine Meisel: Oder zu hundertzwanzig Prozent, weil das Beispiel noch berühmt wurde, wie man einen Wettbewerb gewinnen kann durch so einen komplett out-of-the-box-Ansatz.
Götz Müller: Vielleicht noch ein bisschen vertieft, im Sinne von auch … von den klassischen Innovationsmethoden … gibt es aus deiner Sicht besondere Einsatzmethoden, wo du sagst „Genau da nehme ich die Lateral Shortcuts?“
Nadine Meisel: Einsatzbereiche gibt es ganz viele, weil glücklicherweise kann man das auf alles anwenden, also auf alle Arten von Challenges eigentlich, angefangen von sich als Firma neu zu erfinden, zu sagen „Wollen wir an unserem Kernprodukt festhalten oder haben wir andere Zukunftsgeschäftschancen oder -strategien, die wir eventuell entwickeln wollen?“ bis zu da konkret werden, wenn man sich schon über die Richtung klar ist, welche Geschäftschancen könnten wir generieren, was für Service, Produkte das alles könnten, da zu shortcutten. Man kann aber auch Prozesse und Ergebnisse optimieren, da haben ich einen ganz besonderen Ansatz, wie man sozusagen Lateral Shortcuts anwedet, um solche Prozesse und Ergebnisse unter anderem der Designprozess, Design-Thinking-Prozess zu optimieren. Dann, wie können wir Ressourcen optimieren, ein bisschen wie dem Freund als Sitzgelegenheit. Welche unobvious resources können wir nehmen? Da habe ich ganz, ganz viele Beispiele oder in vielen, vielen Fällen haben wir Ressourcen entdeckt, die man nicht als Ressource betrachtet hatte, bis wir darauf kamen und mit der man dann sozusagen alles retten konnte. Und dann kann man es auch anwenden, um jegliche Hürden zu überkommen. Wir sind jetzt an dem Punkt angekommen, wie können wir jetzt die andere Abteilung davon überzeugen? Wie können wir jetzt da noch schneller auf den Markt kommen? Was auch immer dann für eine Hürde später wieder auftaucht. Und idealerweise in letzter Zeit wird es sogar noch … wenden wir es an, noch ganz bevor ein Prozess anfängt, allein in der Projektscopedefinition, also sozusagen, in der Angebotsdefinition noch vorher, bevor man ein Projekt überhaupt definiert, wie können wir hier shortcutten, das wir da ganz optimal das Angebot erstellen etc. Und vielleicht ein Beispiel …
Götz Müller: Gerne.
Nadine Meisel: Vor allem mit dem Thema Prozesse und Ergebnisse optimieren hätte ich eines beziehungsweise zu Minimumressourcen. Also zum Beispiel wie man Ressourcen optimieren kann ist ein Beispiel eine katalanische Möbelfirma, die vor ein paar Jahren auf mich zukam, die hatten ihr komplettes Geschäft, wie sagt man Business, auf einem Regalsystem aufgebaut, dreißig Jahre lang ein Bücherregalsystem für öffentliche Einrichtungen verkauft, die dann letztendlich verschiedenen Krisen ausgesetzt wurden. Einmal gab es eine Krise im Produktdesign, vor allem im Möbelbereich. Die ganzen öffentlichen Einrichtungen, vor allen in Spanien, hatten keine Gelder, die hatten die Regale schon, die hielten ewig. Und sie sind sozusagen dreißig Jahre gewachsen und gewachsen, die Fabriken wurden ausgebreitet, die Teams sind gewachsen und plötzlich brach der ganze Markt ein. Ach so, es kommt noch dazu, Bücherregalsysteme … in der Digitalisierung hat auch kaum jemand Bücher …
Götz Müller: Richtig.
Nadine Meisel: Und ich … sie waren … sie hatten schon Insolvenz angemeldet, waren kurz davor Fabriken zu schließen, Leute zu entlassen und haben gemeint „Können wir hier nicht irgendeinen Shortcut machen?“ und ich habe sozusagen mit ihnen gemeinsam analysiert. Ihre Ressourcen waren unerwarteterweise, dadurch dass sie alles sehr manuell hergestellt haben, also viel geschweißt haben, herkömmliche, also sehr einfache Materialien, Holz, Metall etc. hatten, kann man die ganz schnell von heute auf morgen … einfach den Designplan umschweißen, anders zusammensetzen und dadurch hat man plötzlich ein, da habe ich dann als Designer noch mitgewirkt, damit das Ganze noch gut aussieht, hatte man dann plötzlich ganz viele neue Märkte, von der Kücheneinrichtung bis zum Kleiderzimmer, Studierzimmer, Wohnzimmer, ganz verschiedene … von Schubladen über Weinregale, alles konnte man dann aus diesem Regal noch machen, nur durch anderes Zusammenschweißen. Und da hat man sozusagen etwas eigentlich das, was sie dachten, was ihr Handicap wäre, war dann eigentlich ihr Vorteil, weil sie von heute auf morgen umschwenken konnten. Sie hatten dann innerhalb von einer Woche einen Prototyp, der in Mailand auf der Möbelmesse präsentiert, hat Designpreise gewonnen, Ikea hat versucht, es zu kopieren und letztendlich sind sie dann innerhalb von Wochen von der Insolvenz zu einem erfolgreichen Business wieder gelangt.
Götz Müller: Ja, da höre ich das raus, was du vorhin bei der Sitzgelegenheit gesagt hast. Im Grunde ging es auch da nicht darum ein neues Bücherregal zu definieren, sondern als Unternehmen zu überleben, was jetzt mal eine ganz andere Ausrichtung ist.
Nadine Meisel: Genau. Und anstelle des herkömmlichen Ansatzes, wir lassen das Bücherregalsystem und wir machen jetzt Couches oder irgendwelche andere Sachen, andere Möbel, zu sehen, wie können wir das, was wir haben, was wir schon aufgebaut haben und da steckt ja viel drin, wie können wir das nutzen und dann an dem Schlüssel drehen, wo wir wie in dem Fall einfach umschweißen, was ganz einfach zu machen ist, wie können wir das nutzen, um das Bestmögliche herauszuholen und das ist so ein bisschen diese Shortcut-Idee, dass man nicht alles von Null, hinwirft und noch mal neu anfängt, sondern das nimmt, was man nutzt … herausfindet, was ist unsere Kernkompetenz und wie können wir die optimieren und das beste rausholen. Und in dem Fall waren es fast zero resources, weil dieses Umschweißen … das hat ein paar Tage gebraucht, um es den manuellen Herstellern sozusagen zu zeigen, zu erklären, aber danach war sozusagen kein Investment mehr nötig.
Götz Müller: Okay. Spannend. Vielleicht so, ich gucke mal so ein bisschen auf die Uhr, wir sind schon ein bisschen über der halben Stunde … Ich habe gerade so vor meinem geistigen Auge ein Thema, aber ich glaube, da könnte man nicht nur eine Podcast-Episode draus machen, vielleicht denken wir da noch mal getrennt darüber nach. Jetzt so zum Abschluss auch eine Frage, die ich immer wieder stelle, gibt es denn irgendetwas, was man besonders beachten sollte, wo vielleicht die Methode nicht so funktioniert, wo ich dann unter Umständen vielleicht enttäuscht bin, weil ich die falschen Erwartungen habe?
Nadine Meisel: Also bis jetzt hatte ich, Gott sei Dank, nur die Erfahrung, dass es immer funktioniert hat, weil es letztendlich ja so generell ist … also überall die Challenge neu zu definieren, einmal raus aus der Box und von außen shortcutten, das funktioniert immer. Also es gibt eigentlich … es sei denn man möchte es überhaupt nicht und möchte das gar nicht erst anwenden oder anfangen. Bis jetzt hat es immer funktioniert, vom kleinsten Detail bis zur kompletten … also wir haben schon die … für größere Automobilkonzerne haben wir mehrfach die Future-Strategie neu definiert und ganz neue Business Opportunities generiert und Firmen geholfen komplett aus ihren Challenges Opportunities zu machen und egal in welchem Aspekt hat es immer geholfen. Sei es in einer Firma … oft kommt der Fall, dass sie zu mir kommen, wenn sie merken, oh sie haben da jetzt schon Prozesse angewendet, stecken irgendwo fest und meinen „Ach, hätten wir Sie doch von Anfang an mal eingesetzt“, aber selbst dann, wenn man später sagt „Oh, wir stecken hier und hier fest“, haben wir zu den Challenges immer Abkürzungen gefunden. Und teilweise definiert man dann oder bei der Herausforderungsdefinition findet man wieder ganz neue und für die ganz neue findet man wieder zehnmal so viele Lösungen und bis jetzt hatte ich nur gute Erfahrungen damit gemacht.
Götz Müller: Ja. Ohne das jetzt, weil das könnte, wie gesagt mehr als eine Episode sein, was mir gerade vor dem geistigen Auge vorbeizieht, ist eben nicht ein einzelnes Unternehmen, das vor einer Herausforderung steht, sondern im Grunde eine ganze Branche, wo die einzelnen Unternehmen, die dort unterwegs sind, und da reden wir jetzt nicht nur über eine Handvoll, sondern im drei- bis vierstelligen Bereich, kleine Unternehmen, die aufgrund von Marktveränderungen, ich will nicht sagen überschüssig werden, aber definitiv deren Markt an sich zurückgeht. Ähnlich für den Regalbauer angedeutet hat, weil man halt einfach keine Regale mehr braucht, wenn man nur noch eBooks hat und da nicht nur ein Regalbauer, sondern im Grunde die ganze Branche. Aber, wie gesagt, ich glaube, das würde jetzt zu weit führen, wenn wir das vertiefen.
Nadine Meisel: Angewandt haben wir es viel bei der Automobilbranche in dem Fall, wo eigentlich firmenübergreifend da sozusagen Lösungen entwickelt werden. Ja.
Götz Müller: Ja. Vielleicht müssen wir da wirklich noch mal getrennt darüber nachdenken. Nadine, ich danke dir für deine Zeit.
Nadine Meisel: Ja. Gern geschehen, ebenfalls.
Götz Müller: Ich fand, das war eine hochspannende Unterhaltung und vielleicht ergibt sich ja noch mal eine Folgeepisode daraus.
Nadine Meisel: Ja. Gerne.
Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Nadine Meisel zum Thema Innovationsprozesse. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 136.
Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freue ich mich über Ihre Bewertung bei iTunes. Sie geben damit auch anderen Lean-Interessierten die Chance, den Podcast zu entdecken.
Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder zu lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.
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