Die Frage der Nähe im Kontinuierlichen Verbesserungsprozess stellt sich auf verschiedenen Ebenen und zwischen verschiedenen Personen bzw. Situationen. Grundsätzlich ist Nähe immer eine Relation und benötigt deshalb zwei Bezugspunkte. Diese Bezugspunkte können Personen sein, aber auch abstraktere „Elemente“.
Nähe zwischen Führungskraft und Mitarbeiter
Dieser Aspekt der Nähe hat erstmal nicht mit dem KVP direkt zu tun, sondern ist ein generelles Führungsthema. Boris Grundl schreibt in seinem Buch „Leading Simple“ dazu – vermutlich aus eigener Erfahrung, wenn man vom Kollegen zur Führungskraft aufsteigt – „Nicht über Nähe kommt mann nur Leistung, sondern über die Leistung zur Nähe.“ Ganz explizit nennt er es einen Führungsmythos über die Nähe (zwischen Führungskraft und Mitarbeiter) zur Leistung zu kommen.
Gleichzeitig sollten wir bedenken, dass Nähe für Menschen als soziale Wesen einfach ein Grundbedürfnis darstellt. Dieses Bedürfnis haben dabei sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter, teilweise aus unterschiedlichen Gründen, diese zum Teil aus der hierarchischen Rolle herrühren, gleichzeitig aber einfach nur im unterschiedlichen Wesen der Menschen begründet sind.
Die Nähe – in welcher Qualität und Quantität auch immer – zwischen den Beteiligten erlaubt es primär auch, Bedürfnisse generell wahrzunehmen und sie in das Verständnis für die Motivation einzubeziehen – die eigene wie auch die der anderen – und damit in die aus dieser Motivation abgeleiteten Handlungen bzw. das Verhalten und wiederum das Verständnis dafür. Wenn ich also nicht die gewünschten Reaktionen erhalte (die der anderen aber durchaus auch die eigenen), ist es eine Option das Verständnis für die Motivation zu diesen Handlungen zu hinterfragen und das auf die Nähe als Basis für das Verständnis auszudehnen.
Insofern kann das richtige Maß an Nähe nicht direkt bestimmt und beurteilt werden, sondern wird über das indirekte Verhalten individuell bestimmt. Während in meinen Augen die Nähe im Grundl’schen Sinn eher den kumpelhaften Aspekt mit Selbstzweck aus der Sicht der Führungskraft ins Zentrum stellt, betrachte ich die Nähe aus dem Blickwinkel der generellen Beziehung zwischen den beiden Parteien und dem daraus ableitbaren Verständnis, das eine Basis für das Vertrauen darstellt. Der Bezug zum KVP entsteht dann wieder, wenn beispielsweise die Beiträge der Mitarbeiter im KVP betrachtet und daraus Maßnahmen abgeleitet werden. Wenn ich jetzt mit den Beiträgen nicht zufrieden bin, kann ich mir bzgl. der ausgeführten Zusammenhänge die Frage nach der Nähe stellen.
– Daniel Glattauer
Nähe zwischen Führungskraft und Arbeitsebene
Bei dieser Relation ist jetzt schon ein stärkerer Bezug zum KVP erkennbar. Stichworte dazu sind die japanischen Begriffe „Gemba“ (Ort des Geschehens) und „Genchi Genbutsu“ (Geh hin und sieh) als ebenfalls wichtige Grundlagen des Führungskonzepts im Lean Managements (als Ableitung des Toyota Production Systems). Im Grundl'schen Führungsmodell spielt diese Nähe bei allen fünf Aufgaben der Führungskräfte eine in meinen Augen zentrale Rolle, ebenso wie in den fünf Hilfsmitteln und den fünf Prinzipien. Grundsätzlich würde es den Rahmen dieses Artikels sprengen alle 15 Bestandteile hier zu erörtern, ich möchte mich auf die Aufgabe Kontrollieren konzentrieren, weil es hier je nach Sichtweise die stärkste Kontroverse geben könnte.
Wichtig bei der Kontrolle ist es in meinen Augen, dass alle Beteiligten das richtige Verständnis dafür haben, sowohl im Umfang als auch Wesen. Das richtige, vor allem das gleiche Verständnis für Kontrolle erzielen wir nur durch die Kommunikation darüber, sinnvollerweise initiiert durch die Führungskraft. Wenn dies nicht geschieht, ggf. auch durch Eskalation durch den Mitarbeiter.
Grundl nennt in seinem Buch unterschiedliche Gründe, warum nicht ausreichende Kontrolle ausgeübt wird (Angst der FK vor der Reaktion der Mitarbeiter, Angst der MA vor Versagen und Ablehnung). Als Folgen mangelnder Kontrolle nennt er die Förderung der Schwächen der MA, resultierende Nachlässigkeit oder gar Missbrauch und fehlendes Vertrauen. Als Kontrolldimensionen nennt er Kompetenz und Engagement als zentrale Beurteilungskriterien der Mitarbeiter, um daraus dann Handlungen für die Weiterentwicklung der Mitarbeiter abzuleiten. An einer Stelle stehe ich persönlich etwas im Widerspruch mit dem Grundl'schen Führungsmodell. Er setzt bei der Kontrolle (und an anderen Stellen) sehr stark auf schriftliche Berichte. Diese sind für mich ein gewisser Widerspruch zur Nähe (basierend auf meinen oben ausgeführten Gedanken), speziell bezogen auf die Arbeitsebene und die oben genannte Beurteilung mit den eigenen Augen. Zwar stellt der A3-Report in seinen verschiedenen Ausprägungen ein wichtiges Hilfsmittel dabei dar, er muss aber immer auch im Bezug auf den Entstehungsprozess beurteilt werden und nur sekundär als Ergebnis am Schreibtisch.
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PS: Lesenswert ist auch das neueste Buch (Okt. 2014) von Boris Grundl: Mach mich glücklich
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