Inhalt der Episode:
- Was ist BIM?
- Welche Vorteile hat BIM?
- Welchen Einfluss hat BIM auf die Bauherren, Architekten & Planer, Bauunternehmen, Handwerker, Betreiber?
- BIM im internationalen Vergleich
- Wie verändert BIM die Bauindustrie, die Prozesse und die Tätigkeiten der Menschen?
Notizen zur Episode:
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Wenn Sie selbst ein interessantes Thema für eine Episode im Umfeld von Geschäftsprozessen haben, können Sie mir das auf dieser Seite mit Vorbereitungsfragen vorschlagen.
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(Teil)automatisiertes Transkript
Episode 207 : Bauprozesse mit BIM
Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.
Götz Müller: Heute habe ich Mark-Felix Rettberg bei mir im Podcastgespräch. Er ist Unternehmensberater im Lean-Construction-Kontext. Hallo Herr Rettberg.
Mark-Felix Rettberg: Hallo. Ich grüße Sie.
Götz Müller: Ich habe schon einen halben Satz zu Ihnen gesagt, aber sagen Sie gerne noch mal ein paar weitere Sätze, mit was Sie sich so hauptsächlich beschäftigen.
Mark-Felix Rettberg: Ja, gut. Also ich bin Unternehmensberater im Bauumfeld, speziell mit dem Fokus auf die BIM-Einführung und Lean-Construction-Einführung im Mittelstand und in großen Unternehmen. Zu meiner Person: Ich bin verheiratet, ich bin 43 Jahre alt, habe, denke ich, ein spannendes Leben bis jetzt auch gelebt, habe in unterschiedlichen Ländern in Europa verschiedene Bauprojekte mit begleitet, bin von Haus aus Bauingenieur, Baubetrieb aus Karlsruhe und habe dann den Weg über die ersten Baustellenerfahrung in die Softwareindustrie gefunden und habe dann, ja, CAD- und BIM-Systeme in Unternehmen eingeführt und bin dann 2008 mit dem Hintergedanken BIM nach Skandinavien, nach Norwegen, gegangen, wo gerade 2008 eigentlich durch den großen, ja Bauherren diese ganze BIM-Bewegung in Norwegen losgegangen ist und habe dann eben als Unternehmensberater BIM-Technologien aber auch die BIM-Prozesse in Skandinavien mit gestaltet, die dann eben in Unternehmen eingeführt, egal ob das jetzt Architekturbüros waren, Ingenieurbüros oder Gesellschaften waren. Ich habe auch immer wieder diese BIM-Projekte eigentlich mit begleitet, wo es dann eigentlich darum ging, diese unterschiedlichen Planer in integralen Planungskonzepten zusammenzubringen und habe mich dann 2011 auf das Bauunternehmen spezialisiert. Ich bin damals zu einem großen Bauunternehmen in Skandinavien gegangen und habe dort daneben angefangen als BIM-Stratege, diesen Technologiewandel von CAD hin zu BIM in ein Bauunternehmen zu tragen und da geht dann natürlich die Prozessarbeit los, die die Strategiearbeit los, die strategische Verankerung, das, sage ich jetzt mal, das Abstimmen mit anderen strategischen Initiativen und dann natürlich die spannende Fragestellung, wie trage ich das jetzt in Unternehmen mit 1000+ Mitarbeitern rein in einer begrenzten Zeit.
Götz Müller: Jetzt könnte ich mir vorstellen, viele meiner Zuhörer haben irgendwas mit Lean am Hut, aber wahrscheinlich ein relativ kleiner Kreis nur mit BIM. Das heißt zum Einstieg sollten Sie einfach, ich weiß ein bisschen was darüber, aber für die Allgemeinheit der Lean-Kollegen mal kurz umreißen, was ist denn BIM eigentlich.
Mark-Felix Rettberg: Ja. Also das Spannende an BIM ist eigentlich, dass es zu einem Synonym für eine Veränderung in der Bauindustrie geworden ist. Man kann gar nicht mehr so richtig den Finger drauflegen, ist es jetzt dieses Building Information Model, von dem die Softwarehersteller sprechen oder ist es der Prozess Building Information Modeling, wo es darum geht, wie diese Modelle, diese digitalen Zwillinge eigentlich das Gebäudemodell zum Entstehen oder ist es vielleicht sogar ein Begriff für die integrale Planung zwischen unterschiedlichen Planungsbeteiligten, oder ist es vielleicht sogar schon ein Teil, den sich Lean auch zuspricht, wo es dann darum geht, eine gute, visualisierte Arbeitsvorbereitung zu machen, integrale Prozesse, Vorfertigung und prefabrication und assembly quasi auf die Baustelle zu bringen. Da auch gerade Stichworte wie Integrated Concurrent Engineering, die jetzt aus dem Englischen vielleicht schwierig zu übersetzen sind, aber es ist alles und wiederum ist dann runtergebrochen sehr, sehr viel Technologie und Digitalisierung und es gibt die unterschiedlichsten Definition. Bei Wikipedia findet man einfache, die auf, sage ich jetzt mal, auf das Modell runtergebrochen ist. In den akademischen Bereichen geht es dann sehr, sehr schnell in die Prozesse, die notwendig sind, damit integrale Planung oder ein, sage ich jetzt mal, ein Bauprojekt virtuell mit vielen Planungsbeteiligten dann auch funktioniert, und wenn Sie dann in die Unternehmensstrategien schauen, dann wird es unheimlich spannend, ja. Also es gibt, denke ich mal, keine zwei gleichen BIM-Strategien, die, oder es gibt keine BIM-Strategie, die jetzt für jeden Sinn macht. Es ist wirklich stark davon abhängig, wo will das Unternehmen hin, wie verändern sich heute Geschäftsmodelle. Denken Sie daran, dass wir bisher eigentlich im klassischen Bauprozess ja diese Planung, Ausschreibung, Bauausführung und danach den Betrieb haben, das Ganze verändert sich gerade, ja, in einem rasanten Tempo, wo mittlerweile eben diese Revolution, die auch auf der Bauherrenseite passiert, ein gewisses Tempo, ein Momentum mitreinbringt. Also es ist von der Technologie her gesehen die logische Weiterentwicklung, des CADs hin zu einem dreidimensionalen Modell, was auch in der Lage ist, die notwendigen Informationen auf den Bauteilen abzulegen und zu verwalten. Es ist aber auch sehr viel Prozess, wo es darum geht, wie arbeiten die unterschiedlichen Planungsbeteiligten, die Architekten, Tragwerksplaner oder auch die Bauunternehmer, wie arbeiten die enger zusammen, basierend auf diesem Modell im Zentrum, oder sind strategische Elemente.
Götz Müller: Ja. Wenn man jetzt klassisches CAD, glaube ich, nimmt, sagen wir mal im Maschinenbau-Kontext, wo ich halt auch wenn’s vielleicht mittlerweile dreidimensional ist, wo ich halt Teile habe, Maschinenteile, Fahrzeugteile, was auch immer, ich glaube, soweit, wie sich das Bau-CAD entwickelt hat, Richtung BIM, kann man das für kein anderes CAD so finden, oder?
Mark-Felix Rettberg: Doch. Ich denke, es ist sehr, sehr stark vergleichbar mit der Entwicklung, die Sie gerade angesprochen haben. Die Automobilindustrie, die Maschinenbauindustrie generell, ich denke, die haben vorgelegt und ich denke auch, dass die Computertechnologie und die Spieleentwicklung eigentlich so ein Punkt waren, wo man adaptiert hat, wo man vielleicht sogar sich daran orientiert hat. Man hat andere Ansätze gefunden, weil wir halt heute noch nicht da sind, dass wir standardisierte, genormte Normteile haben, die in dem Bauwerk verbaut werden, sondern sehr, sehr viele individuelle Einzelprodukte. Wir sind am Anfang ganz sicher, was diese Entwicklung angeht, aber das ist schon, sage ich jetzt mal, es sind unterschiedliche Entwicklungsstränge. Das, was interessant ist an dem, ist weniger die Software und die Möglichkeiten, die dort liegen, sondern tatsächlich die Prozesse, die, sage ich jetzt mal, in der Baubranche vieles auf den Kopf stellen in den letzten Jahren.
Götz Müller: Jetzt glaube ich, auch wenn man vom klassischen CAD spricht oder eben von der Bau-Variante BIM muss ja irgendein Vorteil drinstecken, der in meinem Weltbild ziemlich greifbar sein sollte, weil sich sonst wahrscheinlich niemand damit beschäftigen würde. Was sind so aus Ihrer Sicht die großen, zentralen Vorteile für die Beteiligten, die, glaube ich, jetzt im Baukontext auch sehr vielfältig sind?
Mark-Felix Rettberg: Ja, natürlich. Also wenn wir mit einem 3D-Modell arbeiten, hat man natürlich ein deutlich schnelleres Verständnis durch die bessere Visualisierung. Stellen Sie sich einen Bauabschnitt vor mit den unterschiedlichsten Gewerken, also stellen Sie sich vor, Sie bauen ein Labor mit unterschiedlichen Gängen, was da über der abgehängten Decke abgeht, ist nicht mehr einfach zu beschreiben und da hilft uns einfach die Visualisierung und dann nachher auch die Möglichkeit, den Finger drauf zu legen und die Informationen abzurufen. Das ist mit Sicherheit einer der schnellsten, grundlegendsten, einfachsten benefits. Der Mehrwert besteht aber auch darin, dass ich eben über die Technologie heute in der Lage bin, gar nicht so sehr im selben Modell zu arbeiten, aber unterschiedliche Modelle zu einem Gesamtmodell zusammenzustellen und diesen Planungsprozess deutlich genauer aufeinander abzustimmen. Also das Erstellen des Modells ist ja eigentlich ein Prozess, der sehr effektiv passieren kann, wenn man weiß, was man modellieren soll, aber durch diesen, sage ich jetzt mal, Planungsprozess zu gehen mit den ganzen Abstimmungen, wie es oder Entscheidungen, die getroffen werden müssen innerhalb eines Planungsprozesses, das ist natürlich sehr, sehr komplex und das ist auch BIM. Das ist eigentlich das Synonym, wenn man mal in die unterschiedlichen Prozessdefinition reinschaut, Design Coordination, also die Modellkoordination ist ein riesiger Anteil, nachdem dann quasi das Projekt überhaupt erst mal aufgesetzt wurde mit den unterschiedlichen Teilmodellen, wo jetzt der Architekt die für Wände, Decken, Türen, Fenster, ja, alles Architektonische verantwortlich ist und der Statiker dann die tragenden Elemente reinplant und das Tragwerk-System aufsetzt, dort gibt es schon, sage ich jetzt mal die technischen Gewerke, also Klima, Heizung, Sanitär, Elektro, das sind dann gerade so diese Elemente, wo dann auch die Komplexität in den Einzelprojekten extrem steigt, also wo wir allein schon von der Anzahl von Objekten im Modell plötzlich von wenigen hundert auf mehrere zehntausend springen können. Stellen Sie sich vor, Sie haben die komplette Rohrleitungssystematik in Ihrem Modell abgebildet, mit jedem fitting, mit jedem Bogen, ja, mit jedem Ventil, dann geht's ab und dann wird’s spannend.
Götz Müller: Ja. Das möchte ich noch so ein bisschen vertiefen. Wie, wie soll man das ausdrücken, wie verändert sich die Arbeit der Beteiligten, die Arbeitswelt der Beteiligten?
Mark-Felix Rettberg: Das ist eine super interessante Frage, weil es eben nicht einfach, also für mich zumindest, nicht mehr so einfach zu beschreiben ist. Jetzt müssen wir als allererstes Mal irgendwie den Markt beschreiben, in dem wir uns bewegen. Bewegen wir uns in Deutschland oder kann ich zum Beispiel auch die Beispiele aus meiner norwegischen Erfahrungen eigentlich zugrunde legen, weil das sind unterschiedliche Märkte mit einer unterschiedlichen Adaption von BIM, oder vielleicht sogar mit einer unterschiedlichen Reife, während BIM in Finnland 2005 richtig losging und in Norwegen dann 2008 damit begonnen wurde, auch von Bauherrenseite Ansprüche zu stellen hat, das Ganze in Deutschland 2014 erst Fahrt aufgenommen. Und heute unterhalten wir uns Deutsch in Deutschland sehr, sehr stark wie die Vergütung. Das bedeutet, die HOAI kommt er sehr schnell ins Spiel, Vorträge, wie verhandle ich BIM eigentlich vertraglich, ja, wie sieht die Vergütungsleistung aus, wie haben wir die Leistungsverschiebungen im Griff. Alles das sind Themen, die sehr, sehr stark in Deutschland diskutiert werden, mit Recht, das muss geklärt werden. Ganz, ganz sicher. Im internationalen Kontext haben sich bereits Verträge verändert. Es haben sich Verdingungsordnungen, die so wie die HOAI zum Beispiel im Ausland nicht unbedingt gibt, die Vergütung hat sich verändert. Die komplette Durchführung des Projektes führt dazu, dass wir dieses klassische frontloading haben, wo eben sehr, sehr früh in frühen Phasen sehr, sehr detaillierte Entscheidungen schon getroffen wurden, weil man sich aus der Automobilindustrie bedient, aus der Ölindustrie bedient, aus dem Flugzeugbau bedient, wo man diese Set Base Designs eben kennt und sagt „Okay, was müssen wir in diesem Punkt entscheiden? Welche Entscheidungen können wir später treffen?“ und da kommen die technischen Gewerke sehr, sehr früh rein. Oder nehmen Sie ein anderen Fall. Stellen Sie sich vor, Sie bauen eine Schule, einen Schulkomplex und entscheiden sich, dass dieses Projekt eben mit Fertigteilen aus Holz, mit Massivholzteilen gebaut werden soll und die ganze Schule eben in der Fabrik mit ihren Holzteilen vorgefertigt wird und dann entsprechend auf die Baustelle kommt und nur noch zusammengesetzt wird, wie ein Fertighaus. Das bedarf, dass alle technischen Durchführungen, dass Brandkonzepte etc., alles berücksichtigt wird, bevor das Ding in Produktion gehen kann.
Götz Müller: Ja. Mir kommt jetzt da so vor meinem geistigen Auge ein Bild auf, wo ich selber mal vor etwas über 20 Jahren ein Einfamilienhaus gebaut habe, in Anführungszeichen, beziehungsweise gekauft von einem Generalunternehmer. Da hat man halt dann irgendwann mal eine Elektrobegehung gemacht und dann hat man auf die Wände gezeigt und gesagt „Da will ich eine Steckdose und da will ich eine Steckdose.“. Ich glaube, so etwas kann man sich dann nicht mehr vorstellen.
Mark-Felix Rettberg: Nein. Genau. Das wird … ziemlich frustrierend, oder? Schönes Bauwerk mit Aufputzleitungen. Die Ästhetik leidet darunter. Aber genau an diesem Punkt sind wir doch. Also bleiben wir im professionellen Umfeld, dann findet einfach oder fand in den letzten Jahren international diese Purchasing-Revolution statt, dass Bauherren sehr, sehr stark sich professionalisieren, die auch wissen, wovon sie sprechen, die sich Leute aus den Branchen tatsächlich holen, um eben als Besteller auch professioneller aufzutreten, weil sie dafür sorgen müssen, dass sie das bekommen, was sie brauchen, und das geht ja selbst runter bis zum Einfamilienhaus, Sie haben es gerade angesprochen, ja. Also, also dieser Generalübernehmer, der hatte wahrscheinlich alles übernommen. Sie sind dahin gegangen, der hatte den Architekten in seinem Team, der hatte Tragwerksplaner in seinem Team, der hatte dann irgendwann auch seine technischen Gewerke im Team und der war sogar noch der Ausführende und hat vielleicht die Kernelemente mit eigenem Personal gemacht, mit eigenen Mitarbeitern, währenddessen andere Bereiche grundsätzlich vergeben wurden und genau das findet ja statt. Und jetzt ist es eigentlich auch in der Diskussion soweit gereift, dass man versteht, dass es eben nicht nur, sage ich jetzt mal, die neue Version vom Autocad ist, um hier mal ein Produkt zu nennen. Ds können natürlich auch ganz andere CAD-Systeme sein, ist ganz klar. Ich vergleiche es immer, wenn ich bei null anfangen muss, mit dem Brief. Früher haben wir mit der Feder auf Pergament geschrieben, dann wurde das Ganze professionalisiert, wir hatten eine kontinuierliche Weiterentwicklung, hatten irgendwann Kugelschreiber oder Füllfederhalter auf genormten Papier bis runter auf 80g und so weiter und irgendwann ging die Digitalisierung los, das Werkzeug wurde durch die Schreibmaschine mechanisch ersetzt, dann durch den PC mit der Textverarbeitung, der Drucker kam ins Spiel, um es effizienter zu gestalten, aber die Form und der Inhalt des Briefes blieb gleich. Ich nehme jetzt … also ich stelle jetzt einfach mal die These auf, dass sich der Inhalt des Briefes und die Art und Weise, wie wir Brief und Informationen auf den Brief platzieren, sich nicht verändert hat und da sind wir bei der klassischen Bauzeichnung. Das ist eine sehr fortgeschrittene Art und Weise, sehr komplexe Zusammenhänge zu transportieren und die hat sich bewährt, die hat sich entwickelt. Jetzt kommt jemand Spiel, der diese Zeichnung, also nicht mehr als Striche, Schraffuren, Bemaßung, Beschriftung oder so sieht, sondern der den digitalen Zwilling, also einen virtuellen Prototypen des Gebäudes zusammenbaut, nicht allein, sondern im Team. Und die Ausgabekanäle können komplett unterschiedlich sein. Es gibt natürlich den Klassiker, dass man sagt „Ok, durch das BIM-Modell kann ich horizontale und vertikale Schnitte legen. Das eine wird zu einem Grundriss, das andere wird zum Schnitt. Oder ich nehme vielleicht sogar noch eine isometrische Ansicht oder eine perspektivische Ansicht mit aufs Blatt, um das Verständnis zu erhöhen, also jetzt verändert sich schon so ganz langsam durch die Möglichkeit 3D allein schon der Inhalt der Zeichnung. Ich denke, so weit kann man gehen, und jetzt kommt der Knaller in Norwegen wird südlich von Oslo oder wurde eben ein Wasserkraftwerk erweitert, und in diesem Aggregat hat man sich als Ziel gesetzt, dass diese Betonkonstruktionen, um die es da ging eben ohne diese Zeichnungen erstellt werden sollten. Also die Fragestellung war nicht, wie ersetzen wir das Papier auf der Baustelle, da könnte man schnell auf das Thema Tablets oder Brillen kommen, sondern zu sagen: Wir können wir es vermeiden, und jetzt kommen wir an den Lean Aspekt, wie können wir die Zeichnungserstellung aus dem Planungsprozess heraus kürzen? Warum kann man heute nicht mit der Information, die wir in den Modellen dreidimensional haben, warum kann man daraus nicht bauen? Was muss passieren, wie muss sich denn der Bauunternehmer, wie müssen sich die Baustofflieferanten, wie müssen sich die kompletten Akteure aufstellen, welche Prozesse brauchen sie, welche requirements, welche Anforderungen haben diese Prozesse, damit diese Betonkonstruktion zeichnungslos umgesetzt werden kann? Und jetzt sind wir, finde ich, schon in einem sehr, sehr starken Lean-Aspekt, weil das kommt natürlich aus der Unternehmensstrategie, zu sagen: Okay, wenn wir mit dem Geld verdienen wollen, oder wenn wir das Produkt verbessern wollen oder wenn wir Kosten reduzieren wollen, dann müssen wir irgendwo Verschwendung aus dem Prozess eliminieren. Identifizieren und irgendwo rauskürzen. Und jetzt wird es spannend. Und da beginnen dann halt Branchenprozesse, die in Norwegen deutlich einfacher umzusetzen sind als in Deutschland, weil es einfach eine kompaktere Branche ist, weil die Branche auch deutlich mehr Mittel finanzielle Mittel zur Verfügung hat, weil sie eben auch vielleicht ein bisschen entdeckerisch ist von ihren Wurzeln her ist und die nehmen sich dieser Herausforderung an und dieses Projekt ist auch im Internet auffindbar und gut dokumentiert und das ist faszinierend. Also das ist die Reise, die wir vor uns haben. In China werden Hotelkomplexe vorgefertigt in der Fabrik, die dann wie an der Perlenkette auf die Baustelle gefahren werden und im minutengenauen Takt zusammengesetzt werden.
Götz Müller: Ja, und mir geht gerade so durch den Sinn, durch den Kopf, Digitalisierung wird hier auf eine ganz andere Art und Weise gelebt, wie wir das sonst vielleicht so klassisch mal, ja, papierlos. Papierlos ist ja keine Digitalisierung. Das ist einfach nur das, was Sie eingangs gesagt haben, den Brief halt mit etwas anderen Mitteln zu erstellen und zu transportieren.
Mark-Felix Rettberg: Ja. Also ich finde, es gibt bei der Digitalisierung immer zwei Enden. Stellen Sie sich eine Skala vor von links nach rechts. Links haben wir genau diese Art der Effizienzsteigerungen, diese Art von kontinuierlicher Verbesserung und da entwickeln wir uns halt von der Feder zum Stift zum PC haben und jetzt haben halt den Tuschestift durch das CAD ersetzt und jetzt kommen irgendwann so langsam in die Mitte des Prismas, wo wir jetzt das CAD durch das BIM austauschen, aber wenn wir vom anderen Ende kommen. Also auf der linken Seite, nur noch mal ganz kurz gesagt, machen wir dasselbe wie vorher. Schneller, besser, billiger. Am anderen Ende des Prismas oder des Spektrums machen wir ganz andere Dinge, die alten Dinge komplett obsolet machen. Das bedeutet, also jetzt mal ernsthaft gefragt, also ich bin kein Freund von starken Visionen und Buzzwords, aber wir sind nicht mehr weit weg vom 3D-Druck im Bau.
Götz Müller: Gibt es gibt ja schon, glaube ich, so erste kleine Modelle.
Mark-Felix Rettberg: Genau, genau. Und einfache Bauteile sind auch mittlerweile druckbar und das wird sich rasant weiterentwickeln, weil einfach das Spannende Geschäftsfelder sind, wo jetzt einfach sehr, sehr viel passiert. Stellen Sie sich vor, ich habe zwischen 2011 und 2014 viele Diplomarbeiten oder Masterarbeiten betreut von faszinierenden Studenten, die mit einer Energie an diese Themen gegangen sind. Zwei von denen hatten die Idee, alle Löcher, die sie für technische Installationen brauchen, nicht mehr als Überkopfarbeit durch einen Mitarbeiter erledigen zu lassen, sondern durch einen Einarmroboter. Die Jungs sind richtig eingestiegen in das Thema, haben sich mit dem Thema BIM auseinandergesetzt, haben sich mit dem Thema Produktionsprozess auseinandergesetzt, die haben sich mit der Technologie auseinandergesetzt, die waren in den Randbereichen des Machbaren unterwegs und die sind heute erfolgreich, die haben heute viele Roboter, die haben den Kontakt zu großen Baufirmen, die genau dieses Problem für sich auch gesehen haben und die bieten das mittlerweile an, also die fahrbare Plattform, auf der eben ein Roboter nicht nur die Punkte nach BIM-Modell bohrt, sondern auch noch farblich kodiert in unterschiedlichen Lochdurchmessern und das Ganze sogar sauber macht, weil er halt direkt nebenbei noch absaugt. Das sind spannende Geschäftsfelder. Ein anderes Geschäftsmodell ist natürlich das Thema Informationsflut und Streaming. Wie kriege ich das Modell, wie kriege ich große Modelle, stellen Sie sich einen Krankenhauskomplex vor, oder ein Flughafenprojekt, wie kriege ich diese Information live in einem quasi baubegleitenden Planungsprozess live auf die Baustelle. Solche Themen, die dann da voll durchstarten, Streaming-Technologie mit dem BIM und einem Geschäftsmodell zusammenbringen. Also es ist soviel Momentum und soviel Faszination da. Stellen Sie sich Augmented Reality und Mixed Reality vor. Man kann sich das Handy vor die Augen halten und durch Museen laufen. Man kann das … ich erinnere mich an ein frühes Krankenhausprojekt, 2008/2009, wo wir einen Kinosaal hatten und abteilungsweise das Personal mit der Führung eingeladen haben, um quasi, denen virtuell den Krankenhausbereich, den Arbeitsbereich zu zeigen und haben quasi Feedback zurückgesammelt, eingesammelt, wie sieht der Arbeitsbereich aus und da kam total solide oder total gute Rückmeldung, weil eben die Pflegerinnen und Pfleger, die Ärzte oder das andere Personal eben das bildlich vor Augen hatten. Man kann dreidimensional durchlaufen. Oder ich erinnere mich an ein Straßenbauprojekt, wo meine Tochter damals vier Jahre auf dem Handy quasi diese Straße gefahren ist, die wir noch nicht fahren konnten, weil sie noch nicht fertig war und die uns eine Stunde Zeit gespart hat. Da geht's dann halt in die Visualisierung, Virtualisierung und das ist eben, denke ich mal, das Spannende daran, zumal der Bau ja eh super spannend ist, aber immer wieder in den Verruf gerät, umso komplexer und größer die Projekte werden.
Götz Müller: Genau und auf den Punkt möchte ich noch ein bisschen eingehen und da jetzt auch gerade mal Ihre internationale Erfahrung abfragen, ich möchte es mal so andeuten, mein Eindruck, da, wo ich in der Bauindustrie ein bisschen tätig war, im Grunde herrscht ja Krieg, klassisch auf Baustellen, jeder gegen jeden, und Nachträge und ähnliche Dinge, Behinderungen und Bedenken und was alles dazu gehört im Architektenrecht, spielen eine ganz große Rolle. Was würden Sie sagen, muss ich an der Stelle was im, ich nenne das mal Mindset auch verändern, damit so ein Thema, zumindest vielleicht in Deutschland, ich kenne jetzt nur die deutschen Verhältnisse, funktioniert?
Mark-Felix Rettberg: Also erstmal kann ich dieses Bild gar nicht mehr so richtig nachvollziehen, vielleicht liegt es am internationalen Kontext, vielleicht aber auch an der schönen Situation, dass ich mich eben gerade auf die anderen Projekte konzentriere. Also erstmal, ich kenne das nicht, aber ich kann das Bild nachvollziehen. Aber ich glaube, die Antwort liegt genau im Spannungsfeld dazwischen. Stellen Sie sich vor, Sie haben ein perfektes 3D-Modell und leiten daraus eine Planzeichnung ab. Dann haben wir natürlich auf der Baustelle, sag ich jetzt mal, wenn wir nichts verändern, dieselbe Situation. Das bedeutet, wechselndes Personal, unterschiedliche Kompetenzen und Fertigkeiten und Zeichnungen sind komplex. Gar keine Frage. So jetzt möchte ich aber auch ein anderes Projekt anbringen. Stellen Sie sich ein komplexes Projekt vor und stellen sich vor, die ganze Mentalität im Mindset ist einfach verändert. Stellen Sie sich vor, der Bauherr, die Planer, der Bauunternehmer sitzen eben nicht an einem Besprechungstisch, sondern treffen sich zu einem Seminar und zwar, wie sie eben Lean Construction in diesem Prozess entsprechend umsetzen. Das kann zum Beispiel die spannende Taktplanung sein, wie die von Porsche Consulting. Das kann location-based planning sein, also ortsabhängig geplant sein. Allein schon der Gedanke, den finde ich faszinierend, dass Vieles auf der Baustelle stillsteht, Räume nicht genutzt werden. Und das sind ja zwei, also unterschiedlicher könnten diese beiden Ansätze, location-based planning, wo ich so viel Leute ins Bauwerk stecke, wie es trägt, ohne sich zu behindern, wo überall alles gleichzeitig passiert, hin zu ganz geordnet, wir setzen einen Produktionszug auf, wo quasi die unterschiedlichen Arbeitsabläufe so getaktet werden, dass quasi das Team A Zone A fertig macht und wenn sie damit fertig sind in Zone B geht. Weil sie halt getaktet sind, kommt halt das nächste Team, was den Anschlussprozess hat, eben dort anfängt in A, währenddessen das erste Team B weiterarbeitet. Und dann geht dieser Zug so langsam los. Also dann geht das Team 1 in Zone C und das Team 2 in Zone B und es kommt das dritte Team rein und fängt in A an. Und jetzt geht dieser Zug durchs Gebäude in der vorgegebenen Reihenfolge, man justiert rauf und runter, sodass diese Taktung perfekt funktioniert und am Ende hat dann quasi das erste Team überall quasi seine Arbeit gemacht, und zwar immer in, vielleicht sogar in kontinuierlicher Verbesserung, deutlich schneller, es gab und so weiter, aber man ist dann quasi in diesem Gebäude, also schrittweise kontinuierlich fertig. Das sind zwei Ansätze, die kriegen sie mit der normalen Mentalität auf der Baustelle schwer umgesetzt, ja. Der eine dauert, der eine braucht ein bisschen länger, dann kommt der andere irgendwo in Schwierigkeiten, weil er seine Leute gerade nicht runter bringt, dann schickt er die auf die andere Baustelle, der andere doch fertig, dann kann der nicht, weil er jetzt eine Baustelle angefangen hat und noch drei Tage braucht, also diese Woche passiert dann nichts mehr. Und so entsteht ja quasi dieser Prozess, weil wir hier eben eine unterschiedliche Betrachtung von der Planung her haben und jeder für sich ist unheimlich produktiv. Ja, also ich glaube schon, dass es gerade hier, und das ist eine spannende Unterhaltung, Niklas Modig, ich weiß nicht, ob sie ob ihnen kennen, „Das ist Lean“, spannendes Buch, und der hat dieses fantastische Bild, um dieses Lean einem Nicht-Leaner zu erklären. Der sagt einfach „Stell dir als Kunde vor, du hast diese Kamera auf deiner Schulter oder auf deinem Helm, du gehst durch die Baustelle und du guckst dir an, wo was passiert. Das wird ein unheimlich langweiliger Film und der wird auch sehr, sehr aggressiv werden, weil viel gestritten wird, Schuld hin und her geschoben wird und die Qualität am Ende zurechtgemauschelt wird im schlimmsten Fall sogar noch. Im Gegensatz zu dem Kunden, der das Ganze eben kundenzentrisch kriegt, ja, weil jeder Bauarbeiter hat einen spannenden Film, da passiert immer was, da kann man mehr Videos draus drehen und heute einen YouTube-Channel füllen. Und das sind diese unterschiedlichen Herangehensweisen, wer steht im Fokus. Ist es die Ressourceneffizienz des Einzelnen oder ist es quasi der Kunde? Und Niklas Modig macht das in seinem Buch halt deutlich, er verwendet halt ein tragisches Beispiel. Eine Frau, die morgens in der Dusche einen Knoten in ihrer Brust ertastet und dann in Schweden eben in das medizinische System muss und nach 42 Tagen, glaube ich, waren das, mit ganz vielen Wartezeiten, mit doppelten Untersuchungen und jeder Arzt oder jede Kontaktstelle war natürlich unheimlich effektiv, aber halt nicht kundenzentrisch und da spricht er halt von diesem Fluss. Wenn wir anfangen an einen Fluss zu denken, dann könnte man sich ein Ärztezentrum vorstellen, wo sie im Fokus steht, wo sie morgens reingeht und nach 2 Tagen eben, auch psychologisch betreut, dann eben wieder nach Hause geht mit einer klaren Diagnose. Und wo der Film eben aus ihrer Sicht halt ein komplett anderer Film ist als wenn wir den 42-Tage-Film machen müssen, der inhaltlich nicht auf dasselbe runtergeschnitten werden kann, weil es einfach Verschwendungen in diesem Prozess gibt.
Götz Müller: Jetzt würde ich zum Abschluss den Punkt noch ein bisschen vertiefen und auch da noch mal auf Ihre Erfahrung in anderen Ländern zurückgreifen und Entwicklungen, die halt in Skandinavien schon möglich waren, hat es da ein substantielles Ändern im Mindset gebraucht, damit es möglich war oder war das von vorne rein irgendwo anders? Weil ich glaube, dass man auch daraus eben für den Lean-Kontext auch wieder ganz allgemein etwas lernen kann.
Mark-Felix Rettberg: Ja. Also gerade … also ich glaube, es ist eine Mischung aus beidem. Wir haben wie gesagt dieses Implementation Framework über die Jahre entwickelt, wo wir uns genau mit der Frage an sich auseinandersetzen, wie kann ich eine größere Organisationen mit wirklich vielen Menschen eben transformieren. Wie bringe ich das Unternehmen in einer abgeschlossenen Zeitspanne von drei bis fünf Jahren durch diese Transformation? Und das Ganze funktioniert nicht dadurch, dass ich irgendwann halt top-down gesagt bekomme als Mitarbeiter dieses Unternehmens „So entweder ihr macht es jetzt oder ihr geht.“. Das funktioniert auch garantiert nicht dadurch, dass es mal irgendwie einen schönen Artikel im Intranet gibt und das funktioniert schon gar nicht mit irgendwelchen Zwängen, dass man sagt „So du bist jetzt das nächste Projekt und das wird jetzt ge-BIM-t oder geleant, sondern es ist gibt einfach unterschiedliche Typen in der Psychology of Change und es gibt, wir nennen ihn Willi Willich, und es gibt Doris Dauer. Der eine ist halt dem Wandel deutlich näher und ist auch ein Teamplayer, während die andere Person halt mehr, sage ich jetzt, an Konstanz und Perfektionismus und Umsetzung interessiert ist. Und natürlich, ja, kriege ich, stellen Sie sich vor, die Familie Dauer hat Zwillinge, die in unterschiedlichen Unternehmen arbeiten, es kommt drauf an, wie die Individuen, wie das Individuum an diesem Wandel herangeführt wird, weil es geht nicht um den Inhalt. Es geht um die Beziehung zu diesem. Und wir wissen alle, wir sind unterschiedlich motiviert, der eine hat Angst, der andere will sich irgendwo, also hat vielleicht mehr das Ego oder die Gier oder die Bequemlichkeit oder andere Faktoren, die ihn ansprechen und man kann nicht alle gleich ansprechen. Was wir gemerkt haben ist, jemand, der Angst vor der Veränderung hat, braucht mehr Zeit als derjenige, der viele Dinge gerne ausprobiert. Wir sprechen hier nicht mehr über die technologische Adaption neuer Werkzeuge, sondern wir verändern den, also das komplette Berufsleben. Ja, das ist ja nicht so, dass Sie plötzlich ein neues Computerprogramm auf Ihrem Bildschirm sehen und jetzt sich fragen, wie funktioniert das Ding, dann bestelle ich eine Schulung, schicke die dahin, kaufe Betreuung und guten Support und dann kriegen wir die Mitarbeiter dahin, sondern wir krempeln ja alles um. Sie haben es angesprochen. Die Technologie ist das Offensichtlichste, und jetzt sagen wir aber „So, jetzt hast du dieses BIM-Modell, das bedeutet, du brauchst gewisse Entscheidungen deutlich früher und wir brauchen sie schneller.“ und das bedeutet jetzt, zum Beispiel muss sich der Planungsprozess grundlegend ändern und bei manchen ist es so, dass sie sagen „Komm, das probiere ich aus.“ oder „Wie hast du das gemacht?“, die haben dieses, ich sage jetzt mal, diese informellen, sozialen Netzwerke, aus denen sie das Wissen sich holen aktiv, aber es gibt eben auch die andere Person, die dem Ganzen skeptisch gegenübersteht, die auch überhaupt nicht, sage ich jetzt mal, unter dieser Belastung in der Lage wäre, sage ich jetzt mal, alternative Wege zu suchen, ja, oder vielleicht Dinge auf unterschiedliche Arten und Weisen zu lösen bei Stress und das ist nichts Negatives, gestresst zu sein. Veränderung stresst. Und was wir halt mitbekommen haben, ist, dass man gerade mit den neuen Medien durch interne Videodokumentation sehr, sehr stark zum Beispiel schon in der ersten Phase, also in der strategischen Verankerungen im Programmmanagement schon sehr, sehr viel filmen kann, um halt, und auch teilen kann im Unternehmen, um dem Ganzen mehr so einen Voyeur-Charakter zu geben, ich schaue von draußen drauf, ich schaue mir das Ganze an. Das Ganze geht dann weiter in Phase 2, wenn wir dann an die Adaption gehen, wo wir die Teams zusammenstellen und gucken, wer sind denn diese Superhelden, wer hat denn zu Hause schon sich selber auf seinem eigenen PC die BIM-Software installiert, welche Mitarbeiter kamen denn zum Beispiel letztens ins Unternehmen oder haben sich intern fortgebildet und haben schon die Kompetenz, die wir suchen, softwaremäßig oder prozessmäßig. Es gibt tolle Ausbildungen in diesem Bereich. Und wenn man das filmt, auch den Adaptionsprozess, dieses Euphorie, die damit rüberkommt, diese Energie, die die Menschen da mitbringen, das filmt, dann kann das mitreißen. Und wenn man dann noch, sage ich jetzt mal, diese Situation auch gut formuliert, wir nennen das Ganze Storytelling, aber wenn man das gut rüberbringt, dann hat eine Person, die die sehr, sehr viel Distanz zwischen sich und dem Wandel aufbaut, eher eine Faszination. Wir sehen, dass die, ich habe es selber damals gesehen, dass die Klickzahlen meiner wöchentlichen BIM-Artikel im Intranet, die waren gering. Das war ein Unternehmen in Norwegen, 1200-1400 Mitarbeiter, ich hatte 80-90 Klicks von diesem Artikel und das waren wahrscheinlich irgendwie viele Kollegen oder, keine Ahnung was, Sammler, ja, und dann haben wir zu Weihnachten im ersten Jahr angefangen, so ein bisschen zurückzublicken und auch mal die Modelle zu zeigen und das Video zu vertonen, noch ein bisschen spannende Musik drunter, plötzlich haben wir gesehen, das haben sich über 800 Leute angeschaut. Also man kriegt andere Reichweiten. So jetzt sind wir in Phase 2 und jetzt geht das Pilotprojekt los, wo wir das Was 1.0 entwickeln, was dann später auch ins Unternehmen eingeführt werden wird. Und wenn wir das eben schön begleiten, dann entsteht Spannung und diese Person ist jetzt dann schon ein Jahr an dieser Reise beteiligt, aber mit dem entsprechenden Abstand, mit der Distanz, um auch sagen zu können „Jetzt wird’s mir zu viel, da habe ich keine Lust drauf, dann setzt man mal eine Woche aus, in der nächsten klickt man dann und sagt „Dieses Video habe ich noch nicht gesehen.“, es muss halt spannend sein und es darf halt nicht belehrend sein im Sinne von jetzt „Jetzt kommen wir zu Lektion 224, denken Sie dran, das kommt auch im Test dran.“. Und dann gehen wir rein und man kann sich die Leute aussuchen bis dann irgendwann auch Doris Dauer dran ist. Und die hat nach diesen zwei, drei Jahren, jetzt mal zurückblickend, was haben wir in den letzten Wochen über Virologie, über Maskenstandards, über pandemisches, epidemisches Verhalten gelernt oder über irgendwelche Stochastik, was jetzt gut ist, was Sinn macht und so weiter. Wir lernen, und das ist dieses Superlearning, weil wir keine Scheu aufbauen und das ist für uns der Schlüssel, ja, und wie gesagt das Unternehmen geht dann mit und irgendwann kriegt jeder, sage ich jetzt mal, das Handy und ist nicht mehr bei der E-Mail, sondern halt beim Instant Messaging und jetzt sind wir wieder zurück beim Brief. Wir haben beim Pergament und der Feder und wahrscheinlich dem Boden irgendwo angefangen und jetzt reden wir nachher über etwas, was sich komplett verändert hat, der Instant Message, kaum noch Anreden, es gibt überhaupt keine Formalien mehr, Rechtschreibung ist auf den Kopf gestellt und wir kommunizieren mit Emojis, und das ist das ist einfach die Evolution, und ich glaube auch, dass wir mit BIM dort hinkommen werden. Also das, ich vergleiche das immer gerade so ein bisschen mit, ich weiß sie, ob Sie 2009/2010 darüber nachgedacht haben, dass Sie ein Mobiltelefon brauchen, was Apps macht, was gestochen scharfe Bilder macht, was Videos macht und so weiter, was Navigationsgerät sein kann, da ging es gerade so los mit den ersten Geräten, aber jeder hat ein bisschen nach der Anwendung gesucht und es waren die praktischen Dinge, es war so die Weiterentwicklung des Palm Pilots mit einem Telefon. Es war so, ich mache das Navi irgendwo mit dem Gumminapf an der Scheibe fest, okay, das kann ich jetzt dadurch auch entsetzt ersetzen, das ist jetzt vielleicht das Handy. Aber heute ist doch das Leben ohne Mobiltelefon überhaupt nicht mehr denkbar, für viele zumindest und viele Prozesse werden sich dorthin digitalisieren, und wir werden auch zum Beispiel, ich hatte 2011 eine Lean-Studie im Unternehmen, da haben wir uns um das Thema Verschwendung gekümmert und wir haben auch mal durch verschiedene Methoden einfach festgestellt, wie die Produktivität in unterschiedlichen Unternehmen sind und damals war das Mobiltelefon einer der Faktoren, der wirklich als Zeiträuber festgestellt wurde. Anrufe, Textnachrichten und so weiter. Heute wollen wir, dass der Mitarbeiter mit einem Handy auf die Baustelle geht und finanzieren ihm das sogar, weil er damit den Dokumentationsprozess deutlich effektiver gestalten kann, weil er zum Beispiel Mängelrunden auf seinem Handy komplett abbilden kann. Sie machen eine App auf, Sie scannen den QR-Code in dem Raum, das System weiß direkt, welche Daten es für Sie in diesem Formular ausfüllen kann, jetzt machen Sie noch zwei Bilder dazu, bei jedem Bild geben Sie noch Ihren Standpunkt mit einer Fotografierrichtung an und das Ding ist nachverfolgbar in einem tollen System, Sie ersparen sich die Protokollerstellung, das Ganze ist verknüpft mit dem Planungsprozess, weil Sie es über gewisse Dateiformate dann eben auch am wieder in das Architekten- oder Tragwerksmodell oder Technische-Gewerke-Modell einbinden können und direkt sehen „Okay, hier haben wir jetzt die kreative Umplanung, weil das anders gebaut wurde als es gedacht war.“
Götz Müller: Was mir da jetzt zum Abschluss noch durch den Kopf geht, ich meine, die Baubranche ist ja eine sehr alte Branche, im Grunde seit Pharaos Zeiten oder vielleicht noch vorher, das ist das Letzte oder so ziemlich das erste, was wir vielleicht heute noch sehen, hat so etwas auch einen Einfluss auf die Veränderungsgeschwindigkeit der Menschen, so etwas, so ein, sagen wir mal, ein institutionelles Beharrungsvermögen, ist es dort besonders stark ausgeprägt oder würden Sie sagen „Nein, im Grunde nicht.“.
Mark-Felix Rettberg: Spannend. Kann ich nicht beantworten. Also das ist, also klar kann man jetzt irgendwie vielleicht irgendwie über Demographie oder diese Werte diskutieren, ich glaube aber nicht, dass das irgendwie Sinn macht. Ich glaube ganz einfach, dass die Bauindustrie genau das jetzt gebraucht hat, diese Faszination, die dahinter steckt.
Götz Müller: Ja, ich komme auch ein bisschen aufgrund einer Unterhaltung, die ich mal hatte, wo es um Sauberkeit, Ordnung und Sauberkeit, etwas relativ Triviales und da meinte jemand „Ja, überleg mal, wenn der Gipser jetzt nach Hause kommt und nicht völlig mit Gips beschmutzt ist, was dann vielleicht dem seine Frau sagt.“, so nach dem Motto „Wo kommst denn du jetzt her?“ und das fand ich damals schon ein sehr spannenden Gedanken, das hatte ich überhaupt nicht auf dem Schirm, dass halt für manche Branchen dieses „Ich mach mich dreckig“ einfach dazu gehört und das man fast schon unbewusst ein Problem damit hat, wenn man nicht schmutzig nach Hause kommt.
Mark-Felix Rettberg: Das glaube ich nicht. Da bin ich anderer Meinung. Also ich glaube, das eine hat viel mit Kultur und Werten zu tun. Also ich glaube zum Beispiel, dass es in der Firmenkultur sich irgendwo wiederfindet, und das hat sehr viel mit dem Thema Respekt zu tun. Also stellen Sie sich, stellen Sie sich einfach vor, Sie seien der Bauherr und laufen über die Baustelle und laufen über eine total chaotische Baustelle. Das ist kein gutes Gefühl und stellen Sie sich vor, Ihre Medikamente werden in irgendeinem Hinterzimmer unter furchtbaren Bedingungen hergestellt, also das würde niemand akzeptieren und jetzt kommen wir ja wieder an die Schnittstelle mit der Industrie, wo wir eben sagen, eine Millionen iPhones, die absolut identisch sind, es spielt doch heute überhaupt keine Rolle mehr, welchen Karton Sie aus dem Regal bekommen, also das spielt keine Rolle. Sie sagen die Farbe, also noch ein paar Leistungsmerkmale und dann kriegen Sie irgendeinen Karton. Das war vor dreißig Jahren noch anders. Vor 30 Jahren war es vielleicht schon wichtig, ja, nicht diese klassischen Montagsprodukte zu bekommen. Und da hat Lean oder die Industrialisierung des Ganzen schon sehr viel mitgetragen. Zurück zum Bau. Das ist ein sensibles Thema. Ich glaube, Bauherren lassen sich heute nicht mehr so einfach zufriedenstellen. Das ist jetzt momentan natürlich wieder so eine heikle Situation, wir haben gerade im privaten Bereich, denke ich mal, eine sehr hohe Belastung oder eine gute Auftragslage, sage ich jetzt mal so. Das bedeutet, die Preise steigen, die Qualität sinkt, weil er muss schneller fertig werden, um noch mehr Aufträge zu machen, weil jetzt ist die Phase da, jetzt brummt’s. Und irgendwann gab es aber auch, oder wird es vielleicht irgendwann ja, auch eine andere Situation geben, wo es eben kaum jemanden gibt, der dann noch an diese Projekte denkt und das wird wieder eine Marktbereinigung geben. Schauen wir uns andere Branchen jetzt in der Corona-Zeit an, und ich denke, dass eine finanzielle Krise das, ich war 2009 nicht in Deutschland, aber wir haben es in Skandinavien gemerkt, dass Großprojekte für einige Monate nur, ja, ausgesetzt wurden, weil man sich noch nicht sicher war, wie diese Krise beginnt und durchstartet, und danach ging es aber weiter, aber das hat schon viele an den Rand, also an den existenziellen Rand gebracht. Und komischerweise die, die gute Arbeit machen, die haben auch weiterhin Kundschaft. Also wenn Sie über eine Baustelle gehen, wo es Fortschritt gibt, wo es Transparenz gibt und Ordentlichkeit gibt, gibt's wahrscheinlich auch Zuverlässigkeit. Und ich glaube eher, dass man solche weichen Faktoren mit solchen harten Faktoren wie Zuverlässigkeit, Erwartungserfüllung und so weiter in Verbindung bringt. Und gerade jetzt, also Unternehmen, die sich jetzt eben ganz explizit auf BIM stützen, vor etlichen Jahren war das, gab es sehr, sage ich jetzt mal, sehr früh einen Drang hin zu, wie können wir die Technologie nutzen, ausnutzen, im Sinne von wie kann dieser Return-on-Investment zeugen. Und damals kam man dann sehr, sehr schnell auf die Idee zu sagen, es gibt in Deutschland definitiv noch keine BIM-Projekte, also es hätte aus dieser Perspektive überhaupt keinen Sinn gemacht als Bauunternehmer zu sagen „Ich nehme jetzt 150 000, 200 000€ in die Hand und dann kaufe mir die notwendige Hardware, Software, Schulungen und bilde mein Personal aus, sogar irgendwelche wichtigen zentralen Schlüsselspieler, die dann eben sich auf die Prozesse konzentrieren und damals haben Bauunternehmen angefangen, zu sagen „Na ja, wenn ich in der Lage bin virtuell das zu bauen, was hier auf der Zeichnung von mir verlangt wird und ich das im Trockenen, in wenigen Stunden oder an wenigen Tagen, in meinem Büro erledigen kann und schon von vorne rein weiß, wo die Dokumentation Schwächen hat, können Sie sich vorstellen, in welche Richtung das geht.
Götz Müller: Klar.
Mark-Felix Rettberg: Und aber dann auch zusagen „So, jetzt haben wir das Verständnis.“ und dann läuft einer am Besprechungszimmer vorbei, den Sie schon immer wieder zu diesem Thema sprechen wollten, Sie holen den rein, Sie rufen die spezielle Situation in Bauwerk auf und Sie schaffen es in wenigen Sekunden einen sehr komplexen Zusammenhang zu transportieren, um zu fragen „Wie würdest du hier die Schalungen lösen?“ oder „Wie würdest du das jetzt hier takten?“ und das sind so diese Effekte, die wir jetzt eben spüren. Also wir sehen es nicht nur getrieben von den Softwarefirmen, die jetzt quasi mit den Planern quasi einen guten Anfang gemacht haben, dadurch dass man die CAD-Produkte durch BIM-Produkte abgelöst hat, und dass dann aus diesem einen Produkt dann noch der Bedarf an einem zweiten Produkt und sonst was entsteht, sondern wir sind mittlerweile da, dass man weiß, wozu man die Technologie einsetzen kann. Und jetzt kommen wir wieder zurück zur Strategie. Das ist bei Lean nicht anders. Ich glaube, wenn das Unternehmen klare Ideen hat, wo es hinwill und wie es dahin will, dann gehen wir durch den klassischen Strategieprozess und haben eben nicht nur die finanziellen ROI-Ziele, sondern definieren auch was denn der zukünftige Kunde von uns verlangt und das ist zum Beispiel Sauberkeit, das ist zum Beispiel Transparenz, das ist zum Beispiel Zuverlässigkeit. Und wenn wir jetzt halt anfangen und uns dann die Frage stellen, welche internen Prozesse brauche ich, um den Kunden diese drei Dinge zu geben und Ordnung, Zuverlässigkeit und Transparenz, dann kommt man vielleicht drauf und sagt, okay, für die Ordnung, das ist eine Initiative, dann können wir uns aus dem Lean-Werkzeugkasten oder einfach nur durch andere Maßnahmen behelfen, aber das ist schon mal die Lean-Initiative, die sich jetzt hier abbildet. Dann haben wir die Transparenz, da kommen wir jetzt in den Themenbereich KPI, also Messung, Parameter, Indikatoren, um einfach zum Beispiel den Fortschritt zu messen, und überlegen uns auch, was macht Sinn. Ist es nur der finanzielle Fortschritt oder hat das zum Beispiel auch was mit Arbeitserfüllung zu tun und dann entsteht genau das. Ja und dann kann es zum Beispiel für ein Unternehmen auch Sinn machen, deutlich mehr zu digitalisieren und zu sagen „Okay, ich baue 240 Reihenhäuser in diesem Projekt, davon habe ich vier Typen. Und das bedeutet, ich habe ungefähr sechzig einer Art da und dann noch ein Reihenendhaus, also zwei Reihenendhäuser und in der Mitte und so weiter und die sind relativ gut durchstandardisiert, dass ich dann anfange mit Methoden, die BIM und Lean miteinander verbinden, ja, Advanced Work Packaging zum Beispiel, wo man wirklich anfängt, die Arbeitsroutinen in Arbeitspakete runterzubrechen und die eben auch trackt durch das Mobiltelefon, dass man sagt, es wird zugewiesen, wer was arbeitet, nicht um ihn zu kontrollieren, sondern um Aufwände zu tracken, um auch mal rauszukriegen, wer kann von wem lernen, wie muss sich das Team zusammensetzen, wie muss zum Beispiel die just-in-time-Logistik verbessert werden. Wir hatten ein Projekt, das ging wie eine Rakete ab, aber nach 90% schlief es sein und wir haben gedacht. die werden nie fertig, bis wir auf die Baustelle gefahren sind und rausgekriegt haben, dass im obersten Stockwerk zu wenig Gipsplatten geliefert wurden und das Dach schon drauf war. Das bedeutet … das ist der schlechtmöglichste Fall, dass sie durch das gesamte Haus Gipsplatten haben. Sie können sich das Treppenhaus vorstellen, Sie können sich die Leute vorstellen, Sie können sich das Material vorstellen. Das ist manchmal so ärgerlich und dann eben diese sieben Gründe für eine Verspätung zu haben. Ganz klassisch, also im Montagsmeeting zu fragen: okay, was lief gut, was lief schlecht, wo können wir verbessern? Und man dann eben sagt „Ok, wie war es, seid ihr damit durchkommen?“ „Nein, sind wir nicht.“ „Warum nicht?“ „Weil das Material zu knapp war. Das Material war nicht da.“, okay, Material-Issues, dann müssen wir uns darum kümmern. Dann gibt's vielleicht die nächste Initiative, die sagt, wollt ihr es lieber hoch oder runter tragen. Und so weiter. Oder wir ändern den kompletten Bauprozess und arbeiten uns einfach von oben nach unten mit dem Trockenausbau. Oder keine Ahnung, aber es gibt immer Wege, aber die basieren darauf, dass ich einen Plan habe. Wir sagen immer, also ich sage immer always follow the plan und Regel Nr. 2 if you don’t have a plan, make your plan. Das ist so. Ansonsten kann ich nicht verbessern, ansonsten mache ich es jedes Mal aus der Hüfte und dann wird da eben auch keine Verbesserung stattfinden.
Götz Müller: Ja, weil ich den Standard nicht habe und ohne den Standard kann ich ja nicht sagen „Habe ich jetzt etwas verbessert gerade oder war es nur das Rauschen im Wald?“
Mark-Felix Rettberg: Und jetzt wird es halt spannend. Um halt noch mal ganz kurz den Weg zurückzufinden zum BIM. Das hat sich gravierend geändert. Die Planungsprozesse, wir haben am Anfang ganz kurz über integrale Planung als Begriff gesprochen. Integrale Planung ist aber nicht unbedingt dasselbe wie teamorientiertes Planen, und das ist noch mal etwas ganz anderes als eine Methode, die integrated concurrent engineering heißt und mehr aus der, kommt von der Stanford University, ein Programm, das heißt VCD, virtual design and construction, die eben gesagt haben, BIM alleine funktioniert nicht, ich brauche noch ein gutes Projektmanagement und ich brauche metrics und dann brauche ich eben auch noch die richtigen, ja, sage ich jetzt mal, Lean-Aspekte, Management-Strategie-Aspekte und so weiter, um das ganze voranzubringen und plötzlich entsteht in der Planung schon dieses, generell bei allen drei Methoden, dass man gemeinsam an einem Projekt arbeitet. Und das klingt immer so dahin gesagt, so einfach, so „Ja, klar. Wir sind halt alle am selben Projekt. Ja, ich arbeite auch an dem Projekt.“. Aber wie viel gemeinsam hat man denn? Wie viel Abstimmung gibt es denn? Sind denn alle dabei, die da etwas dazu zu sagen hätten?“ Also das ist jetzt ein Link in Richtung Last Planner von der Methode her, wo dann auch getrackt wird, wo auch zum Beispiel die Teilnahme der unterschiedlichen Teilnehmer getrackt wird und in Zusammenhang gebracht werden kann zum Beispiel mit der Anzahl von neuen Qualitätsaspekten in der Modellkoordination. Wie sieht das über Zeit aus? Sehe ich zum Beispiel, das gewisse Planungsdienstleistungen stagnieren und das ist natürlich die Transparenz, von der wir vorhin gesprochen haben, die macht Angst. Und die macht vor allen Dingen vielen Angst, die nicht wissen, wie sie, wo sie sich in diesem neuen Prozess wiederfinden. Ich weiß nicht, ob Sie schon mal Teambuilding-Theorien studiert haben, aber da gibt's dann halt diese vier Phasen von Tuckman, glaube ich, und jedes Mal, wenn sich entweder der Inhalt oder die Zusammensetzung des Teams verändern, also der Kontext oder das Team, stellt sich die Frage „Bin ich noch dabei, gehöre ich noch dazu? Will ich dabei sein? Kann ich das überhaupt, was von mir verlangt wird?“ etc. Und genau an dieser Stelle kann Überforderung stattfinden, an dieser Stelle kann es zu Konflikten kommen, wenn wir diesen Kreislauf weitergehen. Und da entsteht dann halt eben der Widerstand gegen eine Methode wie BIM und dazu kommt dann noch, dass, wenn nicht alle ganz genau wissen, was sie bei BIM bestellen, die Anforderungskataloge so dermaßen überfrachtet werden, dass man sagt, das wäre ja noch gut und wenn wir das schon noch haben, dann macht auch das noch Sinn und dann könnten wir doch noch und wer weiß eh, wie diese Lösungen in fünf Jahren aussehen und besser jetzt gehabt als später gefordert. Und und und. Aber das überfrachtet halt eine ganze Branche, die gerade dabei ist, sich zu finden. Ich weiß, dass die, die einfach anfangen und sagen „Okay, jetzt fangen wir mal an.“, es gibt einen BIM-Use-Case, wo man sagt „Okay, wir wollen am Ende oder wir müssen am Ende dieses Planungsprozesses immer noch Zeichnungen liefern“, ja, am Ende geht es nur darum, Zeichnungen zu liefern und wir sind bereit, draufzulegen. Ich hatte einen Kunden, der hatte ganz klipp und klare Kosten per Zeichnung, der wusste dieses Projekt hat dieses Volumen, das bedeutet so und so viele Ingenieursstunden und so und so viele Zeichnungen und der hat es per Zeichnung gepreist. Dann gab es andere, die wussten ganz genau, an jeder Änderung verdiene ich Geld. Die freuen sich über den dynamischen Planungsprozess. Andere sehen das halt anders und man muss dann eben entsprechend schauen, dass das alles zusammenpasst. Dass man klein anfängt, dass man gemeinsam im Projekt wächst und dass man versucht, einfach auch mal nur die Dinge zu liefern, die es braucht, um das BIM jetzt tatsächlich auch für sich selber in seinen eigenen Möglichkeiten zu nutzen, anstatt irgendwelche, und das könnten wir noch und hier, man muss an mancher Stelle da mal jemanden fragen, der sich damit auskennt, der dann sagt „Du, das ist zu komplex.“ Das erste BIM-Projekt mit neun Beteiligten, die das noch nie gemacht haben, Ostern zu beginnen und zu sagen „So, jetzt brauchen wir bis Ende Mai auf jeden Fall noch irgendwie alle technischen Planungen, damit wir alle Aussparungen in die Holzbauteile planen.“ Die werden überfordert sein.
Götz Müller: Ja. Auch das, was Sie eingangs gesagt haben, diese, ich glaube drei bis fünf Jahre waren es für eine Veränderung, sich wirklich die Zeit zu nehmen, um die Menschen nicht zu überfordern.
Mark-Felix Rettberg: Für die gesamte Organisation. Ja, da reden wir über Organisationen mit mehreren Mitarbeitern. Aber im Prinzip, viele Projekte oder viele Einführungen, die wir begleiten, die sind ja meistens schon am Laufen, die sind meistens zwei, drei Jahre am Laufen, da kommt dann das erste BIM-Management oder Lean Management langsam an seine Rechtfertigungsgrenze, weil die gesteckten Erwartungen, auch in Richtung Return on Invest und so, halt nicht erfüllt werden konnten. Und wir haben irgendwann, auch sehr früh den Abstand genommen von der Quantifizierung, von ROIs, weil wir gesagt haben, das Einzige, was wirklich etwas über die lange Sicht bringt ist, wenn eine BIM- oder Lean-Initiative das Unternehmen seiner Vision näher bringt. Das bedeutet, wir nennen das ganze strategische Verankerung. Was wollen Sie als Unternehmen erreichen in drei bis fünf Jahren? Und dann kann man die Frage stellen, wie kann BIM oder Lean Construction oder Lean dabei unterstützen und dann wird auch sehr, sehr schnell klar, wenn Sie ein Unternehmen sind, was drei, vier Verlustprojekte in den letzten Jahren hatte, große Projekte, die verlustreich waren, dann werden Sie einen Fokus auf Sicherheit haben und da macht es dann Sinn, diese Transparenz und Sicherheit zu geben, damit diese Risikoprojekte nächstes Mal rausgefiltert werden, dass der Preis besser wird, nicht niedriger sondern besser. Wenn Sie ein Unternehmen haben, dem es sehr, sehr gut geht, das wachsen will, weil Sie auch gute Qualität liefern, da haben sie jetzt zwei Momente und werden Ihren Schwerpunkt jetzt mehr auf das Wachsen legen und gleichzeitig auf des Qualitätsmanagement, dass man eben sagt, die neuen Mitarbeiter, die wir jetzt dazu holen, die müssen dieselbe Qualität wie unsere vorhandenen Mitarbeiter, und wir müssen das Ganze jetzt auch so tracken, dass das schnelle, große Wachsen, wenn Sie sich jetzt in der Belegschaft verdoppeln wolle, nicht nur zum Kulturverlust kommen und dieses Unternehmen wird eine komplett andere BIM-Lean-Strategie fahren, die mehr in Richtung Arbeitspakete, standardisierte Prozesse, Digitalisierung hinsichtlich von Arbeitspaketen und Aufwandswerten entwickeln, während das andere deutlich mehr Fokus auf die Kalkulationen, auf das Verstehen des Projektes, auf die Vollständigkeitsprüfung und so weiter geht. Das bedeutet, unterschiedliche Unternehmen haben einfach unterschiedliche Strategien und dann kann man anfangen und sagen, wen haben wir im Unternehmen, der am besten jetzt schon dafür geeignet ist. Weil das ist auch so ein Ding. Sie haben in der Bauindustrie Teams und diese Teams gehen von Baustelle zu Baustelle, aber das ist nicht gesagt, dass das passende Projekt für dieses Team zusammen den guten Mix für ein BIM- oder Lean-Projekt gibt. Und dann muss man eben auch gucken, kann man sich das leisten, diese Teams auseinanderzunehmen und neu zusammenzustellen, kann man sich irgendwie möglicherweise Teams aus anderen Projekten abziehen, auf dieses neue Projekt setzen, weil sie eben lean-affiner sind und die Fertigkeiten mitbringen, die wir brauchen in der ersten Pilotierung. Wer sind die Schlüsselfiguren im, in den Netzwerken, die einfach stark verankert sind, sie Sie involvieren wollen, damit Sie Informationen auch teilen, weil die meisten Informationen tatsächlich an der Kaffeemaschine, beim Mittagessen oder auf der Firmenfeier geteilt. So ist es nun mal. Und das sind alles Aspekte, die kann man betrachten und dann hat man nach einem Jahr irgendwo ein Pilotprojekt umgesetzt, ob das jetzt Lean oder BIM ist, aber wichtig ist es, die Erfolge, aber auch die Misserfolge zu dokumentieren und eine Kultur entwickeln, die nicht dann mit dem Finger darauf zeigt und sagt „Haha“, sondern mehr nach dem Motto „Das sind unsere Helden.“, also im Sinne auch, dass des Scheiterndürfens, weil es ist das erste Projekt. Es ist wie ein Lottospiel, es ist doch super, wenn es gut geht. Die Quoten sind deutlich besser bei einem Lean- oder BIM-Projekt, aber es ist ein Lottogewinn für ein Unternehmen. Das kann ich versprechen.
Götz Müller: Ja. Und ich höre jetzt auf jeden Fall, so ein bisschen als, ich gucke mal auf die Uhr, schon über eine Stunde, aber sehr spannend, also keine Minute verschenkt, die große Gemeinsamkeit, die ich jetzt rausgehört habe, ist, das sagt man ja auch immer bei Lean, ja, Toyota-Produktionssystem ist toll, aber es passt nicht eins zu eins für jeden. Und im Grunde habe ich rausgehört, gilt für BIM eins zu eins die gleiche Aussage. Ich kann jetzt irgendwas Fertiges drüberstülpen, das hat hier funktioniert, das muss überall funktionieren.
Mark-Felix Rettberg: Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Da sind auf gleicher Wellenlänge. Das ist halt so. Wir Menschen sind unterschiedlich. Das bedeutet ja auch Firmenkulturen sind unterschiedlich und damit setzten sich auch Gruppen, Teams oder ganze Organisationen halt aus unterschiedlichen Menschen zusammen. Und wenn ich mir „Tradition seit 1780“ unter meinen Logo schreibe, dann ist das ein Statement. Tradition ist auch Wertebewahrung und so weiter. Dieses Unternehmen, weil Sie vorhin gemeint haben, was ist denn da, dieses Unternehmen zu verändern, fände ich jetzt, bevor ich in das Unternehmen gehe, sportlich, weil der Wert Tradition und Erhaltung und Qualität eben oben steht und da muss man vorsichtig sein, an welchen Rädchen man dreht.
Götz Müller: Absolut.
Mark-Felix Rettberg: Währenddessen ein modernes, agiles, blaues Logo sehr viel Kraft und Modernität und Risikobereitschaft dann da reingeht, die haben vielleicht eine andere Firmenmentalität und auch andere Leute.
Götz Müller: Ja, die möglicherweise eben auch Menschen anziehen, die da einfach von vornerein besser dazu passen.
Mark-Felix Rettberg: Natürlich. Ich werde mich als traditioneller Mensch in einem sich ständig verändernden Unternehmen auch nicht solange wohlfühlen. Also ich 2008 meine Koffer gepackt habe, ich war also, bin noch meiner Frau verheiratet, und das war eine Entscheidung, das ist eine Geschichte, die ist wahnsinnig. Es war nicht zwischen Weihnachten und Neujahr, kurz bevor wir auf die Silvesterparty gegangen sind, wo wir uns gefragt haben „Wie war das Jahr und was machen wir nächstes Jahr?“ und waren uns innerhalb von, und dass wir noch vorhin nicht drüber gesprochen haben, einig „Nächstes Jahr gehen wir irgendwie ins Ausland. Die Welt ist so spannend. Es passiert so viel in unterschiedlichen Themenbereichen.“ und bevor wir auf die Party sind, habe ich schon quasi eine E-Mail an Unternehmen geschickt, gerade aus dem Beratungsumfeld, wo ich gemeint habe „So, das ist das, was ich mache, ihr seid beim selben Hersteller, irgendwo in derselben, sage ich jetzt mal, Qualität gelistet, würde es überhaupt Sinn machen, mich bei euch zu bewerben?“ und ungelogen in der ersten Januarwoche habe ich Rückmeldungen aus Australien bekommen, aus Norwegen bekommen und konnte wählen. Und das würden Sie mit einem Menschen, der auf Sicherheit bedacht ist ….
Götz Müller: Wahrscheinlich nicht.
Mark-Felix Rettberg: … wahrscheinlich weniger hinkriegen, sage ich jetzt mal. Also hier wieder eben die Werte. Das Leben ist so spannend. Und die Bauindustrie ist gerade sowas am sich verändern und ich verstehe das mit dieser gesamten Veränderung, die um uns herum passiert, jetzt mit Corona, mit der Digitalisierung, mit dem Klimawandel, mit den ganzen ökologischen und ernährungswissenschaftlichen, was jetzt auf uns eindringt, das ist so viel Veränderung, dass ich auch den Verdruss, die Angst, die Frustrationen verstehe und umso mehr muss ein Unternehmen gut auf seine Mitarbeiter aufpassen. Und viele reden über Veränderungsmanagement, finde ich gewagt, jemanden auf Veränderung loszulassen in einem Unternehmen, der keine Ahnung hat von der Psychologie hinter der Veränderung. Und da sollte man, finde ich, anfangen zu begreifen, auch selber zu begreifen, also es gibt Bereiche in meinem Leben, da bin ich sehr zurückhaltend, sehr distanziert zu gewissen Punkten, dann gibt es andere Punkte, da gehe ich voll rein und bin der Teamplayer, ja. Manchmal bin ich veränderungswillig und in anderen Bereichen brauche ich einfach Konstanz und, ja, das ist halt die Psychologie. Wenn man die so ein bisschen im Griff hat, dann kann man faszinieren und dann hat man eben auch hinten raus die guten Ergebnisse, weil das wissen wir alle, Veränderungen im Unternehmen verändert das Unternehmen nicht nur inhaltlich, sondern auch personell. Viele entscheiden sich, ob sie bleiben, ob sie gehen, ob sie mitmachen, ob sie in den Widerstand gehen und da entstehen Spannungen, die man eigentlich schön umgehen kann, wenn man bisschen auf die Psychologie schaut.
Götz Müller: Das war jetzt ein wunderbares Schlusswort. Herr Rettberg, ich danke Ihnen für die, jetzt schon über eine Stunde, ich glaube, wir hätten noch eine Weile weiter reden können, aber, ja, ganz toll. Ich danke Ihnen herzlich für die Zeit.
Mark-Felix Rettberg: Gerne. Vielen Dank für die Möglichkeit. Das war ein spannendes Gespräch.
Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Mark-Felix Rettberg zum Thema Bauprozesse mit BIM. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 207.
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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.
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