Inhalt der Episode:
- Wie unterscheiden sich Verhandlungsprozesse aus Einkaufssicht von normalen Verhandlungsprozessen?
- Was sind dabei die besonderen Eigenheiten?
- Was sollten Verkäufer bzw. Vertriebler bei Verhandlungen mit dem Einkauf berücksichtigen?
- Wie können sich beide Seiten auf die Verhandlungen vorbereiten?
- Welche Rolle spielen Prozessgedanken bei den Verhandlungsprozessen?
- Welche Rolle spielt die zunehmende Digitalisierung bei Verhandlungsprozessen?
- Wie verändert sich die Rolle des Einkäufers dadurch?
- Welche Rolle spielt der Faktor Mensch in diesem Kontext der Digitalisierung?
Notizen zur Episode:
- Website von Ralf Elcheroth
- Facebook-Seite von Ralf Elcheroth
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(Teil)automatisiertes Transkript
Episode 242 : Verhandlungsprozesse im Einkauf
Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.
Götz Müller: Heute habe ich Ralf Elcheroth bei mir im Podcast-Gespräch. Er ist Verhandlungsexperte im Einkauf. Hallo Ralf.
Ralf Elcheroth: Hallo Götz, ich grüße dich.
Götz Müller: Ich habe schon ein Stichwort zu dir gesagt, aber stell dich gern noch mal in 2-3 Sätzen ein bisschen intensiver vor.
Ralf Elcheroth: Na logo. Gerne mache ich das. Ja, Ralf Elcheroth, ich bin Baujahr 1969, verheiratet, stolzer Papa von 3, ja noch kleinen Kindern. Ich habe ursprünglich mal katholische Theologie studiert, war da auch im Priesterseminar und bin dann allerdings in der Wirtschaft gelandet, habe hier in der Logistik und in Dienstleistungsunternehmen meine Karriere gemacht und da natürlich die unterschiedlichsten Positionen bekleidet, am Schluss Regionalleiter, davor Niederlassungsleiter, habe da also eine ganze Menge gemacht, bin jetzt seit über 12 Jahren selbstständig und bin hier Verhandlungs- und Kommunikationstrainer. Ich schule auf der einen Seite natürlich Verkäufer, allerdings bin ich da nach und nach immer stärker in die Einkaufsschiene reingerutscht und bin jetzt sehr spezialisiert auf den Einkauf. Ja und nebenberuflich haben wir uns ja schon kennengelernt, bin ich auch Hochzeitsredner. Das heißt, ich verheirate auch Paare, die nicht kirchlich heiraten können oder wollen.
Götz Müller: Genau, da könnte man dann auch noch darüber philosophieren, ob das etwas mit Einkauf zu tun hat. Okay, jetzt haben wir ja ganz spezifisch das Thema Verhandlungen im Einkauf. Und zum Einstieg, wie unterscheiden sich deiner Ansicht nach Verhandlungsprozesse im Einkauf von normalen Verhandlungsprozessen? Ich glaube, verhandeln tut man ja an vielen, vielen Stellen.
Ralf Elcheroth: Also ich glaube, wir verhandeln viel häufiger als wir tatsächlich denken. Ich denke, jeder, der Kinder hat, wird das erlebt haben. Wenn du mal mit so einem Kind, also ich habe eine dreijährige Tochter. Wenn ich mit der irgendwo einkaufe und die sieht Süßigkeiten, sind wir mitten in einer Verhandlung, ohne dass wir das ja eigentlich merken. Das heißt, in dem Augenblick, wo ein Kind schreiend am Boden liegt und heult und möchte irgendwie ein Überraschungsei oder irgendwas haben, sind wir eigentlich in einer Verhandlung und das Kind hat gerade seine Machtposition nur erhöht durch die Aufmerksamkeit. Das heißt, wenn man das mal so durchgeht, das haben wir ständig. Wenn du in den Urlaub fahren möchtest mit deiner Frau und ihr diskutiert, wo ihr hinfahren möchtet, seid ihr in einer Verhandlung. Die meisten Verhandlungen sind also im Grunde genommen nichts weiter als zwei unterschiedliche Meinungen, mit der wir versuchen irgendwie einen gemeinsamen Weg zu finden, einen gemeinsamen Kompromiss zu finden, also etwas, wo wir beide gut mit leben können. Die meisten Verhandlungen, die wir dann noch führen können natürlich durchaus auch strittiger Natur sein. Mal ganz extrem, wenn wir bei Beziehung sind, das Thema Scheidung, wenn extrem viel Emotionen drin sind, hier sind wir natürlich auch in einem klassischen Verhandlungsthema, bei dem es irgendwie auch nötig ist, eine gütliche Einigung zu finden, was aber häufig natürlich per sie durchaus schwierig ist und so Einkaufsverhandlung unterscheidet sich dadurch, dass die meisten Verhandlungen relativ spontan geführt wird. Also du kannst dich nicht gut darauf vorbereiten, wenn dein Kind im Supermarkt irgendwie Amok läuft, auch auf andere Themen bist du nicht so gut vorbereitet. Der Einkäufer hat in der Regel Zeit, sich auf eine Verhandlung umfangreich vorzubereiten, er hat einen Termin, den er festlegen kann und was besonders wichtig ist, ich glaube, wir haben gerade im Einkauf die Ziele vorher schon feststehen. Das heißt, wir haben eine Zielgebung. Wenn du als Privatperson einkaufst, vielleicht ein gebrauchtes Fahrzeug, dann gehst du rein in die Verhandlung und denkst „Ich hole das bestmögliche raus“, für eine Verhandlung ist das eigentlich eine Katastrophe, das Ergebnis wird so nicht bestmöglich. Je klarer ich ein Ziel vor Augen habe, desto besser das Ergebnis. Und der Einkäufer hat klare Ziele, die er meist von seinem Vorgesetzten bekommt oder das Unternehmen oder wie auch immer, die ergeben sich und hinzu kommen noch ein paar andere Komponenten, die es ein bisschen schwieriger machen für den Einkäufer, weil er noch andere Faktoren mit drin hat, die sich nicht nur auf dem Preis beziehen.
Götz Müller: Ich glaube auch, zumindest an deinem Beispiel des kleinen Kindes und auch beim Einkauf würde ich sagen, in vielen Verhandlungssituationen, glaube ich, haben wir diese Augenhöhe nicht, oder? Auf die ein oder andere Weise begegnen sich Menschen halt nicht völlig auf Augenhöhe und sie sind sich dessen unter Umständen auch bewusst.
Ralf Elcheroth: Ja, das haben wir natürlich bei Einkäufern auch, häufig … wenn du jetzt zum Beispiel Einkäufer bist in einem großen Automobilkonzern oder Zulieferer, der wirklich, wirklich groß ist und da kommst du jetzt als kleiner Mittelständler oder Verkäufer um die Ecke, wie ist da jetzt die Machtposition, zumindest gefühlt oder wenn du auch als das große Firma mit einem Monopol verhandelst, da bist du auch nicht auf Augenhöhe. Also, ich glaube, die Dinge wie Augenhöhe, die du im Privatbereich hast, hast du tatsächlich aber auch im Einkauf. Ich würde sogar sagen, dass du im Privatbereich häufiger auf Augenhöhe bist als das tatsächlich im Businessbereich ist. Wenn du mit einer Frau über den Urlaub verhandelst, ich glaube, da seid ihr schon auf der, vielleicht nicht immer, aber ja.
Götz Müller: Mit dem kleinen Kind halt, das spielt halt seine Machtposition ist ja unter Umständen sehr stark aus.
Ralf Elcheroth: Ja, da haben wir natürlich etwas ganz Spannendes. Wir ziehen im Grunde genommen ja unseren Kindern diese intuitive Verhandlungskompetenz ab. Eigentlich müssten wir die ja beibehalten lassen, wenn Kinder zu oft nerven und nachfragen, sagen wir „Hör auf damit.“ Da müssten wir genau das fördern, denn wir bekommen nicht das, was wir verdienen, auch nicht im Arbeitsbereich, wir bekommen das, was wir verhandeln. Das heißt, wenn du in eine Verhandlung reingehst und du willst einen neuen Job haben, dann musst du richtig reingehen und mit hohen Forderungen reingehen, sonst wirst du auch nichts bekommen. Je niedriger deine Forderung ist, desto niedriger ist das Ergebnis. Und Kinder gehen da sehr intuitiv, die spielen alle Dinge aus, die sie irgendwie eingreifen können, alles, was funktioniert wiederholen sie auch, aber wir als Erwachsene wollen das gezielt nicht und dann wundern wir uns später, dass wir nicht mehr ganz so gut verhandeln können.
Götz Müller: Mir kommt da gerade auch in den Sinn, möglicherweise haben Kinder vielleicht auch nicht diese Hemmung, als Erwachsener würden wir uns nicht auf den Boden schmeißen.
Ralf Elcheroth: Obwohl wir das tun sollten manchmal, finde ich, aber ja, du hast natürlich recht, aber das ist Erziehung. Das heißt, wir haben uns Verhaltensmuster definiert, an die wir uns halten und dir wir als richtig oder falsch empfinden und die uns natürlich auch in bestimmten Dingen begrenzen. Also verhandlungstaktisch zum Beispiel ist immer ein ganz krasses Beispiel, wenn ein Diktator sagt, dass er auf alle taktischen Mittel zurückgreift, eben auch auf Krieg und einer aus der demokratischen sagt, na ja, Krieg scheidet von vorne rein aus, hast du schon gemerkt, dass sofort ein Machtpotenzial von den Demokratien vom Tisch ist, die man erst wieder nach verhandeln muss. Das heißt, dieser Diktator hat automatisch ein viel größeres Machtpotenzial, das wir erstmal wegverhandeln müssen, Da merkst du, dass wir viele Dinge, die gut und richtig sind, uns das durchaus Macht nimmt, so fatal das dann auch zu sein scheint.
Götz Müller: Ja, jetzt hast du vorhin gesagt, der Einkäufer, typischerweise, bereitet sich gut vor und ich glaube, ein spannenderes Thema, obwohl wir sagen, Verhandlungsprozesse im Einkauf, wenn wir trotzdem beide Seiten betrachten, nämlich auch mal den Verkäufer beleuchten, den Vertriebler, was er tun kann bei Verhandlungen mit Einkäufern.
Ralf Elcheroth: Also deine Frage ist jetzt, was der Vertriebler tun könnte, um besser mit dem Einkauf zurecht zu kommen? Ich glaube, der Kern ist die Vorbereitung. Du kommst an der Vorbereitung nicht vorbei. Das Thema Vorbereitung wird auch vom Einkäufer, wenn wir ehrlich sind, meistens auch stiefmütterlich behandelt. Es ist so, dass der Einkauf in seinen täglichen Prozessen, in dem, was er tun muss, dass da diese Zeit für die Vorbereitung nicht vorgesehen ist. Also irgendwie geht das unter. Weil in dem Augenblick, in dem du dich vorbereitest, hast du den Eindruck, gerade nichts zu tun. Du gibst kein Bestellung auf, du hast keine Meetings, du triffst dich nicht mit Verkäufern und das Gleiche ist es bei den Verkäufern. Meine Empfehlung ist immer auch als Verkäufer, auch wenn du erfahren bist, bereite dich intensiv auf dieses Gespräch vor. Da gibt's ja zwei Ebenen, einmal die Sachebene und die Beziehungsebene. Und im face-to-face-Verhandeln ist es ganz häufig so, dass wir immer denken, dass die Menschen irgendwie sachlich sind. Das heißt, wir bereiten Argumente vor, wir überlegen uns, was ein besonders guter Punkt sein könnte, bei diesem sachlichen Dingen, womit wir ihn knacken können. Und was komplett vergessen wird, ist, dass die Sachargumente eigentlich kaum funktionieren. Es gibt keine, oder selten, goldene Argumente, die 100% ziehen und Geschäfte werden im face-to-face-Verhandeln mit Menschen gemacht, nicht mit einer Firma oder einem Rechner oder so und entsprechend ist das, was ich in der Verhandlung vorbereiten muss, für die Verhandlung, welche Taktik, welche Strategie wende ich an, welche Informationen habe ich, die ich über die Person nutzen kann. Kann ich über besonders große Sympathie irgendwie besonders punkten? Das heißt, ich behandle sie anders vor. Und ich glaube, der größte Faktor in der Vorbereitung ist das Thema Einstellung. Viele Verkäufer haben beim Einkauf immer den Eindruck, dass sie da so ein bisschen Opfer sind, also der Verkäufer kommt hin und ist jetzt von dem ach und Wehe des Einkäufers jetzt abhängig und hoffentlich fordert der jetzt nicht zu viel. Also gerade Jahrespreisverhandlung oder Ähnliches und dabei ist aber so, dass der Einkäufer auch Nöte hat, der kann sich nicht komplett frei entscheiden. Also wenn du mir nicht entgegen kommst, dann source ich dich out, dabei kann der das oft gar nicht, weil das Werk dann sofort Amok laufen würde oder da bestimmte Verträge hinter stecken oder so. Das heißt, er ist überhaupt nicht frei in seiner Entscheidung, und wenn man das mal im Hinterkopf hat, dass der auch der Einkäufer Nöte und Probleme hat, dann ist es als Verkäufer viel, viel einfacher, sich auf das Gebiet des Einkäufers zu begeben und gute Ergebnisse auf Augenhöhe natürlich zu erzielen.
Götz Müller: Wenn wir jetzt, das ist ja das große Thema meiner Podcast-Episoden, den Aspekt Prozess reinbringen. Und Prozess … ein so ein klassisches Thema ist Wiederholbarkeit und ein Stück weit auch Berechenbarkeit und dann stand da was in deiner Ansicht nach diese Elemente in einem Verhandlungsprozess, klar, dass ich es immer wieder tue, ist keine Frage, aber dieses wiederholbar und auch im Sinne von einem Standard und dann eben, glaube ich, unterm Strich eben für beide Seiten, auch diese Berechenbarkeit, wie gelingt das?
Ralf Elcheroth: Also ich kann’s jetzt nur mal für die Verhandlung selbst … das Thema digital kommt bestimmt gleich noch, wenn ich deinen Podcast richtig gehört habe, dann kommen wir da gleich noch mal drauf. Im Verhandeln habe ich eine bestimmte Vorgehensweise, die ich einhalten sollte. Ich habe da so ein 7-Phasen-Modell, dass ich als Struktur benutze, um gezielt durch den Verhandlungsprozess immer wiederkehrend durchzukommen. Das beginnt mit dem Step 1, Vorbereitung. In einer face-to-face-Verhandlung weiß ich ist Step 2 immer der Beziehungsaufbau, drittens Sachebene klären, das heißt, gucken, ob wir wirklich wegen dem gleichen Grund da sind, im dritten Schritt gucke ich einfach mal, ob die Interessen und Ziele, wie die aussehen, ob die vorhanden sind, ob die klar sind, gehe dann in den Bereich Lösungsansätze diskutieren, in den Abschluss und dann in Punkt 7 wieder in die Nachbereitung. Und damit habe ich den standardisierten Prozess, den ich immer und immer wieder einhalte und dann kann ich natürlich auch wieder mit klaren Checklisten arbeiten, die mir helfen durch so einen Prozess zu kommen. Im Grunde genommen, gerade, wenn ich mit einem Lieferanten zu tun habe, langfristig, kehren alle Themen wieder. Ich gehe bestimmte Kennzahlen durch, gucke, ob es Qualitätsthemen gab, schaue wie die Preisentwicklung war. Ich muss gucken, welche Wertschöpfungstiefe ich habe und an welchen Stellschrauben man drehen kann. Aber das ergibt sich wieder aus dem Prozess in der Vorbereitung und dann habe ich einen relativ standardisierten Prozess, den ich auch problemlos auf alle Lieferanten kopieren kann.
Götz Müller: Ja, und ich würde sagen … das große Thema Prozess gibt natürlich eigene Sicherheit, ich muss dann nicht überlegen, ich erfinde das Rad nicht neu, sondern ich weiß halt, okay, jetzt haben wir diesen Punkt hinter uns, jetzt geht's zum nächsten über.
Ralf Elcheroth: Du hast völlig recht, genau. Das ist ja das Thema der Vorbereitung. Es gibt ja nicht nur, dass du jetzt den Punkt des Gegenübers findest, sondern auch, dass du selbst halt sehr entspannt in der Verhandlung sitzt. Ich glaube, für einen guten Verhandler, gerade für einen guten Einkäufer soll das ganze Spiel sein, der muss da sitzen können und daran Spaß haben. Wenn es keinen Spaß macht, ich denke, dann kann man auch einen anderen Job machen.
Götz Müller: Okay. Jetzt hast du gerade das Stichwort Digitalisierung schon genannt und ich glaube, man kommt heutzutage im Grunde ja nicht drum rum. Was ist, du bist ja nicht erst seit gestern in den Thema unterwegs, was ist so dein Gefühl, dein Eindruck, welche Rolle spielt zunehmend die Digitalisierung bei Verhandlungsprozessen?
Ralf Elcheroth: Ich glaube, wir spüren da jetzt einen massiven Wandel, und zwar schon seit Jahren andeutet, ich fand ihn anfangs mit angezogener Handbremse, und das ist das Thema mit den Auktionen. Das heißt, dass wir auf Plattformen gehen, dass wir die Prozesse komplett automatisieren, was natürlich für den Einkauf massive Auswirkungen, auf den Einkäufer natürlich massive Auswirkungen hat und das war vor Jahren eigentlich vernachlässigbar, ich bin ja für viele großen Automobilzulieferer und Automobilkonzernen tätig, trainiere da Einkäufer, das war vor Jahren kein großes Thema, wenn man da mal einen getroffen hat, der mit so einer Auktion zu tun hatte, dann war das eine Ausnahme. In den letzten Jahren hat man gemerkt, dass es deutlich zunimmt, weil die Erfolge natürlich enorm sind, man hat den Faktor Mensch jetzt komplett rausgenommen, das heißt, dieses emotionale Thema, diese Hemmnisse, die du am Anfang ja genannt hattest, die haben wir ja auch in Verhandlungen, zu viel zu fordern, „oh, das kann ich nicht machen, da gibt's bestimmt Probleme und was ist, wenn“, das habe ich bei einer Auktion, bei diesen Plattformen, wenn ich biete, habe ich das nicht. Und die Ergebnisse waren wirklich zum Teil wirklich herausragend, vermutlich auch weil der ein oder andere Lieferant das gar nicht kannte und sich vielleicht auch ein bisschen verkalkuliert hatte. Auch das sind natürlich dann erste Konsequenzen, aber so nach und nach hat sich der Prozess, ja, ist komplett durchdrungen durch das System und es wird immer weiter angewendet und es kommt immer mehr, diese Fehler werden langsam ausgemerzt, die haben Anfang stattgefunden haben und ich gehe davon aus, dass in drei bis fünf Jahren für normale Standardprodukte, die wir bestellen oder so, dass wir da nur noch auf Plattformen bestellen werden. Das heißt, dass der Einkäufer dann eine ganz andere Tätigkeit hat, dass er nicht mehr verhandeln muss.
Götz Müller: Den Punkt möchte ich jetzt noch ein bisschen vertiefen. Ich höre da ganz deutlich raus, seine Rolle ändert sich und das macht ja auch etwas mit den Menschen. Das ist für mich auch immer ein wichtiges Thema. Prozess an sich und Digitalisierung im Speziellen auch noch mal zu beleuchten, was es für den Einkäufer bedeutet, vielleicht gelingt es uns auch, einen kleinen Ausblick auf die andere Seite zu machen, den Verkäufer mal anzugucken.
Ralf Elcheroth: Also, im Grunde genommen war jetzt die Frage, was wird das mit den Menschen tun oder was erwarten wir da. Also da scheiden sich so ein bisschen die Geister, also wir wissen noch nicht genau, was uns erwartet. Tatsache ist, es wird zunehmend stärker eingesetzt und das bedeutet natürlich, dass ich als Einkäufer hier mehr die Vorgaben machen muss. Das heißt, dass ich stärker in eine Vorbereitung eingebunden bin, über Qualitätsthemen, über Sicherstellungsthemen, dass ich die Vorbereitung mache, sage, welche Parameter müssen für eine Auktion beispielsweise vorbereitet sein, was muss erfüllt sein und dann nur noch das Ergebnis abwarte, das Ergebnis qualifiziere und dann die Entscheidung auslöse. Das heißt, ich bin stärker Controller, ich muss in einer Schnittstellen arbeiten, muss stärker in die Entwicklung mit eingebunden sein, muss vielleicht auch mehr technische Kenntnisse haben als das in der Vergangenheit notwendig war. Ich könnte mir auch vorstellen, aber das ist reine Spekulation, dass wir vielleicht auch weniger Einkäufer brauchen. Also ich vor 12 Jahren angefangen habe, habe ich festgestellt, dass viele Unternehmen gar nicht wissen, wie viele Einkäufer sie tatsächlich haben. Da gab’s Werkseinkäufer, Zentraleinkäufer, direkter, indirekter Einkauf, Projekteinkauf und die waren oft an Werke angeschlossen, an Abteilungen und wenn eine Firma sagte, sie wollten ein Angebot haben und man fragte „Wie viele Einkäufer haben Sie?“ und die sagen etwas mit 1000, dann konnten es auch 3000 sein, also dass sie das nicht beziffern und diese Strukturen wurden jetzt schon deutlich verschlankt und dadurch mussten schon Einkäufer, glaube ich, in Abteilungen weniger gesetzt werden. Ich merke, dass die Arbeitslast auf dem einzelnen Einkäufer auch seit Jahren konstant zunimmt. Ich könnte mir vorstellen, dass eben der Hintergrund die Automatisierung ist, wir haben heute viel schneller und mehr Informationen als früher, die sind besser verfügbar. Und ich denke, da wird der Trend hingehen. Das heißt, ich könnte mir vorstellen, dass wir weniger Einkäufer brauchen und dass diese Einkäufer besser qualifiziert sein müssen als in der Vergangenheit. Also dass sie andere Fähigkeiten haben müssen, also Schnittstellenmanager beispielsweise, Mediatoren zwischen verschiedenen Bereichen, als Controller, die dann bestimmte Kennzahlen auswerten müssen. Also das könnte ich mir gut vorstellen.
Götz Müller: Ich hör' auch ein Stück weit raus, vielleicht sogar stärker ins Unternehmen rein, ins eigene Unternehmen rein, gar nicht so sehr an der Schnittstelle zum Verkäufer, zum Vertrieb, weil das übernimmt ja die Plattform unter Umständen.
Ralf Elcheroth: Also die Aufgaben für den Einkäufer ist natürlich in der Vergangenheit und wird es in Zukunft auch bleiben, natürlich auch Lieferanten zu finden. Also, ganz außen vor wird er da nicht bleiben, wir leben in einer globalisierten Welt, wenn du ein spezielles Produkt einkaufen möchtest, weißt du gar nicht, wie viele Lieferanten gibt's davon überhaupt. Du kennst dann vielleicht zwei deutsche, hast noch was von Ungarn gehört, in China gibt's vielleicht noch einen, in Brasilien, keine Ahnung. Jetzt musst du aber weltweit dennoch mehr auftun, um einfach Wettbewerb zu schaffen oder vielleicht bestimmte Probleme, die du mit Qualitätsthemen hast, auszugleichen und das wird die Aufgabe des Einkäufers bleiben. Das heißt, er wird in diesen Punkten mit dem Verkauf noch zu tun haben, aber sobald es tatsächlich um Preisthemen geht, wird das eine Plattform in irgendeiner Form übernehmen, Bots oder was auch immer, ich denke auch, dass da mit künstlicher Intelligenz da auch noch mal etwas kommen könnte, warum müssen Verhandlungen dieser Form von Menschen geführt werden, ich glaube, da wird es auch noch andere Möglichkeiten geben, Preise zu verhandeln oder Qualitätsthemen.
Götz Müller: Ich höre natürlich raus und du hast es ja vorhin auch, meiner Ansicht nach, deutlich gesagt, dass auch dieser Faktor Mensch, also dieser emotionale Anteil, der nicht sachliche Anteil, entsprechend zurückgeht, oder?
Ralf Elcheroth: Ja. Das ist, glaube ich auch, also ich habe immer den Eindruck, das ist der gewollte Teil … wir hatten ja … wenn du dir Großkonzerne anschaust, ich bin bei sehr großen Automobilzulieferern auch drin seit Jahren schon und da merkst du deutlich, dass das Rotationssystem in den letzten Jahren schon massiv zugenommen hatte. Also du hattest früher, ganz früher, mal 20 Jahre mit dem gleichen Kunden zu tun. Das ist heute nicht mehr der Fall, alle 2-3 Jahre setzt die Rotation ein und du hast einen neuen Einkäufer da vor dir sitzen, wenn du als Verkäufer da bist. Das hängt damit zusammen, dass du einfach zu schnell … oder dass wir festgestellt haben, dass die Beziehungsebene zu stark wurde und damit die Skrupel zu viel zu fordern, man kannte sich, man hatte da schneller Agreements und diesen emotionalen Teil hat man durch diese Rotation schon wieder rausgenommen. Und der nächste Step ist dann natürlich diese Plattform-Geschichte. Das heißt, sobald ich in eine Auktion gehe, schalte ich den Faktor Mensch, Mitgefühl, Empathie, Sympathie, das sind viel psychologische Faktoren, die ja in einer Verhandlung eine riesige Rolle spielen, die schalte ich komplett aus. Und das wird für den Einkauf, das hattest du eben schon gefragt, auch wieder massive Auswirkungen haben. Derzeit ist es ja so, dass wir Dinge als Verkäufer anbieten und wir overdelivern häufig. Das heißt, wir haben ein Produkt und sagen „Hey, ich kann dir folgende Features noch anbieten, weil die einfach im Produkt mit drin sind.“ Bei einer Auktion darfst du das nicht machen, also da gehst du nur hin, guckst genau, was genau will der Kunde jetzt haben, welche Linien hat er bis wohin, welche Qualitätsthemen brauche ich und genau die bietest du an. Und das Add-on, das lässt sich wieder bezahlen, also das war in den letzten Jahren, das wird sicherlich in den nächsten Jahren dann auch wieder ausgemerzt diese Thematik. Wir hatten in den letzten Jahren immer das Problem, dass bei der Entwicklung häufig ein fertiges Produkt ausgeschrieben wurde, der Einkäufer läuft los, hat eine Auktion gestartet, weil alles sehr klar messbar war und gut vorbereitet und dann, nachdem ausgeschrieben war, nachdem der Abschluss getätigt war und die einen Lieferanten hatten, kam die Entwicklung und sagt „Wir haben noch etwas entdeckt, das geht doch nicht, wir müssen noch mal etwas verändern“. Jetzt kannst du dir vorstellen, was der Lieferant sagt: Das wird jetzt teuer. Das heißt, sie haben sich das Geld da geholt. Das wird sich dann zunehmend auch ändern, aber der Fakt ist, du darfst nur das genau liefern, was der Kunde haben möchte und alles andere kostet dich ja nur Geld. Und wenn er mehr möchte, gibst du es on top.
Götz Müller: Mir kommt da jetzt in den Sinn, es könnten sich dann so Effekte ausbilden, wie wir das aus der Bauindustrie kennen, wo ja im Grunde das Geld auch nicht über die Ausschreibung verdient wird, sondern über die Nachträge.
Ralf Elcheroth: Ich bin aber ziemlich sicher, dass man, wenn man den staatlichen Bereich, mit diesem Bauthemen, ich denke da an Berlin, und die Wirtschaft betrachtet, vermute ich, dass die Wirtschaft lernen wird. Das sehen wir jetzt schon, du kannst ja vieles nachverhandeln, du kannst ja schon hingehen und kannst sagen, ja, wenn die Mengen nicht ganz klar sind, dass du sagst, wir vermuten, dass wir 50 Millionen in so und so vielen Jahren haben werden, und wenn wir drunter liegest, wirst du halt sagen, wird der Preis sich so und so variieren oder wenn bestimmte Nachbesserungen gemacht werden müssen, dann werden die so und so kalkuliert. Das wird man ja nach und nach lernen und das System immer weiter verbessern.
Götz Müller: Ja. Ich möchte noch ein Punkt … hat auch wieder etwas mit dem Mensch zu tun, dieser Wandel macht ja etwas mit ihm und definitiv in einem anderen Kontext erlebe ich es halt, da ist kein „Hurra, Digitalisierung“, sondern eher so ein „Bleib mir fort damit“, was ist da deine Wahrnehmung und ein Stück weit eben auch Empfehlung, wie Menschen, die jetzt das Thema Digitalisierung auf dem Tablett haben, wie sie denn mit diesem eventuellen Widerstand auch umgehen?
Ralf Elcheroth: Ja, wir haben da immer mit dem Change Management, das kennst du ja in- und auswendig. Sobald wir Veränderungen antriggern, holt uns das aus der Komfortzone raus und da wehren wir uns erstmal dagegen. In den letzten Jahren gab es so eine schleichende Veränderung, dass man die ein oder anderen Produkte mal platziert hatte, auch in großen Firmen, wo die Veränderungen stattgefunden haben und merkt, dass man hervorragende Ergebnisse erzielt hat. Ich glaube auch, dass man dem Einkäufer, also dem Mitarbeiter sehr wohl vermitteln kann, dass er dadurch weniger Arbeit hat. Er hat ja in der Vergangenheit die Zeit nicht gehabt, sich auf Verhandlungen vorzubereiten, dass die Prozesse mit mehrfachen Treffen sehr aufwendig waren und dass er sich jetzt stark auf das konzentrieren kann, was er in der Vergangenheit ohnehin schon sehr stark getan hat und dass dieser Block einfach wegfällt und ich könnte mir vorstellen, dass viele Einkäufer das durchaus begrüßen, dass das für die auch gut ist, dass sie sich mit diesem Thema nicht mehr auseinandersetzen müssen, weil die vielleicht eher stark aus dem Controlling kamen oder sich gerne mit Sachthemen auseinandersetzen, solche Menschen gibt es ja auch im Einkauf sehr viele, die wird man damit leicht ködern können.
Ralf Elcheroth: Dass es diese Prozesse, diese Schwierigkeiten in den Prozessen geben wird, ich glaube, da brauchen wir nicht darüber diskutieren, die werden kommen, ich glaube, auch, die spüren wir schon, ich hatte die großen Prozesse mit dem Zentraleinkauf, also die Veränderung von dem Werkseinkäufer und so weiter, hatte ich bei 1-2 Firmen miterlebt, das war schon richtig schlimm und ist noch nicht so lange her. Das heißt, gefühlt ist der Einkäufer gerade aus dem einen Prozess raus und da deutet sich der nächste schon an. Ich denke, das wird sich so ein bisschen nach und nach erledigen. Also Mitarbeiter, die dann mit ihrer Arbeit nicht mehr zufrieden sind und gehen werden und die dann einfach nicht neu besetzt werden, also das ja jetzt schon, ich bin ja viel im Automotive-Bereich tätig, der ja schon in den letzten Jahren immer gebeutelt war von Hochs und Tiefs und die nach jedem Tief dann Mitarbeiter in irgendeiner Form abgebaut haben und ich glaube, das wird sich da so ein bisschen regulieren. Und es wird ein paar geben, die das lieben werden. Auch das glaube ich, weil das das schon, wenn du so eine Auktion mal erlebt hast, das ist schon eine coole Sache, zu sehen, wie so Preise purzeln und was auf einmal geht. Aber es wird Probleme geben.
Götz Müller: Ich glaube aber eben auch, dass es eine Chance ist, wie du vorhin angedeutet hast, diese andere Arbeit, die vielleicht eher zu kurz kommt, zum Beispiel eben gucken, wo gibt's noch andere Lieferanten, die einerseits dann an der Auktion teilnehmen, wenn ich sie dazu auffordere, wo ich Potenziale mir erschließe, die ich sonst gar nicht habe, weil ich mich ja selber nicht klonen kann und ich kann immer nur einem gegenüber sitzen in einer Verhandlungssituation, während, wenn das die Maschine übernimmt, dann sitzen da ja 3,4,5,6,7 andere in Anführungszeichen mir gegenüber und ich habe viel mehr Möglichkeiten, mich auf andere Dinge zu konzentrieren.
Ralf Elcheroth: Also der Einkauf steht immer so in dem Drama-Dreieck des Einkaufs. Das ist bestimmt durch Preis, durch Sicherstellung und durch Qualität. Das sind so die drei Themen, die er immer hat, der will natürlich optimal den besten Preis für eine Mörder-Qualität und der Garantie, dass da immer geliefert wird. Durch diese Veränderungen werden wir im Preis nicht mehr so stark sein, werden auch weiter mit Sicherstellung arbeiten müssen und mit der Qualität. Das heißt, die Arbeit im Fokus verändert sich im komplett und damit werden vielleicht auch die Kennzahlen für den Einkäufer sich verändern. Als bist jetzt war ja die größte Kennziffer, egal ob die real war oder nicht, war der Preis. Dabei ist auch der Preis gar nicht so real, man denkt immer so, es geht um den Preis. Lass dir mal … du verhandelst einen Lieferanten so runter, dass er bankrott geht und die Bänder stehen auf einmal still und kostet eine Millionen, dann wird es vom Preis auch vom Management nie wieder die Rede sein. Das heißt, Preis ist gar nicht so fokussiert, aber ich könnte mir vorstellen, dass das dann tatsächlich auch komplett nachrangig wird und warum sollte nicht eine Kennziffer sein, die Anzahl der Lieferanten, die an einer Auktion teilnehmen. Das könnten ja auch Kennzahlen werden. Das heißt, warum nicht auch da Veränderung und dann wäre der Einkäufer natürlich wirklich fokussiert auf eine andere Tätigkeit innerhalb des Einkaufs.
Götz Müller: Gut, Ralf. Ich fand, es war eine spannende Unterhaltung, da waren Themen drin, die man, glaube ich, auf den ersten Blick eher so gar nicht vermutet hätte, was Digitalisierung angeht, was die Menschen angeht. Deshalb, ich danke dir für deine Zeit.
Ralf Elcheroth: Du, sehr gerne. Schön, dass ich darüber mit dir sprechen konnte, war mega und freue mich, dich mal bei Gelegenheit wieder zu hören.
Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Ralf Elcheroth zum Thema Verhandlungsprozesse im Einkauf. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 242.
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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.
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