Kaizen 2 go 108 : Toyota-Kata in der Schule


 

Inhalt der Episode

  • Wie ist der Gedanke entstanden, die Toyota-Kata in die Schule zu übertragen?
  • Welche Aspekte addressiert die Kata in der Schule?
  • Was lässt sich aus der Industrie bzw. dem Einsatz der Kata in Unternehmen auf die Schule übertragen?
  • Auf welche Resonanz stößt die Kata im Schulumfeld?
  • Was lernen die Schüler aus der Kata?
  • Was lernen die Lehrer dabei?
  • Was kann die Industrie aus dem Einsatz in der Schule lernen?

Notizen zur Episode


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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 108 – Toyota-Kata in der Schule

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Professor May wieder im Podcast-Gespräch. Wir hatten schon mal eine interessante Unterhaltung. Er ist Professor an der Hochschule Ansbach und akademischer Direktor des CETPM. Hallo Herr Mai.

Constantin May: Ja. Hallo Herr Müller. Schönen guten Tag.

Götz Müller: Ich freue mich, dass es wieder geklappt hat. Wir haben uns beim letzten Mal über ein spannendes Thema unterhalten und dieses Mal, glaube ich, unter einem anderen Blickwinkel, aber ähnlich spannend und zwar geht's um die Toyota Kata in der Schule. Jetzt ist vielleicht nicht unbedingt jeder der Zuhörer so ganz familiär mit der Toyota-Kata, deshalb zum Einstieg vielleicht von Ihnen noch zwei-drei Worte/Sätze zur Kata selber.

Constantin May: Ja. Also die Toyota-Kata, oder man nennt sie auch die Verbesserungs- und Coaching-Kata, ist letzten Endes, ich sage mal, eine Serie von Mustern, die der Mike Rother entdeckt hat, bei Toyota, wie im Prinzip Probleme angegangen werden und gelöst werden. Und letzten Endes geht es darum, eine wissenschaftliche Denk- und Handlungsweise bei Menschen zu etablieren.

Götz Müller: Gut. Ich denke, zu dem „wissenschaftlich“ kommen wir nachher noch mal. Jetzt ist natürlich, einerseits für uns, kann man sagen, Lean ist überall, andererseits liegt natürlich die Schule jetzt nicht unbedingt primär im Fokus. Wie ist aus Ihrer Sicht der Gedanke entstanden, die Kata in die Schule zu übertragen?

Constantin May: Ja, also. Letzten Endes geht's bei der Toyota-Kata darum, dass man im Grunde die Menschen dazu bringt, dass sie ihre Hypothesen testen. Das heißt, dass sie Annahmen über Experimente verifizieren und darüber dann lernen. Also zwischen … aus der Erwartung von dem, was passiert und dem, was tatsächlich passiert entsteht dann der Lerneffekt und das ist etwas, was in der, ich sage mal heutigen Business-Welt eher, ja, wenig verbreitet ist. Die meisten Menschen und insbesondere Führungskräfte tendieren dazu, schnell einfach mit Lösungen zu kommen, anstatt auch einfach mal zu sagen „Ich weiß es nicht. Lass es uns ausprobieren.“ und das ist jetzt nicht so deutsche Managementkultur. Und Kinder hingegen sind da ganz anders. Die haben mehr diesen Wunsch, etwas auszuprobieren, zu gucken, was passiert. Das ist denen noch mehr, ja sozusagen, ist ihnen noch in die Wiege … in der Wiege … von der Wiege mitgegeben worden und wir versuchen dieses experimentelle, ja, Denken zu fördern und zu festigen und gleichzeitig eine Struktur vorzugeben, an der sie sich entlanghangeln können, um diese Denkweise vielleicht noch effektiver zu machen.

Götz Müller: Und wenn lernen … wenn nicht wo, dann in der Schule eben.

Constantin May: Ja, genau und wie kommen wir am besten an an junge Menschen heran? Letzten Endes in der Schule und so ist im Prinzip der Gedanke entstanden, weil wir gemerkt haben, auch je älter Menschen werden, umso schwieriger wird es, die festgefahrenen Bahnen zu verlassen, neue Verhaltensweisen sich anzueignen. Das ist einfach so, je länger bestimmte Verhaltensweisen eintrainiert sind, so stärker sind die neuronalen Bahnen im Gehirn ausgeprägt und umso schwieriger wird es auch, das zu verändern und so kam der Gedanke, im Prinzip, jetzt mal ohne Wertung formbare Gehirne sozusagen noch von Anfang an ein bisschen in die Richtung zu lenken, dass sie eben eine wissenschaftliche Denkweise annehmen und damit dann auch in der Lage sind, vorher nicht denkbare Ergebnisse zu erzielen.

Götz Müller: Mir kommt gerade Gedanke, vor allen Dingen eben bei Kindern etwas zu verstärken, was ich ja glaube und da werden Sie mir wahrscheinlich auch zustimmen, was ihnen ja im Grunde aktiv ausgetrieben wird, nämlich dieses „mal was ausprobieren“, von dem Sie eingangs auch gesprochen hatten.

Constantin May: Ja, natürlich. Das ist durchaus ein Problem, dass dieses, ja, ich sage mal, kindliche Bedürfnis durch, durch im wahrsten Sinne des Wortes begreifen, ausprobieren, mal schauen, was passiert, das wird häufig heute in der Schullaufbahn nicht gefördert ist. Es gibt zwar jetzt Ansätze dort auch eines Umdenkens immer mehr in Richtung kompetenzorientiertes Lernen und auch das Experimentelle wieder mehr zu fördern, das hat man denke ich auch in, ja ich sage mal, den zuständigen Stellen erkannt, aber wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, da war nichts mit Experimentieren, außer vielleicht mal im Physik- und Biologieunterricht.

Götz Müller: Ja, und das waren dann oft sehr stark angeleitete Versuche, wo im Grunde mindestens der Lehrer schon wusste, was bei rauskommt.

Constantin May: Ja, ganz genau. Das Knallgasexperiment ist mir in guter Erinnerung geblieben.

Götz Müller: Genau. Und das sind ja im Grunde die Dinge, da trage ich ja Eulen nach Athen, wenn ich da mit Ihnen als Wissenschaftler darüber rede … muss ich, darf ich ja nicht wissen, was dabei rauskommt wenn ich ein Experiment durchführe. Und vielleicht an der Stelle auch mal noch eine Vertiefung, damit auch die Zuhörer das so durchdringen und vielleicht nicht es vom Tisch wischen, im Sinne von „Ja, ich bin ja kein Wissenschaftler sein, ich bin halt im Geschäftsleben unterwegs.“ Vielleicht an der Stelle von Ihrer Seite noch ein paar Sätze, was bedeuten dieses wissenschaftliche Arbeiten überhaupt.

Constantin May: Ja, also. Vorsicht. Also wissenschaftliches Arbeiten … Ich bin auch oft schon von Schulen eingeladen worden, die gesagt haben „Ja, unsere Schüler müssen jetzt hier ihre Abschlussarbeit schreiben und tun sich mit wissenschaftlichem Arbeiten so schwer, da können Sie uns bestimmt weiterhelfen.“ Das hat mit dem klassischen, wissenschaftlichen Arbeiten nichts zu tun, sondern mit wissenschaftlicher Denk- und Handlungsweise verbinden wir ein strukturiertes Vorgehen nach PDCA, also den meisten Hörern wird das bekannt sein, also plan, do, check, act, was ja nichts Anderes bedeutet, ich plane ein Experiment, ich führe es durch, ich schaue, was passiert und dann passe ich im Grunde mein Experiment an, wenn nicht das rausgekommen ist, was ich erwartet habe und das ist im Grunde die wissenschaftliche Denkweise. Dass ich sage, ich gehe schrittweise vor, in kleinen Schritten und hangle mich über Experimente letzten Endes immer weiter in Richtung eines Erkenntnisgewinns und das einzig Wissenschaftliche ist im klassischen wissenschaftlichen Sinne ist, ich stelle eine Hypothese auf und überprüfe sie über ein Experiment und gucke, was dann passiert. Aber die Verbesserungskata ist universell anwendbar, also nicht nur für wissenschaftliche Fragestellungen, sondern im Grunde im Privatleben um herausfordernde Ziele zu erreichen, zum Beispiel um einen Marathon zu laufen oder um, ja, im Prinzip das Privatleben zu verbessern oder Ähnliches mehr.

Also es ist wirklich … ich habe kürzlich einen Studenten gehabt, der hat damit seinen Schlaf optimierte. Er konnte immer nur sechs Stunden schlafen und am Ende von so einem, ich sage mal, einer Reihe von Verbesserungszyklen hat er dann die gewünschten acht Stunden geschlafen. Also man kann das sehr, sehr universell einsetzen, sogar zum Abnehmen gibt’s schon erste gute Erfolge und vielleicht muss ich noch mal ganz kurz durch den … das Ding … den Grundgedanken der Verbesserungskata darstellen. Also im Grunde ist es ein vierschrittiges Muster. Erstens: Ich mache mir vor Augen, was ist die Richtung oder die Herausforderung, die ich, ja, in einem überschaubaren Zeitraum erreichen möchte. Dann schaue ich im nächsten Schritt, wo bin ich heute, also was ist mein Ist-Zustand und dann setze ich mir einen Zielzustand. Das heißt, wo möchte ich in einem kurzfristigen Zeitraum, also beispielsweise vier Wochen oder zwei, drei Monate, wo möchte ich dann sein. Das ist mein Zielzustand und dann überlege ich mir, welche Hindernisse halten mich davon ab, von meinem jetzigen Ist-Zustand zum Zielzustand zu kommen und diese Hindernisse, die sich dann mir auftun, die versuche ich dann mit Experimenten zu beseitigen. Das heißt Experiment für Experiment räume ich die Hindernisse aus dem Weg und nähere mich dann an Zielzustand an und wenn ich diesen Zielzustand erreicht habe, bin ich ein ganzes Stück weiter in Richtung Nordstern, Vision, Richtung oder auch Herausforderung gekommen und dann definiere ich mir einen neuen Zielzustand. Also das ist so die grundlegende Denkweise und die versuchen wir eben jetzt nicht nur Erwachsenen beizubringen, sondern auch Kindern und Jugendlichen über diese Initiative Kata im Klassenzimmer.

Götz Müller: Genau. Das möchte ich jetzt noch ein bisschen vertiefen. Welche Aspekte, auch der Verbesserung, wobei man jetzt in diesem Schulkontext nicht direkt von Verbesserung sprechen kann, sondern es ist ja im Grunde so eine Art Hebel, den ich da einsetze. Was adressiert die Kata also in der Schule?

Constantin May: Ja, im Grunde genau das Gleiche. Also ich versuche diese Verbesserungskata mit ihren vier Schritten den Schülern zu vermitteln. Nachdem wir das aber nicht direkt selber machen können und keinen Zugang zu den Schülern haben, machen wir sehr gerne Workshops mit Lehrern und machen mit denen dann das sogenannte Puzzlespiel. Das heißt, wir erklären ihnen mit einem Puzzle und entsprechenden begleitenden Dokumenten, wie sie den Kindern und Jugendlichen die Verbesserungskata beibringen können und, dort, also ganz kurz gefasst, da ist ein 15-teiliges Puzzle. Dieses Puzzle soll man im Team möglichst schnell zusammenlegen und man nimmt dann sozusagen … die Herausforderung ist, das Puzzle in 15 Sekunden zu legen und dann macht man zwei Runden und schaut, wie schnell kann ich das selber legen hier in meinem Team und dann überlegt man sich den nächsten Zielzustand, also möchte ich beispielsweise nach 5 Verbesserungsrunden sein. Und dann gehen die … also erstmal wir mit den Lehrern und dann die Lehrer mit den Schülern durch diesen Verbesserungsprozess durch, schauen also, welche Zeit habe ich erreicht, okay, was waren die Hindernisse, warum hat es nicht so geklappt, wie wir gedacht haben und dann überlegt man sich im Prinzip neue Experimente, wie man das Puzzle vielleicht anders legen könnte, damit man die gewünschte Zeit erreicht. Also das so ganz grob, wie das Ganze funktioniert.

Götz Müller: Ich vermute jetzt mal fast, man muss ja im Grunde nur eine ganz einfache erste Milchmädchenrechnung machen, dass man die 15 Sekunden im ersten Schritt gar nicht hinkriegt und da glaube ich aber eben, so weit wie ich die Kata auch kenne, ist ein ganz wichtiger Aspekt, weil wenn ich wüsste wie es geht, wäre die ganze Übung ja fast sinnlos.

Constantin May: Ja, ja. Das ist ja genau der Punkt und also die 15 Sekunden sind schaffbar, wir haben schon Teams gehabt, die es in knapp unter 15 Sekunden geschafft haben, aber nach langer Übung und, das ist auch ein wichtiges Element, was letzten Endes für die Kinder wichtig ist, man muss ein herausforderndes Ziel nicht in einem Schritt erreichen, sondern man macht sich kleine Zwischenschritte und arbeitet sich langsam vor und hat dann auch schnell Erfolgserlebnisse, dass man sagt „Ja, ich habe jetzt die 20 Sekunden geschafft und super und jetzt kann ich mir im Prinzip den nächsten Zielzustand setzen.“ und so hangle ich mich Schritt für Schritt eben in Richtung dieser großen Herausforderung, das Puzzle in 15 Sekunden zu legen.

Götz Müller: Was haben Sie … was machen Sie da für Erfahrungen, welche Resonanz bekommen sie aus dem Schulumfeld?

Constantin May: Also das passt sehr, sehr gut in, ich sage mal, die neuen Ansätze, die sich in den Lehrplänen wiederfinden mehr, ich sag mal, experimentelles Lernen zu fördern und dieses Puzzlespiel ist einfach erstmal eine schöne Teambuilding-Aktivität, weil man im Team gemeinsam versucht, viel zu lösen und das ist auf die Dauer einer Schulstunde ausgelegt, also in 45 Minuten kann man dieses Spiel durchspielen und erstmal macht es den Lehrern und Lehrerinnen sehr viel Spaß und dann auch den Kindern und wir haben Schulen, die schon sehr lange damit arbeiten, also einige Jahre und dort ist das den Kindern sofort im Prinzip ein Begriff geworden und die denken heute und sagen immer wieder „Oh, jetzt muss mir erst überlegen, wo bin ich jetzt noch, was ist mein Ist-Zustand“ und dann überlegen sie sich den nächsten Zielzustand und dann wissen sie „Ah, jetzt müssen wir experimentieren“. Also diese Denkweise ist dort schon bei den Kindern angekommen und das Interessante ist, auch die Eltern werden über Elternabende über das Konzept informiert, sie finden das auch gut und das Kollegium untereinander macht das auch. Also das ist auch zur Personalentwicklung letzten Endes geeignet. Ja, so ist die Resonanz also sehr positiv und ich sag mal Lehrerinnen und Lehrer freuen sich immer, wenn sie im Grunde ein ausgearbeitetes, funktionierendes Konzept bekommen und das ist, ja ich sage mal … wir machen das ja ehrenamtlich. Das heißt, wir gehen in Lehrerinnen- und Lehrer-Veranstaltungen, also irgendwelche Lehrer-Tage, zu größeren Schulen und so und vermitteln dann im Prinzip hier das gerne einer größeren Anzahl von Lehrern und kamen bis jetzt immer gut an. Das machen jetzt natürlich nicht alle, weil man muss dafür Freiraum schaffen, man muss sich selber das Gefühl haben, dass es funktioniert, dass man die Zeit hat, das noch sinnvoll einsetzen kann, aber die die es dann ausprobieren in ihren Klassen, die berichten mir immer sehr begeistert davon.

Götz Müller: Da will ich nur bisschen nachbohren, weil das ja im Grunde dann speziell, wenn es eben um den betrieblichen Kontext geht, da ist meine Erfahrung, es stehen nicht 100% der Menschen auf und sagen „Chaka, coole Sache, das sind wir dabei“. Wenn Sie mal so Situation hatten, wie sind sie denn damit umgegangen, dass es also Vorbehalte, Widerstände gibt?

Constantin May: Meinen Sie jetzt speziell in Schulen oder in der Industrie?

Götz Müller: In Schulen, aber natürlich gerne auch, wenn sie aus dem industriellen, betrieblichen Umfeld Erfahrungen haben.

Constantin May: Ja, also selbstverständlich. Da gibt's natürlich viele unterschiedliche Reaktionsmöglichkeiten, wenn etwas Neues kommt. Ich habe dann schon öfters gehört: „Ja, das, was in der Industrie funktioniert, funktioniert bei uns noch lange nicht.“ Das war eine Aussage, die sich da bei mir eingeprägt hat. Oder im Sinne von „Was soll ich denn noch alles machen?“ So etwas kommt, da bin ich auch ganz entspannt, das ist ja nichts, was wir jemandem aufzwingen wollen, sondern, ich und der Mike, wir machen das aus der Überzeugung heraus, dass das der Gesellschaft einen Nutzen, einen Mehrwert bringt und solange sich genug Leute dafür interessieren und sagen „Woah, cool, ich probiere das mal aus. Gucken wir mal, was passiert.“ und dann uns berichten, „Ja, die Kinder waren begeistert, hat denen Spaß gemacht und wir haben das gleich übertragen, wir machen das jetzt im Prinzip unsere Lernkärtchen damit, für unsere Lernwörter oder nutzen das jetzt im Heimat- und Sachkundeunterricht, um tolle Sachen zu bauen“ oder ähnliche Dinge, dann macht es einfach Spaß. Ich muss ja niemandem irgendwas aufzwingen, sondern wer sagt „Ich probier's mal aus“ über den freue ich mich und wer sagt „Nee, das passt nicht oder ich will das nicht.“ das ist mir doch relativ. Oder da bin ich ganz entspannt und in der Industrie ist, sage ich mal, das Konzept der Kata, denke ich, deutlich verbreiteter als in Schulen und dort begegnet mir natürlich das Gleiche. Also so im Sinne von „Ja, was soll ich denn jetzt noch machen, meine Mitarbeiter hier mit fünf Fragen malträtieren, wie schaut denn das aus, was denken die denn von mir?“ und so und auch da gilt: Man muss es einfach mal ausprobieren und gucken, wie es sich anfühlt, ob es einem liegt, ob man sich vorstellen kann, damit zu arbeiten und dafür ist dieses Puzzlespiel eben gerade ganz toll. Das Puzzlespiel, was wir auf der Webseite von Kata im Klassenzimmer draufhaben, übrigens sind alle, alle Unterlagen kostenlos downloadbar im Originalformat, man kann das abändern, wie man das braucht und möchte und dieses Spiel kann man also auch dann wunderbar im Unternehmen in Teams einsetzen und sagen „Lasst uns das mal ausprobieren, brauchen mal eine Stunde Zeit und da guckt ihr mal, ob die Kata irgendwie für euch gut ist.“ und wenn man das so spielerisch angeht, denke ich, kriegt man viel eher ein positives Feedback, als wenn man jetzt dann irgendwie eine Stunde einen Vortrag hält und sagt: „Das müsst ihr jetzt machen.“ Also gerade diese spielerische Herangehensweise kommt in den Unternehmen auch sehr gut an.

Götz Müller: Ja, das möchte ich noch ein bisschen vertiefen. Ich meine, Sie machen da ja mit Sicherheit Erfahrungen eben in diesem Schulkontext, wo man, vermute ich jetzt einfach mal, durchaus auch den ein oder anderen Aspekt dann, also so auf einer Metaebene wieder zurück in den betrieblich-industriellen Kontext übertragen kann. Also was man gelernt hat, wie erreiche ich die Menschen, Sie haben es gerade schon ein bisschen angedeutet, das möchte ich noch ein bisschen vertiefen. Was lässt sich also aus der Schule dann wieder zurück in die Industrie übertragen, um sich dort wieder leichter zu tun?

Constantin May: Das ist eine bisschen schwierige Frage, weil die … also, was wir einfach durch das viele Spielen dieses Puzzles gemerkt haben, ist, dass die Menschen in der Industrie viel eher dazu neigen, sich zu herausfordernde Ziele zu setzen. Also ich habe viele Teams, die sagen „Oh, 15 Sekunden, wir setzen uns gleich 14 Sekunden also Ziel, was andere können, das können wir auch“ und damit fallen die dann regelmäßig auf die Nase und deswegen ist natürlich auch Aufgabe des Moderators auch hier zu bremsen und zu sagen „Nee Leute, es geht hier um kurzzyklische, kleine Verbesserungen und setzt euch halt nicht so hohe Ziele, sondern setzt euch ein bisschen niedrigere Ziele, schon noch im Prinzip herausfordernd aber nicht gleich irgendwie die 2,10 m aus dem Stand sozusagen überspringen, sondern sorgt auch dafür dass ihr und euer Team Erfolgserlebnisse haben könnt.“ und das ist sicherlich was, was ein großer Unterschied ist zwischen der Anwendung bei Schülern und in der Industrie und daraus haben wir dann gelernt: Bremsen, bremsen, bremsen. Nicht zu viel Ehrgeiz reinstecken. Und wir haben einfach aus den Erfahrungen mit denen … ja, in den vielen Spielrunden, das Spiel noch weiter verfeinert und aber so, dass ich jetzt sage, wir haben wir völlig neue Erkenntnisse gewonnen zur Verbesserungs- und Coaching-Kata, das, nee, das würde ich jetzt nicht behaupten.

Götz Müller: Mir kommt da jetzt noch ein weiterer Gedanke. Sie haben vorhin gesagt, dieser Team-Aspekt, es ist ja keiner jetzt hier für sich alleine unterwegs, also im Sinne von, jeder kriegt sein eigenes Puzzle und darf da mal machen, wie wird das aufgenommen in den Unternehmen?

Constantin May: Ja, das ist das ist natürlich klasse. Also, wenn man, wenn man gemeinsam als Team ein Ziel erreicht, das ist einfach irgendwie … jedes mal schreit eine Gruppe „Hurra!“ und die Begeisterung kommt dann einfach hoch und, wie gesagt, es ist eine wunderbarer Teambuilding-Aktivität auch, dieses Spiel zu spielen und dann die gesetzten Ziele zu erreichen und das kommt sehr gut an. Teamarbeit macht praktisch allen Menschen Spaß, wenn man das Team gut aufsetzt. Natürlich durchlaufen die ganz normalen Phasen auch halt im Schnelldurchlauf, da gibt's Frust, auf einmal dauert es länger als vorher, da muss man halt auch mal durch ein Tal der Tränen durch und noch mal überlegen, machen wir die richtigen Dinge?, um dann letzten Endes zum Schluss, hoffentlich dann doch die gewünschte Zeit zu kriegen.

Götz Müller: Jetzt haben Sie es vorhin, hatten Sie schon ein Beispiel genannt, das will ich auch noch ein bisschen hinterfragen, aufgrunddessen, was sie auch sonst kennen: was für weitere Lebens- oder Gesellschaftsbereiche sehen Sie noch, wo man die Kata einsetzen kann?

Constantin May: Also die Kata ist universell. Letzten Endes ist es ein bestimmtes Denkmuster, was einem hilft, beliebige herausfordernde Ziele zu erreichen und, ich kann jetzt im Prinzip nur aus meinen Erfahrungen sprechen, neben der Anwendung in Industriebetrieben, dort in der Produktion genauso wie in der Administration, beliebige administrative Aufgaben, Produktentwicklungsaufgaben, also hier auch wirklich quer durch alle betrieblichen Funktionsbereiche, geht es in den privaten Bereich rein und hier haben wir beispielsweise, eben wie gesagt, Optimierung von Schlaf, Gewicht, körperlicher Fitness gehabt. Dann hatten wir jemand, der hat mit der Kata seine Finanzen optimiert. Er hatte sich als Richtung beziehungsweise als Herausforderung gesetzt, er möchte gern auf den Malediven leben, ich habe seit zwei Jahren nichts mehr von ihm gehört, ich vermute mal, er ist auf den Malediven. Also das ist wirklich universell anwendbar. Das ist ja im Grunde eine ganz einfache Denkstruktur, die aber sehr mächtig ist, weil sie halt immer wieder einem vor Augen führt, wo will ich denn eigentlich hin, wo bin ich jetzt, was steht mir im Weg, damit ich meinen nächsten Zielzustand erreichen kann? und jetzt muss ich an diesen Hindernissen arbeiten. Diese Denkweise ist, ja, in wirklich allen Lebensbereichen anwendbar und das ist das Schöne und wenn man das mal hat, dann wird man das auch nicht mehr los. Das ist so ähnlich wie die Verschwendungsbrille, ja, die die Lean-Leute haben, dass man ständig überall nur Verschwendung sieht, so ähnlich ist das auch mit dieser Kata-Denke. Man wird dieses Denkmuster, wenn man es mal drin hat, nicht mehr wirklich los und versucht diese, ja, die Dinge, an denen man persönlich arbeitet, auch so zu lösen und das ist schon sehr sehr mächtig, wie ich jetzt bei mir und auch bei vielen anderen Menschen gemerkt habe.

Götz Müller: Ja. Mir kommt jetzt gerade der Gedanke, also … mir geht das natürlich genauso und, um es mal neutral auszudrücken, man macht sich nicht überall damit Freunde, wenn man halt dann den kritischen Blick auf irgendwas wirft und halt auch mal kritisch hinterfragen, muss das denn jetzt so sein. Da könnte vorstellen, dass die Kata an der Stelle ja im Gegensatz zur Verschwendung ja ein sehr positiver Aspekt ist und man auf diesen Widerstand wahrscheinlich nicht stößt.

Constantin May: Nein, nein. Aber es ist, ich sage mal, es ist schon ein kultureller Wechsel, weil man, wenn man das im Kopf hat, man im Prinzip nach außen im ersten Moment vermeintlich vorhandenes Selbstbewusstsein abgibt. Weil als Führungskraft man ja häufig sagt „Also, pass auf, ich weiß, wie das geht, wir machen das so und so und du machst das, und du machst das“ und Maßnahmenplan und ähnliches mehr und wenn man den Kata-Gedanken im Kopf hat, dann sagt man viel häufiger „Ich weiß es nicht, lass es uns ausprobieren, ja, machen wir ein kleines Experiment und dann schauen wir, was passiert und dann wissen wir auch, ob wir in die richtige Richtung laufen und wenn das nicht die richtige Richtung ist, dann machen wir was anderes.“ Das ist eigentlich so das Mächtige auch, dass man in diesem, ich sag mal, sehr, sehr veränderlichen, sich sehr schnell veränderlichen Welt, nicht erst ein riesiges Konzept macht, sondern in vielen kleinen Schritten immer weiter geht. Man weiß noch nicht genau, wie der Weg aussehen wird, aber man bewegt sich sozusagen Schritt für Schritt, schaut wo man dann ist und orientiert sich wieder neu und das ist eigentlich so diese agile Verknüpfung, also Agilität ist momentan ja gerade so das Buzzword schlechthin, das ist auch richtig. Ich brauche diese schnelle Veränderungsfähigkeit, ich brauche die schnelle Anpassungsfähigkeit, aber keins der Konzepte, die wir bisher kennen, außer der Kata bieten tatsächlich Übungsroutinen an, mit denen man das auch üben kann. Die sagen bloß „Du musst der Lage sein, dich schneller zu verändern, du musst in der Lage sein, hier schnell irgendwie Anpassungen vorzunehmen, aber wie das gehen soll, das sagt einem keiner und über die Trainingsroutinen, dann unterstützt noch durch die Coaching-Kata, eine Führungskraft, die einen durch die mit den fünf Fragen, durch die Verbesserungskata führt, dadurch wird das … funktioniert das. Ja und das ist sozusagen … da kommt erst die Digitalisierung … die daraus folgende Notwendigkeit für Agilität trifft sich dann mit der Kata und wird dann immer ganz stimmiges Konzept.

Götz Müller: Und ich glaube, als Führungskraft habe ich da die Chance, sagen wir mal, ein neues Selbstverständnis zu gewinnen, eben das, was Sie angedeutet haben, gerade nicht mehr diese Verpflichtung, alles zu wissen und alles zu können, was ich ja im Grunde nicht kann.

Constantin May: Das kann ich ja als Führungskraft nicht mehr. Die Zeiten, wo ich als Führungskraft einen Wissensvorsprung hatte, die ist sowieso vorbei. Wissen ist heute über das Internet jederzeit überall verfügbar. Ich darf mich deswegen gar nicht der Illusion hingeben, dass ich über einen Wissensvorsprung irgendwie Macht über Mitarbeitenden hätte. Die Zeiten sind vorbei.

Götz Müller: Ja. Ich denke, da die Kata in der Schule eben eine Chance, auch sich selber eben zu verändern, nicht nur bei den Schülern, sondern sich selbst als Führungskraft zu verändern. Ich kann jedem bloß nur sagen, wenn er vielleicht selber Führungskraft ist, wenn ihm mit seinen Kindern sowas begegnet: „Hey, mitmachen.“

Constantin May: Genau. Und wen es interessiert, es gibt da eine Website, die heißt: www.kata-im-klassenzimmer.de. Da sind die deutschen Unterlagen und das Original sozusagen von Mike Rother findet sich unter www.katatogrow.com, wobei das to ist 2 geschrieben. Dort ist die Website von Kata in the Classroom vom Mike. Anm.: Hier irrt sich Herr May und korrigiert es später wieder (s.u.).

Götz Müller:Das werde ich auf jeden Fall in den Notizen mit verlinken. Herr May. Ich danke Ihnen für das Gespräch, waren spannende Aspekte dabei. Meine Kinder sind jetzt leider, muss ich an der Stelle sagen, schon aus der Schule raus, sonst würde ich definitiv hier in die Schule meiner Kinder gehen und da mal sagen „Machen wir mal so was.“.

Constantin May: Ja, also wenn jemand Interesse hat, wie gesagt, wenn es ein bisschen größere Anzahl an Menschen ist die, oder anderen Lehrerinnen und Lehrern, die daran Interesse haben, kommen wir also auch sehr gerne ,nicht nur ich, sondern viele andere Kata-Fans beschäftigen sich damit und insofern sind wir da gerne auch für Workshops in Schulen offen. Ich muss mich noch ganz kurz korrigieren. Die Webseite von Mike ist nicht mit 2 sondern mit to geschrieben also www.katatogrow.com. Das ist die englischsprachige Webseite.

Götz Müller:Ok. Danke. Gut, also danke für Ihre Zeit.

Constantin May: Ja, sehr gerne Herr Müller und dann vielleicht bis irgendwann mal wieder.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Constantin May zum Thema Toyota-Kata in der Schule. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 108.

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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder zu lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

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