Warum es sich lohnt auf die Bedürfnisse des Kunden zu schauen

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Letzte Woche hab' ich ein „interessantes“ Erlebnis gehabt. Vermutlich ist das BGH-Urteil bzgl. der Zustimmung zu Bankgeschäftsbedingungen und speziell den Kontoführungsgebühren an kaum jemand vorbeigegangen (sofern man irgendwo bei einer Bank ein Konto hat). Auch ich habe da so einiges erhalten.

Aber das, was letzte Woche passiert ist, hat doch der Sache die Krone aufgesetzt. Da lagen plötzlich zwei dicke Kuverts im Briefkasten, eins für mich und eins für meine Frau. Diese Bank (bei der wir nur Kreditkartenkunden ohne eigene Konten sind) hatte nichts besseres zu tun, als uns beiden die kompletten Geschäftsbedingungen für alle verfügbaren Leistungsangebote in Form eines über 130-seitigen Hefts mit Klebebindung zu schicken, zusammen mit einem vorausgefüllten Formular (Name und Vertragsnummer), um den Geschäftsbedingungen zuzustimmen (in Form von zwei Kreuzen und dem üblichen Unterschriftsfeld), und einem Freiumschlag zur Rücksendung.

Paradox wurde es allerdings, dass die Alternative zur Rücksendung des Formulars ein QR-Code war, mit dem man auf einer Website gelandet ist. Dort konnte man seinen Namen eingeben und nach dem Setzen der beiden Bestätigungskreuze das Formular absenden. Auf den ersten Blick war unklar, wo jetzt die Vertragsnummer steckt. Auf den zweiten Blick war dann klar, dass die Vertragsnummer irgendwie in die individuelle URL reinkodiert ist (und dem zur Folge minimale Unterschiede im QR-Code existieren). Ob das auch für einen Laien erkennbar ist und nicht unnötige Zweifel oder auch nach den Datenschutzskandalen der letzten Wochen und Monate Irritationen auslöst, sei hier mal dahin gestellt.

Der richtig krasse Teil der Aktion ist eben das oben erwähnte Druckwerk und der damit verbundene Ressourcenverbrauch, ebenso wie die notwendige Zeitverschwendung, um die wirklich relevanten Änderungen in den relevanten Vertragsbestandteilen zu identifizieren, verbunden mit der weiterhin latenten Unsicherheit, ob man wirklich alle entdeckt hat.

Letzten Endes waren aber keine erkennbar relevanten Änderungen dabei (keine Preisänderungen und die Vertragsänderungen waren es ebenfalls nicht, weil das BGH-Urteil selbst nach meinen laienhaften Rechtsverständnis und den AGB anderer Banken zur Folge nicht Vertragsbestandteil sein muss).

Ich war dann kurz versucht, eine Ausgabe des Vertragshefts auf ein zum Freiumschlag passendes Format zurechtzufalten bzw. zu schneiden und zurückzuschicken oder zu testen, was passiert, wenn man den irrelevanten Vertragsänderungen nicht zustimmt. Es hat schlussendlich aber dann doch die Vernunft gesiegt, um sich weitere Mühen in der Zukunft zu ersparen.

Was aber sicherlich bei mir hängengeblieben ist, ist der Eindruck eines unsinnigen und gedankenlosen Umgangs mit Ressourcen (der Umwelt und meiner Zeit).

„Der wichtigste heute vernachlässigte Managementgrundsatz ist die Nähe zum Kunden. Seine Bedürfnisse zu erfüllen und seinen Wünschen zuvorzukommen: Darum geht es! Für allzu viele Unternehmen ist der Kunde zum lästigen Störenfried geworden. Sein unberechenbares Verhalten wirft wohldurchdachte strategische Pläne über den Haufen, seine Handlungen bringen die EDV durcheinander, und obendrein besteht er auch noch hartnäckig darauf, gekaufte Produkte müssten funktionieren!.“

– Lee Young, Chefredakteur Business Week

Soweit also erstmal die dieses Mal etwas längere Vorgeschichte. Stellt dann noch die Frage im Zusammenhang zur Überschrift des Artikels und wie man konkret Kundenbedürfnisse in Betracht zieht.

Natürlich gilt hier auch die alte Regel, dass das Problem bzw. die Ursachen dafür im Grunde nie bei einem Menschen, sondern praktisch immer (von gezielter Sabotage mal abgesehen) im Prozess bzw. im Kontext zu suchen.

Die entscheidende Frage ist also, wie müsste hier der Kontext bzw. Prozess aussehen, damit die Kundenbedürfnisse angemessen berücksichtigt werden.

Ein Weg dabei ist, bei größeren Veränderungen oder Neugestaltungen eine Repräsentanz oder Stellvertretung für den Kunden einzubeziehen. In agilen Projekten ist das typischweise der Product Owner, der auch die Stimme des Kunden einbringt. — Ergänzung 12/2023: Im Kontext von Lean Product Development übernimmt diese Rolle der Chief Engineer. Die Rolle des internen Kunden der Produktentwicklung repräsentiert der Chief Production Engineer (der interne Kunde ist NICHT das Produkt-Management, das ist „nur“ der Auftraggeber):

Eine andere Möglichkeit ist, physisch einen Anker für den Kunden in Besprechungen und Workshops zu platzieren, bspw. in Form eines leeren Stuhls, auf dem man sogar einen Dummy oder eine Puppe setzen kann, um die Präsenz noch lebendiger zu gestalten.

Zugegebenermaßen wäre das nicht in allen Situationen dem Aufwand angemessen. Was immer funktioniert, ist die Schaffung eines angemessenen Bewusstseins bei allen Mitarbeitern und Führungskräften eines Unternehmens. Auch das entsteht natürlich nicht über Nacht und auch nicht völlig umsonst. Und natürlich gilt auch hier die Regel, dass ein Baum am besten vor 25 Jahren gepflanzt worden und dann heute kein kleiner Sprößling mehr wäre, der der trampelnden Profitmaximierung und Ignoranz gegenüber dem Kunden als erstes zum Opfer fällt.

Der konsequente Umgang mit der Kundenorientierung ist auf jeden Fall ein Indiz dafür, wie ernst sie von der Unternehmensleitung genommen wird. Mindestens im beschriebenen Fall kann es damit in meinen Augen nicht weit her sein. Und da kann ich dann nur sagen, dass das bei mir im Gedächtnis bleibt und sich vielleicht irgendwann rächen wird.

In meinen Augen hat das auch etwas mit den Problemen der Branche zu tun, gegenüber den Veränderung im Markt und den zugrundeliegenden Kundenbedürfnissen nicht reagieren zu können, weil sich viele der klassischen Banken nicht bewusst machen, dass im Grund kein Mensch eine Bank benötigt, sondern nur die ein oder andere Möglichkeit des Geldtransfers, der Geldverwahrung oder Erschließung von Geldquellen. Auch kein Wunder, dass dieselben Banken dann in der Regel neuen Geschäftsmodellen von Fintechs hoffnungslos überfordert gegenüberstehen und ihr Heil nur in Gebührenerhöhungen suchen und sich damit erst recht zum Spielball des Marktes machen.

Frage: Wie berücksichtigen Sie in den Geschäftsprozessen die Bedürfnisse der Kunden (extern oder intern)? Wie kann dessen Stimme hörbar gemacht werden? Wer kann dessen Rolle übernehmen?

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