Kaizen 2 go 263 : Digitaler Zwilling in der Administration


 

Inhalt der Episode:

  • Digitale Zwillinge sind in klassischen (Produktions-)Wertströmen schon seit einiger Zeit eingeführt. Was bringt der Einsatz in der Administration?
  • Welche Besonderheiten und/oder Herausforderungen treten dabei auf?
  • Wie geht man damit um?
  • Beispiel-Szenarien für Administrations-Zwillinge
  • Auf was sollte man achten, wenn man sich mit der Auswahl einer geeigneten Simulations-Software beschäftigt? Kann man “klassische” Simulations-Software aus der Produktion eins-zu-eins in der Administration einsetzen?
  • Welche Rolle spielt der Faktor Mensch in der Administration und insbesondere dessen digitalem Zwilling?

Notizen zur Episode:


Mitmachen?

Wenn Sie selbst ein interessantes Thema für eine Episode im Umfeld von Geschäftsprozessen haben, können Sie mir das auf dieser Seite mit Vorbereitungsfragen vorschlagen.

Ich freue mich darauf!

Ihnen hat der Inhalt gefallen? Dann bewerten Sie die Episode bitte bei iTunes.
Jetzt eintragen und Artikel/Denkanstöße zukünftig per eMail erhalten.

Artikel teilen auf ...


(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 263 : Digitaler Zwilling in der Administration

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Michael Meiss, wieder Michael Meiss bei mir im Podcastgespräch, er ist Beraterkollege und beschäftigt sich viel mit digitalen Aspekten im Lean-Kontext. Hallo Michael.

Michael Meiss: Hallo Götz, ich grüße dich.

Götz Müller: Ja, schön, dass du dabei bist. Du warst schon mal dabei, aber jetzt hat natürlich vielleicht nicht jeder Zuhörer unsere letzte Episode gehört. Deshalb sag gern nochmal zwei, drei Sätze zu dir als Person und was du so machst.

Michael Meiss: Ja, ich bin jetzt seit über 20 Jahren im Lean-Kontext unterwegs, ich bin Freiberufler und wo ich immer ein bisschen wert drauflege, ist einfach zu sagen, kein klassischer Berateransatz, ja, sagen viele, aber nochmal betont. Was ich eigentlich mache, ist temporäre Unterstützung mit spezieller Fachkompetenz, so nenne ich das. Ich habe halt sehr viel Erfahrung zu speziellen Themen. Eines unter anderem ist halt das Thema der Prozesssimulation. Und ich nutze immer die Möglichkeiten eines Externen, einfach im Verständnis gegenüber was können die Internen? Mein Schwerpunkt dabei sind die administrativen Prozesse, bereichsübergreifenden Prozesse und eigentlich die Organisation des KVP als solches.

Götz Müller: Ja, genau ein Stichwort hast du schon genannt: Administration. Da haben wir uns halt eben da die Kombination Digitalisierung, beziehungsweise ganz speziell digitaler Zwilling in der Administration, rausgesucht. Ich könnte mir vorstellen, der eine oder andere hat schon mal was über digitale Zwillinge, zumindest den Begriff, gehört und ich glaube, zumindest geht es mir so, aus klassischen Produktionskontexten, wo man halt im Wertstrom unterwegs ist, da ist das schon seit einiger Zeit unterwegs und jetzt da zum Einstieg die Frage: Was bringt mir das in der Administration?

Michael Meiss: Ja, die Ziele, die angestrebten Ergebnisse, sind sehr, sehr vergleichbar zum Thema in der Produktion. Was ich will oder worum es geht immer, ist, Transparenz herzustellen. Es geht einfach darum, wirklich die Zusammenhänge zu verstehen: Warum habe ich welche Ergebnisse? Gerade was Durchlaufzeit betrifft, ja, da ist ja das eigentliche Thema in der Administration. Warum ist die Durchlaufzeit so, wie sie ist? Warum habe ich gewisse Ausreißer? Wieso? Woraus ergeben sich diese Ausreißer? Das ist das Thema, worum es geht. Also es ist schon sehr, sehr ähnlich der Ziele in der Produktion, die Ergebnisse in der in der Administration, die sind einfach nicht klar oder beziehungsweise ich hab oft mal die Ergebnisse, ja, die kann ich einschätzen, sagen wir mal die Durchlaufzeit von Aufträgen pro Monat, ja, da habe ich eine Übersicht, aber ich weiß nicht, wo genau die Ursachen sind für die Entstehung dieser Ergebnisse und das wird je größer die Anzahl der beteiligten Prozessschritte ist, gerade wenn es auch über mehrere Fachbereiche zurückgeht, desto extremer wird dieses Thema, ja. Und hier hilft einfach so ein Simulationsmodell wirklich schon mal sehr, den Istzustand mal einfach zu verstehen. So, zum zweiten, wo man sagen muss, was bringt der Einsatz, deine Frage, das ist einfach, ich kann am Ende Tests mit verschiedenen Szenarien durchführen. Ich kann mir also drei, vier, fünf Lösungsmöglichkeiten überlegen. Wo greife ich hin? Was ändert sich an dem Prozess? Und ich kann diese Szenarien risikofrei im Vorfeld, ohne dass ich jetzt Leute dazu brauche, das heißt zur Durchführung eines großen Tests, direkt am Rechner machen. Das hilft schon extrem, ja, und wenn ich dann darüber eine gute Lösung ausgewählt habe, dann ist es sehr, sehr viel einfacher, am Ende mit Ergebnissen, die ich da ja in der Simulation vorweisen kann, auch die entsprechenden Entscheidungsträger am Ende zu überzeugen, in so eine Lösung zu investieren oder die umzusetzen. Das war so ein bisschen das, was aus meinen 10 Jahren, die ich das schon mache, was so die größten Vorteile waren vom Einsatz.

Götz Müller: Ja, bei dem, was du jetzt grade erzählt hast, hatte ich auch, ja, ich möchte es fast einen Aha-Effekt nennen, nämlich dieser Punkt Transparenz, der ja jetzt, wenn ich halt irgendwelche rechnersystemgetriebenen Dinge, ERP-System und irgendwelche angeflanschten Sachen da habe, das kann ich ja bei weitem nicht so einfach beobachten, wie wenn ich da dem Wertstrom hinterherlaufe, wo ich ja wirklich mich halt mit dem Produkt zum Beispiel entlangbewege, da ist mir sofort klar geworden, ja, wenn das jetzt irgendeine Administrationsgeschichte ist und vielleicht sogar über mehrere Standorte verteilt, lamm ich mich ja nicht von dem einen Standort geschwind an den Schreibtisch des anderen Standorts, des Mitarbeiters an einem anderen Standort beamen, um dann zu gucken, was passiert da jetzt sind.

strong>Michael Meiss: Ich sag ja, das ist genau die Herausforderungen der Administration.

Götz Müller: Ja, sehr spannend, das ist mir ist gerade erst bei deiner Erzählung so richtig klar geworden, dass man da in einem klassischen Produktionswertstrom im Grunde ja fast ein Paradies hat, weil man die Sachen halt beobachten kann. Man kann nebenherlaufen.

Michael Meiss: Du stehst, guckst, du hast die Uhr in der Hand, bei einer klassischen Aufnahme Wertstrom unten in der Fertigung, du hast die Uhr und du beobachtest zehn Durchläufe und so weiter, ja, und genau das geht halt in der Administration nicht, ja. So, und das ist eigentlich die Herausforderung und was man immer noch wissen muss, in der Administration ist die Streuung natürlich um ein Vielfaches höher als in der Fertigung. Also gerade was ich, kommen wir mal noch bisschen auf dem Beispiel zu, weil bei Änderungsanträgen der Durchlauf, da ist halt ein Änderungsantrag, der eine dauert, drei Minuten, der andere dauert drei Stunden. Diese Streuung ist vorhanden. Und damit habe ich viel größere Einflüsse, sage ich mal, wenn ich das über Mittelwert betrachte nur.

Götz Müller: Mhm ja, da kommt mir jetzt spontan ein Beispiel bei einem Kunden in den Sinn, wo ein Vertriebsmitarbeiter über eine Art Konfigurator bestimmte, nennen wir es mal Produktmerkmale, eingeben kann und dann existiert noch ein Freifeld. Und in dem Freifeld ist natürlich freies Spielfeld und da kann er reintippen, im Grunde, was er will und das ist aber das, was hinterher jetzt rein vom Ablauf her, auch genau diese Schwelleneffekte ausmacht, die halt plötzlich viel, unter Umständen viel länger dauern, wenn der ja schon mal rein physisch praktisch einen halben Roman reinschreiben würde, muss das irgendwann mal jemand lesen. Ja das sind dann genau die Effekte, die du gerade genannt hast, diese Varianz. Ja. Gut, vielleicht noch ein bisschen vertieft und dann wirst du sicher auch das ein oder andere Beispiel, konkrete Beispiel machen können, wie gehe ich damit um. Wie hilft mir war dann also ein Tool, eine Simulationsumgebung, die diesen digitalen Zwilling schafft?

Michael Meiss: Ja. Wie geht man damit um, wie baut man sowas auf jetzt? Ich kann natürlich an der Stelle nicht so sehr ins Detail gehen, einfach mal wirklich aus der Praxis heraus, was ich immer oft einsetze, das ist die sogenannte Dreiecksverteilung, ja, das ist einfach nur ein Gespräch mit den erfahrenen Mitarbeitern, die den Prozess wirklich machen. Und dann wird einfach abgefragt, mit dem Mitarbeiter: „Hören Sie mal, was ist denn der beste Fall, sprich die kürzeste Durchlaufzeit, die sie haben können? Was ist der schlechteste Fall und was ist der häufigste Fall?“ Das ist eine ganz einfach zu erfassende Verteilungsfunktionalität, die aber, wenn ich die allein anwende, ja, dann kommen wir sehr schnell und relativ einfach zu wirklich schon sehr, sehr viel genaueren Ergebnissen oder die Realität besser abbildenden Ergebnissen als wie, wenn ich nur die Mittelwertsverteilung nehme. Was man dann natürlich weiterhin sehr gut benutzen kann, gerade wenn bestimmte administrative Prozesse übers ERP-System abgebildet sind, sind einfach Zeitaufnahmen aus dem ERP raus, ja, von Status 01 bis Status 25, wie lang war die Durchlaufzeit? Das wird ja alles im ERP-System erfasst, ja, und das kann man sehr gut mitbenutzen und dann natürlich da, wo ich keine Werte habe und wo es möglich ist, immer auch noch die ganz normale Zeitaufnahme. Und aus diesen drei Quellen heraus oder mit diesen drei Quellen kann man schon relativ mit wenig Aufwand sehr gute Simulationsmodelle erstellen.

Götz Müller: Ja, ich möchte das noch ein bisschen vertiefen, wenn möglichen in der Richtung, dass du vielleicht mal ein, zwei Beispiele eines administrativen Prozesses, den man so behandelt, mal beschreibst.

Michael Meiss: Also ein sehr gutes Beispiel ist das Thema der Änderungsanträge in der Produktentwicklung. Bei dem Prozess, der Verarbeitung von Änderungsanträgen, rede ich über einen Prozess mit einem sehr hohen Durchsatz, ja, dort, wo ich hier tätig war, haben wir da über 3000 Änderungsanträge pro Monat geredet, ja, dieser Prozess war sehr weit standardisiert und hat mehrere Fachbereiche durchlaufen. Was hier ganz entscheidend war, war eine sehr hohe Streuung in der Durchlaufzeit zwischen den einzelnen Änderungsanträgen. Also ich hatte hier Änderungsanträge, die waren am Ende mit einer Gesamtdurchlaufzeit von einer Stunde erledigt, über mehrere Schritte hinweg, und wir hatten gleichzeitig Änderungsanträge, die lagen an einer Stelle mal gern drei Wochen, ja. Und dieses kann man halt extrem gut rausarbeiten in einer Simulation.

Götz Müller: Ja. Jetzt ein bisschen nachgefragt. Also bei Änderungsanträgen habe ich jetzt persönlich, aufgrund meiner Historie, eben auch ein ziemlich klares Bild vor Augen, aber ich würde jetzt mal differenzieren zwischen inhaltlichen Ursachen, wenn der Änderungsantrag A und B halt im einen Fall nur „Ich möchte den Button statt rot grün haben“ und im anderen Fall, wenn der Änderungsantrag umfasst „Wir müssen hier irgendwelche ganz neuen Daten erfassen, von denen wir vorher noch gar nichts gewusst haben“. Das würde ich jetzt eher als eine inhaltlichen Ursache beschreiben. Ich könnte mir aber eben vorstellen mit dem digitalen Zwilling kann ich solche Dinge auch packen, klar, aber eben auch möglicherweise prozessabhängige Themen, wobei natürlich da, wenn ich jetzt so mich reden höre, natürlich auch eine Mischung drinsteht, in dem einen Fall haben wir schon mal wahrscheinlich unterschiedliche Beteiligte, unterschiedliche Anzahl von Beteiligten.

Michael Meiss: Das ist das Thema, wenn du jetzt, das kann man eigentlich schön festmachen, wenn du nur eine Farbänderung von Rot nach Grün hast, ja, so, dann geht das durch die Abteilung. Die Abteilung muss es nicht mehr genehmigen, so, oder ich muss Werkzeuge, die schon beschafft sind, nicht mehr ändern, ja, so oder oder, was da alles abhängig ist. Und hier ist halt von dem Inhalt der Änderung abhängig, wie viele Leute müssen im Prozess weiter angetriggert werden, wer muss da Freigaben erteilen und so weiter und sofort. Also das ist, ich habe mich mit diesem Prozess wirklich lange beschäftigt, das ist schon hoch komplex, was da alles passieren kann. Und das ist genau prozessabhängig und das kann man extrem gut mit der Simulation nachweisen oder überhaupt transparent machen, ja: Was passiert da genau an welchen Stellen und wo sind die die Lasten im Prozess, wenn es über diese Schiene läuft oder über diese Schiene? Wo brauche ich dann noch Ressourcen zum Beispiel?

Götz Müller: Ja. In deiner Erzählung wird das ziemlich deutlich und ja, ich habe fast eine Art Déjà-vu, wenn ich mal, ja, schon deutlich mehr als ein Jahrzehnt zurückdenke, wo ich noch in der Produktentwicklung unterwegs war, weil das sind genau solche Fälle, die du da beschreibst, genau sowas haben wir dann da eben auch auf dem Tisch gehabt. Manchmal ist nur der Wert eines Kondensators geändert, dann ist das gar keine Änderung im Prinzip, nur eine Stücklistenposition, oder halt wirklich was richtig großes, wo vielleicht auf eine Schaltung zurückgegriffen werden musste. Gut. Jetzt könnte ich mir vorstellen, aus dem, so wie ich es eingangs ein bisschen geschrieben habe, aus dem klassischen Wertstrom-, Produktionskontext, wo man schon seit etwas längerer Zeit digitale Zwillinge kennt, hat sich dann auch ein Ökosystem gebildet, sprich Simulationssoftware. Jetzt halt die Frage: Greif ich dann für so einen digitalen Zwilling in der Administration, greife ich auf etwas Vergleichbares zurück? Oder musst du hier was, vielleicht ein bisschen extrem ausgedrückt, muss man hier etwas neu erfinden, um das zu ermöglichen?

Michael Meiss: Also vom Prinzip her neu erfinden muss man hier nichts mehr, ja, also es gibt da Tools, die in der Produktion, die kann ich natürlich benutzen in der Administration. Die Frage ist einfach: Brauche ich das tatsächlich? Hier muss man einfach wissen, dass man in der Produktion ja oftmals in 3D simuliert. Wenn ich solche Dinge testen möchte, wie Räume, ja, „Passe ich dort mit einem Stapler durch?“ und sowas. Wenn ich das testen will, brauche ich 3D, aber in der Administration geht es ja nicht um 3D, also die Anforderungen, die ich in der Administration umsetzen muss, sind sehr viel einfacher. Deswegen ist einfach die Frage, lohnt sich der Aufwand, die relativ schwierig und teuer zu bedienende Simulationssoftware aus der Fertigung dort einzusetzen? Also ich benutze seit über zehn Jahren ein Stück Software, das ist direkt wirklich, war damals auch so gesagt, das ist eine abgespeckte Version einer großen Simulationssoftware. Das ist wirklich also die abgespeckte Version von ProModel, benutze ich, die nennt sich Process Simulator. Und der Process Simulator ist ein Add-on auf Visio, das ist einfach so ein kleines Teil, was noch über Visio oben drüber gesetzt wird. Das heißt, von der Bedienung her ist das wie Visio mit den notwendigen Funktionalitäten, die ich brauche, um die Administration abbilden zu können.

Götz Müller: Ja, und ich habe wahrscheinlich sogar dann den Vorteil dadurch, also angenommen ich habe meine Prozesse in Visio dokumentiert, dann kann ich die Simulation einfach oben draufsetzen und muss nicht nochmal bei null anfangen und jetzt in einer geeigneten Form erstmal der Simulation den Ist-Zustand darstellen.

Michael Meiss: Genau deswegen habe ich mich damals … Mein Auswahlprozess ist ja nur das, was ich ein bisschen beschreiben kann, ja. Ich hatte vor zehn Jahren die Situation, dass ich genau das gebraucht habe, und dann habe ich mir die Tools der Reihe nach so, fünf, sechs, sieben angeguckt, und hier war der Riesenvorteil, wenn ich das mit diesem Process Simulator mache und ich habe den Prozess bereits in Visio, dann ist das einfach ein Umschalten, wo ich ein Shape in Visio, was ja im Prinzip nur ein Textfeld ist, so wie es normal im Visio ist, ja, dann gehe ich einfach auf das Shape drauf und sage „Mache dieses zu einer Aktivität.“ und dann gehen mir die Felder auf, wo ich die Zahlen eintragen kann für die Aktivität. Also das geht relativ einfach, wenn ich den Prozess schon sehr, sehr, also ziemlich genau abgebildet haben in Visio. Das geht einwandfrei.

Götz Müller: Ja, ich könnte mir vorstellen, dass das bei dem ein oder anderen, der vielleicht über sowas schon mal nachgedacht hat, vielleicht ein bisschen einen Stein vom Herzen plumpsen lässt. Weil also, so erlebe ich es immer wieder, weil halt da die Sorge besteht: „Jetzt muss ich hier wahnsinnig teure Sachen kaufen, mich da einarbeiten und und und“ und deshalb eine Hürde, im Geist vielleicht nur, aufgebaut wird, die eigentlich gar nicht existiert.

Michael Meiss: Ja, das ist immer die Frage, wie hoch ist die Hürde? Ja. Natürlich muss ich mich in eine Simulationssoftware einarbeiten. Das ist ein kleines bisschen mehr als eine Excel-Tabelle. Ja, es ist einfach, aber es ist bei weitem nicht so kompliziert und auch nicht so teuer, wie wenn wir hier über zehn, zwanzig, dreißigtausend Euro reden, ja also, das ist beherrschbar der Aufwand hierfür.

Götz Müller: Gut und natürlich gilt aber auch eine weitere Regel, ich muss mir halt erstmal meinen Prozess überhaupt angucken, bevor ich an dem, in irgendeiner Form, etwas digital behandeln will, nenne ich das jetzt mal. Ich digitalisiere ihn ja vielleicht noch nicht, sondern ich bilde ihn mal digital ab. Und ich denke, wir kennen alle den denn etwas derben Spruch mit dem digitalen Scheißprozess.

Michael Meiss: Ja. Die Swimlane im Vorfeld, die den Prozess gut abbildet, das ist die Grundvoraussetzung, ja, damit fängt immer alles an. Ich muss erstmal den Prozess überhaupt mal visualisieren. Swimlane, ja, so und dann kann ich sagen, ok, bei diesem Prozess lohnt sich der Aufwand, das Simulationsmodell zu erstellen und dann nehme ich genau den, ja.

Götz Müller: Genau, das heißt …

Michael Meiss: Ich kann aber nur Teile des Prozesses, wenn ich sage, ok, der Prozess, die Swimlane, ja, ist jetzt über 25 Schritte, wenn ich sage, die ersten 5 Schritte, da lohnt der Aufwand nicht, dann nehme ich nur einen gewissen Teil des Prozesses und simuliere nur den, ja, also das geht wunderbar, gerade mit diesem Stück hier. was ich benutze, also mit Process Simulator, weil das halt wie gesagt als add-on auf Visio drauf ist.

Götz Müller: Ja, also das werde ich auf jeden Fall in die Notizen mit reinnehmen und ich glaube, die andere Botschaft, die ich da deutlich rausgehört habe, aus der Nummer, erstmal ein bisschen zu dokumentieren, kommt man halt nicht raus. Also wenn man noch gar nichts dokumentiert hat, dann ist man da halt dabei.

Michael Meiss: Das ist die Grundvoraussetzung. Das ist immer die Grundvoraussetzung. Erst den Prozess dokumentieren, dann den Prozess simulieren.

Götz Müller: Ja, okay. So jetzt eine beliebte Frage, die ich immer stelle, ich meine, hier an der Stelle, glaube ich, kann ich mir fast die Antwort schon vorstellen, ich stelle die Frage trotzdem: Welche Rolle spielt der Faktor Mensch, einmal natürlich in der Administration, ich glaube, da liegt es fast auf der Hand, in dem Beispiel, wo du gemacht hast, auf jeden Fall und dann aber eben im Zusammenspiel mit dem digitalen Zwilling? Weil im Grunde digitalisiere ich ja, was den Zwilling angeht, den Menschen ein Stück weit mit.

Michael Meiss: Das ist der Punkt, genau, das ist der Punkt. Wenn man sagt, der Vorteil der Simulation in der Administration ist die hohe Transparenz, ja, dann heißt das natürlich auch: Hallo, ich decke hier Dinge auf, über die bisher der Mantel des Schweigens gelegen hat. Ja, das ist, das muss jedem klar sein, ja, und das merkt man immer wieder in den Diskussionen, ja, oder in, wenn ich solche Simulationsmodelle mit den Kollegen mache, ja. Auf einmal kommen Dinge hoch oder werden Dinge transparent, die man gar nicht geglaubt hat. Weil das ist ja, am Ende ist das ja ein Rechenberg, ja, ich habe oft, oft habe ich die Ergebnisse, die kenne ich ja, gerade, wenn wir hier über Änderungsanträge reden, da hatten wir eine genaue Übersicht, wieviel pro Monat waren das, was war der Durchschnitt, das haben wir genau gewusst. Ja, und wenn du dann rückwärts den Prozess im Simulationsmodell aufsetzt, dann muss ich ja die Stellschrauben an den einzelnen Schritten erstmal so einstellen, damit das Ergebnis das Ist-Prozesses rauskommt und auf einmal merkt man halt: Hallo, was Sie da gesagt haben, wie jemand in einem Interview, ja, der schlechteste Fall ist, sage ich mal, 10 Minuten und der günstigste ist eine Minute, das kann nicht sein, das kann nicht stimmen. Und auf einmal kommt: Na ja, wenn ich es richtig überlege, wir hatten auch schon welche, die haben 3 Tage gedauert und auf einmal muss jemand die Hosen runterlassen. Und das ist, das muss man einfach hier immer wirklich wissen und mit aufbauen, dass man im Vorfeld sagt: Achtung, es wird hier Transparenz entstehen und es geht halt nicht um den Fehler eines Menschen, ja, sondern es geht immer um Fehler im Prozess, Das ist ganz, ganz wichtig, dass man das hier im Vorfeld klar macht.

Götz Müller: Ja, also ich glaube ja, wie du es ausgedrückt hast, im Vorfeld mit auch da, von der Seite aus, mit offenen Karten spielen, zu sagen: Wir werden da an Sachen hingucken und wir werden Sachen erkennen, die ihr vielleicht selber vorher nicht bewusst verfälscht habt, sondern die euch vielleicht selber vorher gar nicht so bewusst waren.

Michael Meiss: Das das ist das. Das ist vielen nicht bewusst, die sagen: Oh ja, das passiert einmal, zweimal, dreimal, ja. Aber wenn es halt, das ist die Folge von Varianz, ja, ich habe zehn oder fünfzehn Schritte, die alle streuen hintereinander, ja, das ist niemandem so richtig klar, was das bedeutet, ja. Und das erkennt man hier.

Götz Müller: Ja, wenn sich Dinge dann halt kumulieren, wenn sie sich alle in die gleiche unglückliche Richtung bewegen, die man sich so, weil man halt als Mensch auch nur einen beschränkten, ja, ohne das, das soll jetzt keine Wertung, nur einen beschränkten Horizont hat, weil man gar nicht, mit seinen mentalen Fähigkeiten gar nicht so viel erfassen kann, wie halt so eine Simulationssoftware.

Michael Meiss: Genau. Das hier, diese Streuung von zehn, fünfzehn Prozessschritten und die Folge auf dem Gesamtwert, die überreist niemand mehr, gerade wenn’s um unterschiedliche Abteilungen geht, das sehe ich ja gar nicht, was hat das für Auswirkungen, ja. Das wird halt hier erst deutlich, aber das ist, wenn man das im Vorfeld sauber kommuniziert, erlebe ich immer, dass die Leute am Ende auch sagen: Ach ja. Weil das das ist ja nichts, wo man nicht nachrechnen kann. Ich zeige den Leuten genau: Achtung, wenn wir an der Stelle einstellen, dass der Modalwert nicht fünf, sondern acht ist, dann kommt genau dieses Ergebnis raus. Sind Sie damit einverstanden, dass der Modalwert, also der häufigste Wert, dass der eher acht ist als fünf? Ach ja. Und so entsteht Verständnis dafür.

Götz Müller: Aber ich könnte mir vorstellen, dass vielleicht Effekte auftreten wie: Ach, das habe ich doch schon immer gesagt. Dass also die Leute fast dankbar sind manchmal, wenn eine unabhängige Instanz sowas offenlegt.

Michael Meiss: Ja ja. Genau, genau wie du es sagst. Genau wie du sagst. Das kommt ganz oft: Gespürt haben wir das schon immer irgendwie und eigentlich haben wir das auch immer irgendwie gewusst, aber wir konnten es mit normalem Aufwand nie im Leben nachweisen. Ja, und genau das tut das Teil nämlich und das ist eigentlich oft mal der größte Mehrwert von dem Einsatz. Dass Dinge einheitlich für die Leute neutral berechnet sichtbar werden. Ohne dass man mit dem Finger auf jemand anderes zeigen muss, sondern das ist einfach nur neutrale Mathematik.

Götz Müller: Ja, genau. Gut, so ein bisschen zum Abschluss, du hast du angedeutet, man muss sich nicht die Mühe machen, wie du das vor zehn Jahren oder so, habe ich rausgehört, mal gemacht hast, sich all die verschiedenen Werkzeuge angucken, aber auf einer bisschen vielleicht abstrakteren Ebene. Wenn jetzt jemand sagt „Ja, da kommt mir jetzt der ein oder andere Fall in den Sinn, wo man mal draufgucken sollte.“, was ist denn so ein typisches Einstiegsszenario, einerseits den Prozess überhaupt mal aufnehmen, ist ein Punkt, aber wie fange ich dann an, wenn ich ihn mal simulieren will?

Michael Meiss: Also was ich anbieten könnte, ja, oder wie ich immer vorgehe, ist einfach wirklich den Prozess erst einmal aufzunehmen und dann könnte man sagen, bevor jetzt ein Unternehmen, sagen wir mal, in die ganzen Tests reingeht, was ist jetzt für uns die richtige Software, so, dass man mal einen Prozess als Dienstleistung abbilden lässt, so, dass man dann sieht: Ok, das bringt uns das genau. Und dann kann das Unternehmen entscheiden: Wollen wir langfristig uns das Knowhow aufbauen? Wollen wir uns die Software beschaffen? Das nebenbei, kann man einfach mal sagen, Process Simulator, die sitzen, die Firma, die das vertreibt, in Deutschland, die sitzen in Stuttgart, die haben ganz oder sehr gute Trainings, wo man sich angucken kann, ja. Also kann man nur empfehlen. Dass man erstmal ein kleines Muster aufbaut, einen Prozess möglichst rund abbildet und dann entscheidet, ob man diese Simulation der Administration im Unternehmen weiter einführen will? Viele Kunden von mir, die sagen am Ende auch, und das muss man einfach hier im Hintergrundwissen wissen, ist es ein Nachteil, das ist halt ein Thema, wenn man das ein Vierteljahr nicht gemacht hat, ist man aus dem Geschäft wieder draußen. Das ist nichts, wo man, sagen wir mal so, einmal im Jahr rausholt, macht und dann wieder weglegt, ja, weil es halt wirklich so ist, ich muss in die Simulationsdenke reinkommen und deshalb fordert das immer Einarbeitungsaufwand, ja. Das ist, ich kenne viele, die sagen: Ey, wenn wir das dreimal im Jahr brauchen bei einem gewissen Prozess, dann lassen wir uns das machen, komplett, ja. Also diese beiden Dinge muss man entscheiden: a) welches nehme ich? Und dann natürlich: Will ich das als Dienstleistung oder will ich mir eigenes Knowhow im Unternehmen aufbauen? Ich kenne Unternehmen, die haben halt, sagen wir so, so eine Stabsabteilung und innerhalb der Abteilung ist da jemand, der macht alle Simulationen für die Prozesse. Perfekt, ja, der macht das dann aber auch permanent. Und hier ist das Thema, wenn man das nicht permanent braucht, sondern nur vier, fünfmal im Jahr, dann ist es gegebenenfalls besser, das als Dienstleistung einzukaufen.

Götz Müller: Ja, ich nehme jetzt so ein ganz plattes Beispiel: Man geht ja auch zum Friseur, um sich seine Haare schneiden zu lassen, ich glaube, außer man hat eine Frisur wie ich und ist dann in der Lage, das jede Woche einmal zu machen, dann hat man die notwendige Routine.

Michael Meiss: Ja, das ist wie auch irgendwas mit dem Fahrzeug, sage ich immer, ja, ich könnte Reifen wechseln, aber ich geh trotzdem in die Werkstatt oder was auch immer, weil ich das brauche ich einmal im Jahr und dann lasse ich mir das machen. Das muss man hier wissen, das ist nicht ganz so einfach am Ende des Tages, wie eine Excel-Tabelle auszufüllen. Es ist schon ein bisschen Aufwand, ja, und vor allem ist das der Einarbeitungsaufwand. Wenn man einmal drin ist und so wie ich, ich mache das bestimmt, einen Tag in der Woche mache ich Simulation in der Regel, ja, dann ist man drin in dem Thema und dann ist das nicht immer so schwierig, wieder anzufangen, ja.

Götz Müller: Gut, ich werde auf jeden Fall auch deine Kontaktdaten in die Notizen zur Episode mit reinnehmen, dann kann da sich mal jemand auch an dich wenden und vielleicht die andere Frage mal zum Start stellen. Michael, ich danke dir für deine Zeit, da waren wieder ein paar spannende Aspekte drin, die ich im Vorfeld so gar nicht vermutet hätte, ja, deshalb nochmal vielen Dank.

Michael Meiss: Alles klar. Gut, dann danke auch für die Gelegenheit, hier nochmal sprechen zu können, ne, okay.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Michael Meiss zum Thema Digitaler Zwilling in der Administration. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 263.

Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freue ich mich über Ihre Bewertung bei iTunes. Sie geben damit auch anderen Lean-Interessierten die Chance, den Podcast zu entdecken.

Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.