Inhalt der Episode:
- Was waren und sind die besondere Herausforderungen vor 70+ Jahren und heute?
- Wie wurde das Thema JIT im Unternehmen und bei den Beteiligten aufgenommen, speziell bzgl. dem notwendigen Zeitbedarf?
- Wie sind Sie bei der Einführung vorgegangen?
- Transfer der Leitfäden aus den 1940er-Jahren ins 21. Jahrhundert
- Wie schafft man die Nachhaltigkeit in der Anwendung der Unterweisung?
Notizen zur Episode:
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Wenn Sie selbst ein interessantes Thema für eine Episode im Umfeld von Geschäftsprozessen haben, können Sie mir das auf dieser Seite mit Vorbereitungsfragen vorschlagen.
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(Teil)automatisiertes Transkript
Episode Kaizen 2 go 161 : TWI-Praxisbericht
Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.
Götz Müller: Heute habe ich Alexander Ruderisch bei mir im Podcastgespräch. Er ist technischer Leiter einer Labordienstleister-Gruppe. Hallo Herr Ruderisch.
Alexander Ruderisch: Hallo und vielen Dank dafür, dass wir dieses Gespräch führen können.
Götz Müller: Ja, ich freue mich, dass Sie dabei sind. Aber sagen Sie noch mal geschwind zwei, drei Worte, was muss man sich unter einer Labordienstleister-Gruppe vorstellen.
Alexander Ruderisch: Also ich habe bis zum Februar für Agrolab gearbeitet und jetzt für Eurofins Umwelt, sind aber beides Labordienstleister, und schlussendlich geht's eben darum, dass eben Kunden Proben zu diesen Laboren schicken und dann halt gewisse Untersuchungen durchgeführt haben wollen. Jetzt bei meinem neuen Arbeitgeber ist es in der Gruppe, wo ich arbeite, hauptsächlich Umweltanalytik, das heißt, es geht um Entsorgungswerte, um irgendwelche Altlastensanierung und solche Dinge, die eben überwacht werden müssen und diese Schadstoffe, die in dem Zusammenhang einfach relevant sind, die werden dann bei uns untersucht.
Götz Müller: Okay. Ich glaube, da kann man sich jetzt was darunter vorstellen. So. Jetzt haben wir heute ein spannendes Thema, in dem wir beide unterwegs sind, das ja deutlich älter ist, wie wir beide, nicht ganz zusammen, aber auf jeden Fall älter wie wir einzeln, ich habe vor Jahren im Grunde mal eine Episode gemacht, deshalb aber noch mal zum Einstieg, dass Sie auch den Zuhörern vielleicht noch kurz sagen, um was es denn bei TWI-Training Within Industry geht.
Alexander Ruderisch: Ja. Also TWI ist für mich so ein bisschen ein Glücksfall, das werden jetzt aber, denke ich, hier noch mal im Detail erläutern, warum das so ist, das Programm an sich, auch da bin ich überzeugt, dass wir nachher noch mal tiefer reingehen, ist entstanden in den USA, während dem Zweiten Weltkrieg, um einfach in der Rüstungsindustrie die Arbeitsplätze aufzustocken beziehungsweise zu ersetzen, die eben frei geworden sind durch die Männer, die dann letztendlich nach Europa und Asien in den Krieg gezogen sind. Das Interessante dran ist aber, dass diese Idee dann in den USA ein bisschen in Vergessenheit geraten ist, aus verschiedenen Gründen, können wir vielleicht nachher drüber diskutieren, aber dann über den Marshallplan einfach nach Japan gegangen ist und dort zu einem der Wurzeln von dem geworden ist was wir heute als Lean kennen oder als so Toyota-Produktionssystem, wie auch immer man das nennen will. Das Ganze jetzt in zwei, drei Sätzen zu beschreiben ist natürlich sehr schwierig, aber letztendlich geht es um ein Programm für Führungskräfte, speziell eben in diesen unteren Hierarchieebenen, also einfach im Shopfloor, da wo das ganze Geschehen dann auch tobt, und eben ein Programm, das eben an der Basis von Unternehmen einsetzt. Es geht grundsätzlich einfach darum, Mitarbeiter schnell zu befähigen, an ihrem Arbeitsplatz zu arbeiten, das war ja das, was damals eben gedrückt hat, fachfremde Leute ganz schnell an so einen Arbeitsplatz zu kriegen, eben definierte Arbeitsstandards möglichst schnell dann zum Leben zu erwecken, aber eben durch das, dass die Leute fachfremd waren und eben diese hierarchischen Strukturen, die damals durch diesen gelebten Taylorismus vorgefunden waren, eben nicht so in dieser Form könnten, auch so ein bisschen eine andere Idee von Führung und von Verbesserungskultur, das eben dann in Japan dann so im Toyota-System so die Blüte erlangt hat.
Götz Müller: Jetzt kann man sich ja Gedanken darüber machen, Sie haben es schon ein bisschen angedeutet, was waren die besonderen Herausforderungen vor 70 Jahren, meiner Ansicht nach kann man es aber auf die heutige Zeit ziemlich gut übertragen und das möchte ich dann ein bisschen vertiefen jetzt durchaus auch in Bezug, wie Sie es bei sich im Unternehmen einsetzen.
Alexander Ruderisch: Gut. Also wir haben ja jetzt die letzten Jahre schon Arbeitsmarkt, der sich verändert. Das beobachten wir sehr, sehr deutlich, weil wir in einer Branche unterwegs sind, die auch für die Mitarbeiter Beschäftigungsmöglichkeiten ergibt, die einfach besser bezahlt sind, also wir können mit unseren Dienstleistungen die Mitarbeiter nicht so gut per se bezahlen, wie zum Beispiel in der Pharmaindustrie oder mit anderen Firmen, mit denen wir uns eben um die Mitarbeiter konkurrieren. Wir haben durch das, dass auch eben sich so ein bisschen die die Generation geändert, auch ein ganz anderes Thema mit Mitarbeiterfluktuation.
Also wenn ich jetzt zum Beispiel an meinen Vater denke, der hat weit über fünfzig Jahre für eine Firma gearbeitet. Das ist etwas, was in dieser Generation, ich möchte nicht sagen üblich, aber jetzt doch nicht außergewöhnlich war, aber jetzt in unserer heutigen Zeit schon sehr ungewöhnlich wäre, also die Leute sind einfach nicht mehr so an einen Arbeitgeber gebunden, somit kommt es auch viel schneller zu einem Mitarbeiterkarussell. Wir haben eine Fachkräfteverknappung. Das hat was mit der Alterspyramide zu tun, das hat vielleicht auch ein bisschen was, gerade bei uns jetzt zu tun mit dem durch das Bologna-System vielleicht ein bisschen negativ beeinflussten dualen System zu tun und dadurch müssen wir uns dann halt auch überlegen, wie wir diese Position dann mit fachfremden Mitarbeitern besetzen können und die halt möglichst schnell dann an den Punkt kriegen, wo sie dann diese Arbeiten durchführen können. Mein vorheriger Arbeitgeber Agrolab hat dann auch noch für Tätigkeiten im Bereich der Saisonarbeit, da geht es um Ernteanalytik, also wo dann innerhalb so einer Erntekampagne eine ganz, ganz große Zahl von Proben durchgeführt werden muss und dadurch dann halt sehr, sehr viele Mitarbeiter rekrutiert werden und eben sehr, sehr schnell denn auch befähigt werden müssen für diesen Arbeitsplatz, weil innerhalb von sechs Wochen das ganze Geschäft gemacht zu werden muss und danach ist es dann wieder vorbei. Was wir auch eben jetzt so ein bisschen gesehen haben ist der Aspekt, der geflüchteten Mitbürger, die halt auch jetzt schon ein bisschen als neue Option im Arbeitsmarkt durchaus zu sehen sind und auch da muss man ein bisschen anders denken, wenn man die jetzt befähigen will. Also letztendlich hat sich dieses Gewicht zwischen Arbeitgebermarkt und Arbeitnehmermarkt, so aus meiner Sicht, ein bisschen verschoben und dem muss man halt jetzt irgendwie Rechnung tragen.
Götz Müller: Ohne, dass ich es jetzt konkret ausgesprochen habe, aber es geht ja im Kern da jetzt um das Thema Unterweisung beziehungsweise diesen Schwerpunktes Training Within Industry, also Job Instructions. Was würden Sie sagen, wie hat sich das verändert, auch so durch Schlagworte wie Digitalisierung und damit Zusammenarbeit zwischen Menschen und Maschinen.
Alexander Ruderisch: Gut. Die Digitalisierung ist natürlich ein Punkt. Das heißt durch die Digitalisierung sind natürlich einige Entscheidungen jetzt irgendwo in IT-Systemen versteckt und sorgen dafür, dass eben der Mitarbeiter schon eine andere Art der Arbeit machen muss, weil er eben Informationen aus dem IT-system bekommt und somit dieser, ich sage immer, dieses Arbeiten rein aus seinem Erfahrungsschatz heraus, das man ja vielleicht vor zwanzig Jahren betrieben hat, jetzt nicht mehr so wichtig ist. Ja, es ist einfach die Art und Weise des Arbeitens, die sich ein bisschen verändert hat, so aus meiner Beobachtung heraus, und das kann man natürlich auch mit Job Instruction entsprechend unterstützen.
Götz Müller: Jetzt habe ich das ja so verstanden, das war bei Ihnen eine persönliche Initiative, Job Instruction in Ihrem Umfeld einzuführen. Bei solchen Dingen, ich hatte jetzt vor kurzem in einem anderen Thema eine Episode, gibt es ja durchaus Reaktionen der Beteiligten/Betroffenen, wie ist das da bei ihnen aufgenommen worden, so diese alte-neue Idee?
Alexander Ruderisch: Gut. Also ich habe, wie Sie es ja schon angedeutet haben, so ein bisschen über eine Komplizenschaft versucht einzuführen, also ich bin jetzt nicht den Weg Top-Down gegangen und habe zuerst mal versucht in der Geschäftsführung Rückhalt zu sammeln, sondern ich habe mir einfach Kollegen gesucht, die eben dieses Problem haben, gerade mit Saisonarbeitskräften und so weiter, und habe denen gesagt „Hört mal zu, ich habe da möglicherweise etwas für euch, was euch weiterhilft. Habt ihr Lust, euch damit mal zu beschäftigen?“ und die, die Interesse gezeigt haben, mit denen haben wir dann die Schulung gemacht und das Ganze dann auch in einem größer angelegten Pilot dann ausprobiert und mit diesen Erfolgen sind wir dann eben zur Geschäftsführung gegangen und gesagt, das hat sich jetzt als gute Idee rausgestellt und das ist etwas, was wir weitertreiben können. Jetzt bei meinem neuen Arbeitgeber werde ich das ein bisschen anders machen, weil dort einfach das Thema Lean ganz anders schon verankert ist. Da gibt's also schon ein fixes Lean-Programm, eine Initiative und da lässt sich das natürlich auch gut drin verankern. Also ich werde es jetzt beim neuen Arbeitgeber, wir sind gerade so ein bisschen in der Vorbereitungsdiskussion, wirklich dann im Rahmen von der ganzen Lean-Initiative dann ausrollen.
Götz Müller: Ich möchte es noch bisschen vertiefen, im Sinne von, sind Sie auch Vorbehalten begegnet, weil sich ja eventuell das Verständnis der Führungskraft verändern muss?
Alexander Ruderisch: Bei Agrolab, in dem Unternehmen, wo wir diesen Piloten gemacht haben, wird schon seit Jahren ein bisschen Wert darauf gelegt, einfach dass die Führungskräfte schon in so ein Coaching reinkommen, also wirklich dieses Arbeiten auf Augenhöhe, das ist schon ein bisschen in der DNA verwurzelt. Von dem her war das nicht das Thema. Natürlich ist es das Thema, dass man erstmal viel Zeit investieren muss und da war es natürlich schon so, dass es Situationen gab, wo man sagt „Okay, ich mache jetzt im Normalfall Unterweisungen so aus der Hüfte raus in zehn Minuten und jetzt muss ich mich plötzlich hinsetzen und da erstmal diese Arbeitaufschlüsselungssachen machen und so weiter. Aber es war dann immer am Ende so, dass die Kollegen gemerkt haben, dass diese Beschäftigung mit dem Prozess ihnen noch mal einen Spiegel vorgehalten hat und somit sie für die Mühen, die sie investiert haben, auch belohnt worden sind. Und dann haben sie auch gemerkt, dass es dann eben läuft, wenn man dann mit der gleichen Art und Weise, mit eben dieser vordefinierten Geschichte aus der Arbeitsaufschlüsselung dann rangeht, dann mehrere Mitarbeiter einarbeitet und das Ganze dann auch in der standardisierten Form machen kann, also sprich, dass jeder Mitarbeiter nachher auch tatsächlich die gleichen Informationen abkriegt und es nicht so ein bisschen vom Zufall, sage ich jetzt mal böse, abhängt, welche Information letztendlich dann wohin wandert oder vom Fokus von demjenigen, der einarbeitet. Dann haben wir einfach die Vorteile und es gab dann einfach auch gute Erfahrungen in der Qualität, die aus dieser Einarbeitung resultiert hat, weil man dann einfach gesehen hat, die Fehler, die dann passiert sind, gerade in diesem Saisonarbeitsgeschäft, die waren einfach deutlich geringer wie die Jahre davor und ein Kollege hat dann auch berichtet, dass so ein bisschen aus dem Zufall raus, dann auch eine Arbeitsstelle, wo er sitzt und die ganzen Leute unterwiesen hat, dann plötzlich mal jemand gesessen ist, der eben von ihm nicht diese Einweisung bekommen hat und just in diesem Moment haben dann halt auch dort wieder die Qualitätsprobleme angefangen. Und das ist natürlich für die Leute, die sich die Mühe gemacht haben und da Zeit investiert haben, auch ein schönes Feedback vom System letztendlich, ja, dass da der Output sehr viel besser ist.
Götz Müller: Ja. Das kann ich mir sehr gut vorstellen, weil man es ja praktisch am eigenen Leib, in Anführungszeichen, erleben kann.
Alexander Ruderisch: Ja.
Götz Müller: Okay. Sie hatten es ja schon sagt, das Programm ist über siebzig Jahre alt, bald fünfundsiebzig, achtzig Jahre. Wie sind Sie vorgegangen, weil die Unterlagen, siebzig Jahre alte Unterlagen, sind ja spannenderweise erhalten geblieben? Natürlich kann man die nicht eins-zu-eins ins 21. Jahrhundert übertragen. Wie sind Sie da vorgegangen?
Alexander Ruderisch: Also letztendlich bin ich eigentlich hier so ein bisschen auf den Stand gekommen, dass die Unterschiede eigentlich nicht so groß sind. Also gerade diese hübschen Instruktionskarten, die es da gab, die sind letztendlich nur mit ganz kleinen Veränderungen vielleicht so übertragbar. Also ich halte eigentlich, von dem System her gesehen, eigentlich die Unterschiede nicht so groß, als dass man noch mal vollkommen neudenken muss. Also es gab es aus meiner Erfahrung nicht sehr viel, was man zeitgemäß anpassen musste. Ich weiß nicht, wie ihre Erfahrung da ist.
Götz Müller: Ja. Ich habe durchaus diesen Zugentlastungsknoten, der dort als Beispiel genommen wird, den habe ich durchaus auch genommen, aber natürlich dazu gesagt, dass man das jetzt heute so nicht mehr tun sollte, weil es dann doch etwas bessere Techniken gibt, was die Zugentlastung angeht. Ich könnte mir auch vorstellen, dass sie ja wahrscheinlich aus ihrem direkten Umfeld dann auch Beispiele eingesetzt haben.
Alexander Ruderisch: Gut, das ist richtig. Was wir gemacht haben, ist, wir haben in dieser Trainingsphase, also in der Phase, wo man jetzt eigentlich die Unterweiser letztendlich in dieses Programm eingeführt haben, sind wir dann hergegangen und haben zuerst mal das Ganze vorgestellt und noch mal den ganzen Hintergrund beleuchtet, diese ganzen Schritte beleuchtete, wie man da vorgeht, wie man so eine Arbeitsaufschlüsselung macht und sind dann letztendlich hergegangen und haben als Erstes mal ein Beispiel genommen, das vollkommen alltäglich ist. Ich habe da eine Liste gemacht mit verschiedenen Dingen, also Geld aus dem Geldautomaten holen, ein Marmeladenbrot streichen, lauter solche Dinge und dann sind wir mal hergegangen und haben diese Tätigkeit aufgeschlüsselt und dann mal unterwiesen, also mal vollkommen losgelöst von allen fachlichen Themen, einfach damit wir nur mal dieses System erleben und sind dann erst im zweiten Schritt dazu übergegangen, ein konkretes Beispiel dann anzugehen. Das hat sich eigentlich sehr gut bewährt, weil dann eben ziemlich viel klar wird schon in diesem Alltagsbeispiel.
Götz Müller: Aber ich gehe mal davon aus, Sie haben sich bei der Durchführung der Trainings selber auch relativ strikt an die ja sehr ausgereiften Leitfäden gehalten.
Alexander Ruderisch: Im Ansatz, ja. Wie gesagt, ich habe das System so ein bisschen angepasst, zumal ich beim ersten Durchgang auch ein bisschen was über das Netz machen musste, weil die Leute immer Pilot so ein bisschen verstreut waren, aber letztendlich war das Ganze so von der Schrittfolge der Einweisung her sehr angelehnt an dem, was da empfohlen wird, wir haben schon eben nur in Details ein bisschen anders gemacht.
Götz Müller: Jetzt ist ja das Thema … oder man muss sich noch mal fürs geistige Auge holen, dass es ja nur fünfmal zwei Stunden sind, also im Grunde anderthalb Tage, nach denen man dann grundsätzlich das Unterweisen gelernt hat. Wie sind sie das Thema Nachhaltigkeit angegangen? Das klingt ja so ein bisschen, ich glaube, in unserer Zeit konnte man noch Fahrstunde zum Beispiel mit einer Handvoll Fahrstunden machen, heute, glaube ich, geht es gar nicht in der Form. Was die Nachhaltigkeit angeht, haben sie dann im Anschluss nach den fünf mal zwei Stunden noch vertiefende Themen gemacht?
Alexander Ruderisch: Also was wir durch das, dass wir ja mit einem Piloten gestartet sind und letztendlich auch nicht so genau wussten, ob wir da landen, wo wir hin wollen, haben wir angefangen, so Anwendergespräche zu führen. Wir haben uns dann also nach den ersten Erfahrungen noch mal zusammengesetzt und ausgetauscht, was jeder für Erfahrungen gemacht hat. Das war eigentlich sehr, sehr gut und das ist auch eine Sache, die ich jetzt in der Neukonzeption so beibehalten will. Das ist für mich jetzt so ein Punkt, das ganze nachhaltig zu kriegen. Ein zweiter Punkt ist natürlich und das sehen wir ja auch bei den ganzen Lean-Themen, dass es am Anfang immer so eine Euphorie ist und über die Jahre dann unter Umständen so ein bisschen einschläft und das kriegt man möglicherweise auch mit diesen Anwendergesprächen nicht gehalten. Ich habe jetzt natürlich keine Erfahrung, aber ich könnte mir aus der Erfahrung von 5S heraus gut vorstellen, dass es auch hier passieren wird. Und deshalb bin ich da am Nachdenken, ob man da auch über ein Auditsystem geht oder ob eben so regelmäßig Treffen der Unterweiser dann tatsächlich reichen, um dieses System am Leben zu halten.
Götz Müller: Ja, also ich bin da persönlich auch fest davon überzeugt, dass es notwendig ist. Sie haben das Beispiel für Lean im Prinzip schon gesagt, wenn man die klassischen low hanging fruits, also die Dinge, die einfach zu pflücken sind, wenn man die mal rum hat, dann braucht es schon eine gewisse Energie, um das aufrechtzuerhalten. Jetzt haben wir uns ja relativ stark auf das Thema Unterweisung konzentriert. TWI selber hat ja drei Hauptsäulen, nämlich noch das Thema Arbeitsbeziehung und das Thema Verbessern. Inwieweit haben Sie da schon Elemente eingesetzt?
Alexander Ruderisch: Also diese Arbeitsbeziehung ist natürlich eine wichtige Grundvoraussetzung, das sind also Dinge worüber wir gesprochen haben. Diese Problemlösungsgeschichte, die da mit drinsteckt, die haben wir so nicht gemacht, weil wir das eben schon eben anders gelöst hatten, aus Lean heraus und aber eben diese ganze Wertschätzungthematik und so weiter, das ist schon noch mal thematisiert worden in den Schulungen, weil es einfach wichtiger Faktor ist und diese Instruktion sonst auch nicht funktionieren würde. Da bin ich fest davon überzeugt.
Götz Müller: Das sehe ich absolut genauso und das Spannende finde ich ja, dass in den frühen 40er-Jahren, vorher haben Sie das Stichwort Taylorismus genannt, die in dem Umfeld da schon an manchen Stellen weiter waren, wie das ein und andere Unternehmen heute ist, wo noch starke tayloristische Tendenzen vorhanden sind, oder?
Alexander Ruderisch: Das ist vollkommen korrekt. Man muss aber auch fairerweise sagen, dass dieses System in den USA natürlich so schnell wieder gegangen ist, wie es gekommen ist, weil die Frauen, die hauptsächlich diese Lücken gefüllt haben und Teil dieses Programms waren, dann nach der Rückkehr ihre Männer dann eben wieder relativ geräuschlos, zumindest sieht es aus heutiger Sicht so aus, diese Plätze geräumt haben und letztendlich auch ihren Status geräumt haben, sie sich ja selber, jetzt mal im Gedanken des Feminismus gesehen, da erarbeitet haben.
Götz Müller: Jetzt möchte ich zum Schluss noch ein Punkt adressieren, den ich aber auch sehr entscheidend finde, nämlich stecken ja so ein paar Grundphilosophien dahinter. Ganz zentral meiner Ansicht nach eben die vom Job Instruction nämlich: Wenn der Schüler nicht gelernt hat, hat der Lehrer nicht gelehrt. Jetzt gibt es dem Lehrer ja schon erhebliche Verantwortung auch und im Grunde ist die Ausrede, ich sage es mal ein bisschen flapsig, „Der ist halt zu blöd, der kapiert es nicht.“, die ist ja nicht gültig. Das heiß, das würde ich sagen, bringt schon eine gewisse … ja, man muss sich so an die eigene Nase greifen, wie waren da die Reaktionen, was war da ihre Erfahrung?
Alexander Ruderisch: Das ist natürlich ein Punkt, der dann schon zu Diskussionen geführt hat, aber wie gesagt, an sich waren dort zu dem Zeitpunkt die Führungskräfte, mit denen wird das gemacht haben, waren da jetzt schon in dieser Erkenntnis drin, dass es ist eben viel damit zu tun hat, die Menschen als Individuen zu sehen und irgendwo einzusetzen, wo man einfach ihre Fähigkeiten am besten einsetzt, also dass man letztendlich von diesem „Ich muss jetzt ewig an diesen Schwächen von den Leuten rumlaborieren.“ ein bisschen geistig weggeht und eigentlich mehr dazu zu übergeht, die Stärken auszubauen und dass die Führungskraft letztendlich auch zuerst in so eine Mentorfunktion rein geht und dann eben später in seine Coachfunktion wechselt. Also das sind Dinge, die waren einfach schon im Bewusstsein und das hilft natürlich, wenn man auch hierüber Job Instruction redet.
Götz Müller: Ja, das kann ich mir definitiv vorstellen. Ich meine, ich habe das ja in einem Handwerksumfeld eingesetzt, wo manchmal ein bisschen anderer, ein bisschen rauerer Ton herrscht und es da schon kleine Herausforderungen waren.
Alexander Ruderisch: Gut. Wobei, wenn man sich das so gute alte Zunftwesen anguckt, da entdeckt man ja durchaus solche Dinge wieder. Fand ich auch ganz spannend, weil eben hier gerade auch schon im Mittelalter, das so war, dass jeder Meister dafür sorgen hat müssen, dass er Nachfolger hat und so weiter. Es sind ja durchaus Ideen, die da auch so ein bisschen in die Richtung gehen, dass man nicht daran gemessen wird, wie gut man selber ist, sondern wie gut man es schafft, irgendjemanden nachzuziehen oder irgendjemandem sein Wissen zu transferieren.
Götz Müller: Ja, das ist eine wichtige Grundeinstellung, stimmt. Den Aspekt habe ich so noch gar nicht betrachtet. Gut. Herr Ruderisch, ich danke Ihnen für die ganz anderen Einsichten in der Form, aus einer, jetzt für mich ganz anderen Branche, aber trotzdem spannend. Ja. Vielen Dank.
Alexander Ruderisch: Ich danke auch und ich habe es genossen, mal mit jemandem ein Interview zu führen, der einen ähnlichen Akzent hat wie ich.
Götz Müller: Das freut mich.
Das war die heutige Episode im Gespräch mit Alexander Ruderisch zum Thema TWI-Praxisbericht. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 161.
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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder zu lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.
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