Kaizen 2 go 280 : Talententwicklungsprozesse


 

Inhalt der Episode:

  • In welchen Szenarien ist die Talententwicklung ein geeignetes Werkzeug?
  • Welche Voraussetzungen sind dafür notwendig?
  • Wie sieht die Aufgabenteilung zwischen der fachlichen Führungskraft und der Personalabteilung & Personalentwicklung aus?
  • Wie wirkt Tagesgeschäft und Talententwicklung zusammen?
  • Welche Rolle im Prozess kommt der zu entwickelnden Person zu?
  • Wo liegen die Grenzen von Talententwicklung? Wie sind sie erkennbar und ggf. beeinflussbar?
  • Wie vermeidet man, dass entwickelte Talente abwandern?
  • Wie steigt man am besten in die Talententwicklung ein?

Notizen zur Episode:


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Wenn Sie selbst ein interessantes Thema für eine Episode im Umfeld von Geschäftsprozessen haben, können Sie mir das auf dieser Seite mit Vorbereitungsfragen vorschlagen.

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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 280 : Talententwicklungsprozesse

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Hans-Heinz Wisotzky bei mir im Podcast-Gespräch. Er ist Unternehmer und Berater für Executive Search und innovatives Recruiting. Hallo Hans-Heinz.

Hans-Heinz Wisotzky: Hallo, grüß dich. Danke schön, dass ich dabei sein darf.

Götz Müller: Ja, sehr schön, dass du dabei bist. Ich habe schon zwei, drei Stichworte zu dir gesagt, aber stell dich gern den Zuhörern nochmal in drei, vier, fünf Sätzen vor.

Hans-Heinz Wisotzky: Ja, sehr gerne. Hans-Heinz Wisotzky mein Name, ich bin 53 Jahre jung und habe verschiedene Herzen in meiner Brust. Das eine ist, ich habe ein Unternehmen im Bereich Executive Search mit mehreren anderen Gesellschafterinnen noch zusammen. Wir sind eine Executive Search Boutique mit Sitz in Düsseldorf und wir platzieren Führungskräfte im Mittelstand, bei Startups und unter anderem auch im medizinischen Umfeld, bei Krankenhäusern und Kliniken und das andere Thema ist ein Herzensthema. Ich habe einen eigenen Podcast, der nennt sich GainTalents, da geht es um Talente entwickeln und Talente gewinnen und aus dem Thema ist auch ein Beratungsgeschäft entstanden und so berate ich heute eben Startups und Mittelstandsunternehmen beim Aufbau, ich sage immer zukunftsfähiger und innovativer Recruiting-Struktur.

Götz Müller: Mhm. Ja, und das Stichwort Talententwicklung und die Prozesse, die im Grunde dahinterstecken, sind ja heute unser Thema und vielleicht zum Einstieg damit die Zuhörer sich vorstellen, wo ich denn überall in einem Unternehmen, in welchen, ja, ich habe Szenarien genannt, wo ich denn Talententwicklung einsetzen kann und wann es nützlich und sinnvoll ist?

Hans-Heinz Wisotzky: Ja. Also, eigentlich geht das durch alle Bereiche in Unternehmen, also selbst bei den Auszubildenden geht es ja eigentlich schon los, ja, dass ich da Talententwicklung betreiben kann, bis natürlich über Fachkräfte hin zu Führungskräften und am Ende des Tages geht es ja immer um das Thema Aus- und Weiterbildung. Und das ist, glaube ich, in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, weil Talente sehr bewusst schauen, zu welchem Arbeitgeber gehe ich und was kann ich da mitnehmen auch für mich. Und da geht es häufig gar nicht mehr so sehr um reine finanzielle Anreize, sondern das Thema Aus- und Weiterbildung, übrigens auch nicht nur fachlich, sondern insbesondere auch persönlich oder in Richtung Führungskräftelaufbahn, das wird immer wichtiger.

Götz Müller: Ja, und jetzt, wo du so die ersten Sätze gesagt hast, ist bei mir das, ja wie soll man es ausdrücken, das Gefühl entstanden, speziell Talente, die ja schon ein bisschen was mitbringen, man sagt ja immer Talent hat man vielleicht schon ein bisschen was, die, glaube ich, gucken auf so ein Thema nochmal besonders aufmerksam.

Hans-Heinz Wisotzky: Ja, ich glaub ja, in jedem Menschen steckt Talent, deswegen heißt ja auch mein Podcast GainTalents, am Ende des Tages ist es ja immer die Frage: Wo möchte ich mich hin entwickeln? Ja, ist das eine fachliche Laufbahn, ist das eine Führungslaufbahn oder ist es vielleicht sogar ein Thema, was mich in meiner Persönlichkeit weiterentwickelt und vor dem Hintergrund finde ich den Begriff sehr allgemein bedeutend, aber am Ende des Tages geht es um Aus- und Weiterbildung.

Götz Müller: Ja. Jetzt glaube ich würden wir über so ein Thema grundsätzlich gar nicht reden, das ist auch eine Sache, die ich in fast jeder Episode auf die eine oder andere Weise so ausdrücke, wenn es vielleicht nicht gewisse entweder Herausforderungen oder mal grundsätzlich Voraussetzungen gibt, die ich dafür, ja, am Anfang mal schaffen muss, damit das überhaupt funktioniert. Also hier jetzt dann eben konkret zum Start nachgefragt: Was sind Voraussetzungen, welcher Art auch immer, die dafür notwendig sind?

Hans-Heinz Wisotzky: Ja. Also, ich glaube, die wichtigsten Voraussetzungen sind natürlich die Bereitschaft, sowohl beim Unternehmen als auch bei den Talenten, dass ich mich überhaupt in so eine, ich sag mal Entwicklungsphase hinein bewegen möchte und vor dem Hintergrund ist es dann natürlich auch wichtig, zu reflektieren, a) was ist jetzt aus Unternehmenssicht eigentlich relevant im Sinne der Weiterentwicklung und auch Ausbildung und auf der anderen Seite aber was sind die individuellen Anforderungen, die nach hoffentlich tiefgehenden Gesprächen mit dem Talent dann eben identifiziert werden, um zu schauen: Okay, wie bringen wir das denn übereinander?

Götz Müller: Ja. Da höre ich dann auch schon ein bisschen raus, es geht einerseits, und das hattest du ja auch schon gesagt, es geht einerseits um fachliche Themen, wo ich mal vermute, die fachliche Führungskraft spielt eine gewisse Rolle und dann geht es um so klassische Dinge wie Personalentwicklung, wo es ja sowas wie eine Personalabteilung mit angegliederter, hoffentlich, Personalentwicklung gibt und da dann nachgefragt: Wie teilen sie sich die Aufgaben? Kann man es irgendwie abgrenzen?

Hans-Heinz Wisotzky: Mhm. Also vielleicht mache ich mal ein Beispiel, wie wir das zum Beispiel bei uns in der Personalberatung machen. Da gibt es ganz klar im Prinzip drei Stränge, ja. Man muss es nicht so weit treiben, aber ich erläutere das nur mal, warum wir das tun. Das erste ist, es ist eine fachliche Weiterentwicklung, Ausbildung. Das heißt bei uns, wer bei uns zum Beispiel im Research arbeitet, das sind die Menschen, die eben andere Führungskräfte ansprechen, damit wir die für andere Unternehmen, für unsere Mandanten, gewinnen können. Also, die brauchen einfach eine sehr gute Ausbildung, damit sie das, was sie tun auch sehr, sehr guttun können. Und daran arbeiten wir tagtäglich. Das ist ein ganzes Tool-Set, Methodenset, was man einfach lernen muss und damit meine ich jetzt nicht so Basisqualifikationen, wie dass ich kommunikativ sein muss, dass ich auch durchaus in der Lage sein muss, mich sehr schnell auf unterschiedlichste Ansprechpartner einzustellen und so weiter. Das ist eigentlich für uns schon so ein Basiskriterium, aber dann geht es eben wirklich in diese Methodenausbildung usw. Das ist das eine. Das zweite ist, uns ist ganz wichtig, dass die Menschen sich auch von ihrer Persönlichkeit weiterentwickeln. Ja, das können also Persönlichkeitsentwicklungsseminare sein, wo es dann auch schon ein bisschen mehr Tiefgang gibt ja, wo man sich auch mal mit so ein paar Fragen auseinandersetzen muss wie „Wo will ich eigentlich mal hin?“ oder „Warum will ich eigentlich irgendwo mal hin? Und das ist ja schon ein bisschen tiefgreifender. Und das dritte, was wir zum Beispiel anbieten, hat gar nichts, weder mit a) noch mit b), also weder mit fachlicher Weiterentwicklung noch mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun, sondern das stellen wir unseren Mitarbeitenden frei. Also, wenn die sagen, „Ich möchte einen Chinesischkurs machen, weil es mich einfach bereichert und weil ich da schon immer Lust darauf hatte“, dann gibt es diese Möglichkeit, das zu tun und wir unterstützen das dann entweder durch Zeit oder durch Finanzen.

Götz Müller: Was ja eben auch eine sehr persönliche Geschichte ist, das kann man auch nicht über einen Kamm scheren.

Hans-Heinz Wisotzky: Genau. Und ich glaube, über solche Mechanismen können wir uns heute auch differenzieren gegenüber unseren Wettbewerbern, weil es gibt viele Unternehmen, die setzen ebenso Entwicklungsprogramme so auf, dass es sehr generisch ist. Man sagt eben: Okay, wir haben halt so und so viele Mitarbeiter und dann haben wir so und so viel Budget und dann müssen wir gucken, dass wir die alle irgendwie ein bisschen glücklich machen. Und das ist überhaupt nicht unser Ansatz. Also wir geben dann lieber mal ein bisschen mehr aus in einem Jahr, weil wir genau sehen, da ist jetzt gerade Entwicklungsbedarf und dann gucken wir lieber, dass wir dann im Folgejahr vielleicht auf andere Dinge fokussieren. Ja, so und, also ich sage mal, generell ist es, glaube ich, wichtig und du hattest eben, glaube ich, auch von Führungslaufbahnen gesprochen, wenn wir jetzt mal einfach nur auf der Fachebene bleiben, auch da ist es ja wichtig, unabhängig davon, ob ich eine Führungskarriere anstrebe oder nicht, auch da muss sich ja mich persönlich weiterentwickeln. Und von daher, für mich hat das immer diese beiden Komponenten.

Götz Müller: Ja, und ich glaube, man darf halt als Unternehmen auch da nicht alles über einen Kamm scheren und sagen: „Jeder strebt nach einer Führungslaufbahn oder jeder möchte sich auf einer Führungslaufbahn bewegen.“ Manchen Menschen, und ich habe selber solche kennengelernt, denen tut man im Grunde gar keinen Gefallen und man verliert dann dazu noch unter Umständen eine hervorragende Fachkraft.

Hans-Heinz Wisotzky: Richtig. Und auch das ist ein Teil von Talententwicklung, denn es ist auch Pflicht von, ich sage mal Vorgesetzten und Unternehmenslenkern, Geschäftsführungen, zu erkennen: Wo überfordere ich Menschen denn gegebenenfalls? Dann können die Maßnahmen so gut sein, wie sie intendiert sind, aber am Ende des Tages muss es ja für alle Beteiligten passen, also sowohl für die Menschen, die wir weiterentwickeln wollen, als auch für das Unternehmen. Und manchmal tue ich Menschen eben keinen Gefallen damit, und deswegen habe ich ja eben auch gesagt, diese individuelle Komponente, also erstmal in die Analyse zu gehen, wirklich tiefgründige Gespräche zu führen und zu fragen: „Okay, wo möchtest du überhaupt hin, wo siehst du dich?“ Und nicht im Sinne von „Also wir haben jetzt gesehen, du bist“, ich mache mal ein Beispiel, „du bist im Vertrieb ganz hervorragend, möchtest du nicht Team Leader Sales werden oder Vertriebsleiter?“ So, das ist, das wäre mir zu singulär. Da muss man schon etwas tiefer gehen und mit den Menschen darüber sprechen und auch da ganz klar reflektieren, ist das denn auch ein Ziel für diese Person?

Götz Müller: Ja, ja und im Extremfall mache ich die Person völlig unglücklich, weil sie in der Führungsrolle gar nicht sein möchte und verliert gleichzeitig noch einen wunderbaren Vertriebler.

Hans-Heinz Wisotzky: Genauso ist es. Und das passiert leider sehr, sehr oft.

Götz Müller: Ja, ja. Gut, jetzt haben wir ein bisschen auch über die Aufgabenteilung schon ansatzweise gesprochen, speziell wenn es dann um die fachliche Führungskraft geht. Für die Personalabteilung, würde ich sagen, ist das ja Teil des Tagesgeschäftes, für die fachliche Führungskraft, die also einen Mitarbeiter entwickeln soll oder daran mitwirken soll ist es ja nicht notwendigerweise primäres Tagesgeschäft, kann man zwar durchaus unterschiedlicher Meinung sein, und ich habe da auch meine eigene Meinung, dass das eigentlich ein Teil des Tagesgeschäfts ist. Trotzdem sieht es nicht jeder so. Was begegnet dir da, im Sinne von Herausforderungen, und wie geht man dann damit um?

Hans-Heinz Wisotzky: Also ich muss noch mal ganz kurz nachfragen, wenn du von einer fachlichen Führungskraft sprichst, was meinst du genau damit? Differenzierst du jetzt nochmal zwischen einer disziplinarischen Vorgesetztenrolle und einer fachlichen vorgesetzten Rolle oder was ist der Hintergrund?

Götz Müller: Ja, nein, okay, danke für die Nachfrage, nein, ich meine einfach die Vorgesetztenrolle des Mitarbeiters, der entwickelt werden soll.

Hans-Heinz Wisotzky: Also unabhängig davon, ob es fachlich oder disziplinarisch ist? Ja, okay. Also ich glaube, dass, also Führung an sich
besteht ja aus vielen Komponenten, aber leider Gottes reduziert sich das heute immer wieder sehr stark auf das Business als solches, ja, also viele Führungskräfte sind eben heute so unterwegs, dass sie eben sagen: „Okay, ich habe ein gewisses Geschäftsziel zu erfüllen, da habe ich spezifische Vorgaben und die kaskadieren dann meistens runter auf mein Team.“ Und deswegen unterhält man sich eben sehr, sehr viel darüber, was können wir denn jetzt geschäftsseitig tun, damit wir diese Ziele erreichen. So weit, so gut, alles auch wichtig und auch richtig. Was dabei aber leider Gottes immer viel zu kurz kommt, ist eben diese persönliche Komponente im Sinne von Führung miteinander und die Frage ist ja auch immer: Wie kriege ich es eigentlich hin, dass ich als Führungskraft Menschen in meinem Team habe, die eigentlich komplett autark laufen können? Ja, also ich finde für mich immer, es gibt nichts schlimmeres, ich hasse Micro Management, ja, also für mich ist es ganz, ganz schrecklich, wenn ich irgendwie jetzt mit anderen Menschen aus meinem Team alle zwei Tage zusammensitzen müsste und über kleinste Zahlen gehen müsste, ja, das wäre für mich der Alptraum, weil ich glaube, dass Menschen selbstbestimmt und auch so intrinsisch motiviert sind, dass sie eben einen guten Job machen wollen. So, und ich frage mich als Führungskraft immer, was muss ich eigentlich tun, um diese Menschen zu enabeln, um denen alles möglich zu machen, damit sie sich entfalten können und damit die ihre Leistung bringen können? Und das kommt meines Erachtens viel zu häufig viel zu kurz in Unternehmen.

Götz Müller: Ja. Ja, und das hat ja dann auch die Wechselwirkung im Grunde, wenn ich dann, sagen wir mal das Micro Management losgeworden bin, dann gewinne ich ja selber als Führungskraft wieder neue Freiräume.

Hans-Heinz Wisotzky: Genau. Aber für viele ist das nicht so einsichtig. Für viele ist das erstmal Kontrollverlust. Ja, aber dieses Enablement, was ich gerade genannt hab, das ist eigentlich das Stichwort: Was muss ich tun, um andere Menschen stark zu machen in meiner Organisation? Und im Zweifel sogar so stark zu machen, dass ich mich irgendwann vielleicht sogar ersetzen können. Nicht, weil ich mich selber wegrationalisieren will, sondern einfach, weil ich dann auch nach außen zeigen kann: Hey, ich habe sogar für meinen Nachfolger gesagt oder Nachfolgerin.

Götz Müller: Ja. Gut, jetzt haben wir uns ja in den letzten Minuten im Grunde auf die, nennen wir es mal unterstützende Person, also die, die andere entwickelt, konzentriert, aber natürlich haben wir auch die andere Seite, nämlich die zu entwickelnde Person und die spielt ja natürlich auch eine Rolle und welche Rolle in dem Gesamtkonglomerat kommt der jetzt zu, auch im Sinne von Initiative und unter solchen Schlagworten, möchte ich es mal nennen?

Hans-Heinz Wisotzky: Ja, gut. Also ich muss natürlich als Mitarbeitender oder Mitarbeitende, muss ich natürlich auch eine Bereitschaft mitbringen, das war ja das, was ich ganz am Anfang gesagt habe, dass ich mich überhaupt entwickeln lassen möchte. Ja, ich sag mal, in der Fachlichkeit ergibt sich das relativ schnell, weil da sieht man ja auch relativ zeitnah nach dem Onboarding oder im Onboarding meistens schon, wo gibt es vielleicht fachliche Bereiche, wo ich mich weiterentwickeln muss. Das ist, glaube ich, relativ einfach. Wenn es aber Menschen gibt, die sagen: Nein, mir ist das auch zu anstrengend hier, so Themen wie Persönlichkeitsentwicklung oder auch in Richtung Führungskraft mich zu entwickeln, dann muss man das auch akzeptieren, glaube ich, solange der Rest eben stimmt.

Götz Müller: Mhm. Ja, und ich glaube, man muss ein Stück weit die Person mindestens mal ermutigen, allein das zu äußern, vielleicht eben zu sagen: „Nein, möchte ich nicht oder hier ist meine persönliche, aktuell vielleicht wahrgenommene, Grenze und ab dort würde jetzt eine Überforderung sogar beginnen.“

Hans-Heinz Wisotzky: Genau. Und das ist aber dann wieder ein Führungsthema, das ist ja dann wieder die Aufgabe der Führungskraft, die dann eben einen Rahmen zur Verfügung stellen muss, in dem das eben möglich ist und wo eben eine Kultur dann auch herrscht, dass Menschen, nur weil sie dann gewisse Dinge nicht wollen, dadurch keine Nachteile erfahren.

Götz Müller: Ja, ich glaube, das kann ein sehr schmaler Grat sein.

Hans-Heinz Wisotzky: Ja. Aber ich glaube, in einer offenen Kultur, wo man auch offen kommunizieren kann und sich auch offen austauschen kann über das, was ich möchte und was ich auch nicht möchte, ist das durchaus möglich heute und das Gute daran, auch für die Führungskraft, ist ja, man weiß ja relativ schnell, woran man ist.

Götz Müller: Ja, und ich mache einerseits die Person, die jetzt nicht entwickelt werden möchte oder nicht in die Richtung, wie ich es mir vielleicht vorstelle, mache ich nicht unglücklich und selber gewinne ich mich dann, gewinne ich ja wieder, jetzt als entwickelnde Führungskraft, gewinne ich ja wieder Freiräume, mich auf andere Dinge zu konzentrieren.

Hans-Heinz Wisotzky: Ja. Lass uns doch mal ein Beispiel machen. Ich hatte mal in einem meiner Unternehmen jemanden, der war im Customer Support und der war totaler Sportfreak und der hat zu mir gesagt: Hans-Heinz, pass auf, in der Zeit, wo ich hier bin, gebe ich 120%, 150%, alles, was drin ist, aber lass mich in Ruhe mit so Weiterentwicklungsachen in Richtung Führungskraft und so, ich hatte immer gedacht, der wäre irgendwann auch mal ein guter Team Leader oder so. Er hat gesagt: Das interessiert mich alles nicht. Ich möchte hier, und zwar jetzt keinen Nine-to-Five-Job machen, sondern wirklich, der hat alles gegeben und der war auch richtig, richtig gut, aber für mich war da klar, okay, das ist so wie es ist und ich höre jetzt auch auf, da weiter nachzubohren, weil erstens, die Person möchte das nicht und zweitens, mir eröffnet das ja auch keinen Pfad für die Zukunft, also muss ich mich nach anderen Menschen umschauen, die in so eine Leaderrolle, dann reinrutschen wollen oder reingehen wollen, weil ich brauchte jemanden, der in so eine Leader- oder die in so eine Leaderrolle reinging und trotzdem war ich unglaublich froh, dass ich diese Person hatte und da auch jahrelang mit dem hochgradig zufrieden zusammengearbeitet habe.

Götz Müller: Ja, also im Grunde eben keine Zwangsbeglückung, kann man es ja fast nennen.

Hans-Heinz Wisotzky: Genau. Genauso ist es.

Götz Müller: Gut. Jetzt ist die Frage: Kann man auch Grenzen ziehen? Andeutungsweise haben wir das ja gerade schon gehabt, auch wieder in den letzten Minuten, wo endet Talententwicklung und wie, wenn es die Grenzen gibt, wo erkenne ich es? Ich meine, jetzt bei dem letzten Beispiel, glaube ich, kam es schon sehr deutlich, wenn aber halt der Mitarbeiter, die Mitarbeiterin nicht so offen ist, wie gehe ich dann damit um?

Hans-Heinz Wisotzky: Mhm ja. Welchen Teil sollen wir zuerst machen? Den ersten Teil? Also ich glaube, ich bin ein ganz großer Fan von lebenslangen Lernen. Ich glaube, das geht nie zu Ende. Weil selbst wenn ich aus dem Job draußen bin, dann will ich ja vielleicht auch noch irgendetwas machen und dann will vielleicht auch noch etwas lernen, was ich nicht kann und wenn es ein Sport ist oder ein Hobby. Ich glaube, das geht nie weg und wenn man sich mal so die letzten, wenn ich mir nur die letzten 20 Jahre von mir anschaue, wow ja, was hat man da für eine Lernkurve durchlaufen und ich bin mir ganz sicher, dass das die nächsten 15 Jahre genauso weitergeht. Und von daher, also aus meiner Sicht geht das nicht weg und es wird immer wieder Felder geben, wo man auch, sowohl fachlich als auch persönlich, an sich arbeiten muss, weil mit einer neuen Aufgabe, insbesondere, wenn es eine Führungsaufgabe ist, kommen auch neue Herausforderungen. Das Team ist anders, die Menschen sind andere, vielleicht ist Region eine andere, vielleicht ist das Land ein anderes, was auch immer, oder die Unternehmensgröße, vielleicht hat gerade wieder eine neue Digitalisierungswelle alles verändert, in den Ablaufprozessen etc. pp. Also es hört ja nicht auf, es wird eher anspruchsvoller. Und deswegen glaube ich, ist das unglaublich wichtig, dass man da an der Stelle weitermacht. Ja, und wenn ich eben Menschen habe, die, wie gesagt, die zwar, ich sage mal für ihre Aufgabe da in eine Entwicklung gehen, aber für weitere Dinge eben nicht zur Verfügung stehen, dann gilt das, was ich eben gesagt habe.

Götz Müller: Ja, weil ja sowohl auf der persönlichen wie auf der technischen Ebene, ich nenne es jetzt mal technische Ebene, fachliche Ebene, ja, die Welt draußen, ja nicht stehen bleibt.

Hans-Heinz Wisotzky: Genau. Genauso ist es.

Götz Müller: Ja. Gut, jetzt kennst du wahrscheinlich auch diesen Spruch, wo der Unternehmensinhaber und sein Finanzchef sich unterhalten und „Was kostet Weiterbildung und so weiter?“ Und dann sagt dann sagt der Finanzchef …

Hans-Heinz Wisotzky: Was kostet es uns, wenn die Person an Bord bleibt? Das ist eine absolut treffende Frage.

Götz Müller: Also, was ja dahinter steckt im Grunde, wie vermeide ich, ich kann es ja nicht verhindern, aber wie, ich doch irgendwo dagegenwirken, dass, jetzt habe ich in jemanden investiert, Zeit und Geld, und jetzt geht er weg?

Hans-Heinz Wisotzky: Ja, ich glaube, das ist die falsche Frage. Ich bleibe mal noch mal bei dem Beispiel von unseren Research-Kräften. Unser Anspruch ist, dass wir die Menschen, die bei uns im Research tätig sind, zu den besten Researchern in ganz Deutschland machen, und wir wissen, wenn die zwei Jahre bei uns sind, dann werden die jeden Tag vom Headhunter angerufen, das ist so, weil in dem Markt ist es auch extrem eng. Und wenn die Menschen gehen wollen, dann kannst du sie sowieso nicht aufhalten. Das heißt, die Frage ist doch vielmehr, die man sich stellen muss ist, was muss ich tun als Unternehmen, um diese Menschen idealerweise bei uns zu behalten, ohne sie jetzt wirklich an uns zu knebeln, ja, da gibt es ja auch die wildesten Sachen, mit der Ausbildung, wenn du bei uns eine Ausbildung machst, dann musst du so und so lang eine Arbeitszeitvertrag unterschreiben oder was auch immer. Also das alles macht aus meiner Sicht überhaupt keinen Sinn. So, und ganz ehrlich bei uns sind Menschen, die kommen mit einem Masterabschluss rein und bei uns telefoniert so eine Researchkraft fünfzig bis hundert Menschen ab am Tag. So. Hast du einen Master gemacht, um das zehn Jahre lang in deinem Leben zu machen? Ja, ich mach da ein riesengroßes Fragezeichen dran. Es gibt aber Menschen, die haben da richtig Bock drauf und die machen das ihr Leben lang. Das ist auch gut, aber mir ist klar, wenn wir solche Menschen an Bord holen, dann sind die maximal zwei bis drei Jahre bei uns und dann machen die etwas anderes und ich freue mich sogar für die Menschen, wenn sie etwas anderes machen, weil ich glaube, für die eigene Entwicklung ist das auch extrem wichtig, etwas anderes zu tun. Nichtsdestotrotz machen wir die Tür weit auf und sagen: Wenn du irgendwann wiederkommen willst, weil du denkst, unser Unternehmen war toll, du hast sehr Spaß gehabt und die Arbeit ist dann doch vielleicht das, wo du deine Zukunft siehst, dann kommst du gerne wieder. Aber dann zwei oder drei Jahre nicht in die Talententwicklung zu gehen und nicht das Beste aus den Menschen rauszuholen, was rauszuholen ist, das halte ich für unglaublich falsch.

Götz Müller: Ja. Ja und im Extremfall wie halt dieser Witz weiter geht: Ja, was ist denn, wenn ich nichts tue und sie bleiben da?

Hans-Heinz Wisotzky: Ja, und das Arbeitsergebnis ist einfach schlechter. Das ist genau der Punkt und kann ich mir das heute, in der heutigen Zeit in der intensiven, wenn ich einen sehr intensiven Wettbewerb habe, kann ich mir das überhaupt leisten?

Götz Müller: Ja, und ich muss, glaube ich, eben überlegen, im Grunde wie bei jeder normalen Kommunikationssituationen, wenn mein Gegenüber mich nicht versteht, was kann ich denn ändern? Ich kann ja nur an meiner eigenen Kommunikation etwas ändern und, ja, daran feilen, damit mein Gegenüber mich versteht und jetzt auf das Thema übertragen, ich kann, Stichwort Kultur, an der Kultur arbeiten, an dem Kontext arbeiten, damit die Menschen bleiben. Ich kann sie aber nicht zwingen, ich werde sie nicht anbinden können, davon sind wir schon ein paar Jahrhunderte weg.

Hans-Heinz Wisotzky: Ja, und ich glaube auch, dass es natürlich eine ganze Reihe von Faktoren gibt, in so einer Corporate Culture, und da ist eben Aus- und Weiterbildung, Talententwicklung, ein Pfeiler davon, wenn aber die anderen Pfeiler nicht stimmen, dann werden die Leute natürlich irgendwann auch das Unternehmen verlassen. Also das muss schon im Gesamtbild stimmig sein.

Götz Müller: Ja, rund sein irgendwo. Genau. So eine Frage …

Hans-Heinz Wisotzky: Aber, also die Antwort auf die Frage, wie man das vermeidet, dass Talente abwandern, ich sag immer darauf: Du kannst das nicht vermeiden und manchmal ist es sogar gut, wenn Menschen sich nochmal verändern und nochmal Erfahrung woanders sammeln.

Götz Müller: Ja, und wie du gesagt hast, und vielleicht sogar wiederkommen.

Hans-Heinz Wisotzky: Ja, genau. Die Tür sollte man, also, wenn das alles gepasst hat, auch an der Stelle gibt es solche Ansätze und solche, aber wenn das passt, dann wäre es ja fatal, wenn man die Tür nicht weit aufmacht.

Götz Müller: Ja, ich mein grundsätzlich lässt es sich nicht vermeiden, dass halt das Gefühl besteht, auf der anderen Seite des Zauns ist das Gras grüner, und wenn ich halt dann dort bin, merke ich: Nein, wenn die Sonne drauf scheint, dann doch nicht und auf der anderen Seite hat jemand regelmäßig gegossen. Gut. Jetzt eine Frage, die ich auch immer gern zum Abschluss, so mit einem kleinen Blick auf die Uhr, stelle, wie sieht denn der Einstieg aus? Wenn ich also sage, als Zuhörer: „Ja. Das hat sich jetzt sehr spannend angehört, da haben wir noch Potenzial als Unternehmen, auch ich selber als Mensch, was kann ich tun, wie steige ich in das Thema Talententwicklung von anderen, vielleicht natürlich auch ein Stück weit auch von mir selber, wie steige ich da ein?

Hans-Heinz Wisotzky: Ja, am besten erstmal natürlich eine kritische Analyse der Ist-Situation, dass ich erstmal sage: Okay, wo stehe ich heute? Was brauche ich zukünftig? Da sage ich dann auch grundsätzlich immer Qualität vor Quantität. Es gibt viele Unternehmen, die versuchen, mit so einem Gießkannenprinzip, zum Beispiel mit so Online-Kursen und sowas, erstmal so diese ganze Basis irgendwie abzuarbeiten, die sie brauchen. Das ist auch erstmal als Basis okay, aber dann muss ich natürlich sehr individuell agieren und das hatte ich ja vorhin schon gesagt, das kriege ich am besten raus, indem ich mit den Menschen spreche. Ja, und da wirklich in eine Analyse reingehe und schaue, weil ich glaube, jedes Individuum ist auch an gewissen Stellen unterschiedlich entwicklungsfähig und darauf muss ich mich dann im Prinzip auch ausrichten.

Götz Müller: Ja, fähig und willig, wie wir schon besprochen hatten.

Hans-Heinz Wisotzky: Ganz genau so. Und grundsätzlich gibt es im Prinzip so vier wichtige Zutaten zum Thema lernen? Und das erste ist, ich muss natürlich irgendwie eine intrinsische Motivation haben. Das zweite ist idealerweise baue ich eine Lerncommunity auf, wo ich dann eben mit Gleichgesinnten mich austauschen kann. Das ist zum Beispiel einer der Gründe, warum Onboarding mit mehreren Menschen immer gut funktioniert, weil wenn ich mehrere Menschen neu ins Unternehmen hole und selbst wenn die aus unterschiedlichen Bereichen sind, die müssen ja erstmal so einen Grundstock an Wissen zum Unternehmen usw. aufbauen und das funktioniert immer gut. Oder wenn ich dann später in die Fachlichkeit gehe und sage, okay, also nochmal ein Beispiel bei uns aus der Personalberatung, wenn bei uns irgendeine Person in einen Kurs reingeht, ja. Ich mach mal ein Beispiel, Active Sourcing zum Beispiel, ja, für Research. Dann ist es so, dass nach diesem Lerninhalt, wenn das abgeschlossen ist, wir diesen Lerninhalt multiplizieren nochmal im Unternehmen, auch selbst wenn andere dabei sind, die durch diesen Kurs schon gegangen sind, weil auch da entwickelt sich alles so rasant und so schnell, dass ein Jahr später schon so viele neue Dinge dazugekommen sind, sodass wir quasi in so einem Communityansatz immer versuchen, Wissen auch zu teilen.

Götz Müller: Ja, und durch das Teilen, es gibt ja auch diesen Spruch: „Durch nichts lernt man es so gut, wie wenn man es jemand anders beibringt.“

Hans-Heinz Wisotzky: Ganz genau. Und das führt mich direkt zum dritten Punkt, das ist nämlich die direkte Anwendbarkeit im Berufsalltag, also quasi aus der Theorie in die Praxis und da auch mit einem Feedback dann, zu sagen: Okay, was hast du denn jetzt gelernt, wie wenden wir das jetzt an für den Job? Und dann gucken wir mal, was dabei rauskommt und müssen vielleicht nochmal justieren? Und dann, last but not least, es ist total wichtig, dann auch jemanden im Unternehmen zu haben, der so eine Art, ja, Mentorship oder Coaching übernimmt, um auch dann diese Lernpfade, individuell angepasst natürlich, zu definieren und dann aber auch zu reflektieren.

Götz Müller: Ja. Und das wiederum, auf einer anderen Ebene oder von einem anderen Blickwinkel aus, kann ja dann für die Personen wieder eine Entwicklungsmaßnahme sein.

Hans-Heinz Wisotzky: Genauso ist es. Richtig, ja.

Götz Müller: Ja, sehr, sehr spannend, sehr vielfältig und hat mich jetzt definitiv nicht enttäuscht, das, was ich vorher so vor meinem geistigen Auge oder durchs Hirn gedreht habe, was wir uns unterhalten werden, deshalb Hans-Heinz, ich danke dir für deine Zeit und den Zuhörern kann ich definitiv nur empfehlen, mal in deinen Podcast reinzuhören, auch als eine Möglichkeit, in das Thema einzusteigen, kann ich mir vorstellen, dass da noch viel mehr als jetzt unsere halbe Stunde zu hören gibt.

Hans-Heinz Wisotzky: 170 Folgen, ihr seid herzlich eingeladen. Hört rein, mich würde es freuen.

Götz Müller: Ja, prima.

Hans-Heinz Wisotzky: Wunderbar. Dann herzlichen Dank, dass ich dabei sein durfte.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Hans-Heinz Wisotzky zum Thema Talententwicklungsprozesse. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 280.

Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freue ich mich über Ihre Bewertung bei iTunes. Sie geben damit auch anderen Lean-Interessierten die Chance, den Podcast zu entdecken.

Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.