Kaizen 2 go 265 : Wertströme in der Logistik – ein Paradoxon?


 

Inhalt der Episode:

  • Wie ist Dein Anliegen entstanden, Wertströme auch in der Logistik einzusetzen?
  • Wie unterscheidet sich Value Stream Mapping (VSM) im Logistikkontext von klassischem VSM?
  • Was ist der Verbesserungsfokus beim Logistik-VSM?
  • In welchen Fällen sollte man besonders auf die Logistikaspekte achten?
  • Wie sieht der typische Einstieg in ein Logistik-VSM aus? Sollte man vorher ein klassisches VSM gemacht haben? Wann ist ein Direkteinstieg in ein Logistik-VSM angebracht?
  • Wenn man sich mit klassischem VSM auskennt, muss man für ein Logistik-VSM etwas neues lernen? Was muss man evtl. “entlernen”?
  • Welche Ergebnisse kann man mit einem Logistik-VSM erzielen? Wann lohnt es sich besonders?
  • Was ist Dein Abschlusstipp an die klassischen “Wertstromer”?

Notizen zur Episode:


Mitmachen?

Wenn Sie selbst ein interessantes Thema für eine Episode im Umfeld von Geschäftsprozessen haben, können Sie mir das auf dieser Seite mit Vorbereitungsfragen vorschlagen.

Ich freue mich darauf!

Ihnen hat der Inhalt gefallen? Dann bewerten Sie die Episode bitte bei iTunes.
Jetzt eintragen und Artikel/Denkanstöße zukünftig per eMail erhalten.

Artikel teilen auf ...


(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 265 : Wertströme in der Logistik – ein Paradoxon?

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Julia Boppert bei mir im Podcast-Gespräch, sie ist die Gründerin und Geschäftsführerin der trilogIQa-Beratung. Hallo Julia.

Julia Boppert: Hallo Götz, grüß dich.

Götz Müller: Ja, schön, dass das heute klappt. Ich habe schon einen halben Satz zu dir gesagt, stell dich gern nochmal in zwei, drei Sätzen vor.

Julia Boppert: Ja, sehr gerne. Danke schön. Also, wie gesagt, mein Name Julia Boppert von der Firma trilogIQa. Wir sind eine, wie wir das immer nennen, eine ganzheitliche Beratung für Lean-Management. Was verstehen wir darunter? Wir versuchen Unternehmen wirklich an jeder Stelle, an der sie sein könnten mit ihren Lean-Überlegungen abzuholen. Das heißt, bei manchen Kunden beginnen wir mit ersten Überlegungen, ist Lean überhaupt was für uns, wie müssen wir uns dafür strategisch aufstellen, dann haben wir andere Kunden, die haben eher so ihren Fokus auf Planung und haben ganz konkret irgendwelche neuen Projekte, die schlank aufgesetzt werden sollen und wir haben aber auch Kunden, die schon Lean machen, die für bestimmte Themenfelder dann nochmal Optimierungen brauchen, Analysen brauchen bis hinzu: Wir möchten es irgendwie besser schaffen, unsere Mitarbeiter in das Thema Lean zu integrieren. Wie könnten wir die am besten schulen und vorbereiten? Das ist so unser Fokus.

Götz Müller: Ja, das ist die, ziemlich ganze Bandbreite, würde ich auch sagen. So aber jetzt heute haben wir uns ja ein ganz spitzes Thema vorgenommen, nämlich Wertströme in der Logistik und ich glaube, die meisten Lean-Menschen können sich darunter was vorstellen, was klassisches Value Stream Mapping angeht, so à la Mike Rother zum Beispiel, mit dem Fokus auf den wertschöpfenden Aktivitäten, so und typischerweise, wenn man da die einschlägige Literatur liest, kommt eigentlich Logistik und vor allen Dingen die beteiligten Menschen ja da nur am Rande vor. Und das finde ich spannend, dass ihr euch auch darauf konzentriert und deshalb so zum Einstieg überhaupt noch mal die Frage: Was war denn dein Anliegen, dich auf das zu konzentrieren, auf diese Wertströme in der Logistik?

Julia Boppert: Also das kommt vielleicht so auch ein bisschen aus meiner persönlichen Historie raus, also ich habe vor vielen, vielen Jahren mal Maschinenbau studiert und bin dann während des Studiums schon in die Logistik reingerutscht und, natürlich da eher mit einem technischen Fokus, aber für mich war Logistik immer schon so schön und interessant, weil Logistik so vielfältig ist, weil du Logistik ja überall ist. Also egal, ob man es jetzt so nennt oder nicht, aber letzten Endes würde kein Unternehmen dieser Welt irgendwas produzieren ohne Logistik. Kein Kunde würde irgendwas bekommen ohne Logistik. Und wie gesagt, bei vielen Unternehmen heißen diese Tätigkeiten dann gar nicht unbedingt logistische Tätigkeiten. Aber das, was passiert, ist halt schon das, was man als Logistik versteht und ich hatte dann nach meinem Studium die Möglichkeit, noch an der Uni 5 Jahre zu bleiben und dort meine Promotion zu machen und gleichzeitig aber sehr, sehr viele Industrieprojekte zu machen und mir ist immer wieder aufgefallen, dass es zwar jetzt aus einer technischen Sicht viel zu Logistik gibt, und dass es dieses ganze Lean Management eher aus der Produktionssicht gibt, aber dass es irgendwie für mich nie ein Widerspruch war, zu sagen „Ja, das eine ist halt für die Produktion und das andere für die Logistik“, weil für mich war es immer schon so, dass ich gesagt habe „Naja, am Ende des Tages gibt es einen Kunden und der will irgendeine Leistung und eigentlich ist das ja immer ein Produkt in Kombination mit irgendeinem Service, der notwendig ist, um dieses Produkt zu erstellen.“ Also deshalb gab es für mich diesen Widerspruch nie so ausgeprägt, wie ich ihn aber auch, genau wie du das sagst, bei vielen produzierenden Unternehmen oder produktionsausgebildeten Menschen, so muss man es vielleicht sagen, erlebe. Und damals, ich meine, das ist ja schon einige Jahre her, gab es auch noch nicht so viele Lean-Kurse, wie es vielleicht heute auf der Welt gibt, deswegen musste man sich sehr viel selber beibringen, also wie du schon gesagt hast, Mike Rother mit seinem bekannten Buch Sehen Lernen, so sind wir natürlich auch damals an das Thema erstmal rangegangen und haben uns aber immer gefragt: Warum ist da sehr viel Produktion beschrieben? Jetzt muss ich dazu sagen, ich habe den ganz großen Luxus, ich habe vor einigen Jahren mal, allerdings zum Thema Cutter, einen Workshop mit Mike Rother und konnte ihn dazu auch befragen, also warum jetzt gar keine Logistik-Prozesse auftauchen und die Erklärung war eigentlich viel einfacher als wir das vielleicht alle immer so interpretiert haben. Er hat gesagt: „Ich wollte einfach ein Buch schreiben, wo man grundsätzlich mal verstehen kann, wie es geht und dieser Prozess, den ich dort dargestellt habe, der hat sich angeboten, weil er eben den Schwerpunkt abdeckte, der die Firmen damals interessiert hat, nämlich die Produktion.“ Aber das heißt nicht, dass es für andere Bereiche natürlich nicht geht. Also dort ist jetzt in diesem Beispiel, dass er ja beschreibt, ist wenig Logistik zu finden. Es ist aber zum Beispiel auch wenig Auftragsabwicklung zu finden. Also als das Administrative, was ja zu dem Prozess genauso dazu gehört. Und vielleicht auch deshalb, weil ich eben von der Ausbildung her Logistiker bin, habe ich immer versucht, so ein bisschen auch eine Lanze für die Logistik zu halten und zu sagen, das ist genau so ein Leistungserbringungsprozess, der hat natürlich in der Regel nicht hundert Prozent wertschöpfende Anteile, aber er hat auch wertschöpfende Anteile. Er erzeugt keinen Warenwert, aber erzeugt Servicewert. Und auf der anderen Seite ist es ja so, auch wenn man die ganz klassische Produktionssicht vertritt und sagt Produktion ist die Wertschöpfung, wo eben Wert im Produkt entsteht, dann muss man ja aus der Praxis schon sagen, nahezu kein Produktionsprozess wäre möglich ohne eine entsprechende Logistik, die ihm das so zur Verfügung stellt, wie er es benötigt.

Götz Müller: Ja. Gut, ein Stück weit kommt das ja auch dadurch zum Ausdruck, wenn man sich mal anschaut, was sind denn so die Aktivitäten, dann sagt man ja so im Schnitt, über alle Unternehmen hinweg, sind es vielleicht, wenn es gut ist, 25% und alles andere, also das, was das, was ich kenne und 45% sagt man, sind Unterstützungsprozesse und da ist ja die Logistik ein ganz großer Teil.

Julia Boppert: Ganz genau, ganz genau.

Götz Müller: Ja, ich hör auch so raus, dich hat es ein bisschen, wie soll man es ausdrücken, bisschen gefuchst, dass die Logistik nur so ein Stiefkind irgendwie darstellt, oder?

Julia Boppert: Ja. Also, es fuchst mich auch heute oftmals noch, wenn ich dann Unternehmen höre, die sich in Workshops mit riesigen Projekten damit beschäftigen, wie sie noch drei Minuten aus der Fertigung rausholen und ich mir denke dann: Na ja, wenn ihr euch eure logistischen Abläufe mal angucken würdet, wenn ihr euch die Steuerung, die Versorgung dieser ganzen Produktionsschritte mal angucken würdet, dann könntet ihr mit wahrscheinlich einem Fünftel vom Aufwand den zwanzigfachen Effekt holen. Und ich glaube schon, das kommt so ein bisschen gerade aus unserer deutschen Historie raus, dass wir eben sehr, sehr stark produktionsorientiert sind und die Logistik auch oftmals, ich sage mal dieses ungenügende Bild hat: Na ja, das sind ja nur die Kistenschubser. Und früher war das vielleicht auch so, also früher war auch in der Logistik nicht mehr, weil man es nicht sinnvoll genutzt hat, aber gerade heute, wenn man sich anguckt, im Automobilbereich, also wir sprechen ja von Kommissionierungen, von Sequenzierungen. Wir reden von getakteter Versorgung in Zykluszeiten, die weit unter einer Stunde liegen. Das sind ja große Leistungen, die eine Logistik dort vollbringen muss, damit die Produktion überhaupt so schlank agieren kann. Und was letzten Endes halt auch ein bisschen bedauerlich ist, ist, dass natürlich auch von den Mitarbeitern die Produktionsmitarbeiter oftmals sehr stark im Fokus stehen, mit denen man sich sinnvoll unterstützen kann und bei den Logistikern wird immer gesagt: Na ja, müsst ihr schon irgendwie damit zurechtkommen und das ist schon ein Bild wo ich mich persönlich ein bisschen schwer tu damit.

Götz Müller: Ja, ja, wo du jetzt gerade erzählst hast, mir kam gerade eine noch relativ frische Podcast-Episode mit dem Professor Syska in den Sinn, wo wir uns über die Optimierung von Impfprozessen unterhalten haben und die Impfung an sich, da redet man ja über zehn, fünfzehn Sekunden, die Zyklus-Zeit, wenn da jemand vor einem nicht optimierten Impfzentrum steht, da sind wir ganz schnell bei einer halben Stunde.

Julia Boppert: Absolut, ja.

Götz Müller: Bis der arme Mensch wieder drin ist und wieder draußen ist.

Julia Boppert: Ganz genau. Und auch das will ja alles organisiert sein, also wie du sagst, der reine, in Anführungszeichen, wertschöpfende Prozess, Spritze geben, der ist ein geringer Bestandteil von dem ganzen Ablauf, die Leute irgendwie da sinnvoll auch über Informationslogistik an die Stelle zu bringen, wo sie zu einer bestimmten Zeit sein müssen und genauso auch ihnen das möglich zu machen, nach der Impfung das ganze Impfzentrum wieder gut zu verlassen und das sind alles letzten Endes logistische Prozessschritte, die meistens den viel größeren Anteil eines sinnvollen, Gesamtablaufs ausmachen als die wenigen, in Anführungszeichen, Produktionsschritte.

Götz Müller: Jetzt haben wir natürlich, wir haben es beide schon erwähnt, das klassische Mittel der Wahl, Value Stream Mapping, und da natürlich dann eben konkret die Frage, wie unterscheidet sich jetzt das, in Anführungszeichen, Werkzeug Value Stream Mapping im Logistik-Kontext von dem, was wir ja typischerweise alle so im Produktionskontext kennen?

Julia Boppert: Also das ist jetzt natürlich sehr plakativ, wenn ich das so hart formuliere, aber die, ich sage mal extremen Value Stream Mapping Experten mit starkem Produktionsfokus, die ich jetzt auch zum Teil in Projekten kennengelernt hab, die tun ja Logistik immer so ab als „Ja, das ist ein Puffer und das ist ein Pfeil, der irgendwie zwischen Prozessen oder aus Puffern raus in andere Prozesse reinführt und das, wie gesagt, habe ich noch nie so ganz nachvollziehen können, warum diese Denke so ist. Letzten Endes ist Logistik oder, sagen wir mal so, letzten Endes ist ja ein Wertstrom oder ein Value Stream Mapping Tool dazu da, Prozesse darzustellen und ich hab manchmal auch das Gefühl, dass vielleicht unsere eingeschränkte Denke in Richtung Produktion daher kommt, dass wir ja einfach diesen Begriff Lean Production schon mal nicht ganz richtig übersetzt haben, also dass wir halt Production als Produktion und nicht als Leistungserbringung übersetzen und deshalb einfach von vornherein davon ausgegangen sind, das sind eben nur die Produktionsschritte. Letzten Endes ist aber doch ein Prozess alles, was jemand tut und alles, was eine bestimmte Zeit braucht und ich denke, wenn man mit diesem Ansatz hingeht und sagt, jeder Prozesskasten stellt letzten Endes eine Tätigkeit dar, die meistens ja von einer Person ausgeführt wird, vielleicht mit technischer Unterstützung, dann hat man gar nicht so diese Unterscheidung zwischen Produktion und Logistik, weil dann ist letzten Endes eine Montage genauso eine Tätigkeit, die von einer Person in einer bestimmten Zeit ausgeführt wird wie eine Kommissionierung, die auch von einer bestimmten Person in einer bestimmten Zeit als Tätigkeit realisiert wird.

Götz Müller: Ja, ja, das bringt mich dann im Grunde schon zum nächsten Punkt, jetzt in einem klassischen Wertstrom fokussiere ich mich auf die durch Laufzeit und gucke mir halt an, was sind diese passiven Dinge wie Liegezeiten im Extremfall, was sind Rüstzeiten. Was kann ich tun, wenn ich über Batch-Größen mit dem Ziel, irgendwann mal einen One Piece Flow zu haben? Unterscheidet sich jetzt der Verbesserungsfokus bei einem Logistikwertstrom?

Julia Boppert: Ich glaube, er unterscheidet sich insofern, dass ich, wenn ich einen Prozess, also einen beliebigen Leistungserbringungprozess, vollständig darstelle, also auch mit allen logistischen Tätigkeiten, die dort relevant sind, dann habe ich natürlich einen viel größeren Stellhebel, den ich aktivieren kann, weil ich dreh halt nicht im Klein-Klein an drei Montageschritten und sagen „Wenn du von links greifst und nicht von rechts und gleichzeitig noch dieser und jenes tust, dann bist du um 4 Sekunden schneller“, sondern ich kann halt sagen, wenn ich in kleineren Losgrößen bereitstellen will, dann mache ich das über eine Veränderung in der Logistik. Dafür verändere ich ja vielleicht nicht unbedingt was in der Produktion. Wenn ich vielleicht auch über bestimmte Taktungen Ware von A nach B bringen will, also sowas wie Routenzug oder ähnliches, dann mache ich das über Logistik und ich denke, dass man sich diese Optimierungsmöglichkeiten einfach nicht wirklich transparent macht, wenn man sie in einer Ist-Analyse im Wertstrom gar nicht mit darstellt, weil man sagt „Na ja, das ist ja, in Anführungszeichen, nur Logistik. Das bilde ich jetzt mal über einen Pfeil ab. Das heißt, auch mit dem Fokus Durchlaufzeit, was du angesprochen hast, die Laufzeit ist ja für uns so ein schöner Indikator, weil sie uns ja sofort aufzeigt, wenn wir irgendwas besser machen, dass wir auch in der Durchlaufzeit schneller werden, aber letzten Endes hilft uns ja die Durchlaufzeit noch nicht, den Stellhebel für die Optimierung zu finden, dafür müssen wir weiter ins Detail reingucken. Das betrifft jeden Produktionsschritt, den wir uns angucken, das betrifft aber auch jeden logistischen Schritt, den wir uns angucken.

Götz Müller: Mhm ja, das würde ich jetzt ganz gern noch ein bisschen vertiefen, im Sinne von, worauf sollte ich dann bei Logistikaspekten besonders achten? Vielleicht auch das ein oder andere greifbare Beispiel, dass sich den Zuhörer was darunter vorstellen können?

Julia Boppert: Also ich muss vielleicht sagen, ich bin schon so produktionsnah, dass ich sage, die Produktion ist der Kunde der Logistik, also das heißt vom Prinzip her habe ich ja schon von der Optimierungsreihenfolge her in der Regel erstmal die Produktion im Fokus und sage: Okay, wie soll die Produktion anders agieren, um schlanker zu werden?

Julia Boppert: Und dann sind wir bei Themen wie, die sollen eben kleinere Lose machen, die sollen öfter mal auch die Produktfamilie, die sie herstellen, wechseln und solche Dinge. So, und wie können sie das tun? Das können sie, indem sie ihr eigenes Produktionsprogramm in irgendeiner Form anpassen und das können sie natürlich im zweiten dadurch, dass jemand ihnen kleinere Mengen bereitstellt. Das heißt, da ergibt sich ja oftmals auch eine ganz konkrete Anforderung an die Logistik, die dann heißt, okay, ich möchte jetzt nicht mehr einmal in der Woche eine Gitterbox mit irgendwelchen Teilen haben, sondern ich möchte fünfmal am Tag in bestimmten Intervallen einen kleinen Kleinladungsträger, wo vielleicht nur noch 20 Stück drin sind. Und die kann ich direkt verarbeiten und die können dann auch direkt in den nächsten Prozessschritt gehen und dadurch sind wir dann viel schneller auch im Endprodukt und haben insgesamt ein kürzere Durchlaufzeit. Aber das heißt, die Anpassung, die ich in den Produktionsschritten mache, also diese kleinere Losgröße zum Beispiel, die bedingt ja auch die Bereitstellung von kleineren Losen, verbunden mit häufigeren Transporten, mit höheren Frequenzen in der ganzen Transportabwicklung und das ist ja wiederum etwas, was die Logistik leisten muss. Also der Kunde Produktion stellt die Anforderungen an die Logistik als seinen Lieferanten und die Logistik muss das Ganze umsetzen.

Götz Müller: Mhm. Ja, jetzt hast du so ein bisschen angedeutet, eben diese zwei Arten von Value Stream Mapping und da wäre jetzt die Frage, wie sieht der Einstieg in ein Logistik Value Stream Mapping aus beziehungsweise muss ich vorher ein klassisches Value Stream Mapping gemacht haben oder könnte ich theoretisch auch einen, nennen wir es mal Direkteinstieg, gemacht haben?

Julia Boppert: Also ich kann auf alle Fälle einen Direkteinstieg machen. Wir haben ja auch zum Beispiel, also wir bieten ja auch viele Schulungen an und haben auch zum Teil offene Trainings, wo wir aus verschiedensten Branchen verschiedensten, auch hierarchischen, Ebenen, Teilnehmer haben, die bei uns lernen, was Lean ist, wie Lean funktioniert, was dahinter für Werkzeuge, Tools und Methoden stehen und unter anderem ja auch wie Wertstrom funktioniert und ich würde sagen ungefähr 70% von denen haben zwar mal gehört, dass es Wertstrom gibt, aber sind jetzt nicht weiter vorbelastet, wie das genau funktioniert und worauf man da achten muss. Und das heißt, die lernen dann bei uns auch von Symbolik über Vorgehensweise, über Darstellung und so weiter, wie ein Wertstrom funktioniert und für die zum Beispiel, merke ich immer wieder, gibt es diese Unterscheidung gar nicht, weil wir einfach im Wertstrom ja alles als Prozess aufnehmen, was einen Prozess darstellt, also Tätigkeit von einer Person in einer bestimmten Zeit ausgeführt, also in der Regel von einer Person, könnte natürlich auch von einer Maschine sein. Das heißt, die ziehen gar nicht so diese Differenz zwischen dem, in Anführungszeichen, klassischen produktionsfokussierten Wertstrom und einem logistischen Wertstrom, weil für die ist eine Tätigkeit eine Tätigkeit. Und wenn jemand in der Auftragsannahme sitzt und dort Daten eingeben muss, damit überhaupt ein Produktionsauftrag entsteht, ist es für die genauso eine Tätigkeit. Deshalb gibt es genau so einen Prozesskasten und der wird genauso auch als Prozesskasten dargestellt. Schwierigkeiten, merke ich, haben eher die Personen, die eben eine klassische produktionslastige Wertstrom-Ausbildung haben, weil die natürlich ihre bisher bewährten Denkmuster anpassen müssen, also weil die halt einfach sehr, sehr schnell dazu neigen, eben diese logistischen Schritte, diese logistischen Prozessbestandteile so ein bisschen hinten runterfallen zu lassen und da merke ich, dass die sich ein bisschen schwerer tun oder länger brauchen, bis es ihnen so flüssig von der Hand geht, einfach jeden Prozessschritt auch als solchen einzuzeichnen, also auch die logistischen.

Götz Müller: Ja. Ein bisschen überspitzt könnte man fast sagen, ein Stück weit sind sie vielleicht versaut, oder?

Julia Boppert: Ja, also in meiner Wahrnehmung schon. Also ich finde, denen hat man irgendwie das Leben unnötig schwer gemacht und vor allem ja auch die Optimierungsmöglichkeiten stark eingeschränkt, dadurch, dass man sie so auf die Produktion getrimmt hat. Wie gesagt, das Interessante für mich war eigentlich auch vor allem diese Gespräche, die ich mit Mike Rother hatte, weil er mir mehrfach gesagt hat, das war gar nicht seine Intention. Also es war einfach als Übungsbeispiel gedacht etwas, was flüssig von der Hand geht und was eben auch so als Standalone-Dokument, was ja das Buch letzten Endes ist, jemanden befähigen soll, dahin zu kommen. Und er hatte aber nie explizit Logistik ausschließen wollen, sondern es war einfach so ein Beispiel-Prozess und der hat sich halt angeboten und er hat vieles ja sehr, sehr gut auch mit diesem Prozess beschreiben können, aber er hat, also er hat nie irgendwie die Logistik dort nicht gesehen, sondern das war halt einfach nicht das, was er in dem Buch sinnvoll noch unterbringen konnte.

Götz Müller: Ja, ich glaube, das ist wahrscheinlich so ein grundsätzliches Dilemma von Methoden und Werkzeugen, dass man das anhand von einem Beispiel macht und ich meine, wir kennen alle den Klassiker mit 5S, da kann man ja genügend, in Anführungszeichen, Blödsinn damit machen. Im Grunde ist es hier etwas Ähnliches, nur dass es einem vielleicht noch nicht so ins Auge springt, oder?

Julia Boppert: Ja, das kann gut sein, ja. Also 5S ist eigentlich ein sehr gutes Beispiel, weil ich glaube, wir beide haben auch schon in vielen Projekten gesehen, wie man auch so die Stimmung zu Lean grundlegend verderben kann, indem man 5S falsch einführt. Wobei es ja eigentlich so ein tolles Instrument wäre, was auch so schnell die Leute dort mitgehen lässt, aber es wird halt da einfach sehr viel falsch verstanden und dann auch falsch wiedergegeben und das erzeugt dann oftmals ja so einen Missmut zu dem Thema Lean, der also erstens mal nicht gerechtfertigt ist und der zweitens mal auch so dieses Arbeiten mit den Leuten deutlich erschwert und das ist eigentlich ein bisschen schade, ja.

Götz Müller: Ja und im Grunde geht halt ganz oft dieser Gedanke dahinter, diese Philosophie dahinter, verloren, weil vielleicht der arme Mensch, der es jetzt weitergibt, das selber halt nie anders erfahren hat, weil ich glaube, das träumt man jetzt nicht nachts, oder?

Julia Boppert: Na ja, ich weiß es nicht, ich habe immer das Gefühl, ich meine viele Optimierungsmethoden, die einem so in der Praxis begegnen, die sind ja gerade bei uns in Deutschland meistens sehr stark wissenschaftlich untersucht und aus der Wissenschaft versucht man das Ganze dann in die Praxis zu übertragen und bei Lean ist es ja so ein bisschen anders, also einfach wie das ganze Thema zu uns gekommen ist. Das waren ja sehr viele praktische Erfahrungen, die man ja vor allem aus Japan übernommen hat, aber es fehlte ja so ein bisschen die wissenschaftlich fundierte Theorie dahinter. Und die entsteht ja auch immer erst dann, wenn sich jetzt jemand nochmal im Nachgang damit beschäftigt, dann sagt: Na ja, warum denn eigentlich Kanban oder warum denn lieber One Piece Flow oder warum denn dies oder jenes? Und je nachdem, wie intensiv man sich damit beschäftigt und wie einfach man es dann auch macht, den Transfer für die Schulungsteilnehmer zum Beispiel zu ermöglichen, desto eher können die das Ganze dann auch von A nach B übertragen. Aber wenn es eben so ein bisschen punktuell nur untersucht wird oder nur geschrieben wird, dann sind die Leute auch so ein bisschen in ihren Denkmustern festgefahren und haben einfach wirklich sehr viel Schwierigkeiten, das zu übertragen, was eigentlich schade ist, weil ich meine, letzten Endes muss ich jetzt sagen, bin ja ähnlich wie du in diversen Branchen und bei diversen Unternehmen beliebiger Größe unterwegs und ich habe jetzt noch nie was gefunden, wo Lean nicht funktioniert?

Götz Müller: Ja, das kann ich definitiv unterschreiben. Viel häufiger findet man halt den Glauben, dass es nicht funktioniert. Gut. Jetzt finde ich das sehr spannend, wo du sagst wissenschaftlich nicht untersucht, wenn man sich natürlich aber andererseits mal anguckt, wo ist der Begriff geprägt worden und das wird mir jetzt erst in unserer Unterhaltung klar, könnte man ja eigentlich schon vermuten: Hey, das sind doch Wissenschaft gewesen und jetzt mal so wir zwei so ein bisschen philosophiert, warum ist das doch zu kurz gekommen?

Julia Boppert: Ich glaube, man hat einfach sich von, also ich meine, das, was in der MIT-Studie ja stark im Fokus stand, war ja dieser Vergleich auch, also zwischen verschiedenen Produktionen, verschiedenen Ländern und wie das Ganze abgewickelt wurde, aber das, was die da vor allem beschrieben haben, waren ja Ergebnisse und das, was ja dann auch gerade in Deutschland ganz stark passiert ist ja, dass man versucht hat, genau das Gleiche zu tun, wie zum Beispiel dieses große Vorzeigebeispiel Toyota und ja, im ersten Schritt, in den meisten Unternehmen zumindest, vollkommen gescheitert ist, weil man eben das System nicht vollständig erfasst hat, weil man vielleicht auch nicht verstanden hat, was man jetzt wie eins zu eins übernehmen kann, was man adaptieren muss, weil einfach diese Logiken, also diese Erklärungen, warum, dort zu kurz gekommen sind. Ich glaube, also so, wie ich es gelesen habe, steht das auch gar nicht im Fokus dieser Studie, also das war ja wirklich eher, diesen Vergleich zu ziehen und zu sagen, was tun die einen, was tun die anderen und nicht zu erklären, warum ist das die bessere Lösung?

Götz Müller: Ja und dann ist es nämlich unterm Strich irgendwo auf den falschen Acker gefallen, den Acker, der jetzt nicht einen Rasen zum Ziel hatte, sondern der Acker hat etwas ganz anderes zum Ziel gehabt, im Grunde war es ja eine große Arbeitsplatzabbau-Maßnahme.

Julia Boppert: Absolut, absolut. Und ich glaube, auch das bringt so ein bisschen eine negative Vorprägung mit. Also ich habe viele, gerade ältere Kollegen in den Unternehmen, die dann oftmals sagen: Na ja, das ist einfach so ein Ratio-Projekt, und also das auch ganz bewusst als Schimpfwort verwenden, weil letzten Endes war ja das vielfach nicht anders. Und man hat halt die Überschrift Lean drübergesetzt und gesagt: Ja, also damit sparen wir auch Geld. Wobei das ja gar nicht unbedingt der Fokus ist. Sondern wir wollen ja erstmal das Richtige tun und wenn wir das Richtige tun ohne Unnötiges, dann wird es automatisch auch günstiger, aber das ist ja kein Selbstzweck.

Götz Müller: Ja, und das Krasse ist halt, wenn du sagst Ältere, mir begegnen durchaus Menschen, die haben das persönlich gar nicht erlebt und trotzdem ist das halt irgendwie in den Köpfen drin.

Julia Boppert: Ja, aber das ist ja immer so, also es kennt ja jeder irgendwen, der jemanden kennt, der einen Nachbar hat, der … und ja, und das sind ja meistens schon diese Negativerfahrungen, die auch in unserem menschlichen Bewusstsein viel stärker hängenbleiben als diese positiven Erfahrungen.

Götz Müller: Gut. Jetzt möchte ich noch ein bisschen das, was wir gerade vor diesem kleinen Schlenker diskutiert haben, im Sinne von, wenn ich mich also mit klassischem Value Stream auskenne, muss ich jetzt irgendwas Neues lernen, um hier meinen Fokus Richtung Logistik zu verschieben? Muss ich vielleicht sogar im Extremfall etwas entlernen?

Julia Boppert: Also es ist wahrscheinlich schon, dass man entlernen muss, also je nachdem, wie man es wirklich auch gelernt bekommen hat oder wie man es für sich selber dann umgesetzt hat. Wie gesagt, das Wichtige ist, dass eigentlich jeder Prozess, also jede Tätigkeit, die eine bestimmte Zeit braucht, ein Prozess ist. Und ob das jetzt eine Tätigkeit ist, die ich der Kategorie Produktion oder der Kategorie Logistik zuordnen würde, ist letzten Endes erstmal egal. Also insofern, wenn ich das falsch für mich im Hirn einsortiert habe, weil falsch gelernt oder falsch angewendet, dann muss ich mich von diesen Gedanken erstmal lösen und muss mal ausprobieren und ich werde schnell merken, dass ich damit wirklich eher diesem ganzheitlichen Bild nahekommen, was ich ja mit Wertstrom verfolge. Das, was schon in unserer Logistik-Wertstrom-Welt, sage ich jetzt mal, neu ist: Wir haben festgestellt, wenn es um die Steuerung geht, also wie bestimmte Prozessschritte beginnen zu arbeiten, dann brauchen wir vielleicht ein paar zusätzliche Symbole, die uns helfen, das vollständiger darzustellen. Also wir haben uns immer so als Zielsetzung gemacht, wenn wir einen Wertstrom aufnehmen, dann sind wir dann fertig, wenn jeder Prozessschritt eindeutig einen Trigger hat, warum er anfängt zu arbeiten. Im einfachsten Fall ist das, der Prozessschritt bekommt aus einer zentralen Steuerung, also aus einem IT-System oder ähnliches, einen Auftrag. Es kann aber genauso gut sein, dass dieser Prozess nach einer bestimmten Zeit agiert, also der hat einen Fahrplan, wie zum Beispiel jetzt einen Routenzug oder wie irgendwelche sonstigen getakteten Prozesse, dann hat er halt so eine Art Uhr-Symbol, die wir jetzt verwenden, um genau diese Taktung, diese zeitliche Orientierung darzustellen. Wir haben aber auch Symbole kreiert für Prozesse, die wie wir das nennen, im Fluss arbeiten, also überspitzt formuliert, der Mitarbeiter 1 ist fertig und hält dem nächsten Mitarbeiter das fertige Produkt hin. Also das heißt, dadurch hat der natürlich einen Trigger und sagt: Okay, jetzt mach ich weiter. Und so haben wir halt für uns in den Analysen, also sowohl bei der Aufnahme als auch vor allem bei der Definition von Soll-Prozessen immer sicherstellen können, dass wir das Bild ganzheitlich erfasst haben. Und dafür brauchen wir eben ein paar Symbole mehr, die jetzt so im klassischen Wertstrom nicht beschrieben sind. Ich würde aber behaupten, also wenn man das Klassische an Symbolik beherrscht, kommt man auch klar, sofern man sich drauf einlassen kann, dass jede Tätigkeit ein Prozess ist.

Götz Müller: Mhm. Und dass halt Striche manchmal mehr, oder Pfeile manchmal mehr sind als Pfeile. Gut. Jetzt könnte ich mir vorstellen, den ein oder anderen interessiert dann auch: Was habe ich denn davon? Ich meine, das ist im Grunde die Frage, die sich jeder unbewusst stellt, also welche Ergebnisse kann ich mit einem Logistik-Workshop erzielen? Und vielleicht, geht in die gleiche Richtung die Frage, wann lohnt es sich denn besonders? Wann wäre es denn so das Mittel der Wahl?

Julia Boppert: Also ich denke, wenn der Anspruch ist, ein ganzheitliches Bild zu haben, dann lohnt es sich immer. Weil dann möchte ich ja auch die Transparenz über eine Ist-Situation haben, oder ich möchte ja auch bei der Soll-Prozess-Gestaltung alles bedenken, was eventuell notwendig sein könnte und deshalb muss ich es mir auch ganzheitlich angucken. Wenn ich es in Zahlen formulieren müsste … also bei Kunden, bei denen wir solche Projekte gemacht haben, also erstmal die Ist-Analyse, um dann gemeinsam zu definieren, wo man im Soll hinwill, dann muss ich schon sagen, dass wir die großen Hebel, also sowohl was die Durchlaufzeit angeht, als auch was wirklich dann die Kosten oder die Effizienzsituation angeht, das meiste holen wir aus den logistischen Abläufen, das holen wir nicht aus den Produktionsabläufen. Das liegt sicherlich auch daran, dass in den letzten Jahrzehnten, muss man ja sagen, auch die Produktion schon immer sehr stark im Fokus war, also dass vielleicht auch dort diese Effekte schon realisiert worden sind, Einsparungen oder auch durch Laufzeitverkürzungen aufgrund von besserer Taktung und dass die Logistik eben nicht so beachtet worden ist. Zum anderen muss man aber auch sagen, dass ich ohne die logistischen Komponenten, ohne die logistischen Tätigkeiten, viele Hebel zur Optimierung, also sowohl Kosten- als auch Durchlaufzeit-Optimierung gar nicht wirklich realisieren kann. Also drum, ich könnte jetzt kein Beispiel sagen, wo ich sage, es hat sich nicht gelohnt, das anzugucken, außer ich bin jetzt wirklich ganz singulär in drei Arbeitsschritten, die schon sinnvoll versorgt werden und lass sie einfach ablaufen. Aber immer dann, wenn ich einen Fokus habe, der ein bisschen größer ist, also auch so im Sinne von Kunde-Kunde-Prozess, Auftrag des Kunden kommt an bis hin zu fertiges Produkt an den Kunden, dann komme ich eigentlich gar nicht umhin, sinnvoll die Logistik mit einzubinden, weil die mir einfach den großen Stellhebel für die Optimierung bietet.

Götz Müller: Ja, und ich glaube, man kann durchaus sogar so weit gehen zu sagen, speziell wenn ich schon mal im klassischen Produktionskontext etwas gemacht habe, dann würde ich fast so weit gehen zu sagen, wenn ich mir jetzt auf die Logistik gucke, dann habe ich diese berühmt-berüchtigten und definitiv sicher auch beliebten low-hanging fruits ja vor mir.

Julia Boppert: Ja, absolut. Und auf der anderen Seite merke ich eben auch, dass ich die Produktion viel besser befähigen kann, also weil vieles, was ich versuche, in der Produktion zu drehen, kann ja nur funktionieren, wenn die Logistik dahinter auch sauber und ordentlich ist, also das geht ja an mit Versorgungsintervallen, die wir vorher schon besprochen haben, aber das geht ja auch bis zu Bereitstellgrößen, die ich einfach dadurch oder die ich verkleinern will, einfach um die Greifräume der Mitarbeiter in den Produktionsinseln zu reduzieren. Also ich hol da überall super gute Effekte und es ist eigentlich schade, die für sich nicht transparent zu machen.

Götz Müller: Ja, definitiv. Was wäre zum Abschluss so dein Tipp, dein Abschlusstipp an die klassischen, ich nenne sie mal die klassischen Wertstromer?

Julia Boppert: Also ich denke, wenn man anfangen will, so ein bisschen eine Perspektive für den logistischen Wert zu entwickeln, dann sollte man mal darüber nachdenken, wie es einem selber so geht in seinem Alltag, wo man selber auch logistische Leistung durchaus als Wert versteht. Also da nehmen wir ganz klassisch die E-Commerce-Unternehmen, die wir alle kennen, bei denen wir jetzt bestellen können und in 24 Stunden geliefert kriegen. Mir wäre nicht bewusst, dass einer von denen eine Herstellung betreibt. Also das heißt, alles, was wir da an Leistung bekommen, ist reine Logistik und wir alle sind Kunden, die das durchaus als Wert empfinden und genau diese Denke, glaube ich, muss man auch entwickeln, um sich auf dieses ganzheitliche Bild einzulassen, dass natürlich ein Großteil der Wertschöpfung in der Produktion passiert, also im Sinne von Warenwert, aber dass auch die Logistik einen sehr, sehr großen Wertanteil dadurch prägt, dass sie eben Servicewert generiert und ich glaube, man muss es einfach mal für sich selber ausprobieren und Menschen, die gerne Wertströme zeichnen, können ja einfach mal von beliebigen Tätigkeiten, beruflich oder privat, mal einen Wertstrom zeichnen und sich überlegen, was davon ist jetzt Logistik und was ist Warenwert und was ist Servicewert, der da für mich als Kunde oder für den jeweiligen Kunden entsteht?

Götz Müller: Ja. Und ich glaube, gerade, wenn man so die Amazons & Co vor seinem geistigen Auge hat oder physisch an der Tür klingeln hat, dann wird einem erstmal klar, welche Erwartungshaltung, ich greife mir da an die eigene Nase, man da mittlerweile aufgebaut hat, die man dann auch sehr, sehr gerne auf andere abbildet, die man dann mal so geschwind in die Ecke schiebt, weil sie es nicht gebacken kriegen.

Julia Boppert: Ja, ich glaub, das ist auch so mit das größte Problem. Deswegen, du hast es ja vorher auch schon gesagt, Stiefkind Logistik. Logistik ist so ein bisschen ja, die fällt nicht auf, wenn sie funktioniert, weil eben nur, in Anführungszeichen, ein Servicewert dahinter steht, aber wenn sie nicht funktioniert, sind wir grundenttäuscht und verbittert und schimpfen und das ist, glaube ich, auch das, warum diese Wahrnehmung von der Logistik erstens mal bei vielen nicht gegeben ist oder gegeben war, zumindest bis vor einigen Jahren, und warum man auch nicht so versteht, dass dort der große Stellhebel ist und ich muss sagen, also bei allem, was jetzt für oder gegen Amazon zum Beispiel spricht, ich finde schon, dass Amazon ganz, ganz wesentlich dazu beigetragen hat, dass wir in der Gesellschaft ein umfassenderes Bild von Logistik haben. Und das ist für uns alle eigentlich ganz schön.

Götz Müller: Prima. Ja, das war jetzt auch ein schönes Schlusswort, eine schöne Episode, deshalb, Julia, ich danke dir für deine Zeit, für die interessante Diskussion.

Julia Boppert: Danke dir Götz. Es war ein großes Vergnügen.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Julia Boppert zum Thema Wertströme in der Logistik – ein Paradoxon?. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 265.

Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freue ich mich über Ihre Bewertung bei iTunes. Sie geben damit auch anderen Lean-Interessierten die Chance, den Podcast zu entdecken.

Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.