Wenn schnelle Entscheidungen schädlich sind

Entscheidungen

Um Probleme lösen zu können, müssen Entscheidungen getroffen werden. Oftmals indem ein bestimmter Weg eingeschlagen und andere, vielleicht alle anderen verworfen werden.

Speziell im Kontext der Produktentwicklung ist aber oft vorteilhaft, diesen Ausschluss von Lösungswegen möglichst lange hinauszuzögern. Dazu gehört auch sich der damit verbundenen Unbequemlichkeit zu stellen, wie John Cleese das in diesem kurzen Video treffend beschreibt [1].

Dabei kann es dann dazu kommen, dass eine Entscheidung „nur“ getroffen wird, um dieser Unbequemlichkeit zu entkommen. Oft kommt erschwerend – oder bzgl. der Entscheidungsfreude vermeintlich erleichternd – hinzu, dass (frühzeitige) Entscheidungen, d.h. die Entscheidungsfreudigkeit, sogar von der Organisation honoriert wird und als vorteilhafte Führungseigenschaften bewertet werden. Nicht selten kommt es dann durch zu weiteren Multiplikationseffekten, weil dieses Führungsverhalten selbst und ggü. anderen verstärkend wirkt.

Ein weiterer zu berücksichtigender Aspekt ist, dass verzögerte Entscheidungen sogar kurzfristig monetäre Vorteile haben, weil das parallele Beschreiten mehrerer Lösungswege auf den ersten Blick aufwändiger erscheint und oft die knappen Ressourcen der Entwicklerkapazitäten einen zusätzlichen Schmerz darstellen und die Fokussierung auf einen frühzeitigen Lösungsweg scheinbar Erleichterung bringt.

Was aber bei schnellen Entscheidungen oft übersehen wird, ist die Tatsache, dass mit frühzeitigen Entscheidungen auch immer ein Mangel an Kenntnistiefe bzgl. möglicher Konsequenzen einhergeht.

„Wenige Menschen denken, und doch wollen alle entscheiden.“

– Friedrich II. der Große

Wenn diese Konsequenzen dann später sichtbar werden, bedeutet das typischerweise, dass nicht nur der dann beschrittene Weg bis zu dieser Erkenntnis vergebens war (bei weitem aber eben nicht umsonst), dadurch zwar auch ein Lerneffekt eintritt (wobei gleichzeitig die notwendige Reflexion darüber unterbleibt) aber die verstrichene Zeit bis zu dieser Erkenntnis unwiederbringlich abgelaufen ist und auch nicht wieder aufgeholt werden kann.

Im Lean Product Development ist ein bewusster Ausweg aus dieser psychologischen Falle das Konzept des Set-Based Concurrent Engineering zusammen mit dem Front Loading. Hier wird von vornherein in Kauf genommen, dass der Aufwand in frühen Entwicklungsphasen aufwändiger ist, dafür aber später die benötigten Ressourcen wirklich freiwerden, statt sie ungeplant für Feuerwehrmaßnahmen zu benötigen und dabei einerseits für weitere Verzögerungen sorgen und zusätzlich negative Folgen für in anderen Entwicklungsprojekte haben, denen jetzt Ressourcen ungeplant entzogen werden müssen.

Die Folge sind dann oft weitere Kompromisse bei allen beteiligten bzw. betroffenen Projekten mit allen Konsequenzen und bis hin auf Kosten einer reduzierten Kundenzufriedenheit, weil durch fehlende Leistungsmerkmale ein versprochener Kundennutzen nicht oder nur verzögert eintritt, was oft indirekt weiteren Zusatzaufwand verursacht (sei im Betrieb bzw. EInsatz oder in der Produktion) oder sogar durch Strafzahlungen, Preisnachlässe und verzögerten Markteintritt und Verlust von Marktanteilen den Business-Case negativ beeinflusst.

[1] https://www.instagram.com/reel/Ct-EnUSAyRB/

Frage: Wie gehen Sie mit Entscheidungsdruck um? Was ist Ihnen dabei schon begegnet? Was wären mögliche Alternativen?

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