Was Schmerz im Lean Management bedeutet und welche Konsequenzen sich daraus ergeben

Schmerz

Wenn wir über Schmerz im Kontext von Lean-Management reden, geht es um mehrere Dimensionen, die in meinen Augen zu berücksichtigen sind. Diese Dimensionen betreffen die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens, die Beteiligten, die den Schmerz verspüren oder den Schmerz nutzen, die Reaktionen, die mit dem Schmerz gekoppelt sind, die Wirkungen, die sich aus den Reaktionen ergeben und final die Konsequenzen, die sich aus den Erkenntnissen ergeben (können).

Wirtschaftliche Situation

Hier will ich soweit gehen, dass Lean Management und die notwendigen Veränderungen kaum wirklich von Erfolg geprägt sein werden, wenn keine wirtschaftlich problematische Situation eines Unternehmens vorhanden ist, bzw. diese Situation von den Beteiligten nicht als problematisch betrachtet wird.

Deutlich wird das, wenn man sich die wirtschaftliche Situation von Toyota in den 1950er Jahren im Kontrast zu amerikanischen Unternehmen ansieht. Ohne die wirtschaftliche Mangelsituation in der japanischen Wirtschaft und spezielle Automobilindustrie hätte es kaum den Druck zur Entwicklung des Toyota-Produktionssystems gegeben. Im Grunde gilt das auch für den Gründung von Toyota im Kontext automatischer Webstühle ebenso wie die Entwicklung des Lean-/TPS-Vorläufers Training Within Industry.

Im übertragenen Sinn war ein Schmerz auch der Ausgangspunkt agile Konzepte wie Scrum in Software-Entwicklungsprojekten zu entwickeln. Der Auslöser waren dabei Defizite in der Erfüllung der Dimensionen des magischen Dreiecks aus Termin, Kosten und Leistung, welche als Qualitätserwartungen die Kundenzufriedenheit bestimmen.

Beteiligte

Bei den Beteiligten muss man in meinen Augen drei Personenkreise unterscheiden.

Entscheider aus der Unternehmensleitung haben typischerweise die besten Einblicke in die wirtschaftliche Situation des Unternehmens. Wenn sich für diese jedoch daraus kein Schmerz ableitet, wird es in der Regel dann auch schwer, Handlungsimpulse für sich selbst und die übrigen Personen im Unternehmen abzuleiten und zu nutzen.

Wenn die Unternehmensleitung Handlungsbedarf erkennt und Lean als Rahmenwerk nutzen will, besteht die weitere Herausforderung dann darin, diese Notwendigkeit auch den anderem beiden Personenkreise nahezubringen.

„Die Not vereinigt die Gemüter und macht die Menschen tätig und erfinderisch.“

– Gerhard Johann David von Scharnhorst

Letztlich fragen sich sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter immer (unbewusst) nach dem Sinn (jeglicher Initiativen und Maßnahmen) für sich selbst und das Unternehmen. Wenn es dabei nicht gelingt, geeignete Antworten zu geben und daraus eine Form des Handlungsdruck bzw. idealerweise Sog aufzubauen, wird es für wiederum schwierig, Lean-Initiativen wirksam einzuführen und am Leben zu erhalten.

Falls keine wirtschaftlich problematische Situation vorhanden ist, bleibt für Lean „nur“ noch der Nutzen sich damit das Arbeitsleben leichter zu machen. Diesen Nutzen zu vermitteln, ist jedoch ungleich schwieriger, weil hier immer die individuelle Einschätzung und Einstellung eine große Rolle spielt und diese eben primär subjektiv geprägt ist und auch nicht unbedingt direkt erkennbar ist.

Die eingangs genannte wirtschaftliche Situation und der daraus abgeleitete Schmerz lässt sich auch auf aktuelle Themen im ökologisch-sozialen Kontext erweitern. Der Antrieb kann dann darin bestehen, die ökologischen Aspekte des Wirtschaftens anzunehmen, bspw. im Ressourcenverbrauch, ebenso wie Herausforderungen im Bereich des Arbeitsmarktes, die jedoch wieder stärker wirtschaftlich geprägt sind.

Auch in diesen beiden Bereichen geht im Grunde wieder um eine Form des Schmerzes, der aus der Lücke aus dem Ist-Zustand und einem definierten gewünschten und anstrebenswerten Zielzustand herrührt. Wenn diese Lücke nicht als Problem erkannt und bewertet wird, wird sich daraus kaum ein Antrieb zur Veränderung ergeben.

Eine der zentralen Aufgaben von Führung (im Lean Kontext) ist es also, den Schmerz selbst als handlungsfördernd wahrzunehmen, Ursachen zu erkunden bzw. deren Erkundung zu initiieren und die resultierende Erkenntnisse und die notwendigen Maßnahmen bzw. deren Entwicklungsnotwendigkeit zu vermitteln. Dazu gehört dann auch, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass bei den Beteiligten eine innere Motivation entsteht, ohne zu manipulativen Mitteln zu greifen, die in der Regel Schmerzen auf anderen Ebenen auslösen und eher Widerstand als Antrieb schaffen.

Frage: Welcher Schmerz „wirkt“ in Ihrem Verantwortungsbereich? Welche Konsequenzen leiten Sie daraus ab? Wie machen Sie Schmerz sichtbar und fühlbar?

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