Kaizen 2 go 259 : Optimierte Impfprozesse


 

Inhalt der Episode:

  • Was war Ihr Auslöser, sich mit dem Thema Impfprozesse zu beschäftigen?
  • Wie hat der Ausgangszustand ausgesehen? Was waren die offensichtlichen und versteckten Optimierungspotenziale?
  • Wie hat Ihre Vorgehensweise ausgesehen mit den relevanten Personen ins Gespräch zu kommen?
  • Was war deren erste Reaktion?
  • Wie sind Sie dann konkret vorgegangen?
  • Wie haben sich die Beteiligten vor Ort verhalten, gab es Vorbehalte?
  • Was waren die Ergebnisse bisher?
  • Wo stecken noch Potenziale drin, selbst wenn Neuss heute als schnellste Impfzentrum Deutschlands gilt?
  • Die erzielten Ergebnisse sind ja auch auf eine gewisse mediale Resonanz gestoßen. Haben sich daraus Gelegenheiten zum Transfer in andere Impfzentren ergeben?
  • Was lässt sich aus den gemachten Erfahrungen in andere Szenarien übertragen?
  • Was würden Sie mit den gemachten Erfahrungen heute anders machen, um noch mehr Wirkung zu erzielen?
  • Welche Empfehlungen lassen sich generell für öffentliche bzw. Verwaltungsszenarien (die mit Lean & Co. noch nicht in Berührung gekommen sind) ableiten?

Notizen zur Episode:


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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 259 : Optimierte Impfprozesse

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Andreas Syska bei mir im Podcast-Gespräch, erfreulicherweise wieder im Podcast Gespräch. Er ist Professor an der Hochschule Niederrhein mit dem Schwerpunkt Produktionsmanagement. Hallo Herr Syska.

Andreas Syska: Hallo Herr Müller.

Götz Müller: Ja, schön, dass Sie dabei sind. Sagen Sie gern noch mal gerne zwei, drei Sätze zu sich, bevor wir dann ins Thema einsteigen.

Andreas Syska: Ja, sehr gerne. Ich bin von Hause aus Produktionsingenieur, ich habe an der Technischen Hochschule in Aachen studiert, dort auch promoviert, war einige Jahre in der Industrie und ich habe mich schon in der Zeit mit dem Thema Fabrikorganisation und Prozessmanagement beschäftigt, habe mich dann als Berater selbstständig gemacht und bin seit einigen Jahren an besagter Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach und versuche meine Begeisterung für dieses Thema meinen Studenten weiterzugeben, aber auch meinen Kooperationspartnern in der Industrie.

Götz Müller: Und, Sie haben ich schon ein Stichwort gesagt, jetzt heute haben wir ein ganz besonderes Thema vor uns, nämlich das Thema Impfprozesse, optimierte Impfprozesse, wo Sie ja beteiligt waren und zum Einstieg so als Startfrage, was war Ihr Auslöser, sich mit dem Thema zu beschäftigen?

Andreas Syska: Wir haben vor eineinhalb Jahren etwa, im März des Jahres 2020, eindrucksvoll vermittelt bekommen, dass es sich hier um ein sehr großes Problem handelt, vielleicht eins der größten der letzten Jahrzehnte und wir nun Anstrengungen machen müssen, um dieses Problem zu beseitige. Nun bin ich kein Virologe, ich bin kein Soziologe. Ich konnte zu dem Zeitpunkt nicht viel beitragen, außer das, was ich gehört habe, vielleicht einer Plausibilitätskontrolle unterziehen, versuchen mit meinem Grundverständnis von Naturwissenschaften und logischen Denken die Sache zu ergründen und auch im privaten Umfeld zu diskutieren. Aber erst in dem Moment, wo es hieß „Wir bauen Impfzentren auf.“, habe ich mich angesprochen gefühlt. Ein Impfzentrum ist ein Betrieb und Betriebsorganisation ist meine Sache, habe ich mir gesagt, und als ich die ersten Konzepte von Impfzentren gesehen habe, sie waren so im November, Dezember des Jahres 2020 im Netz erhältlich, habe ich mir gesagt: „Nein, das kann es doch nicht sein.“ Sie sehen so ganz ordentlich aus, diese Konzepte, aber wieso geht man davon aus, dass zwischen zwei Impfungen in einer Kabine fünf Minuten vergehen, wobei die Impfung an sich, inklusive Desinfektion, diese Information bekommen Sie aus dem Netz, aus Schulungsvideos beispielsweise, nur 45 Sekunden dauert, was passiert in den anderen vier Minuten. Also habe ich mir gesagt, das kann bestimmt besser gehen, ohne dass ich die Details kenne und habe dann meine Hilfe angeboten.

Götz Müller: Das wäre jetzt schon im Grunde die nächste Frage oder Rückfrage, mit dem Hilfe anbieten. Ich weiß nicht, was Sie da für Erfahrungen machen, ich mach da immer mal wieder die Erfahrung, da schreitet nicht gleich jeder Hurra.

Andreas Syska: Also, wenn ich überhaupt irgendetwas gehört hätte, am Anfang, wäre ich ja glücklich gewesen. Ich habe versucht, lokal zu agieren. Ich wohne im Rheinland, in der Gegend Düsseldorf, Köln, Mönchengladbach, in diesem Dreieck und habe dann halt lokale Bürgermeister, Oberbürgermeister, Landräte angeschrieben und auch die Landesregierung in Düsseldorf und die übliche Reaktion war nicht zu reagieren. Im übrigen, ich habe bei der Aufzählung die Kassenärztliche Vereinigung vergessen, die auch zu denen gehört hat, die nicht reagiert hat. Wenn reagiert worden ist, dann in der Form: „Ja, da können wir nichts machen. Da sind wir nicht zuständig. Leistungssteigerung geht nur über mehr Ärzte und das haben wir nicht in unserem Einflussgebiet.“ Glücklicherweise hat dann aber auf zweites Nachfassen mein Heimatkreis sich gemeldet, angestoßen durch den ehemaligen Gesundheitsminister, der im übrigen Bundestagsabgeordnete hier im Kreis ist, hat dann angefragt. „Na gut, zu verlieren haben wir ja nichts. Schauen Sie sich das Impfzentrum mal an, wir glauben, das ist ganz ordentlich organisiert, aber wenn Sie meinen Sie finden da noch etwas, sehr, sehr gerne.“ und ich muss Ihnen sagen, ich war sehr froh, dass überhaupt irgendjemand diese Hilfe hat annehmen wollen und so ging dann halt alles seinen Weg. Aber einfach war es nicht und ich frage mich bis heute, woher dieses Desinteresse gekommen ist, einen Prozess, den man damals als entscheidend angesehen hat für die Pandemiebekämpfung, nicht noch zu verbessern.

Götz Müller: Ja, ich finde das spannend, was Sie erzählen. Im Grunde, ein bisschen böse ausgedrückt, vielleicht hätte ich es gar nicht anders erwartet, die Reaktion, die sie jetzt geschildert haben. Andererseits kenne ich natürlich, auch aus der Zeit etwa, kam relativ schnell ja ein Artikel im Netz raus, dass in UK, in Großbritannien ja ganz aktiv, dass die dort auf Toyota zugegangen sind und gesagt haben: „Ihr kennt euch doch mit sowas aus, könnt ihr uns nicht helfen?“

Andreas Syska: Also, ich kann da nur mutmaßen, ich bin kein politischer Mensch, kein politisch denkender Mensch und deswegen, wie gesagt, bleibt es bei Mutmaßungen, aber ich habe den Eindruck gewonnen, dass, wenn eine Landesregierung die Aufgabe, Impfungen im Impfzentrum durchzuführen an die Kommunen weitergibt, ist für die Landesregierung das Problem gelöst, weil sie ist nicht mehr verantwortlich dafür und wenn in einer Kommune, das habe ich auch aus anderen Regionen Deutschlands gehört, ein Impfzentrum aufgebaut ist, dann ist das halt auch für manch einen Landrat oder Bürgermeister erledigt, weil man hat jetzt das getan, was man politisch tun konnte und deswegen hat auch keinen Leidensdruck.

Götz Müller: Ja, ja, aber ich glaube, das sind jetzt die Dinge, an denen wir zwei wahrscheinlich gar nichts ändern könnten oder können. Deshalb konzentrieren wir uns wieder stärker auf das, was Sie dort erlebt haben in dem Impfzentrum und da würde mich jetzt interessieren, wie hat denn dann, Sie haben es ein bisschen angedeutet, wie hat denn dieser Ausgangszustand ausgesehen?

Andreas Syska: Also man hat dort in dem Impfzentrum, das ist eben in der Stadt Neuss in einem gemischten Gewerbe- und Weiterbildungsgebiet, eine Sporthalle angemietet beziehungsweise übernommen, denn Sport in Hallen fand ja zu dem Zeitpunkt nicht satt und hat dort in dieser Sporthalle, in der Handball und Basketball normalerweise gespielt wird, ein Impfzentrum aufgebaut nach den Vorgaben der Landesregierung oder der Kassenärztlichen Vereinigung und hat das ganz gut hingekriegt. Man hat einen Empfangsbereich aufgebaut im Vorraum dieser Sporthalle und in der Sporthalle selber hat man acht Linien aufgebaut, in denen dann halt geimpft worden ist. Es sah erst einmal nicht schlecht aus und man hatte aber schon erkannt, dass bestimmte Dinge nicht richtig funktionieren. Dadurch dass dieses Impfzentrum halt in Flussorientierung aufgebaut war, konnte man natürlich Engpässe und Verschwendungen sehr gut erkennen. Vielleicht erkläre ich noch mal den grundsätzlichen Aufbau. Sie kommen in dieses Impfzentrum hinein und werden erst einmal auf ihre Körpertemperatur überprüft und angehalten, sich noch einmal die Hände zu desinfizieren. Das ist die Station 1. Ein oder zwei Personen, die so etwas parallel machen und dann kommt die nächste Station, dort wird Ihre Identität überprüft und auch, ob Sie einen Termin haben, das sind so zwischen zwei und vier Schaltern, die da besetzt waren. Dann gehen Sie in die Halle und werden dort von Mitarbeiterinnen auf acht Linien verteilt, je nachdem, wo die wenigsten Leute sitzen und welcher Impfstoff dort vergeben wird, werden Sie halt auf die eine oder andere Linie verteilt und dann geht es nach einer strengen Linienorganisation weiter. Sie werden aufgerufen und gehen dann zur ersten Station der Linie, in der noch einmal Daten erfasst werden, und zwar die medizinischen Daten, also die Erklärung, die sie abzugeben haben, der Anamnesebogen, alle diese Dinge, und wenn das erledigt ist, konnten Sie dann weitergehen bis zur Impfkabine und dort haben Sie Ihre Impfung erhalten und dann sich in einen Warteraum einzufinden und dort eine Zeit zu verweilen, bis Sie das Impfzentrum zur anderen Seite der Halle verlassen konnten. Also eine schöne Flussorientierung, dadurch, dass eine Sporthalle war, hatte man die Gelegenheit, oben auf der Galerie den Prozess von oben zu sehen, aus der Sprecherkabine und dort hat auch das Management in der Sprecherkabine und in dem Bereich nebendran die Arbeiten durchgeführt und Sie konnten den Prozess von oben sehen, zumindest bei den Linien, die nah an dieser Galerie waren. Und es war wie im Lehrbuch, also Sie konnten, ich habe es ja gerade gesagt, Sie konnten Engpässe erkennen, Sie konnten Wartezeiten erkennen. Es war fantastisch, um Zykluszeiten aufzunehmen, Videoanalysen zu machen und sehr, sehr schnell war klar, dass der Prozess der medizinischen Registrierung, also Anamnesebogen abgeben und diese Dinge, der Engpass war, das war für den gesamten Prozess der Bottleneck, es war ein klassischer Wertstrom, den man aufnehmen konnte, mit Zykluszeiten, dividiert durch die Anzahl der Kapazitäten, da haben Sie gesehen, der Bereich bestimmt den Output des gesamten Impfzentrums und Sie konnten es auch erkennen, wenn Sie ein Stückchen in die andere Richtung geschaut haben, ein paar Meter weiter, zu den jeweiligen Impfkabinen und das Impfpersonal dort gesehen, haben wie es nichts zu tun hatte, teilweise den Kopf aus der Kabine gestreckt hat, auf der Suche nach zu impfenden Personen. Ganz klar der Bottleneck war die medizinische Registrierung. Und dann haben wir uns das natürlich genauer angeschaut.

Götz Müller: Gut. In dem Kontext würde mich dann interessieren, Sie haben jetzt gerade schon von mir gesprochen, würde mich dann interessieren, wie sah dann die Reaktion der Menschen vor Ort aus, also die Menschen, die dort gearbeitet haben?

Andreas Syska: Das war ganz unterschiedlich. Die Organisation dieses Impfzentrum war zweigeteilt, also das medizinische war in Händen Kassenärztlichen Vereinigung, die dort Mitarbeiter entsendet hat und auch eine Mitarbeiterin, die nun auch das von dieser Seite hier verantwortete und von der Organisation hat der Kreis Verwaltungsangestellte dorthin geschickt, also die kamen aus den verschiedensten Organisationen des Kreises, die Leiterin dieses Impfzentrum, ist im eigentlichen Beruf die Leiterin der Führerscheinstelle des Kreises und sie hatten nun die Aufgabe, dieses Impfzentrum vom Organisatorischen her zu managen und besagte organisatorische Leiterin, war begeistert davon. Es war hochwillkommen, weil sie gesagt hat, „Das wächst über den Kopf.“, wir wissen, dass wir schon einiges gemacht haben, aber wir haben nicht die Zeit, weiter zu verbessern ist. Weil man ist mit Terminvergabe, mit organisatorischen Problemen, mit dem Organisieren von Hilfsstoffen, dem Reporting gegenüber Landrat und Ministerium, ist man so sehr beschäftigt, dass man sich gar nicht um das Verbessern kümmern konnte, und ich habe mich sehr darüber gefreut, wie ich da mit offenen Armen empfangen worden bin. Skeptisch war man dann eher auf der medizinischen Seite. Also in den Impfkabinen sind beschäftigt in der Regel eine Ärztin, ein Arzt und eine MFA und in der Organisation in der Halle und außerhalb haben wir sehr viele Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, wie die Malteser, den Johannitern. Und von dort habe ich kritische Stimmen gehört, die sagen: „Na ja, das ist ein Impfprozess, hier geht es um Menschen, um Gesundheit, das kann man nicht organisieren wie eine Fabrik.“. Und auch Ärzte sagten dann auch an der und an anderen Stellen „Na ja. Ich bin mit meiner Unterschrift im Impfpass dafür verantwortlich, dass das Ganze regelgerecht abgelaufen ist.“ und sie haben durchblicken lassen, dass sie da keinen Eingriff in den Arbeitsprozess wünschen. Das war auch gar nicht notwendig. Aber paradoxerweise, wir haben uns die Impfprozesse angeschaut, ich habe wie gesagt viele Videoanalysen gemacht. Ich war, dazu möchte ich nachher noch unbedingt etwas sagen, auch im Prozess selber und habe dort mitgearbeitet. Das ist für mich eine Grundvoraussetzung, um solche Dinge zu machen. Aber noch mal zurück zur Zeitanalyse, Sie nehmen Zykluszeiten auch, Sie kennen ja dieses Thema, und analysieren diese Zeiten. Was ich immer gerne mache, auch in Fabriken, ist zu schauen, ist der Prozess stabil oder streuen diese Zeiten sehr stark. Und die Zeiten haben extrem gestreut, also gerade bei den administrativen Dingen, bei dieser medizinischen Registrierung. Das war kaum zu fassen. Also im wahrsten Sinne des Wortes, mit Händen zu greifen, was da der Mittelwert sein sollte. Aber ich kann Ihnen sagen, es gibt Prozesse, die laufen unglaublich getaktet und das ist, dreimal dürfen Sie raten, der Prozess des Impfens selber. Der läuft mit einer Präzision und einer Wiederholgenauigkeit, die vorbildlich ist. Kein Wunder. Das ist ein Prozess, der wird trainiert, der wird geschult, da gibt es Standard, der wird weltweit hunderte von Millionen Mal jedes Jahr getan und es ist eine Routine. Und deswegen streuten diese Zeiten dort auch kaum. Interessant ist, dass wenn Sie die Impfkabine 1 mit der Impfkabine 2 verglichen haben, dann streuten diese Zeiten bei Impfkabine 1 und Impfkabine 2 nicht sehr, aber untereinander schon, das heißt, jeder hat so seinen Standard, den hat er oder dieses Team aber sehr, sehr gut eingehalten und dann habe ich mich natürlich gefragt, wenn die eine mit einem standardisierten Prozess, der regelkonform ist, geringere Zeit brauchen als die anderen, warum kann man diesen Prozess nicht übertragen, aber da fragen Sie gerade die richtigen. Ärzte und Hochschulprofessoren haben nur noch den lieben Gott über sich und lassen sich überhaupt nicht gerne reinreden. Zum Glück war das auch noch gar nicht notwendig, weil die Organisation des Impfprozesses in den Impfkabinen wäre gut gewesen, wenn man die letzten Sekunden hätte rausholen wollen, die großen Borken waren außerhalb. Und das habe ich dann gesehen, als ich auch im Prozess mitgearbeitet habe. Also ich habe keine Aufklärungsgespräche geführt oder Impfungen durchgeführt, aber ich war dabei, als es darum ging, die Personen auf die Linien zu verteilen oder halt von einer Station, von der Registrierung hin zur Impfkabine zu begleiten und das hat mir einen sehr, sehr guten Einblick gegeben in das, was da passiert, wie die Menschen dort gearbeitet haben, aber auch wie die zu impfenden Personen reagiert haben und mit was sie sich haben herumschlagen müssen. Und ein großes Problem, das war sehr schnell zu erkennen war, dass die Unterlagen unvollständig oder falsch ausgefüllt waren, die zur medizinischen Registrierung notwendig waren und das hat im Prozess, in der Produktion würden wir sagen zur Nacharbeit geführt, und damit zu Verzögerungen und dann haben wir gesagt, wir brauchen eine Clearingstelle vorher, die erst mal schaut, ob die Unterlagen, die die Personen mitbringen, vollständig ausgefüllt sind. Und so war das dann auch. Außerhalb der Halle konnte man dann halt, haben wir Stationen aufgebaut, in denen die Unterlagen gesichtet worden sind und falls sie nicht vollständig waren, konnten die, auch außerhalb des Prozesses, wir hatten dann Stehtische gehabt, und die waren auch wettergeschützt, konnten die Personen die Informationen, die fehlten, noch nachtragen und sich dann halt in den Prozess wieder einfädeln. Und das hat unglaublich viel bei der Registrierung an Wartezeiten eingespart.

Götz Müller: Und wahrscheinlich auch an Varianz.

Andreas Syska: Und an Varianz, natürlich. Und ich habe unglaublich gute Tipps von draußen bekommen, so zum Beispiel den Tipp, diese Unterlagen, wenn sie denn gedruckt werden, gleich mit einer Nummer auszudrucken, sodass man sagen kann, die Unterlagen 1 bis 8, die kommen genau in die richtige Reihenfolge, so dass nicht jede Station dann die Unterlagen zusammensuchen und sortieren musste, dieser Sortieraufwand, der Suchaufwand, war deutlich zu sehen und deutlich zu spüren. Na ja, und das war so die erste Phase, wo die Unterlagen alle noch unvollständig waren, genau das getan haben. Ich habe da auch mitgeholfen, also ich kann Ihnen sagen, das macht einen großen, wenn Sie, zu dem Zeitpunkt wurden dann halt auch dann Feuerwehrleute, Polizeibeamte, ich spreche jetzt von März-April, geimpft und wenn Sie dann einen Polizeibeamten fragen, ob Sie mal seine Papiere sehen dürfen, das macht schon Spaß, den Spieß jetzt mal umzudrehen und das dann halt zu überprüfen und dann dieser Person zu sagen, ob das alles richtig ist oder ob sie noch was nachzuerfassen hat. Dieser Einblick auf den, wir würden sagen Shopfloor, war wirklich grandios, weil ich habe auch sehen können, mit welchen Sorgen die Leute, die zum Impfen kamen, da rumgelaufen sind. Ich erinnere mich an eine Frau, deren Unterlagen auch nicht vollständig waren, was übrigens Prozessprobleme im Vorfeld sind, das sind dann halt in den E-Mail-Anhängen unvollständige Daten verschickt worden, das sind Probleme, die außerhalb des Impfzentrums entstanden sind, die sich aber niedergeschlagen haben in langen Warteschlangen, einmal bei Temperatur von 22, 23 Grad, wo dann alte Leute in der wieder Frühlingswärme standen und von den Maltesern mit Getränken versorgt werden mussten und dann, das war so um Ostern herum, ein paar Tage später, das gleiche bei 4 Grad über Null und Eisregen. Das war nicht lustig und in dem Moment kommt natürlich auch die Presse und das Fernsehen vorbei und sagen „Was ist das für ein Impfzentrum hier?“, da müssen Sie schon frustrationstolerant sein, weil Sie nämlich im Impfzentrum genau die Dinge ausbaden, die wo anders verursacht worden sind. Besagte Frau hat den Aufklärungsbogen bekommen, den gibt es in einfacher Sprache, den gibt's auch in komplizierter Sprache und in der Regel bekommen Sie die komplizierter Sprache. Und die Frau hat dann gelesen an Ihrem Hochtisch stehend und nach einer halben Seite hat sie aufgegeben. Ich stand daneben, bereit zu helfen und sie sagte „Was ist denn mRNA-Impfstoff?“, da fragt sie gerade den richtigen, ich bin kein Virologe. Ich habe nur gesagt, es gibt unterschiedliche Stoffe, der eine ist so hergestellt, der andere so, sie wollte gar nicht weiter hören, sie hat dann gesagt: „Aber das Astra-Zeug, das geben Sie mir nicht.“ „Nein, kriegen sich hier nicht. Wir haben heute Biontech im Sonderangebot.“ Die Leute sind teilweise verängstigt und verunsichert gekommen. Ich erinnere mich an eine Frau, die sehr stark tätowiert war. Sie hat kaum noch irgendeine freie Körperfläche gehabt, ich selber bin nicht tätowiert, nirgendwo, aber ich habe gehört, das soll ja auch mit Schmerzen verbunden sein, tätowiert zu werden. Aber diese Frau hat gezittert vor Angst vor dieser Spritze.

Götz Müller: Okay.

Andreas Syska: Ich habe gesagt: „Was ist denn los?“ „Ja, seit Stunden kann ich an nichts anderes denken als an die Impfungen, die Spritze.“ „Sie sind tätowiert, Sie müssen doch so etwas, das muss doch gewohnt sein für Sie?“ Wissen Sie, Herr Müller, ich glaube, die gesamte mediale Begleitung, um sie mal so auszudrücken, hat die Leute kirre gemacht. Die sind ängstlich und schlotternd und nervös in dieses Impfzentrum gekommen, das kommt dann noch obendrauf. Und wenn sie dann eine schlechte Organisation haben, dann potenziert sich das Ganze, aber das ist die Situation, die wir dann am Anfang vorgefunden haben und die hat sich dann auch schrittweise verbessert. Also zunächst einmal kam der bessere Durchfluss, dadurch dass wir den Bottleneck sukzessive aufgelöst haben, durch verschiedene Maßnahmen. Wenn die Unterlagen dann doch nicht doppelt vorhanden waren, wobei ich mich frage, warum das Ganze. Nur um es abzuheften im Büro der Kassenärztlichen Vereinigung, dann mussten die kopiert werden, dann haben wir durchgesetzt, dass Kopierer in diese Kabinen kamen, wo diese Registrierung stattgefunden hat. Das waren nicht die schnellsten Kopieren dieser Welt, aber es war immerhin einer da und die Leute mussten nicht ins Büro gehen, um dort die Unterlagen zu kopieren und und und. Also so wurden dann bestimmte Dinge verbessert, die Flussorientierung, die ja nun ein großer Vorteil ist, wenn Sie Probleme erkennen wollen, hat das System aber ein bisschen starr gemacht. Denn Sie hatten die Situation gehabt, dass, sagen wir mal, in der Linie 4 die Impfkabine frei war, aber in der Linie 5, fünf Leute in der Warteschlange waren, aber die haben sich nicht gesehen, wegen der drei Meter hohen Wände dazwischen. Es gab aber einen Quergang, wo Sie das Ganze sehr gut erkennen konnte und mein Vorschlag war dann, die Leute, die die Einweisung in die Halle machen, das war vier, fünf Personen, die kaum etwas zu tun hatten, einfach bis auf ein, zwei verbleibende Personen, zu verlagern in diesen Quergang und das haben die grandios gemacht, die Mitarbeiterinnen, die haben immer gesehen, welche Impfkabine gerade frei ist und haben Leute dann halt umgesetzt. Ich habe das auch mal gemacht. „Wollen Sie schneller geimpft werden?“ Ein älteres Paar, was vor der Innenkabine an fünfter, sechster Stelle war „Ja, natürlich.“ „Kommen Sie bitte mit.“ Dann sind wir zur Linie 3 gegangen und da war auch gerade frei und es ist ja so viel auch Psychologie. Da guckte dann aus der Impfkabine eine MFA heraus, die ich selber gar nicht kannte, dann habe ich diesen beiden Personen dann gesagt „Das ist heute Ihr Glückstag, weil das ist unsere Beste, Sie haben richtig Glück, dass sie von ihr geimpft werden.“, da blühten diese beiden alten Leute auf und sind dann beschwingt in die Impfkabine reingegangen. Das sind die Dinge, die Sie auf dem Shopfloor sehen, auch den Stress, den die Menschen haben. Auch die Mitarbeiter der Hilfsorganisation, die versuchen eine Krise nach der anderen zu bewältigen. So nach zwei, drei Wochen des Umstellens war der Prozess ruhiger, deutlich, deutlich ruhiger. Es floss viel besser, die einzelnen Bereiche waren gut abgetaktet, die Warteschlangen draußen waren kurz. Ich bin vorgefahren, vorm Impfzentrum, keine Warteschlange. Ich bin rein: „Heute wieder kein Impfstoff?“ – „Nein, es läuft. Gucken Sie mal.“ Und in der Tat, ein schneller Takt, ein hoher Durchsatz und keiner hatte Stress. Die Impflinge, so nennen sie die zu impfenden Personen, die Person, die unten am Shopfloor arbeiten und das Management, was auch dünnhäutig wurde in den täglichen Besprechungen, keiner hatte mehr Stress. Das heißt, wir haben die Effizienz gesteigert und gleichzeitig auch halt die Zufriedenheit und für mich ist das aber, für Sie möglicherweise auch als Lean-Experte, das sind für mich zwei Seiten der gleichen Medaille. Ich bin nicht effizienter und dann glücklicherweise auch noch angenehmer im Arbeiten, sondern weil die Arbeit angenehmer ist, ist sie auch effizienter geworden.

Götz Müller: Ich fand es so spannend, wie Sie anfangs gesagt haben, oder die erste Reaktion, ja, wir bauen ja keine Autos, nach dem Motto, aber im Grunde, die einzelnen Details, die sie erzählt hatten, sind ja genau die Dinge, die wir in klassischen Fabriken sehen, dass die eigentliche Wertschöpfung hocheffizient ist, aber alles andere außen rum, um es mal hart auszudrücken, manchmal das blanke Chaos.

Andreas Syska: Ja, und die Wertschöpfung selber, ich habe so ein Modell, wo ich Wertschöpfung, aber auch administrativen Support and so etwas in der Erweiterung unseres Modells, was wir kennen, dokumentiere, nämlich der einzige wertschöpfende Punkt ist nämlich der Stich in den Arm, also nicht mal die Desinfektion, das ist eine Vorbereitung des Ganzen. Und der wertschöpfende Prozess dauert 15 Sekunden. Alles andere drumherum ist nur Mittel zum Zweck. Und die Sichtweise hat sich dann eben im Impfzentrum auch breit gemacht.

Götz Müller: Wenn Sie jetzt, ich glaube, was ich gelesen habe, Sie waren dann zum Schluss unter einer Minute, oder?

Andreas Syska: Unter einer Minuten nie. Also wir haben stabil und sicher, zu beliebigen Zeitpunkten dann auch analysiert, waren wir bei 2 Minuten 10 etwa. Das war etwas, was wir immer durchhalten konnten. Eingeplant sind aber auch zu besten Zeiten nie mehr als ein Takt von 2 Minuten 30, was die Hälfte ist von dem, was die Kassenärztliche Vereinigung zu Anfang mal kalkuliert hat. In Spitzenzeiten haben wir Zyklen von 90 oder 80 Sekunden gemessen und das hing aber auch an der Impfkabine selber, an der Organisation dort. Dort konnte man erkennen, welche Organisationsform die bessere ist und welche nicht die bessere ist. 90, 80 Sekunden, das ist möglich. Davon bin ich heute noch überzeugt, dass dieses Impfzentrum auch in einem 80-Sekunden-Takt impfen könnte.

Götz Müller: Mir kommt jetzt gerade noch ein ganz anderer Gedanke. Ich habe auch vor ein paar Monaten mittlerweile schon, einen Bericht aus Kanada gelesen und die hatten einen spannenden Ansatz, die haben nicht die Menschen, also Sie nannten es Impflinge, wenn ich es richtig verstanden habe, nicht die Impflinge bewegt, sondern die Impflinge saßen an einem festen Platz und alles außenrum hat sich bewegt. Das heißt, die Menschen, die jetzt mit der Person zugange waren, kamen zu der Person und waren im Grunde im Fluss. Was halten Sie von dem Gedanken?

Andreas Syska: Das habe ich in einem Impfzentrum in Hessen gesehen. Ich bin dann auch eingeladen worden, mir das anschauen und ich kenne das kanadische Beispiel jetzt nicht. Das mag eine gute Idee sein, aber das, was ich in Hessen gesehen habe, war nicht überzeugend, weil nämlich dieses Gehen, die Personen, die zu impfen waren, waren in Kabinen und dann kam halt die MFA vorbei mit Impfbesteck und haben dann halt die Person geimpft. Das war mit Wegezeiten und mit Rüstzeiten verbunden, Rüstzeiten deswegen, weil in dem Fall die Impfung halt auch dokumentiert werden musste am Computer und in jeder Impfkabine war ein Computer, der musste dann wieder hochgefahren werden und man musste sich einloggen. Das hat länger gedauert als die eigentliche Impfung. Und das hatte ich dort auch den Verantwortlichen mitgeteilt, dass ich das anders organisieren würde und nicht so. Aber pauschal kann man da nichts sagen und das bringt mich noch zu einem anderen Punkt. Vielleicht hätten Sie die Frage noch gestellt. Natürlich kamen dann Anfragen von anderen, ob sie sich mal was abschauen können und man war da sehr offen, ist man auch bis heute hin. Dann habe ich aber Enttäuschung mitbekommen, und zwar bei diejenigen, die es sich anschauen wollten, weil sie festgestellt haben, dass der Impfprozesse in Neuss ja ganz anders ist als in dem Ort, aus dem sie kommen. Also ich hatte Interessenten aus dem Stuttgarter Raum, aus dem Ruhrgebiet. Hintergrund ist, wir haben 16 Bundesländer in Deutschland und 17 Kassenärztliche Vereinigungen. Nordrhein-Westfalen leistet sich zwei Kassenärztliche Vereinigung. Jeder hat einen anderen als Standardablauf. Also es gibt dann welche, die sagen, es muss einen Checkout geben, beispielsweise in Westfalen, der Impfprozesse, der Durchlauf endet mit einem Checkout, in dem dann halt der Impfpass auch fertiggestellt wird. Im Rheinland, da wo das Impfzentrum Neuss ist, war der von außen vorgesehene Prozesse ein anderer. Da musste nämlich in der Impfkabine selber unmittelbar die Impfung bestätigt werden und auch das Registrieren und die Dateneingabe sind anders organisiert oder es gab andere Vorgaben. Von daher, all die Freunde des Best Practice Sharings waren enttäuscht, weil die Rahmenbedingungen andere waren und was mich aber dazu gebracht hat, zu sagen, na ja gut, in Fabriken fällt man doch auch immer wieder auf die Nase, wenn man pauschal Kanban-Boards kopiert. Man muss sehen, wo man hinmöchte und dann hat man das Lean-Verständnis im Kopf und die Philosophie und dann baut man sich seine Werkzeuge selber und seine Lösungen. Lösungen übertragen, das ging nicht gut.

Götz Müller: Ja, aber im Grunde ist es auch wie im, nennen wir es mal wie im realen Leben, man kann Lösungen nicht eins zu eins kopieren, man muss sich immer anschauen, was habe ich da vor Ort und dann muss man darüber nachdenken, was sind die fundamentalen Prinzipien, um etwas zu verbessern und wenn ich die anwende, glaube ich, funktioniert es schon, nur das eins zu eins kopieren geht halt nicht.

Andreas Syska: Wir haben auch Anfragen bekommen, bestimmte Lösungen weiterzuleiten, also das Team in Neuss, ich habe da selber keinen Beitrag geleistet, hat sich per 3D-Druck eine Halterung erzeugt, in der die Spritzen, die aufgezogenen Spritzen dann halt sicher in die Kabinen transportiert worden sind und die Anfrage kam dann halt, am besten gleich mal die 3D-Druck-Daten rüberzuschicken, damit man sich sowas auch bauen kann. Da habe ich gesagt, können wir sicherlich gerne machen, also nachdem ich das Okay bekommen habe, aber wie sieht’s denn mit einer Gegenleistung aus und dann haben wir nie wieder was von diesen Leuten gehört. Also so etwas gibt's natürlich auch „Gib mal eure besten Ideen und wir betrachten das aber als eine Knowhow-Einbahnstraßen“. Nein, das funktioniert so nicht.

Götz Müller: Wenn Sie jetzt mal zurückdenken auf den Ausgangspunkt, können Sie dann in irgendeiner Weise sagen, mit dem Wissen, das Sie jetzt nach im Grunde mehreren Monaten gewonnen haben, hätten Sie am Anfang irgendetwas anderes gemacht?

Andreas Syska: Ja, habe ich mich auch gefragt. Und wenn ich jetzt nein sage, dann klingt das anmaßend. Ich habe mich gefragt, wo man hätte ansetzen müssen. Ich hatte eben gerade gesagt, dass das Thema Impfzentren vielleicht nie diese Bedeutung hatte. Also als die Impfzentren aufgebaut worden sind, hieß es „Ja, schön und gut, aber wir brauchen Impfstoffe.“, dann kamen die Impfstoffe, jetzt bin ich so gedanklich im Mai angekommen, dann wurden die Kapazitäten aber erweitert, also Stichwort niedergelassene Ärzte und Impfungen in Betrieben, das heißt, auch da waren die Impfzentren nie der Engpass und jetzt sind die Impfstoffe da und die Impfzentren, ich weiß von anderen auch und das in Neuss könnten quasi ohne Voranmeldung per Walk-in Leute impfen und haben eine Kapazität, traumhaft groß ist, aber offensichtlich mangelt es jetzt an impfwilligen Menschen. Also wäre das mal ein Bottleneck im gesamten Impfprozess gewesen, dann hätten wir da viel mehr Schwung reinbekommen. Vielleicht hätte man ein bisschen mehr Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld machen können, aber was die Arbeit am Prozess angeht, nein. Ich glaube, da ist nicht viel falsch gelaufen. Bitte verstehen sie das nicht falsch, ich wäre chancenlos gewesen, wenn das Team, ich sprach immer von den Verwaltungsangestellten, das nicht so hervorragend umgesetzt hätte. Also wenn es eine Sache gibt, die man da als Learning da rausziehen kann, ist, schimpfen Sie bitte nie wieder die öffentliche Verwaltung, Behörden etc. Es kommt ganz klar drauf an. Ich habe Unterschiede gesehen bei dem Management des Impfzentrums. Die Leute, die in ihrem sonstigen Beruf Stabsabteilungen sind oder irgendwelche kundenfremden Dinge machen, die waren dann halt im Impfzentrum auch nicht die Dynamischsten, die ideenreichsten, aber diejenigen, ich sprach gerade von der Führerscheinstelle im Kreis Neuss, diejenigen, die Kundenkontakt haben, die sind gut, die sind wirklich gut. Dir sind pragmatisch, die können eine Variante einbauen, die sind lösungsorientiert, die wissen mit den Menschen umzugehen. Also ganz, ganz toll. Es zeigt sich auch bei einer Transformation von A nach B mit Lean-Instrumenten, wenn Sie Leute haben, die ein Händchen für andere Menschen haben und den Prozess aus dem Effeff kennen, dann ist das eine gute Mischung.

Götz Müller: Ja sind bringt mich auch schon fast zu meiner Abschlussfrage, die ich immer ganz gern stelle und ich glaube, an der Stelle ist es besonders spannend, was lässt sich denn aus dieser Erfahrung Impfprozess und Sie sagten es ja schon öffentlichen Verwaltungsszenarien, was lässt sich auf andere öffentliche Verwaltungsszenarien, die halt vielleicht mit Lean noch nie in Berührung kommen, was lässt sich da übertragen, empfehlen, ableiten?

Andreas Syska: Also ich wüsste nicht, was sich da nicht übertragen lässt, ich habe einige Kurse an der Hochschule, berufsbegleitend, Studenten, die berufsbegleitend studieren, und ich gebe ihnen häufig die Aufgabe, sie mögen mal schildern, in was für einem berufliche Umfeld sie sind und welche Verschwendungen sie da sehen, Herr Müller, es gibt nichts, wo es das nicht gibt und die Studenten sind teilweise erstaunt, dass man auch bestimmte Dinge so sehen kann, also ob das nun karitative Einrichtungen sind, die Stadtverwaltung irgendwo, Kreditinstitute, wo immer diese Studenten herkommen, wo sie gerade arbeiten, im elterlichen Handwerksbetrieb, überall sehen sie plötzlich diese Verschwendungen. Ich denke, wenn wir das Bewusstsein für Wertschöpfung und Verschwendung fördern können, dann ist schon eine ganze Menge getan. Ich tu mich aber ein bisschen schwer mit der Frage, wie können jetzt andere davon lernen, weil da sehe ich uns Lean-Experten irgendwo auf dem hohen Ross sitzen und sagen, na ja, wir sind ja schon auf einer höheren Stufe der Erkenntnis und wenn die da unten im tiefen Tal mal annähernd unsere Erkenntnisreife hätten, dann wüssten die ja, wie gut das ist. Ich dreh den Spieß um. Wir müssen klar machen, was es für Möglichkeiten gibt und wenn ich da eine Empfehlung hätte, ist es, das gesamte Team Lean lösen von Produktion und von Effizienz. Das ist eine Sache des Marketings, des Wordings, des Storytellings. Es darf nicht mit Fabrik und mit Effizienz in Verbindung gebracht werden, die Abwehrreaktion habe ich ja gerade geschildert. Hier geht's schon um Menschen, um Leib und Leben und nicht um Automontage am Fließband. Also müssen wir uns als Lean-Community eigentlich sehr stark von den Wurzeln lösen. Die ja gar nicht die richtigen Wurzeln sind. Ich bin kein intimer Kenner der japanischen Gesellschaft, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Dinge, die in dieser Gesellschaft als normale Verhaltens- und Arbeitsweisen gelten, einfach von Toyota in die Fabrik übertragen worden sind und gar nicht so ungewöhnlich für Japan sind. Wir empfinden das als ungewöhnliche, wir bekommen es aus der Perspektive einer Automobilindustrie vermittelt und versuchen unserer Gesellschaft klarzumachen, dass das auch woanders geht, aber da müssen wir die Wurzeln auch kappen. Hier geht es nicht um Lean Production, sondern um Operational Exzellence oder um was auch immer.

Götz Müller: Ja.

Andreas Syska: Und das adressiere ich aber an uns selber, das müssen wir tun und wir müssen mal die Geschichte von Toyota und von Ohno, die müssen einfach mal ad acta legen. Es ist gut, dass wir es wissen, mehr oder weniger gut wissen, aber damit kriegen Sie solche Leute nicht gewonnen.

Götz Müller: Ja, und ich glaube, das klang für mich zumindest auch an, und ich habe es selber schon erlebt. Es ist manchmal viel wichtiger vielleicht sogar, eine einzelne Personen in dem Unternehmen anzuzünden und dass sie dann dort als Multiplikator agiert und nicht selber als der große wissende Klugscheißer im Extremfall aufzutreten, lieber ein paar Menschen anzünden und dann wirken die unter Umständen viel besser und viel nachhaltiger, weil wir ja irgendwann wieder weg sind.

Andreas Syska: Das ist auch meine große Hoffnung und dass das auch mit den Menschen passiert, mit denen ich gemeinsam dieses Projekt bearbeiten durfte, in Industrieprojekten erlebe ich das. Ich habe eigentlich zu den meisten Unternehmen auch bis heute noch Kontakt, für die ich gearbeitet habe und mir fällt ein Beispiel ein eines Unternehmens, wo wir mit viel Leidenschaft ein Produktionsstandort Lean nach vorne gebracht haben, dass wir im gesamten Konzern nachher mustergültig und nun ist dieser Standort aber geschlossen worden, weil der Konzern sich von dem Produkt getrennt hat. Damit sind die Personen verteilt worden, innerhalb des Konzerns, andere haben den Konzern verlassen und ich bekomme, dass diese Leute dieses Gedankengut aber an ihre neue Arbeitsstelle, an ihre neue Wirkstätte mitnehmen. Das heißt, sie haben dort ausgesät oder woanders blühen jetzt Pflänzchen und hoffentlich kommt es auch zur Ernte. Und ja, Sie haben es anzünden genannt, ich nenne es gerne auch begeistern, das wird der Weg sein, ganz genau.

Götz Müller: Prima, gut. Also ich bin begeistert über die Unterhaltung, über das, was Sie vermitteln konnten. Ich hatte ja eine gewisse Vorahnung, aber die ist definitiv noch getoppt worden, deshalb ich danke Ihnen für Ihre Zeit.

Andreas Syska: Ich bin es, der zu danken hat, Sie haben den Anstoß gegeben für dieses Gespräch und Sie haben sich die Zeit genommen, das alles vorbereitet, Herr Müller, vielen herzlichen Dank.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Andreas Syska zum Thema Optimierte Impfprozesse. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 259.

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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

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