Kaizen 2 go 197 : KI in der Produktion


 

Inhalt der Episode:

  • Wo kann in der Produktion KI eingesetzt werden?
  • Welchen Nutzen bietet der Einsatz von KI in der Produktion? Welche Probleme werden damit (besser) gelöst?
  • Welche Voraussetzungen gibt es für den KI-Einsatz in der Produktion?
  • Welche Rolle spielt die IT beim Einsatz von KI in der Produktion?
  • Wie wird mit den Algorithmen umgegangen? Welche Rolle spielen Transparenz und Nachvollziehbarkeit der KI-Algorithmen im Produktionskontext? Welche Folgen ergeben sich daraus für Rechts- und Ethikfragen?
  • Was ist der Unterschied zw. „klassisch“ datengetriebener KI und prozessgetriebener KI?
  • Welche Rolle spielt der Mensch bei der KI in der Produktion?
  • Wie verändern sich Berufsbilder in der Produktion? Auf der Werker-Ebene und in den Führungsrollen?
  • Wie kann der typische Einstieg in das Thema aussehen?

Notizen zur Episode:


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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 197 : KI in der Produktion

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Peter Seeberg bei mir im Podcastgespräch. Er ist KI-Berater. Hallo Peter.

Peter Seeberg: Grüß dich Götz. Alles gut?

Götz Müller: Ja, danke. KI-Berater, glaube ich, der ein oder andere hat eine vage Vorstellung, aber stell dich gerne noch mal in zwei, drei Sätzen vor.

Peter Seeberg: Mache ich gerne. Das bin ich auch noch nicht so lang. Seit letzten Jahr mache ich KI-Beratung im industriellen Umfeld, habe aber vorher die meiste Zeit im Bereich Marketing, Business Development, eigentlich so 25 Jahre in der IT gearbeitet, die meiste Zeit bei der Firma Intel hier im Münchner Raum, dann anschließend fast zehn Jahre in der Automatisierung, ja, und habe in der Zeit die IT und IIoT, Industrial Internet of Things quasi mit zusammengebracht, mit Bitkom mit VDMA, in der OPC-Foundation bin ich viel unterwegs und wie gesagt, letztes Jahr habe ich mich dann selbstständig gemacht. Ich wär bestimmt nie darauf gekommen, mich mal KI-Berater zu nennen, wir kommen bestimmt heute drauf, in den Jahren davor, wenn irgendeiner in meiner Umgebung das Wort KI, Künstliche Intelligenz, benutzt hat, dann habe ich ihm quasi fast auf die Finger gehauen, weil ich habe immer gesagt „Wir machen keine KI, wir machen Machine Learning“ und so weiter und so fort, aber irgendwann hat dieser Begriff sein eigenes Leben geführt und habe gedacht „Okay, dann, wenn das dann so ist und ich bin ein Berater auf diesem Gebiet, dann bin ich KI-Berater.“.

Götz Müller: Ja, und ich denke, wenn die Kunden den Begriff verwenden, warum soll man dann nicht, die Sprache der Kunden verwenden?

Peter Seeberg: Ganz genau, aber ich muss ehrlich sagen, ich kenne auch keinen zweiten, der sich so nennt.

Götz Müller: Gut. Heute haben wir das Thema KI in der Produktion beziehungsweise in Produktionsprozessen und da zum Einstieg, Produktion ist ja grundsätzlich sehr vielfältig, vielleicht so ein paar Einsatzbeispiele von dir, wo man KI in der Produktion einsetzen kann, wo schon eingesetzt wird, vielleicht auch schon, wo es hingehen wird.

Peter Seeberg: Ja, da muss man schon mal den Unterschied machen zwischen Produktion und Industrie tatsächlich, also man kann natürlich auch, wenn es um Produktion, wenn es um Maschinenbau, wenn es um produzierende Firmen geht, dann kann ich ja ganz am Anfang quasi, wenn es um das Design von Produkten geht oder noch weiter nach vorne, über Strategie und Marketing und Vertrieb, bis dann irgendwann ich soweit bin, dass ich dann wirklich produziere und vielleicht konzentrieren wir uns da heute drauf und dann danach kommt dann ja auch wieder der ganze Service. Ich muss halt dann auch schauen, dass die Produkte, die im Markt sind, muss ich dann irgendwie unterstützen und so weiter und so fort. In der Produktion, also wirklich in der Herstellung des Produkts da kann man da natürlich wie immer den klassischen Unterschied machen zwischen diskreter Fertigung, also wenn ich ein Produkt, was ich in der Hand halten kann oder anfassen kann, ob das jetzt Autos oder Stühle sind oder Blumentöpfe und so weiter und so fort, und auf der anderen Seite ja den Prozessbereich, wo es dann typischerweise über Flüssigkeiten geht’s, ob das dann Benzin ist oder Coca-Cola, bis dann Coca Cola oder Fanta dann abgefüllt wird und dann ist es eigentlich wieder diskret. Typischerweise ist … also der große, der Klassiker ist schon das predictive maintenance, das geistert auf der einen Seite schon lange durch diesen Markt, wird von den großen Firmen schon fast hundertprozentig, würde ich sagen, umgesetzt, die mittelgroßen sind vielleicht 50% dabei und das gibt es eigentlich schon so lange, dass der ein oder andere, wenn man darüber spricht schon fast gelangweilt ist, so von wegen „Gibt es nicht auch etwas anderes?“ und dann sage ich immer „Man muss zuerst das predictive maintenance machen, man muss zuerst seine Gesamtanlageneffektivität von typischerweise heute, ich sag mal, 70%, vielleicht in diskreten Fertigung, 60% vielleicht im Prozessbereich, man muss das erst nach oben bringen, Richtung über 90%, bevor man überhaupt etwas andere machen kann. Als ich kann keine, das ist die andere große Gruppe, keine neuen Geschäftsmodelle, pay per use machen, wenn ich nicht vorher mit Hilfe von Daten meine Gesamtanlageneffektivität auf eine Höhe gebracht habe, sodass ich dann überhaupt auch sonstige Aktivitäten umsetzen kann.

Götz Müller: Ja, im Grunde ein Thema, was man in meinem Kontext, Lean Management ist ja eigentlich genau das Gleiche, erstmal einen Prozess stabilisieren und dann verbessern, weil sonst jage ich eventuell ja dem Rauschen im Walde nach.

Peter Seeberg: Ich habe es mir gerade realisiert und ich denke, das ist ein sehr guter Punkt. Wie du sagst, Lean, Lean Management ist ja genau das Gleiche. Ich weiß nicht, ob du da in deinem Bereich deine Aktivitäten auch misst mit einer OEE typischerweise, aber ich hätte auch … und ich denke das schon seit vielen Jahren, man muss tatsächlich zuerst Lean machen, oder egal, wie man es nennt, und wenn man dann irgendwo hingekommen ist, wo man sagt „Jetzt bin ich eigentlich zufrieden.“, vielleicht noch nicht 100 Prozent, aber dann doch in diese Richtung, erst dann kann ich darüber nachdenken, dass ich mithilfe von Daten noch weitere Aktivitäten unternehme.

Götz Müller: Im Grunde dieser alte Spruch von der Digitalisierung der Scheißprozesse … das gilt da auch, würde ich sagen.

Peter Seeberg: Ja. So kann man das dann auch sagen.

Götz Müller: Okay. Jetzt macht man natürlich Digitalisierung im Allgemeinen und künstliche Intelligenz nicht, wenn man sich nicht irgendetwas davon verspricht, also einen Mehrwert, einen Nutzen daraus zieht. Was ist so klassisch der Nutzen, den ich vom Einsatz von KI in der Produktion, was ich da erwarte, was ich da rausziehe?

Peter Seeberg: Ja, zuerst ist ja so der Ansatz, den du da gerade beschrieben hast, ja der Richtige. Ich bin bei vielen unterschiedlichen Verbänden, Aktivitäten unterwegs, Leitfaden, jetzt wieder VDMA, da gibt es DIN-Normierungen und es geht immer darum, dass man relativ am Anfang über die use cases, über die Anwendungsfälle, spricht und da gibt’s dann immer die eine Gruppe und das ist auch völlig in Ordnung, ich kenne deine Zuhörer nicht, ob die eher technisch sind oder, ich sage mal, geschäftlich getrieben, und natürlich, der Techie, der technische Mensch, der kommt natürlich aus der Technik und der sieht natürlich sofort Möglichkeiten, irgendetwas mit Daten und Algorithmen zu optimieren, das ist auch völlig in Ordnung, aber ich würde tatsächlich sagen, dass man, wenn man sich dann entschieden hat, oder dabei ist, sich zu entscheiden, man muss sich hinsetzen in einer kleinen Gruppe von Leuten und man muss tatsächlich sagen „Wo stehen wir als Firma oder als Abteilung? Wo wollen wir hin? Was soll uns das Ganze bringen?“ und da muss man jetzt natürlich nicht versuchen, die Welt zu ändern, man muss klein anfangen. Und dann geht es natürlich darum, dass man sagt „Okay, wenn wir jetzt dieses kleine Projekt machen und dann finden wir raus, es bringt etwas und machen unser erstes richtiges Projekt, dass wir sagen: Okay, was ist unser Problem? Ich habe da ein Problem mit dem Ausschuss. Okay, dann lass uns das machen, dann lass uns gucken, dass wir, wenn wir das erste Projekt hinter uns haben, dass wir den Ausschuss verringert haben von 10% Richtung 5 %. Oder wir haben ein Problem mit, ich weiß es nicht, wir haben ja immer gesagt, wir wollen nicht nur 100 Autos jetzt durch unsere Anlage kriegen, wir wollen 105, wir haben zu viele Kosten oder wollen Kosten drücken oder auf der andere Seite wollen wir mehr Produkte aus der Anlage.“ Das sind die typischen und die sind ja in diesen beiden Fällen, der Dritte ist ja dann eben der Stillstand der Anlage, vielleicht hat ein anderer wieder das als Hauptproblem, dass sie Stillstände zu viel, zu groß sind, die sagen „Okay, lass uns schauen, dass wenn das Projekt vorbei ist, dass statt einer Stunde am Tag die Anlage nur noch eine halbe Stunde stillsteht.“. Also das muss jeder für sich schauen, man kann auch in der Kombination bei der Gesamtanlageneffektivität diese drei mitnehmen, aber ich würde eher sagen „Schauen Sie mal für sich selber, wo bei ihnen quasi das größte Problem, das low hanging fruit, das niedrig hängende Obst ist, um dort gleich mit anzufangen.“.

Götz Müller: Eine Voraussetzung hast du schon genannt, eine hinreichend hohe OEE. Was gibt's grundsätzlich noch für andere Voraussetzungen, die gewährleistet sein sollten, bevor es überhaupt Sinn macht, über KI-Einsatz innerhalb der Produktion nachzudenken?

Peter Seeberg: Daten. Daten, Daten, Daten. Also ohne Daten geht ja nichts. KI, ich habe es anfangs schon erwähnt, ist ja ein Begriff, darüber können wir noch ein bisschen reden, wenn wir es wollen, aber wir meinen ja eigentlich, wenn wir über KI sprechen, also ich sag mal 999 von 1000 Personen, die sich heute mit dem, was wir KI nennen, beschäftigen, beschäftigen sich tatsächlich mit Algorithmen, die in Daten irgendwelche Muster zu erkennen, die für uns Menschen nicht mehr erkennbar sind, einfach weil sie zu komplex sind. Also typischerweise der Werker, der an der Anlage steht und seine, oder ihre, Maschine seit 20 Jahren kennt, nur Hand auflegt und sagt „Na, alles gut.“ oder „Hm, in den nächsten Tagen müssen wir da irgendwo links unten ein Teil austauschen.“ Genau dieses Wissen, was dieser Menschen in diesen 20 Jahren der Erfahrung in sich genommen hat, das kann ich nicht so eins, zwei, drei übernehmen als junger Mensch, der vielleicht in diese Anlage kommt, aber Algorithmen machen das auf eine andere oder vielleicht auf eine ähnliche Art und Weise. Und dann sage ich Machine Learning ist das tatsächlich Muster erkennen mittels Algorithmen, in diesen Daten. Das heißt, ich brauche Daten, wenn ich keine Daten habe und ich will Machine Learning, KI machen, dann ist der erste Schritt, meine Strategie „Okay, wo kriege ich Daten her, wo kriege ich in meiner Anlage, ich als Maschinenbauer oder ich als Betreiber, wo kriege ich Daten her in meinen existierenden Anlagen?“ oder „Wir sind gerade dabei, eine neue Anlage zu bauen, lass uns gucken, dass wird dort ausreichend Sensoren einbauen, die auch relevant sind.“ Da können wir dann vielleicht gleich noch darüber sprechen, ob man datengetrieben oder prozessgetrieben so etwas macht, aber im Endeffekt brauche ich Daten, um überhaupt in diesen Daten irgendwelche Muster erkennen zu können.

Götz Müller: Du hast eingangs bei deiner Vorstellung gesagt, dass du einen starken IT-Hintergrund hast und das wäre im Grunde auch meine nächste Frage: Welche Rolle spielt deiner Ansicht nach die klassische IT, Produktions-IT beim Einsatz von KI in der Produktion?

Peter Seeberg: Das ist eine sehr gute Frage und die wird wahrscheinlich in jeder Firma auch anders beantwortet werden. Ich habe auch keine abschließende Antwort. Ich habe selber heute noch mal mit einem Repräsentanten von der Bitkom gesprochen, also wir haben ja auch ein Podcast „KI in der Industrie“ und machen das seit einem Jahr und haben bis jetzt eigentlich immer tatsächlich mit den Produktionsleuten gesprochen, also die Zuständigen, ob eher aus dem Bereich Strategie oder Business Development, aber auch diejenigen, die das dann umsetzen, also die data scientists, also die Produktionsleute, die wollen alle verstehen, was gibt’s, was kann ich schon machen, also die teilen miteinander, was da quasi abgeht. Und dann muss ich schauen, bei der einen Firma wird es so sein, dass ich in der Produktion den ein oder anderen habe, der schon seit längerem oder dann auch jetzt sagt, wir müssen da etwas machen und ich selber, oder in meinem Team gibt's den einen oder anderen, der hat das früher gemacht hat, das hat es vielleicht sogar studiert, der kommt aus der Statistik-Ecke und hat jetzt noch mal einen Kursus dazu gemacht, lass uns da mal etwas machen. In einem anderen Fall ist es tatsächlich so, dass die IT sowieso schon seit zehn, zwanzig Jahren vielleicht cloudorientiert, ich sag mal als Beispiel mit Microsoft, schon die ganzen Office Applikation, und vielleicht noch mit dem SAP und so weiter und so fort, und da ist es dann vielleicht die IT-Abteilung und das sagt vielleicht der Chef, der Geschäftsführer oder der CEO, der sagt „Du IT, Sie Zuständiger, setz dich mal mit unserem Produktionsmann, -frau zusammen und unterstütz sie mal und schaut ihr mal gemeinsam, was sie da in der Produktion machen können.“. Also es gibt da unterschiedliche Ansätze, ich hatte selber noch einen ganz besonderen Ansatz bei der Firma Intel, der gab’s ein Ding, das Two in a Box, also ein Diagramm, ein Organisationsdiagramm, jeder hat seinen Kästchen, es stehen Namen drin und da hat er irgendeiner gesagt „Okay, ich habe jetzt ein Thema“ und bei mir war das vor 20 Jahren, ein Kollege von mir war zuständig für Literatur und ich glaube, 30 Personen haben da gearbeitet in England, ich habe damals angefangen mit dem Internet und wir wurden gemeinsam in ein Kästchen gemacht und wir hatten die gemeinsame Aufgabe, die ganze Literatur aufs Internet zu bringen und dann machen wir das Jahr lang und wenn man das gut gemacht hat, dann kriegt man wieder einen anderen Job, also das eine andere Möglichkeit ist, dass der Geschäftsführer sagt „Du zuständiger für IT, du zuständige für Produktion, eure gemeinsame Aufgabe ist es jetzt, zu schauen, dass ihr in dem nächsten halben Jahr, in dem nächsten Jahr irgendein Machine-Learning-Projekt, irgendeine KI in der Produktion auf die Beine stellen sollt.

Götz Müller: Ich höre da so ein bisschen raus, dass es schon wahrscheinlich auch was mit dem Selbstverständnis der IT zu tun hat ob sie sich als Dienstleister versteht, das ist dann eher so die angenehme Variante für die anderen oder ob sie sich als Herr über manche Dinge versteht.

Peter Seeberg: Ganz sicher. Und ich muss sagen, dass ich selber nicht so sehr viel Erfahrung, wenn ich jetzt überhaupt mal nachdenke in meinen anderthalb Jahren als Berater, aber auch die Jahre davor, haben wir eigentlich immer selber, das heißt, ich war bei einem Automatisierer und wir haben es selber gemacht und jetzt kommen von selber zu dem Thema Make or Buy, also egal wer ich bin, soll ich das jetzt selber, kann ich das selber machen oder muss ich in der Firma von draußen und das ist auch ein bisschen das Thema. Also wenn ich sage, ich kann das selber in meiner Produktion, weil ich habe die Leute, die da irgendwie schon das Wissen haben und ich habe auch schon meinen Partner und der Partner ist dann vielleicht, ich habe jetzt nur Microsoft als Beispiel gesagt, es kann auch Google sein, es kann irgendeine kleine Firma sein, das können neue Plattform-Firmen sein, da gibt es viele, viele Möglichkeiten, dann will ich das vielleicht selber machen und kann ich vielleicht trotzdem auch eine Firma von draußen holen, ob das dann die klassische IT-Firma ist oder vielleicht ein Startup, was irgendwo sitzt, Startups sitzen ja gerne Berlin, müssen aber nicht in Berlin sein, können aber auch hier in München oder dort, wo du zu Hause bist, sitzen. Und die nennen sich dann vielleicht auch nicht IT-Firma, die sennen sich dann vielleicht etwas mit Data oder Machine Learning und mit denen kann ich das vielleicht auch zusammen machen. Also ich wollte sagen, ich habe persönlich nicht so unglaublich viel Berührung mit klassischen IT-Firmen gehabt, aber gibt es natürlich, repräsentiert eben durch die Bitkom, aber ich könnte jetzt nicht sagen, eine typische Verteilung, wenn ich jetzt hundert Firmen in der Produktion hab, von denen dann … das kann ich schon sagen, von denen typischerweise fünf sehr groß sind und vielleicht zwanzig mittelgroß und siebzig Firmen sind die kleinen Farmen, das weiß ich, aber ich weiß nicht, wie groß der Anteil der IT im Bereich Machine Learning ist in diesem Produktionsbereich.

Götz Müller: Gut. Ein anderes Stichwort hattest du auch schon genannt, das möchte ich auch noch ein bisschen vertiefen, nämlich Algorithmen, die da meiner Ansicht nach, so ein bisschen von außen betrachtet, als ein Stück weit auch Laie, eine große Rolle spielen. Was ich aber immer wieder heraushöre, ist, dass die Algorithmen sich natürlich bezüglich Transparenz und Nachvollziehbarkeit sich weiterentwickeln, im Sinne von, wie du es auch mehrfach angedeutet hast, Machine Learning, wo also die Maschine etwas lernt und ich ja jetzt nicht eine Programmzeile schreibe, in der drinsteht „Erkenne hier ein Bit und erkenne da ein Bit.“

Peter Seeberg: Ganz genau. Also der Begriff Machine Learning ist auch schon wieder ein paar Jährchen alt. 1955 gab es das erstes Mal den Begriff Artificial Intelligence, ein paar Jahre später Machine Learning als die Wissenschaft, bei der tatsächlich Maschinen, unglücklich gewählter Begriff, aber Maschinen selber lernen, Maschinen sind in dem Sinne aber keine Maschinen, von denen wir gerade zufälligerweise sprechen, also in der Industrie nichts, was produziert oder hin- und herbewegt, sondern Maschine tatsächlich als Algorithmus. Die ganz große strukturelle Änderung, die gerade stattfindet, wir sind mittendrin, ich habe die zuerst quasi beschrieben vor drei, vier Jahren, ist, dass wir in den ersten, ich sag mal fünfzig Jahren, vom Mooreschen Gesetz, ich habe vorher gesagt, was brauchen wir, Daten und wir brauchen Rechenleistung. Und Rechenleistung ist ja das Mooresche Gesetz der Mitbegründer von Intel, ich durfte ihn auch kennenlernen, einen Preis von ihm in Empfang nehmen, ja, ich bin stolz darauf, und wenn ich diese beiden dann habe, dann kann ich tatsächlich in diesen Algorithmen auch tatsächlich Muster erkennen.

Götz Müller: Ja. In dem Kontext eben, Algorithmen, ist mir dann auch begegnet „Ja, okay wir reden, zum Beispiel beim autonomen Fahren, ein bisschen ein anderer Bereich, wir reden dann auch über so Rechtsdinge und Ethikfragen, innerhalb der KI in der Produktion. Was ergibt sich daraus?

Peter Seeberg: Ja und eben ist es so, dass die Gesellschaft, da ist dann typischerweise Europa ganz vorne und die Europäische Kommission hat ja auch vor einer Woche ihre Digitalstrategie geteilt und wir als Europäer sehen das halt so, der Mensch in der Mitte und da gibt es eine sehr starke Anforderung KI-TÜV, da haben unsere Arbeitsminister auch letzte Woche so einen Bereich geöffnet KIT-TÜV. Also man muss tatsächlich davon ausgehen, dass in den nächsten Monaten der Fraunhofer, in Nordrhein-Westfalen, der arbeitet daran, aber viele andere auch, das DFKI werde ich demnächst besprechen. Also das Thema ist tatsächlich, dass wir als Europäer und ich bin davon überzeugt, die Amerikaner und Chinesen werden uns irgendwann folgen, genau wie sie uns gefolgt sind bei dem DSGVO, bei der Datenschutzverordnung, der Mensch wird irgendwann ein Recht darauf haben, zu verstehen, warum ein Algorithmus so und eben nicht anders entschieden hat. Also heute, wenn wir einen Kredit brauchen, dann fragen wir den an, dann kommt irgendwann eine Antwort ja oder nein und wenn es nein heißt, dann wissen wir nicht warum. Wir können dann auch nicht nachvollziehen und nicht sagen, das ist aber eine falsche Information. Das ist natürlich im B2C-Bereich, im Konsumentenbereich wird es ganz wichtig sein, weniger Relevanz sozusagen ist in unserem B2B, also im Bereich der Industrie. Wenn ich eine Maschine habe, mit 25 oder auch 2000 Sensoren, also Daten, die aus Maschinen kommen, die also nichts mit personenbezogenen Daten zu tun haben, dann ist es weniger wichtig. Trotzdem du hast jetzt das Beispiel genannt des autonomen Fahrens, sollte es da tatsächlich noch mal hier oder dort einen Unfall geben und den wird es natürlich geben, also wir haben heute über 3000 Tote leider im Verkehr jedes Jahr, dann will irgendwann aber der Richter trotzdem wissen, von wem, das wird sich dann zeigen, ist es dann der Automobilhersteller, ist es der Fahrer, ist es derjenige, der den Algorithmus eingesetzt hat. Warum ist jetzt gerade diese Unfall passiert? Das ist dann wieder, weil Menschen damit zu tun haben und diese ethischen Fragen, die spielen eine wichtige Rolle, aber wie gesagt dort, wo Menschen sind, Konsumenten, B2C wird es sehr wichtig sein. Bei uns im B2B ist es weniger. Also die Europäische Kommission hat gesagt, dort wo kritische Infrastruktur ist, muss zertifiziert werden, also alles, was mit Gas, Strom, Wasser, aber auch dort, wo Menschen sind und wenn es B2B-Sensoren sind, die irgendwelche Messdaten liefern, dann wird es noch nicht so schnell der Fall sein.

Götz Müller: Ja, gut. Mir fiel jetzt gerade so ein dann eher kommerzielles Szenario ein, wie du es am Anfang gesagt hast, predictive maintenance, also vorhersagende Wartung, angenommen die Software sagt „Jetzt wäre eine Wartung fällig, das kostet aber XY.“ und dann steht ein Mensch daneben und sagt: „Wieso jetzt?“ und dann könnte ja durchaus auch der Maschinenhersteller sagen „Ja, wenn du jetzt nicht wartest und sie geht dann ein halbes Jahr später kaputt, dann kostet es dich viel mehr, weil du ja als diese Wartung abgelehnt hast.“

Peter Seeberg: Ja, gut. Das wird sowieso dann immer stärker natürlich die Verantwortung vom Dienstleister sein. Also ich werde natürlich immer stärker sehen, dass der Betreiber die Anlage nicht mehr kauft. Seit vielen Jahren werden wenn die Anlagen dann geleast und immer stärker sagt der Betreiber, ich kaufe mein Strom ein, ich kaufe mein Wasser ein, das geht auf Kubikmeter und das will ich von dir gerne auch. Also ich stelle mir deine Anlage hin, bei Luftdruck ist es auch schon seit ein paar Jahren so, liefern wir x-Millionen-Luft eines bestimmten Druckes an bestimmten Stellen, wir machen einen Vertrag an und der Vertrag ist im Prinzip nicht anders wie der Vertrag, den ich mache mit meinem Stromdienstleister. Und, was ich damit sagen will, natürlich muss der Algorithmus, das Modell muss auch wenn es B2B ist so offen sein, dass ich meine features kenne und das ist jetzt ein Begriff, der aber nichts Anderes meint als repräsentative Merkmale in meinem Modell. Und das, was du gerade gemeint hast, ja, warum sagt ein Modell du solltest jetzt lieber in der nächste Woche die Wartung machen als später, dass genau eines oder mehrere von diesen repräsentativen Merkmalen im Modell sagen „Okay, da ist es Lager und der statt 100% ist es in Richtung 90 % Qualität runter gegangen und es hat ein Punkt erreicht, wenn wir das nicht machen, haben wir später größere …“ Also da ist natürlich das Aufbrechen des Modells, des Algorithmus wichtig, aber ist dann immer wichtiger für den Betreiber selber, weil der Anbieter, der seinem Betreiber die X Kubikmeter Druck anbietet, natürlich ein Interesse daran hat, das so effizient wie möglich zu machen und den Betreiber, der das abkauft, den interessiert es irgendwann eigentlich nur soweit, dass er das vertraglich ausgemachten Mengengerüst auch bekommt und wenn der Anbieter sag „Okay, ich muss dann nächste Woche, da muss ich bei dir in der Anlage rein, wenn sie mal stillsteht“, das ist dem Betreiber, solange das dort kein Problem gibt, natürlich eigentlich egal.

Götz Müller: Jetzt hattest du schon vorhin noch ein anderes Stichwort gegeben, auch schon mit der Vorausschau, dass wir uns darüber unterhalten, weil es mich persönlich interessiert und aber auch wichtig ist. Einmal dieser Unterschied zwischen klassisch datengetriebener KI, ich glaube, das ist das, was einem als erstes einfällt, wenn man über Daten und KI spricht und dann aber eben alternativ dazu die prozessgetriebene KI.

Peter Seeberg: Ja, ich habe mir das auch erst vor ein paar Monaten quasi erklären lassen, ich war nämlich gar nicht sicher, was ich dann zu erwarten habe, aber tatsächlich … weil ich habe auch seit Jahren immer alles datengetrieben genannt, gesagt okay, wenn ich Daten habe und die Daten werden immer wichtiger, Daten sind das neue Öl, man hat es schon so oft gehört, dann ist es halt datengetrieben. Aber da gab es diesen neuen Ansatz und ich muss jetzt leider sagen, dass ich den Namen jetzt … da gibt es eine Gruppe von Professoren die sich da regelmäßig treffen und die haben gesagt: Okay, ich habe zwei Möglichkeiten. Die eine Möglichkeit ist, jetzt fange ich an und ich schaue zuerst, was für Daten ich habe und dann sag ich, okay, ich habe ABC und ich arbeite mit ABC und schaue, was da rauskommt und da kommt bestimmt was raus. Wenn ich sage, ich will meinen Ausschuss verringern und zufällig hat die Datengruppe B einen sehr großen Einfluss darauf, also kann ich mein erstes kleines Projekt machen. Aber der andere Ansatz ist eher zu sagen: Wo stehe ich? Wo will ich hin. Was kann ich alles machen? Da macht man typischerweise einen kleinen Workshop vielleicht, da reicht ein halber Tag oder einen Tag mit der Gruppe und da sage ich dann am Ende „Okay, ich weiß, welches mein Ziel ist und ich habe mir 30-40 Anwendungsfälle angeschaut und wir haben gemeinsam entschieden, Nr. 15 ist der richtige.“ und dann die Frage zu stellen: Welche Daten brauche ich denn für Anwendungsfall Nr. 15? Dafür brauche die Daten B, D und F. Oh D und F habe ich aber gar nicht. Also da kann ich trotzdem zuerst das kleine Projekt machen, aber ich weiß, dass ich mittelfristig in den nächsten zwei, drei Jahren daran arbeiten muss, die Datengruppen E und F erstmal kriege und das ist der Unterschied zwischen … ich würde sagen passiv und aktiv, also was habe ich schon und ich nutze es oder was will ich eigentlich machen, dafür habe ich es 50-60% der Daten aber die andere 40% der Daten, die muss ich noch irgendwie in nächste Zeit noch sammeln.

Götz Müller: Also eben, wie wir es eingangs hatten, stärker am gewünschten Nutzen orientiert.

Peter Seeberg: Ja. Genau. Wir gucken nur, ich habe das, weil … ich habe die Daten aus anderen Gründen, weil ich sie aus juristischen Gründen gebraucht habe, wenn irgendwo eine Rückrufaktion ist, dann habe ich A und B und C gebraucht, aber jetzt habe ich ein ganz anderes Ziel und deswegen muss ich schauen, dass ich E- und F-Daten auch bekommen.

Götz Müller: Ich könnte mir vorstellen, wenn ich halt immer mit den vorhandenen Daten anfange, dann kann so etwas auch mal, oder es besteht zumindest eine gewisse Gefahr, vielleicht so in Richtung Happy Engineering abzudriften.

Peter Seeberg: Ja, genau. Ich würde aber nicht sagen, dass man das nicht machen soll, weil ich denke, dass man einfach beides machen kann. Ich denke, wenn man wirklich ganz am Anfang steht und man hat schon Daten, sammelt Daten, ich meine, es gibt wahrscheinlich keinen Maschinenbauer, der nicht irgendwelchen Druck, Temperatur und so weiter in seiner Anlage oder rundum der Anlage misst, und damit anzufangen ist ganz sicher eine sinnvolle Geschichte. Aber eben, wenn ich sage, jetzt habe ich eine Strategie, die setze ich vielleicht für die nächsten drei Jahre auf, da kann ich sehr wohl sagen, ich fange tatsächlich an, mit dem, was ich habe, aber ich weiß, dass ich in den nächsten zwei Jahren einen parallelen Prozess habe, für den wieder jemand anders vielleicht zuständig ist, dafür zu sorgen, dass ich in zwei Jahren auch die Datengruppen E und F zusätzlich bekomm.

Götz Müller: Jetzt haben wir viel über Algorithmen, über Daten geredet. Was, glaube ich, aber eben auch eine wichtige Rolle spielt, speziell wenn es dann in die begleitenden Veränderungen reingeht, ist halt der Mensch und da ist zum Einstieg noch die Frage, welche Rolle spielt deiner Ansicht nach der Mensch bei der KI in der Produktion?

Peter Seeberg: Der Mensch bei der KI in der Produktion hat eine sehr zentrale Rolle, zumindest, sage ich mal, der Domainexperte. Ohne den geht's nicht. Ich habe ja unterschiedliche Arten, der ein oder andere hat vielleicht schon mal gehört von supervised oder unsupervised, vor allem in supervised, also in diesem, ich gebe dem Algorithmus bestimmter Datenpaare mit, also Input, Output und sage dann später dem Algorithmus so, jetzt gibt's neue Datenpaare und die musst du lieber Algorithmus bitte für mich jetzt klassifizieren nach links und rechts. Das kann immer nur funktionieren mithilfe des Spezialisten, des Domainexperte. Nur der Domainexperte, der kann sagen „Okay, jetzt schaue ich mir 100 Bilder an von diesem Produkt, was hier übers Band geht und die Bildkamera mit Modell dahinter soll dann immer entscheiden, das ist okay oder nicht okay.“ Und das kann ja nur der eher der Domainexperte. Der Domainexperte, der nicht nur der Produktmanager ist oder derjenige, der das alles ausdenkt, aber sehr wohl auch in dem Fall vielleicht der Werker, der Werker, der das bis jetzt gemacht hat und da ist natürlich immer in vielen Fällen, das Problem, dass Werker A eine andere Klassifizierung vornimmt als Werker B. Da muss man sich dann auch einig sein. Aber zuerst hat mal der Mensch eine sehr zentrale Rolle. Das ist dann natürlich bei der Einführung von bestimmten KI-basierten Modellen/-Ansätzen/-Anwendungsfälle durch ein Modell, durch ein Stück Automatisierung. Das bedeutet in dem Fall, dass der Werker das nicht macht. Wir haben da in unsere Podcast ein Beispiel: BMW, da wird das Typenschild hinten auf dem BMW, ich glaube, es gibt drei Stück sogar, 5er, 3er, 6 und dann noch zwei, drei andere, das ist in bestimmten Ländern, bei uns gibt's das ja auch, in bestimmten Länder ist es auch eine ganz wichtige Geschichte und uns wurde erzählt, da hat der Werker immer ein bisschen Angst und Bange gehabt, wenn er das nicht hundertprozentig richtig gemacht oder kontrolliert hat und uns wurde erzählt, dass eigentlich der Werker, nachdem das Projekt angelaufen ist, mit dem Werker am Band zusammen, und als es dann übernommen wurde von diesem Modell, dass der Werke sehr zufrieden war und gesagt „Okay, ich bin sehr froh, dass wir das jetzt nicht machen müssen.“ Das bedeutet, das ist ein Stück höhere Automatisierungstiefe in dem Fall. Also dass der ein oder andere dann seinen Job dann ändert, ist sicher der Fall, wird sicher der Fall sein, in der Produktion. Das ganz Wichtige da ist, dass wir alle verstehen, dass unser aller Job, also die ganzen Personen, die jetzt da zuhören, das gilt für dich, das gilt für mich, ich habe eigentlich schon meinen Job ziemlich stark geändert, aber jeder Job wird ändern in den nächsten Jahren, also alles, was wiederholbar ist, egal welcher Job es ist, das wird automatisiert werden. Davon bin ich fest überzeugt und es wichtig ist, dass diese Digitalisierungswelle, sage ich mal, eine weiterführende Industrie 4.0, es tatsächlich nicht unbedingt, explizit der Werker ist, der in den ersten drei industriellen Revolutionen ja typischerweise immer automatisiert wurde. Es sind ganz andere Aktivitäten auf einer breiteren höheren Ebene. Das beste Beispiele nach wie vor ist der Radiologe, sage ich mal, also der Radiologe, dessen Hauptaufgabe oder eine wichtige zentrale Aufgabe ist die Diagnose von Bildern, nicht mehr so stark die Röntgenbilder, oder wenn dann kommen die halt als Pixel auf den Bildschirm, und da kommt jetzt mittlerweile der Algorithmus, wenn der durchschnittliche Radiologe das mit einer Genauigkeit von, ich sage nur mal ein Beispiel, 95% bei einem bestimmten Problem das macht, dann kann mittlerweile der Algorithmus das vielleicht 96/97 und damit will ich nicht sagen, dass wir keinen Radiologen brauchen, aber ich will damit sagen, dass der Job des Radiologen sich damit sehr, sehr grundsätzlich ändern wird. Und ich wollte es nur als Beispiel genannt haben, dass für uns alle, egal in welchem Bereich der Zuhörer tätig ist, jeder muss sich überlegen, welche sind die wiederholbarer Aktivitäten. Im Fall des Radiologen ist es halt eben „Ich schaue auf meinen Bildschirm und ich entscheide, ob ich da ein Problem sehe oder kein Problem sehe.“ und für jemand anderes ist das wieder etwas ganz anders und jeder von uns muss sich überlegen in der nächsten Zeit, diese Anteile seines eigenen Jobs quasi zu minimalisieren, weil der wird dann irgendwann sowieso automatisiert.

Götz Müller: Ja. Das möchte ich noch ein bisschen vertiefen, im Sinne von: Wie verändern sich die Berufsbilder speziell in der Produktion, einerseits auf der Werkerebene, ich könnten mir aber eben auch vorstellen auf den Ebenen drüber, also in den Führungsrollen?

Peter Seeberg: Ja. Wenn ich das genau wüsste … Also es ist wahrscheinlich tatsächlich natürlich so, dass wenn ich jetzt in der heutigen Produktion gucke und, ja, wenn ich sage, wenn ich es wüsste, dann meine ich nur, schau, wo wir gerade als Welt sind, diese Woche gegenüber letzte Woche, vorletzte Woche. Das ändert sich alles. Digitalisierung bekommt ein unglaublichen Schub. Das wussten wir nicht. Das kann ich also nicht wissen. Aber in der Produktion bin ich davon überzeugt, dass wir zeitlich noch flexibler werden. Also wenn ein BMW jetzt schon heute in Spartanburg produziert wird für den amerikanischen Markt, aber ich glaube, dass sie teils auch noch eben für den europäischen, dann glaube ich, dass alle Anlagen in Richtung Losgröße 1, aber zumindest dann die Fähigkeit haben werden, verschiedene Modelle aufs gleiche Band zu produzieren und viel stärker noch für den lokalen Markt. Das bedeutet natürlich eine immer tiefere Automatisierungstiefe. Nur so können wir überhaupt in Europa, in Deutschland produzieren. Das wird nur so gehen. Also dass im Endeffekt weniger Arbeiter, weniger Werker in der in der Fabrikhalle stehen. Das kann ich mir vorstellen. Aber wahrscheinlich viel mehr drum herum. Das heißt, wenn ich mehr Digitalisierung mache, ich brauche Leute, die das machen. Ich brauche mehr IT, ich brauchen mehr Leute, die sich mit Daten auskennen, mit Datenprotokollen, mit Data Engineering Software, also dieser Teil wird sicher wachsen und dort, wo ich wirklich mit der Hand was mache, es wird wahrscheinlich weniger werden, aber wird nicht Richtung Null gehen. Das glaube ich nicht.

Götz Müller: Gut, also zum Abschluss die beliebte Frage, die ich speziell bei Digitalisierungsthemen grundsätzlich stelle, du hast es ganz am Anfang ein bisschen angedeutet: Wie sieht so der typische Einstieg aus, wenn jemand sagt „Ja, Daten haben wir, die Grundlagen sind da, OEE sieht auch ganz ordentlich aus. Jetzt möchten wir was mit KI in der Produktion machen.“ Was ist da deine Empfehlung, wie so der typische Einstieg aussieht?

Peter Seeberg: Ja, ich habe da ganz konkrete Vorstellungen, auch weil das genau ist, was ich quasi mache, aber dafür braucht man mich nicht. Aber ich denke tatsächlich, dass es sehr wichtig ist, dass man sich dann als kleine Gruppe, beim Mittelständer wird sich vielleicht der Geschäftsführer mit drei, vier, fünf Leuten zusammensetzen, kann das selber machen oder holt sich tatsächlich jemanden von draußen und setzt sich eben workshopmäßig zusammen und sagt: Wo stehen wir, wo wollen wir hin, was ist das eigentlich? Davor muss man sich schon irgendwie ein bisschen eingelesen haben oder schon separat jemanden haben kommen lassen, der erzählt, was alles möglich ist und dann diese Gruppe, wo dann eben aus den unterschiedlichen Bereichen ein Repräsentant ist und der Geschäftsführer oder eben der Abteilungsleiter, wenn es eine große Firma ist, muss unbedingt im Raum sein, und dann gibt es erst mal Brainstorming „ Was ist denn alles möglich?“, stundenlang und dann kommt man vielleicht auf zwanzig, dreißig, vierzig Anwendungsfälle und dann, vor der Kaffeepause oder danach, einigt man sich auf die Kriterien, wie wir gesagt haben. Dann sage ich, habe ich dann überhaupt Daten, wie ist die Datenqualität, wie ist es mit der Organisation. Ich will nicht gleich die Welt ändern, also klein. Und so weiter und so fort. Dann fällt von selber schon der eine oder andere Anwendungsfall raus und dann den Rest des Tages kann ich wirklich mich damit beschäftigen, dass ich bis zum Nachmittag drei, vier, fünf Uhr dann sage „Okay, jetzt weiß ich meine Top 1, 2, 3 Anwendungsfälle, mit denen ich mich da betätigen möchte und dann kann ich anschließend sagen „Okay, das will ich machen und das will ich nicht machen.“ Wichtig ist, so ein erstes Projekt muss nicht viel Geld kosten. Es muss nicht in die Millionen gehen. Gut, wenn ich jetzt sage Millionen, dann ist es für eine große Firma immer noch nichts, aber für den Mittelständer, es muss keine Millionen sein. Also wenn ich irgendwo Daten habe und ich habe ein konkretes Problem und ich habe irgendjemanden an der Hand, intern oder extern, der mir wirklich bei einem kleinen Projekt helfen kann, das ist typischerweise, und nicht nur von mir, was man immer hört: Ganz klein anfangen. Es gibt auch keine Sicherheit, dass da was rauskommt, aber wenn ich Daten habe und ich habe irgendeinen Ansatz, da muss ich entscheiden, will ich das vor Ort machen oder kann ich vielleicht in einer Cloud arbeiten. Das ist so eine ganz typische Entscheidung, die dann wären so einem Workshop dann irgendwie vorbereitet oder auch entschieden werden muss. Aber das ist so ein typischer Ansatz, wo man dann weiß und sagt „Okay, jetzt weiß ich, was ich will.“ und dann hat man schon ein bisschen das Gefühl dafür, was so ein kleines Projekt kosten könnte und wenn das Geld, wenn das Budget dann da ist, dann schaut man auch, mit wem mache ich das jetzt. Kann ich das allein machen oder brauche ich tatsächlich extern jemanden dabei, der mir dabei helfen kann.

Götz Müller: Und ich höre auch irgendwo raus und würde das auch mal als eine gute Botschaft einsortieren: Der Mensch muss sich halt Gedanken drüber machen. Das nimmt einem die Maschine an der Stelle, glaube ich, noch nicht ab.

Peter Seeberg: Nee, ganz sicher nicht. Und das ist genau eben das Ding vielleicht auch dann zum Abschluss noch mal, also KI, wir haben jetzt heute nicht darüber gesprochen, aber die Definition hat ja damit zu tun, dass ich Intelligenz so detailliert beschreiben kann, dass eine Maschine sie ausführen kann und das ist eigentlich diese große Intelligenz, Artificial General, Ai. Und als ich vorhin von 9999 von 1000 Personen, die sich mit KI beschäftigen, die beschäftigen sich wirklich mit Machine Learning, mit Algorithmen, die in Daten Muster erkennen. Dieser eine, der übrig bleibt, der sitzt, oder sie sitzt, an der Uni irgendwo in der Forschung, in der Tiefenforschung Richtung tatsächlich dieser künstlichen Intelligenz, also einem Algorithmus, der irgendwie von der Intelligenz her in Richtung Mensch kommt, aber die anderen 999, die tun das nicht, die stehe mit zwei Füßen auf dem Boden und die haben verstanden, dass tatsächlich Algorithmen aus Daten Muster erkennen können und uns Menschen dabei helfen können, effizienter zu sein oder vielleicht auch neue Geschäftsmodelle einzuführen.

Götz Müller: Okay, gut. Peter, ich danke für deine Zeit da waren einige spannende Aspekte drin, die ich so auch noch nicht auf dem Schirm hatte. Ja, deshalb noch mal vielen Dank.

Peter Seeberg: Herzlichen Dank, Götz. Hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich wünsche noch eine schöne Zeit.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Peter Seeberg zum Thema KI in der Produktion. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 197.

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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder zu lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

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