Kaizen 2 go 316 : Lean Construction im Mittelstand


 

Inhalt der Episode:

  • Was war Ihre erste Begegnung mit Lean Construction?
  • Was hat daran Ihr Interesse geweckt? Wie hat dann Ihr Einstieg ausgesehen?
  • Welche Erfahrungen haben Sie bisher damit gemacht?
  • Was waren die größten Fortschritte, die mit Lean Construction erzielt wurden?
  • Was sind die größten Hürden gewesen? Was hat Sie dabei positiv wie negativ überrascht?
  • Wo sehen Sie noch weiteres Entwicklungspotenzial?
  • Was kann die Bauindustrie von anderen klassischen Industrien noch lernen, die denen Lean schon weiter verbreitet ist?
  • Was können diese Branchen von der Bauindustrie im Bezug auf Lean lernen?
  • Welche Tipps können Sie Interessierten im Bau-Kontext für den Einstieg in Lean Construction geben?

Notizen zur Episode:


Mitmachen?

Wenn Sie selbst ein interessantes Thema für eine Episode im Umfeld von Geschäftsprozessen haben, können Sie mir das auf dieser Seite mit Vorbereitungsfragen vorschlagen.

Ich freue mich darauf!

Ihnen hat der Inhalt gefallen? Dann bewerten Sie die Episode bitte bei iTunes.
Jetzt eintragen und Artikel/Denkanstöße zukünftig per eMail erhalten.

Artikel teilen auf ...


(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 316 : Lean Construction im Mittelstand

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Semir Djedovic bei mir im Podcast-Gespräch. Er ist Bauleiter bei einem österreichischen Bauunternehmen, mittelständischen Bauunternehmen, ein paar hundert Mitarbeiter und wird sich auch gleich selber noch mit zwei, drei Sätzen vorstellen. Hallo, Herr Djedovic.

Semir Djedovic: Hallo Grüß Sie, freut mich, hier zu sein.

Götz Müller: Ja, ich freue mich. Ich habe schon ein kurzes Stichwort zu Ihnen gesagt, aber stellen Sie sich gerne nochmal ein bisschen vor und natürlich wird auch unsere Unterhaltung, ja, da mit eine Rolle spielen, wie sie zu dem Thema kamen.

Semir Djedovic: Ja, also mein Name ist Semir Djedovic, ich bin Bauleiter bei der Händler Gruppe. Wir sind ein mittelständisches Unternehmen in Österreich, haben zurzeit circa 520 Mitarbeiter, sind hauptsächlich im Hochbau tätig und beschäftigen uns seit einigen Jahren mit dem Thema Lean Construction und Lean Management.

Götz Müller: Ja, das war ja auch der Impuls, dass ich Sie angesprochen habe und jetzt auch zum Einstieg da noch ein bisschen weiter rein, weil ich glaube, man wird mit dem Thema ja nicht geboren, schon mal gar nicht. Das heißt, man kommt irgendwann damit in Berührung und man hatte eine Welt davor oder eine Zeit davor und dann Zeit danach. Was war so Ihre erste Begegnung mit Lean Construction?

Semir Djedovic: Also, wie Sie richtigerweise sagen, man wird mit dem Thema Lean nicht geboren. So war es bei mir auch, also das Thema Lean wurde bei uns vor einigen Jahren so als Begriff einmal quer durch den Raum geschossen. Angefangen hat das Ganze mit einem Smart-Press-Workshop, das ist dieses berühmte Lego spielen, da habe ich dann teilgenommen und war dann eigentlich fasziniert von dem Ganzen, dass es da deine neue Denkweise gibt, neue Methoden und neue Werkzeuge, wie man eigentlich Bauprojekte unterstützend abwickeln kann. Das hat so ziemlich mein Interesse geweckt und durch das Ganze habe ich dann meine, also wurde mein Interesse vertieft, wir haben dann auch mit dem Büro Refine, welches in Deutschland ansässig ist, Kooperationen gestartet und so kam ich dann eigentlich dazu, dass ich auch selbst Bauvorhaben abgewickelt habe mit dem Last Planner System, welches eine bekannte Methode in der Lean Construction ist.

Götz Müller: Ja, Sie haben es ja schon ein bisschen angedeutet und so erlebe ich es auch immer wieder beziehungsweise das ist dann auch meine Nachfrage jetzt: Wenn man von dem Thema Lean begeistert ist, dann kommt es ja oft aus einer Art von Mangel raus, dass man halt mit irgendeiner Situation, in der man halt irgendwie unterwegs ist, gar nicht zufrieden ist. Wenn das alles super wäre, dann müsste man ja nichts Neues anfangen und vielleicht das noch ein bisschen vertiefend, was war denn so der Schmerz, den sie aber als Person, als Bauleiter wahrgenommen haben und was hat sich dann verändert, wo sie mit Lean Construction, mit Last Planner anfangen haben, Ihre Baustellen zu machen?

Semir Djedovic: Es war früher so, dass man eigentlich chronisch Zeitmangel hatte. Bauleitung und Poliere waren eigentlich meiste Zeit immer überfordert, deswegen, wenn man eigentlich mit den ganzen Gewerken musste man irgendwie zurechtkommen und durch Lean Construction wurde eigentlich eine neue Denkweise geschaffen, die eigentlich Kommunikation und Kollaboration fördert zwischen den ganzen Gewerken, insbesondere im Last Planner System. Da ist es ja so, dass man eigentlich wöchentlich alle wichtigen Player vor Ort hat und gemeinsam Abstimmungen trifft. Dadurch hat der Bauleiter und der Polier, so wie es jetzt in meinem Fall zum Beispiel wäre als Bauleiter, ein viel besseres Zeitmanagement, weil man sich wirklich auf wichtige Tätigkeiten, die sogenannten wertschöpfenden Tätigkeiten, konzentrieren kann. Die wichtigen Stammgewerke, so wie Trockenbauer, Elektriker, Installateur sind Woche für Woche da, sprechen ihre ganzen Tätigkeiten durch mit den Anforderungen, die sie benötigen, damit sie das durchziehen können und dadurch erspart man sich haufenweise Telefonate, haufenweise Mails und das bringt eigentlich jedem was.

Götz Müller: Jetzt ist ja, um es vielleicht ein bisschen überspitzt auszudrücken die Bauindustrie, zumindest in meiner Wahrnehmung, nicht unbedingt, von klassischen Kontext her, dafür bekannt, dass man, obwohl man es ja muss, nicht wirklich gut zusammenarbeitet, ich drücke es auch so ein bisschen flapsig manchmal aus, im Grunde herrscht auf vielen Baustellen eine Form von Krieg und da könnte ich mir jetzt vorstellen, wenn man jetzt mit etwas Neuem kommt, da schreibt ja nicht jeder Hurra, oder?

Semir Djedovic: Genauso ist es. Also wie Sie sagen, das Baugewerbe hat leider ein bisschen so diese Krankheit, dass bei Fehlern eigentlich immer zuerst die Schuldfrage gestellt wird, wo es eigentlich im Lean Construction darum geht, wie können wir gemeinsam die gemeinsam definierten Ziele erreichen, auch wenn ein Fehler passiert. Fehler sollen dazu dienen, dass man sich stetig verbessert und nicht, dass einer dem anderen gleich mal den Schädel einschlägt, so wie wir es bei uns sagt. Und ich merke auch, je öfter und je länger man zusammenarbeitet mit dem Aspekt der Lean-Philosophie, man merkt einen gewissen Wandel auch bei den einzelnen Projektbeteiligten, dass eben dieses Gemeinsame im Vordergrund steht und das ist auch das Wichtigste. Man muss ein gemeinsames Verständnis schaffen, ohne das funktioniert auch die beste Lean-Methode nicht. Also die Lean-Philosophie muss mal in den Köpfen drin sein, damit man Schritt für Schritt dann die einzelnen Verbesserungen tätigen kann.

Götz Müller: Ja, da möchte ich jetzt noch ein bisschen nachfragen, weil ich glaube, dass das eben auch für die Zuhörer spannend ist, weil ich glaube, wir zwei zumindest, uns muss man nicht mehr davon überzeugen, aber es geht ja darum, jemanden von einer Sache zu überzeugen, die er nicht kennt, wo er jetzt diesen Nutzen selber ja noch nie erlebt hat. Wie ist es Ihnen gelungen, das Nachunternehmern beizubringen, bewusst zu machen, offen zu legen auch, dass Sie etwas davon haben? Weil jetzt mit etwas neuem anfangen, der Mensch ist halt so, also ein Gewohnheitstier, da sind Hürden drin, glaube ich, die macht man sich selber nicht immer so bewusst, aber jemand wie Sie, der halt mit etwas Neuem anfangen will, für den ist das eine Hürde, oder?

Semir Djedovic: Da stimme ich Ihnen voll zu. Also generell, wie Sie sagen, der Mensch ist ein Gewohnheitstier und sobald irgendetwas Neues kommt, gibt es einmal eine grundsätzliche Ablehnung. Der erste Gedanke oder ein berühmtes Sprichwort ist „Ja, früher haben wir es auch nicht anders gemacht“ und genau, man muss irgendwo dort ansetzen, dass natürlich, früher haben die Dinge auch funktioniert, nur das bedeutet nicht, dass sie früher sehr gut funktioniert haben oder optimal funktioniert haben und was sich natürlich jeder gleich erwartet, sind kurzfristige Erfolge. Das wird leider so in dem Fall nicht funktionieren, also man muss langfristig denken und auch ein bisschen von diesem monetären Denken wegkommen, dass alles gleich in Geld umgemünzt werden muss. Wenn Prozesse besser funktionieren, heißt das nicht, dass automatisch Einsparungen vorhanden sind, sondern dass man langfristig vielleicht Partner findet, mit denen man komplexere Projekte abwickeln kann. Und natürlich gibt es auch monetäre Vorteile. Also wir haben zum Beispiel, beim aktuellen Projekt haben wir in der gleichen Bauzeit es geschafft, dass wir vier Einheiten, also in dem Fall waren das Unterrichtsräume, fertig bekommen und das geht nur mit einem gemeinsamen Zielfokus und natürlich muss man auch den Subgewerken oder den Wertschöpfungspartnern, wie es im Lean Construction heißt, das Ganze auch verständlich machen: „Hey, du hast jetzt vielleicht nicht in einem Jahr sofort eine Verbesserung, aber du wirst merken, bei den nächsten Projekten sinken zum Beispiel deine Planungsanforderungen, weil du ganz genau weißt, was erforderlich ist.“

Götz Müller: Ja, ich glaube, so wie Sie es eingangs angedeutet hatten, und jetzt ja auch noch mal, viel kommunikativer Aufwand entfällt ein Stück weit beziehungsweise man kann sich auf neue Dinge konzentrieren. Sachen, die man manchmal so bisschen flapsig mit den „eh da“-Kosten, in die „eh da“-Kosten-Schublade steckt, also sprich, die Leute sind eh da, aber sie gewinnen halt dann oft eben neue Freiräume, um sich, wie Sie es angedeutet hatten, um sich um echte Wertschöpfung zu kümmern, statt … Kommunikation im Kern, machen wir uns nichts vor, ist selber nicht wertschöpfend, erst das, was hinten dabei rauskommt.

Semir Djedovic: Genauso ist es. Also alles, was man sich an Kommunikation, mittels Mail zum Beispiel, erspart, kann man besser nutzen in Vorbereitung für die nächsten Tätigkeiten oder Vorbereitung für nächste Projekte. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn man den ganzen Tag sitzt, Besprechung hat und dann muss man aber nochmal einen halben Tag investieren, um einen Schriftverkehr aufzusetzen, damit auch ja jeder weiß, okay, was hat wer zu tun, und im Lean Construction, insbesondere im Last-Planner-System, wird das Ganze vorher durchgesprochen und jeder weiß sofort, was zu tun ist. Wenn die wichtigsten Leute oder die Leute, die dann in den nächsten sechs Wochen, so wie es beim Last Planner ist, zu tun haben, wissen es sofort.

Götz Müller: Und sind dann eben nicht überrascht, wenn plötzlich eine Aufgabe auf sie zukommt.

Semir Djedovic: Richtig, genauso ist es.

Götz Müller: Ja, und ich glaube eben, oder auch da ihr Erleben noch abgeholt, so der, gerade die etwas nachgelagerten Gewerke, wie ein Fliesenleger, wo halt viele, viele andere Dinge ja vorher passiert sein müssen, ich habe immer das Gefühl und das wird mir auch oft bestätigt, ich meine, nicht jeder sagt es offen, aber zwischen den Zeilen hört man es raus, die Unternehmen überplanen sich ja im Grunde, weil das Schlimmste, was einem passieren kann, ist, dass man mit seinem Trupp morgens auf die Baustelle kommt und der Bauleiter sagt „Sorry, der Trockenbau ist nicht fertig geworden, ihr könnt wieder heimgehen.“ und deshalb, ähnlich wie vielleicht, auch wenn es da keiner offen zugibt, wie bei Fluggesellschaften, aber jeder hat es schon mal erlebt, dass das Flugzeug plötzlich voll ist, obwohl man Ticket hat.

Semir Djedovic: Absolut. Also ich weiß, wie es früher war, da wurde ein Termin festgesetzt, „Dann und dann fängst du an“, und es wird gar nicht überlegt, ob der überhaupt anfangen kann, sondern der Termin wurde fixiert und der muss eingehalten werden und wenn dann plötzlich alle dastehen, ah, hoppala, es fehlt dem Fliesenleger an den Vorleistungen oder der Estrich ist nicht mal ausgetrocknet, dann fangen die ersten Diskussionen an, Stehzeiten und wer ist woran Schuld und das kann man alles ganz einfach mit Kommunikation vermeiden.

Götz Müller: Ja, mit zeitnaher Kommunikation halt. Nicht, wo man einmal im Kämmerchen bis zum … ich meine, im Baukontext haben wir ja lange Projektzeiten, mir fällt jetzt spontan höchstens vielleicht noch die Entwicklung eines Autos ein, wo man, wenn es nicht gerade eine kleine Hundehütte ist, wo man vergleichbarer lange Projektzeiten hat und deshalb ist es umso wichtiger, weil das, was ich am Anfang plane, es gibt diesen anderen flapsigen Spruch: Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum.

Semir Djedovic: Ja das Schöne am Lean Construction ist ja, dass man quasi gezwungen wird, nachzudenken, was benötige ich, damit ich meine Leistung machen kann und somit holt man sich ja seine Vorgänger gleich ins Boot. Er muss natürlich das Gleiche machen und so denkt man eigentlich von rechts nach links, vom letzten Schritt, den ich machen muss, bis zum Anfang, und so ergibt sich diese Wertschöpfungskette, wo dann im Endeffekt jeder weiß, was zu tun ist. Man muss natürlich am Anfang die gemeinsame Ziele definieren, damit jeder weiß, wo wollen wir eigentlich hin.

Götz Müller: Ja, und ich glaube dadurch wird auch eine Art von interner Kunden-Lieferanten-Beziehung deutlicher, und zwar auf beiden Seiten. Ich erlebe es auch im ganz anderen Kontext immer wieder, dass jemandem gar nicht bewusst ist, wer denn eigentlich der Kunde der eigenen Leistung ist und der auf der anderen Seite, ich meine, wenn man ein Wertstromdiagramm aufmalt, dann sieht man es ganz deutlich, aber das macht nicht unbedingt jeder, wenn man zu dem auf der anderen Seite geht, der also der Kunde ist, dem ist gar nicht klar, dass er bestimmte Ansprüche äußern kann und natürlich gibt es da keine, sagen wir vertragliche Beziehung, also ein Fliesenleger hat keinen Vertrag mit dem Trockenbauer, der ihm die Wand hinstellt und trotzdem geht … ohne die Vorarbeit eben des Trockenbauers kriegt er keine Fliese an die Wand.

Semir Djedovic: Genau, so ist es. Also Lean Construction kann eigentlich nur funktionieren, weil es das bekannte Pull-Prinzip gibt, das heißt, die Leistung, die ich haben möchte, muss ich mir holen. Wenn ich nur darauf warte, dass jeder alles für mich macht, irgendwann wird man dann da stehen und das bringt einem ja selber auch nichts, weil das ist verlorene Zeit, die man irgendwo besser investieren kann. Mir ist es lieber, ich weiß, okay, ich habe noch zwei Wochen Zeit, in diesen zwei Wochen mache ich von mir aus ein anderes Projekt und weiß dann: Aha, es ist alles vorbereitet, ich kann in einem Zug arbeiten. Und das geht nur, wenn man sich selbst einerseits als Kunde sieht, andererseits natürlich auch als Lieferant, unabhängig davon, wie jetzt die Vertragssituation ist.

Götz Müller: Ja, ja und ich glaube, das ist ein wichtiges Element, ein Stück weit auch, was andere Branchen andere Industrien dann von dieser Entwicklung im Baukontext, glaube ich, eben mitnehmen können. Ich meine, Bauindustrie, kann man immer ein bisschen flapsig auch sagen, zu Pharaos Zeiten, also vor fünf Jahrtausenden, gab es schon so etwas wie eine Bauindustrie, also es ist eine sehr alte Branche, und wenn ich mir dann aber angucke, wie schnell sich da doch, wenn man es macht eben natürlich, wie schnell sich da etwas verändert und es funktioniert … das ist, glaube ich, eine große Chance für andere davon zu lernen und an der Stelle möchte ich noch ein bisschen drauf eingehen, was waren denn so einerseits Ihre, ich meine, Sie haben es schon angedeutet, mit Kommunikationswegen und Zeiten, die man einspart, was waren denn Ihre größten Fortschritte, die Sie erzielen konnten, aber eben auch was waren Hürden auf dem Weg zu dem, wo sie heute sind, und vielleicht waren auch noch einen Blick in die Zukunft, dann?

Semir Djedovic: Ein riesiger Fortschritt ist sicher auf alle Fälle die Transparenz. Jeder Projektbeteiligte hat eigentlich eine Übersicht über das Gesamtprojekt und nicht nur über seinen kleinen … also dieses berühmte Silodenken. Dadurch kann man sehr viel Input von Leuten bekommen, wo man es eigentlich vielleicht nicht erwartet hätte, aber weil der vielleicht das technische Verständnis hat, kann er dir Tipps geben zu Dingen, die ihn vielleicht nicht direkt etwas angehen, aber dennoch ist er daran interessiert, dass das ganze Projekt. Positiv abgeschlossen wird. Grundlage dafür ist natürlich eine Ehrlichkeit und dass jeder genauso denkt. Da kommen wir wieder zu diesem Grundverständnis, was sicher auch ein enormer Fortschritt war, war eben dieses bessere Zeitmanagement für mich als Bauleiter oder für einen Polier, der Polier kann wirklich darauf sich konzentrieren, dass die Qualität gehalten wird und muss nicht drei Stunden im Container sitzen und mal jeden anrufen: „Hey, wo bleibst du?“ Und, ja, gleichzeitig aber auch die Hürde, man muss jeden dazu bringen, dass er genauso auch denkt. Also was man sicher noch verbessern kann, ist ein bisschen die Auftraggeberseite mit ins Boot zu holen. Wir handhaben das jetzt mittlerweile beim dritten Projekt, dass wir Last Planner einsetzen, das Last-Planner-System einsetzen, wäre war sicherlich noch effektiver und noch effizienter, wenn die Auftraggeberseite sich daran beteiligen würde. Das ist noch ein bisschen schwierig, das Ganze umzusetzen, weil sich der natürlich denkt: Mich interessiert es nicht, wie du zum Ergebnis kommst, Hauptsache das Projekt wird dann und dann zu diesen Kosten fertig. Und ich war vor zwei Wochen, vor zwei Wochen war ich in Japan, Studienreise, dort werden IPD-Projekte eigentlich standardmäßig umgesetzt, IPD – Integrated Project Delivery, da ist es so, dass der Auftraggeber eigentlich mit ein Teil von den gesamten Prozessen ist und so sollte es meiner Meinung nach auch in Zukunft irgendwo bei uns auch umgesetzt werden.

Götz Müller: Vielleicht da für die Zuhörer, die nicht in der Baubranche unterwegs sind, wenn Sie von Auftraggeber sprechen, ist es nach meinem Verständnis, aber korrigieren Sie mich da gerne, ist es eben nicht der Bauherr, sondern es ist der Architekt primär, oder?

Semir Djedovic: Meiner Meinung nach gehört da sowohl der Bauherr als auch der Architekt dazu, oder auch die örtliche Bauaufsicht, weil im Endeffekt sind das alles Mitspieler in einem Spiel, wo man gemeinsam etwas erreichen will. Das ist dieser Punkt mit der Transparenz. Es muss eigentlich von allen Seiten eine Transparenz kommen. Der Architekt muss genauso mitspielen und dann Pläne liefern, wann es wirklich notwendig ist und nicht ständig mit Änderungen daherkommen, nur weil sich jemand verwirklichen will. Also man muss den gemeinsamen Blick aufs Ganze wahren.

Götz Müller: Was wäre jetzt Ihr Tipp für jemanden, der halt nicht in der Bauindustrie unterwegs ist, der aber vielleicht vor vergleichbaren Herausforderungen steht, wie kann es gelingen, so jemanden eher Unabhängiges, der aber doch eine zentrale Rolle spielt, den sprichwörtlich einzufangen, was kann man ihm anbieten? Welcher Nutzen kann auch für ihn drin sein? Weil das ist ja im Grunde die Frage, die sich jeder bewusst oder unbewusst stellt: Was habe ich davon?

Semir Djedovic: Im Endeffekt hat auch die Auftraggeberseite die gleichen Vorteile, wie auch die Auftragnehmer. Also er hat auch, angenommen, er hat einen Projektleiter, dann wieder eine begleitende Kontrolle et cetera, das klappt, da kann man sich einiges ersparen, indem man eben offen transparent kommuniziert, kollaborativ zusammenarbeitet und sich dann dadurch auf die wichtigen Angelegenheiten fokussieren kann. Ich glaube auch, dass es einer örtlichen Bauaufsicht keinen Spaß macht, wenn er den ganzen Tag nur am Handy suchen muss und mit Firmen streiten muss, warum etwas nicht gemacht wurde.

Götz Müller: Was würden Sie sagen, wenn man eben, wie schon ein bisschen angedeutet, klassische Industrien, also eben nicht Bauindustrie, sondern klassisch, im Sinne von, wo Lean schon weiter verbreitet ist, was kann die Bauindustrie von dort noch abholen, von dort noch lernen und dann nachher auch die Frage umgedreht, weil ich glaube ebenso, wenn so eine alte Industrie, wie die Bauindustrie auf das Pferd Lean setzt und damit eben gute Fortschritte macht, können auch wieder andere etwas davon lernen.

Semir Djedovic: Also Lean kommt ja vom Toyota Production System, also aus der Autoindustrie und von denen kann man weiterhin noch sehr viel lernen. Dort ist es so, wenn ein Fehler passiert, dann hat jeder Arbeiter die Möglichkeit, sofort an einer Schnur zu ziehen und die ganze Produktion mal zu stoppen, bis man den Fehler entdeckt hat. Das hat den Sinn, lieber kurz Fehler suchen und daraus lernen, anstatt Fehler nacheinander zu produzieren, nur damit man fertig wird. Das ist ein riesiger Punkt, wo die Baubranche vielleicht noch immer dieses Denken hat: Wurscht, Hauptsache, wir werden fertig, egal wie die Qualität ist. Aber das bringt weder den Kunden etwas noch einem als Baufirma etwas, wenn man im Endeffekt viel mehr Geld investieren muss in eine Menge Behebungen, oder dergleichen. Wo vielleicht das Baugewerbe aber dafür weiter vorne ist, ist die Flexibilität beziehungsweise die Reaktion auf Änderungen, was … bei einem iPhone kannst du keine Sonderwünsche machen wie bei einem Einfamilienhaus.

Götz Müller: Was würden Sie sagen, weil sie ja, so habe ich es zumindest rausgehört und verstanden, es ist bei Ihnen ja noch relativ frisch, das Thema, sich mit Lean Construction zu beschäftigen und Sie kennen ja eben auch die Zeit davor. Wenn jetzt jemand entweder aus dem Bau-Kontext oder eben aus einer anderen Ecke raushört, das ist eine gute Sache gewesen, was ist aus Ihrer Sicht, auch in einem kleinen Rückblick, was sind die Tipps, die Sie jemandem geben können, wenn er mit so einer ja nicht kleinen Sache neu beginnen möchte oder überhaupt beginnen möchte?

Semir Djedovic: Also es gibt sehr gute Quellen, so wie Ihr Podcast zum Beispiel, er beschäftigt sich ja intensiv mit dem Thema Lean, oder auch von refine, die haben einen Podcast, wo es um das Thema Lean geht. Also da kann man eigentlich mit, sage ich mal, relativ wenig Aufwand viele Informationen sich holen. Dann natürlich, wenn man noch tieferes Interesse hat, gibt es verschiedenste Literatur oder so, wie ich zum Beispiel, es gibt einen Masterstudiengang an der Technischen Universität Graz, zum Thema Lean Baumanagement, auch diverse Workshops, da gibt es schon einige Möglichkeiten, um tiefer in das Thema reinzugehen, und ich würde es auch jedem empfehlen, der da irgendwie in diese Richtung denkt, weil im Endeffekt, es ist zukunftsorientiert, das Ganze.

Götz Müller: Ja, zukunftsorientiert war noch ein gutes Stichwort zum Abschluss. Was würden Sie sich noch wünschen? Was, ja, was fehlt Ihnen vielleicht noch? Im Kontext Lean, im Allgemeinen, Lean in der Anwendung, wo gibt’s noch Elemente, wo Sie sagen: Ja, ich weiß vielleicht nicht genau, was es sein könnte, aber irgendwie da klemmt es noch.

Semir Djedovic: Ich würde mir wünschen vor allem, dass das Thema Lean nicht nur irgendwo hingeschrieben wird, sondern auch wirklich gelebt wird und umgesetzt wird. Es gibt genug Unternehmen, die sich … die schreiben, dass sie sich mit Lean beschäftigen, wo es aber definitiv nicht der Fall ist und dass dieses Thema auch nicht so auf die leichte Schulter genommen wird, sondern dass da auch wirklich etwas investiert wird in das Know-how, weil so wie es bei jeder Wissenschaft ist, man muss sich damit beschäftigen. Es ist, man kann nicht einfach sagen, okay, ich mach das jetzt, und das ist der Fall.

Götz Müller: Hm, ja, und ich glaube, da ist dann wieder jede Branche und jedes Unternehmen ein Stück weit wieder ein Unikat. Natürlich kann man gucken, was haben andere gemacht, aber so das fertige Kochrezept, wie ich mach mir eine Pizza, kann ich halt nicht aus der Schublade ziehen.

Semir Djedovic: Genau, so ist es. Also das Last Planner System zum Beispiel kann man leicht nachlesen und die Methodik kann man, sieht man auf einem Blatt Papier, nur ohne die nötige, das Mindset sage ich mal, nutzt das alles nichts.

Götz Müller: Und ich glaube …

Semir Djedovic: Und da muss man eben Zeit und vielleicht auch mal Geld investieren, was man auf lange Sicht dann sich sowieso wieder reinholt.

Götz Müller: Ja, und in dem Kontext, Sie hatten es auch angedeutet, eine gewisse Geduld, glaube ich, mit der Entwicklung, dass es halt nicht über Nacht passiert.

Semir Djedovic: Genau, so ist es.

Götz Müller: Prima. Ja, Herr Djedovic, ich fand das einen spannenden Einblick in die Branche, glaube ich, wo eben die allermeisten vielleicht nur einmal mit in Berührung kommen, wenn sie nämlich selber bauen und dann auch nur ziemlich von außen. Deshalb danke ich Ihnen für Ihre Zeit.

Semir Djedovic: Danke für die Einladung, hat mich gefreut.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Semir Djedovic zum Thema Lean Construction im Mittelstand. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 316.

Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freue ich mich über Ihre Bewertung bei iTunes. Sie geben damit auch anderen Lean-Interessierten die Chance, den Podcast zu entdecken.

Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.